Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Oktober 2000
Aktenzeichen: 15 W (pat) 31/99
(BPatG: Beschluss v. 09.10.2000, Az.: 15 W (pat) 31/99)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Auf die am 25. Februar 1992 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Patentamt das Patent 42 05 713 mit der Bezeichnung
"Druckfarbe, Verfahren zu ihrer Herstellung und deren Verwendung"
mit 20 Patentansprüchen erteilt. Nach Prüfung zweier dagegen eingelegter Einsprüche wurde das Patent von der Patentabteilung 43 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluß vom 23. September 1999 widerrufen, weil der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber der DE 26 35 226 A1 (1) nicht neu sei.
Im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren wurde ua noch die DE 31 38 881 A1 (2) erörtert.
Dem Beschluß lagen die Patentansprüche 1 bis 14 vom 11. September 1996, eingegangen am 19. September 1996, zugrunde.
Der Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:
"Verwendung einer Zusammensetzung als Tiefdruckfarbe für ein Tiefdruckrotationsverfahren, die in durch Schmelzen fluidisiertem Zustand verdruckbar und durch Wärmeentzug erhärtbar ist, und die ein Bindemittel bestehend aus zumindest zwei Komponentengruppen mit jeweils zumindest einem Mitglied umfaßt und die Zusammensetzung dadurch gekennzeichnet ist, daß die Mitglieder der ersten Komponentengruppe bei Umgebungstemperatur in fester Phase vorliegende kristalline Stoffe mit einem unterhalb der Schmelzintervalle von thermoplastischen Polymeren liegenden Schmelzpunkt sind, daß die Mitglieder der ersten Komponentengruppe Lösungsmittelcharakter für die Mitglieder der zweiten Komponentengruppe haben und daß die Mitglieder der zweiten Komponentengruppe bei Umgebungstemperatur in festem Zustand vorliegende Gläser, d.h. amorphe Stoffe sind, die in der erschmolzenen ersten Komponentengruppe löslich sind."
Gegen diesen Beschluß hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. Sie ist der Auffassung, daß weder die DE 26 35 226 A1 (1) noch die DE 31 38 881 A1 (2) noch der weitere im Verfahren befindliche druckschriftliche Stand der Technik die beanspruchte Verwendung neuheitsschädlich vorwegnehme oder in einer Zusammenschau nahelege. Sie ist der Auffassung, daß beim Vergleich der Erfindung mit dem erörterten Stand der Technik erhebliche Abweichungen beständen. Insbesondere seien die in (1) offenbarten Werte für die Viskosität, Arbeitstemperatur und die dort erwähnten Bedruckstoffe wie auch die dort im Beispiel erwähnte Labordruckmaschine für ein klassisches industrielles Tiefdruckrotationsverfahren nicht geeignet. In (2) werde kein Tiefdruckrotationsverfahren beschrieben, sondern ein indirekter Druck über ein Silikonkissen als Farbübertragungsglied. Auch die Bedruckstoffe (Formteile aus zB Keramik, Glas oder emailliertem Metall) zeigten, daß es sich dort um ein mit dem Tiefdruckrotationsverfahren nicht vergleichbaren Druckverfahren handle.
Sie verfolgt das Patentbegehren weiter mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 bis 13. Der Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Verwendung einer Zusammensetzung als Tiefdruckfarbe für ein Tiefdruckrotationsverfahren, die in durch Schmelzen fluidisiertem Zustand verdruckbar und durch Wärmeentzug erhärtbar ist, und die ein Bindemittel bestehend aus zumindest zwei Komponentengruppen mit jeweils zumindest einem Mitglied umfaßt und die Zusammensetzung dadurch gekennzeichnet ist, daß die Mitglieder der ersten Komponentengruppe bei Umgebungstemperatur in fester Phase vorliegende kristalline Stoffe mit einem unterhalb der Schmelzintervalle von thermoplastischen Polymeren liegenden Schmelzpunkten sind, daß die Mitglieder der ersten Komponentengruppe Lösungsmittelcharakter für die Mitglieder der zweiten Komponentengruppe haben und daß die Mitglieder der zweiten Komponentengruppe thermoplastische Polymere sind und bei Umgebungstemperatur in festem Zustand vorliegende Gläser, d.h. amorphe Stoffe sind, die in der erschmolzenen ersten Komponentengruppe löslich sind."
Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 13, überreicht in der mündlichen Verhandlung und einer noch anzupassenden Beschreibung.
Die beiden Einsprechenden treten dem Vortrag der Patentinhaberin entgegen und beantragen übereinstimmend, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Einsprechende II beantragt hilfsweise, die Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II 1. Die Beschwerde ist frist- und formgerecht erhoben worden und daher zulässig (PatG § 73). Sie hat jedoch keinen Erfolg.
2. Ob der geltende Patentanspruch 1 hinsichtlich der die Auswahl der jeweiligen Komponenten betreffenden Merkmale gegenüber der DE 26 35 226 A1 (1) neu ist, kann dahingestellt bleiben, da die beanspruchte Verwendung jedenfalls auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht.
In den meisten Tiefdruckrotationsverfahren werden auch heute noch lösungsmittelhaltige Druckfarben verwendet, wobei das Lösungsmittel, zumeist Toluol, in hohem Anteil in der Druckfarbe vorhanden ist. Die Patentinhaberin sieht diese Verwendung flüchtiger, umweltschädlicher Lösungsmittel als nachteilig an, da diese Lösungsmittel nur mit hohem maschinellen und energetischen und damit finanziellen Aufwand zurückgewonnen werden können. Sie möchte dieses Problem durch die Verwendung einer Tiefdruckfarbe lösen, die sich von herkömmlichen Druckfarben dadurch unterscheidet, daß keine zu verdampfenden Lösungsmittel eingesetzt werden. Dabei sollen die thermoplastischen schmelzbaren Druckfarben mit vergleichsweise geringem Wärmeaustausch verflüssigt und in einen niedrigviskosen, drucktechnisch praktikablen fluiden Zustand gebracht und ebenso rasch eine Wiederverfestigung nach dem Druck erreicht werden.
Im einzelnen weist die beanspruchte Lehre gemäß Patentanspruch 1 folgende Merkmale auf:
1) Verwendung einer Zusammensetzung als Tiefdruckfarbe für ein Tiefdruckrotationsverfahren;
2a) die Zusammensetzung ist in durch Schmelzen fluidisiertem Zustand verdruckbar 2b) und durch Wärmeentzug erhärtbar;
3) die Zusammensetzung umfaßt ein Bindemittel;
4) das Bindemittel besteht aus zumindest zwei Komponentengruppen mit jeweils zumindest einem Mitglied;
5a) die Mitglieder der ersten Komponentengruppe sind bei Umgebungstemperatur in fester Phase vorliegende kristalline Stoffe, 5b) weisen einen unterhalb der Schmelzintervalle von thermoplastischen Polymeren liegenden Schmelzpunkt auf 5c) und haben Lösungsmittelcharakter für die Mitglieder der zweiten Komponentengruppe;
6a) die Mitglieder der zweiten Komponentengruppe sind thermoplastische Polymere und beim Umgebungstemperatur in festem Zustand vorliegende Gläser, dh amorphe Stoffe, 6b) die in der erschmolzenen ersten Komponente löslich sind.
Der mit der Lösung des patentgemäßen Problems betraute Fachmann ist ein Chemiker mit besonderen Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet der Druckfarben, insbesondere der Schmelzdruckfarben, und zwar für alle gängigen Druckverfahren. Diesem Fachmann ist auch die DE 31 38 881 A1 (2) bekannt, die sich mit Bedruckmassen oder -medien, Druckfarbenzusammensetzungen, Verfahren zum Bedrucken oder Dekorieren eines Gegenstandes sowie bedruckten oder dekorierten Gegenständen befaßt. Die Erfinder der Lehre gemäß (2) sahen es auch als nachteilig an, lösungsmittelhaltige Druckfarben zu verwenden, da solche Druckfarben für Hochgeschwindigkeits-Vielfarbendrucke nicht völlig zufriedenstellend seien.
Überdies seien solche Farben aufgrund der Verdampfung von Lösungsmitteln über den ganzen Druckvorgang hinweg Wechseln in den rheologischen und druckenden Eigenschaften unterworfen (vgl (2) Beschreibung S 2). Sie erfanden eine Druckfarbe, die alle Merkmale aufweist wie die gemäß Streitpatent verwendete Druckfarbe. Danach ist die aus (2) bekannte Zusammensetzung der Druckfarbe in durch Schmelzen fluidisiertem Zustand verdruckbar und durch Wärmeentzug erhärtbar und umfaßt ein Bindemittel, das aus zumindest zwei Komponentengruppen mit jeweils zumindest einem Mitglied besteht (vgl Streitpatent Anspruch 1 Merkmale 2a bis 4 und (2) Ansprüche 1 bis 3). Die erste Komponente der bekannten Druckfarben wird dort als ein die Rheologie steuernde Verdünnungsmittel bezeichnet, wobei dieses Verdünnungsmittel in einer bevorzugten Variante ein Fettalkohol mit 12 bis 18 Kohlenstoffatomen ist, insbesondere ein Cetyl- oder Stearylalkohol, die auch die Patentinhaberin bevorzugt einsetzt (vgl (2) Ansprüche 2 und 12 bis 14 und Streitpatent Ansprüche 1 und 12). Da es sich bei der ersten Komponente in beiden Lehren um identische Stoffe handelt, haben diese auch identische Eigenschaften, dh auch das Merkmal 5a des Patentanspruchs 1 ist aus (2) bekannt. Die zweite Komponente ist in (2) ebenfalls ein thermoplastisches Polymer - dort als Harz bezeichnet, wobei jedes thermoplastische Harz, das die erforderliche Thermoplastizität und thermische Auflösungseigenschaften besitzt, verwendet werden kann (vgl (2) Anspruch 2 iVm S 5 Abs 3 und Streitpatent Anspruch 1 Merkmal 6a). Unstreitig ist dabei, daß Thermoplaste in der Regel amorphe Strukturen aufweisen. Als thermoplastisches Polymer werden in (2) ua Acrylharze genannt, wofür Erweichungspunkte von über 100¡C angegeben werden, während für Cetyl- und Stearylalkohol dort Schmelzpunkte von 49 bzw 58¡C genannt werden (vgl (2) Anspruch 20 und Beispiele 8 und 9). Damit ist jedoch auch das Merkmal 5b aus (2) bekannt. Die Löslichkeit der Komponenten 1 und 2, die in den Merkmalen 5c und 6b der Merkmalsanalyse des Patentanspruchs 1 angesprochen ist, ist in (2) zwar nicht expressis verbis beschrieben. Jedoch ergibt sich diese aus der Identität der streitpatentgemäßen und der in (2) beschriebenen Komponenten. Damit ist jedoch die anspruchsgemäße Druckfarbe mit den Merkmalen 2a bis 6b aus (2) bekannt.
Diese bekannte Druckfarbe nicht nur für das indirekte Bedrucken von Formgegenständen sondern auch für ein Tiefdruckrotationsverfahren zu verwenden, ist nicht erfinderisch, insbesondere da aus der DE 26 35 226 A1 (1) bereits bekannt war, Schmelzdruckfarben für Tiefdruckrotationsverfahren zu verwenden (vgl (1) Anspruch 1 iVm S 6 - handschriftliche Paginierung, Abs 3 und S 16 Zeile 1) und in (2) dem Fachmann die Lehre an die Hand gegeben wird, daß durch Variieren des Verhältnisses von Harz zu Verdünnungsmittel, dh der Komponenten 1 und 2, die Viskosität der Druckfarbe gesteuert werden kann und den Druckverhältnissen und Druckgeschwindigkeiten angepaßt werden kann (vgl (2) Beschreibung S 6 Abs 4, S 7 Abs 2). Es lag bei der gestellten Aufgabe also nahe, die aus (2) bekannte Druckfarbe auch als Tiefdruckfarbe für ein Tiefdruckrotationsverfahren auszuprobieren und in wenigen Versuchen den entsprechenden Verhältnissen anzupassen.
Die im Patentanspruch 1 des Streitpatents beschriebene Verwendung ist daher mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig. Die auf den Patentanspruch 1 zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 13 teilen das Schicksal des Anspruchs 1 (vgl BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicherheizgerät).
Bei dieser Sachlage erübrigte es sich, der Frage nachzugehen, ob die im Merkmal 5b dargestellten Temperaturverhältnisse ursprünglich offenbart sind. Auch brauchte auf die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften nicht eingegangen zu werden. Ebenso wird bei dieser Sachlage der von der Einsprechenden II gestellte Hilfsantrag einer Zurückverweisung hinfällig.
Kahr Jordan Schroeter Feuerlein Ko
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Beschluss v. 09.10.2000
Az: 15 W (pat) 31/99
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