Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Oktober 2006
Aktenzeichen: 29 W (pat) 123/04

(BPatG: Beschluss v. 18.10.2006, Az.: 29 W (pat) 123/04)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Wortmarke 398 70 815 A1-Webderen Eintragung für die Dienstleistung "Telekommunikation" der Klasse 38 am 20. Juli 2000 veröffentlicht wurde, ist unbeschränkt Widerspruch erhoben worden aus der älteren Wortmarke 398 07 533 A1 die für die Waren und Dienstleistungen

"Datenverarbeitungsgeräte für Einsteckkarten zur elektronischen Datenübermittlung, einschließlich Peripheriegeräte und Teile hiervon, soweit in Klasse 9 enthalten; auf Datenträger und Datenspeicher aufgezeichnete Computerprogramme für Einsteckkarten zur elektronischen Datenübermittlung, soweit in Klasse 9 enthalten; Einsteckkarten zur elektronischen Datenübermittlung; rechnergesteuerte Übertragung von Daten im Zusammenhang mit Einsteckkarten zur elektronischen Datenübermittlung; mit Entwicklung und Erstellung von Programmen für Einsteckkarten zur elektronischen Datenübermittlung zusammenhängende Ausbildung; Entwicklung und Erstellung von Programmen für Einsteckkarten zur elektronischen Datenübermittlung sowie damit zusammenhängende Beratung und Organisation; Wartung und Instandhaltung von Computerprogrammen für andere im Zusammenhang mit Einsteckkarten zur elektronischen Datenübermittlung"

der Klassen 9, 38, 41 und 42 seit 23. März 1998 in das Markenregister eingetragen ist.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 8. Mai 2002 zurückgewiesen. Trotz beachtlicher Nähe zwischen den Dienstleistungen der angegriffenen Marke und den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke bestehe keine Verwechslungsgefahr, da die Vergleichsmarken keine erheblichen Gemeinsamkeiten aufwiesen. Auf die Erinnerung der Widersprechenden hat die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss vom 22. März 2004 den Erstbeschluss aufgehoben und die Marke 398 70 815 "A1-Web" gelöscht, denn es bestehe zumindest die Gefahr, dass die einander gegenüberstehenden Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden. Die ältere Marke sei in der jüngeren zum einen vollständig enthalten. Zum anderen nehme der Bestandteil "A1" in ihr eine selbständige Stellung ein, denn "Web" habe keine kennzeichnende, sondern eine ausschließlich beschreibende Funktion. Im Gegensatz dazu sei "A1" im deutschen Sprachraum kein beschreibender Hinweis auf erstklassige Qualität. Die Bestandteile "A1" und "Web" seien klar voneinander getrennt, so dass "A1-Web" kein einheitlicher Gesamtbegriff sei. Der Verkehr werde annehmen, dass es sich bei den mit "A1-Web" gekennzeichneten Telekommunikationsdienstleistungen um solche der Marke "A1" handle, die einen Bezug zum (World-Wide) Web aufwiesen, zumal sie mit den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke sehr ähnlich seien.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie ist der Auffassung, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken keine Ähnlichkeit bestehe. Hierbei sei grundsätzlich auf den Gesamteindruck der Zeichen abzustellen. Die Übereinstimmung oder Ähnlichkeit in einem von zwei in ihrer Kennzeichnungskraft gleichgewichtigen Bestandteilen eines Zeichen mit einem anderen Zeichen begründe keine Verwechslungsgefahr im zeichenrechtlichen Sinn. Allenfalls komme dem Wort "Web" ein dominierendes Gewicht zu. Es stelle gegenüber "A1" den einprägsameren und aussagekräftigeren Bestandteil dar. "A1" sei der aus dem Englischen kommende Hinweis auf erstklassige Qualität. Anglizismen seien in der heutigen Zeit so weit verbreitet, dass sie in ihrer Bedeutung ad hoc erkannt würden. "A1" komme daher aufgrund seines beschreibenden Charakters innerhalb des Zeichens keine Bedeutung zu.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg, da zwischen den Marken Verwechslungsgefahr gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, Rn. 17 ff. - Canon; BGH GRUR 2006, 60, 61 - coccodrillo). Nach diesen Grundsätzen besteht hier Verwechslungsgefahr.

1. Da Benutzungsfragen nicht angesprochen worden sind, ist bezüglich der einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des Bundesgerichtshofs sind bei der Beurteilung der Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit alle erheblichen Umstände zu berücksichtigen, die das Verhältnis der Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Hierzu gehören insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. Wenn sie in diesen Bereichen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die angesprochenen Verkehrskreise meinen könnten, sie stammten aus demselben oder aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen, besteht eine markenrechtlich relevante Ähnlichkeit (vgl. EuGH GRUR 1998, 922 ff. - Canon; BGH WRP 2004, 357 ff. - GeDIOS; GRUR 1999, 731 ff. - Canon II; GRUR 1999, 586 ff. - White Lion; Ströbele/Hacker MarkenG, 8. Aufl. 2006, Rn. 44 ff. zu § 9). Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen ist im Hinblick auf die Unterschiede zwischen der Erbringung von unkörperlichen Dienstleistungen und der Herstellung oder dem Vertrieb von körperlichen Waren grundsätzlich problematisch. Trotz dieser Unterschiede kann eine Ähnlichkeit dann in Betracht kommen, wenn der Verkehr bei der Begegnung mit den Marken der Fehlvorstellung unterliegt, der Hersteller der Waren, für die die Widerspruchsmarke Schutz genießt, trete auch als selbständiger Erbringer der Dienstleistungen auf, die unter Verwendung der angegriffenen Marke erbracht und beworben werden (vgl. BGH GRUR 2004, 241 - 243 - GeDIOS m. w. N.; Ströbele/Hacker a. a. O. Rn. 83). Dies ist bei den hier für die Widerspruchsmarke geschützten Waren und Dienstleistungen, die sämtlich der elektronischen Datenübertragung dienen, und der Dienstleistung "Telekommunikation" der jüngeren Marke ohne weiteres der Fall, so dass insoweit enge Ähnlichkeit besteht. Dies gilt auch hinsichtlich der Waren, denn es ist allgemein bekannt, dass Telekommunikationsunternehmen zunehmend neben ihren vielfältigen Leistungen im eigentlichen Telekommunikationsbereich auch der Datenübertragung dienende oder für sie erforderliche Hardware anbieten.

2. Die Widerspruchsmarke ist bezüglich der verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen uneingeschränkt als Herkunftshinweis geeignet und verfügt daher über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin ist der Begriff "A1" im deutschen Sprachraum nicht als Hinweis auf erstklassige Qualität geläufig. Dies ist vielmehr "eins a" bzw. "1a".

3. Unter Berücksichtigung der engen Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist ein deutlicher Zeichenabstand erforderlich, um die Gefahr von Verwechslungen für das Publikum auszuschließen. Diesen Abstand hält die angegriffene Marke nicht ein.

4. Die Markenähnlichkeit ist anhand des Gesamteindrucks nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht in aller Regel bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus (vgl. BGHZ 139, 340, 347 - Lions; BGH, Urteil vom 28. August 2003 - I ZR 9/01, GRUR 2003, 1044, 1046 = WRP 2003, 1436 - Kelly). Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 414 - Rn. 19 - ZIRH/SIR; GRUR Int. 2004, 843 - Rn. 29 - MATRATZEN; BGH GRUR 2004, 779, 781 - Zwilling/Zweibrüder).

Eine unmittelbare schriftbildliche, klangliche oder begriffliche Übereinstimmung der Marken in ihrer jeweils eingetragenen Form besteht wegen des Bestandteils "Web" in der jüngeren Marke nicht. Der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgebliche Gesamteindruck kann aber bei mehrgliedrigen Zeichen durch einzelne Bestandteile geprägt werden. Dies setzt voraus, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck des Zeichens nicht mitbestimmen (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2004, 598 - Kleiner Feigling). Vorliegend wird die angegriffene Marke alleine durch die Buchstaben-/Zahlenkombination "A1" geprägt, während der Bestandteil "Web" vollkommen zurücktritt. Wie bereits ausgeführt, hat die Buchstaben-/Zahlenkombination "A1" keinerlei beschreibende Bedeutung, im Gegensatz zum Markenteil "Web". Dieser ist rein beschreibend als allgemein geläufige Abkürzung für das World Wide Web, das Internet, das im Rahmen der Telekommunikation eine entscheidende Rolle spielt. Die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise werden diesem Bestandteil daher keine eigenständig kennzeichnende Bedeutung beimessen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die beiden Bestandteile der jüngeren Marke durch einen Bindestrich miteinander verbunden sind. Da hierdurch kein erkennbarer Sinngehalt entsteht, bildet die jüngere Marke keinen Gesamtbegriff.

Da sich vorliegend mit "A1" jeweils identische Zeichen gegenüberstehen, muss die Löschung des jüngeren Zeichens Bestand haben.

3. Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.






BPatG:
Beschluss v. 18.10.2006
Az: 29 W (pat) 123/04


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