Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 22. Dezember 1992
Aktenzeichen: 8 S 2794/92

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 22.12.1992, Az.: 8 S 2794/92)

1. Die Bauherrengemeinschaft kann eine an einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligungsfähige Vereinigung im Sinne von § 61 Nr 2 VwGO sein.

2. Vertritt ein Rechtsanwalt eine Bauherrengemeinschaft, so ist er nicht für mehrere Auftraggeber tätig.

Gründe

Die -- zulässigen -- Beschwerden haben Erfolg. Die vom Verwaltungsgericht und dessen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle angenommenen Voraussetzungen für die Festsetzung der Erhöhungsgebühr gemäß § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO sind nicht gegeben.

Gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt die Gebühren nur einmal, wenn er in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift erhöhen sich die Geschäftsgebühr und die Prozeßgebühr für jeden weiteren Auftraggeber um drei Zehntel, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist. Die vom Verwaltungsgericht mit Beschluß vom 17.9.1991 zum Verfahren beigeladene Grundstücksgesellschaft H -R -Straße ist keine Mehrheit von Auftraggebern in diesem Sinne, denn es handelt sich bei dieser BGB-Gesellschaft um eine Bauherrengemeinschaft und damit um eine Vereinigung, die trotz fehlender Rechtspersönlichkeit gemäß § 61 Nr. 2 VwGO an einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligt sein kann (Kopp, VwGO, 9. Aufl., § 61 RdNr. 14; Stettner, JA 1982, 395). Die gegenteilige, allerdings nicht begründete Ansicht des Hess. VGH in seinem Beschluß vom 24.11.1986 -- 3 TJ 2800/86 -- AnwBl. 1987, 498 -- kann sich der Senat nicht zu eigen machen.

Gemäß § 61 Nr. 2 VwGO sind Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann, fähig am Verfahren beteiligt zu sein. Hierzu gehören auch sog. Bauherrengemeinschaften. Nach § 44 Abs. 8 LBO können mehrere Personen als Bauherrn auftreten und demgemäß auch eine Baugenehmigung an eine Personenmehrheit erteilt werden. Sind dies die Miteigentümer eines Grundstücks und hat diese Bauherrengemeinschaft (vgl. dazu auch VGH Bad.-Württ., VBlBW 1990, 304) einen Vertreter bestellt, so ist sie Träger eines Rechts, nämlich der Erlaubnis das Grundstück zu bebauen. Sie kann dann im verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren um dieses Recht am Verfahren beteiligt sein, sei es bei Versagung oder Einschränkung der beantragten Genehmigung als Kläger, sei es bei Erteilung der Genehmigung als Beigeladene. Demgemäß wurde vorliegend von der "Grundstücksgesellschaft H -R -Straße" der Antrag auf Baugenehmigung gestellt und dieser von der Antragsgegnerin die Baugenehmigung erteilt. Die Grundstücksgesellschaft wurde von den Antragstellern als Beizuladende bezeichnet und vom Verwaltungsgericht zum Rechtsstreit beigeladen. Ihr Prozeßbevollmächtigter hat mit Schriftsatz vom 25.9.1991 an das Verwaltungsgericht ausdrücklich versichert, daß er die "Grundstücksgesellschaft H -R -Straße" anwaltlich vertrete und daß er für "die ... Beigeladene" (nicht etwa mehrere Auftraggeber) beantrage, den Antrag zurückzuweisen.

Ist also von einer prozeßfähigen Vereinigung im Sinne von § 61 Nr. 2 VwGO auszugehen, so steht fest, daß die Anwendung des § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO ausscheidet. Es bedarf dann keiner Auseinandersetzung mit der in der zivilgerichtlichen Praxis umstrittenen Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen BGB-Gesellschaften kostenrechtlich als Einheit angesehen werden können.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 22.12.1992
Az: 8 S 2794/92


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