Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2004
Aktenzeichen: 15 W (pat) 17/03

(BPatG: Beschluss v. 26.02.2004, Az.: 15 W (pat) 17/03)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts vom 16. September 2002 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Vorrichtung und Verfahren zum Sammeln von wässrigen Flüssigkeitsproben.

Anmeldetag: 12. Februar 2001.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 17, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2004, Beschreibung Spalten 1 bis 5, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2004, sowie 2 Blatt Zeichnungen Figuren 1 bis 5, gemäß Offenlegungsschrift.

Gründe

I.

Der Anmelder reichte am 12. Februar 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eine Patentanmeldung mit der Bezeichnung

"Vorrichtung und Verfahren zum Sammeln von wässrigen Flüssigkeitsproben"

ein, die am 12. September 2002 in Form der DE 101 06 362 A1 veröffentlicht wurde.

Mit Beschluss vom 16. September 2002 wies die Prüfungsstelle für Klasse B 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts die Anmeldung zurück. Dem Beschluss lagen die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 23 zugrunde.

Der Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:

"1. Vorrichtung zum Sammeln von wässrigen Flüssigkeiten umfassend, a) eine Kapillare (1) mit einer Einsaugöffnung (6) und einer Auslassöffnung (7), b) ein Verschlusselement (4) im Bereich der Auslassöffnung (7), c) wenigstens eine Sollbruchstelle (8), die so angeordnet ist, dass das Verschlusselement (4) einschließlich des es umgebenden Kapillarsegments auf- oder abgebrochen werden kann."

Die Zurückweisung der Anmeldung wurde damit begründet, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber der US 4 066 407 (2) nicht mehr neu sei.

Gegen diesen Beschluss hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2002 Beschwerde eingelegt.

In der mündlichen Verhandlung am 26. Februar 2004 hat der Anmelder eine geänderte Anspruchsfassung mit einer daran angepassten Beschreibung eingereicht. Die geltende Anspruchsfassung mit den Patentansprüchen 1 bis 17 lautet wie folgt:

"1. Vorrichtung zum Sammeln von wässrigen Flüssigkeiten umfassend, a) eine Kapillare (1) mit einer Einsaugöffnung (6) und einer Auslassöffnung (7), b) ein Verschlusselement (4) im Bereich der Auslassöffnung (7), aus wasserquellbaren Polymer, c) wenigstens eine Sollbruchstelle (8), die so angeordnet ist, dass das Verschlusselement (4) einschließlich des es umgebenden Kapillarsegments auf- oder abgebrochen werden kann, d) innerhalb der Kapillare (1) ein ferromagnetisches Mischelement (2).

2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Sollbruchstelle (8) durch eine Einkerbung gebildet wird.

3. Vorrichtung nach Anspruch 1 bis 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Kapillare (1) im Bereich der Auslassöffnung (7) ein Rückhalteelement (3) für das Mischelement (2) aufweist.

4. Vorrichtung nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Rückhalteelement (3) gebildet wird durchi) eine Reduzierung (3) des inneren Querschnitts der Kapillare (1) unter den Querschnitt des Mischelements (2) und/oderii) eine Biegung (3) der Kapillare (1) und/oderiii) ein wasserlösliches Polymer, durch welches das Mischelement (2) an der Kapillarinnenwandung haftet.

5. Vorrichtung nach irgendeinem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Kapillare (1) im Bereich der Einsaugöffnung (6) ein Rückhalteelement (5) für das Mischelement (2) aufweist.

6. Vorrichtung nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Rückhalteelement (5) gebildet wird durchi) eine Reduzierung (3) des inneren Querschnitts der Kapillare (1) unter den Querschnitt des Mischelements (2) und/oderii) eine Biegung (3) der Kapillare (1).

7. Vorrichtung nach irgendeinen der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das Einsaugende (6) der Kapillare (1) als Luerkonus ausgeformt ist.

8. Vorrichtung nach Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass das Einsaugende (6) der Kapillare (1) mit Kanülenschliff versehen oder ausgeformt ist.

9. Vorrichtung nach irgendeinem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass sie entlang der Kapillare (1) weitere Sollbruchstellen (8') aufweist.

10. Vorrichtung nach irgendeinem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass das ferromagnetische Mischelement (2) eine Querschnittsfläche besitzt, die bis zu 99% der inneren Querschnittsfläche der Kapillare (1) beträgt.

11. Vorrichtung nach irgendeinem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Kapillare (1) einen Innendurchmesser von 0,001 bis 20 mm aufweist.

12. Vorrichtung nach irgendeinem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Kapillare (1) an ihrer Innen- und/oder Außenwandung eine Sperrschicht aus Aluminiumoxid, Siliciumoxid und/oder Vinylidenchlorid-Acrylnitril-Methylmethacrylat-Methylacrylat-Acrylsäure-Polymer trägt.

13. Vorrichtung nach irgendeinem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass Ober- und Unterseite der Kapillare (1) aus zwei verschiedenen oder gleichen Materialien zusammengefügt, kalt- oder warmlaminiert sind.

14. Vorrichtung nach irgendeinem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Kapillare (1) an ihrer Außenwandung eine Graduierung und/oder Beschriftung aufweist.

15. Vorrichtung nach irgendeinem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Kapillare (1) an ihrer Innenwandung ganz oder teilweise mit Coa- oder Anticoagulantien und/oder Fibrinolytika beschichtet ist.

16. Verfahren zum Sammeln wässrigen Flüssigkeitsproben, durch Verwendung einer Vorrichtung gemäß irgendeinem der Ansprüche 1 bis 15.

17. Verfahren nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, dass die Flüssigkeitsproben ausgewählt sind aus menschlichen und tierischen Körperflüssigkeiten."

Zur Begründung seiner Beschwerde hat der Anmelder ausgeführt, der Anmeldungsgegenstand in Form dieser Anspruchsfassung sei gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik nicht nur neu, sondern er beruhe demgegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Er beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 17 und Beschreibung Spalten 1 bis 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlungsowie 2 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 5 gemäß Offenlegungsschrift.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und unter Berücksichtigung des nunmehr vorliegenden Patentbegehrens auch begründet.

Bezüglich ausreichender Offenbarung des Gegenstands der Patentansprüche 1 bis 17 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale aus den ursprünglichen Unterlagen herleitbar sind (vgl Erstunterlagen Anspr 1 iVm Anspr 3 und 12, sowie Anspr 2, 4 bis 11, 13 und 18 bis 23).

Die Neuheit des Gegenstandes gemäß Patentanspruch 1 ist anzuerkennen.

Als dem Gegenstand des Anspruchs 1 nächstkommend sind die Vorrichtung aus der US 4 066 407 (2), auf die sich der Zurückweisungsbeschluss der Prüfungsstelle stützt, sowie die Vorrichtung aus der US 5 065 768 (9) zu betrachten.

Die US 4 066 407 (2) betrifft unter anderem eine Kapillarpipette umfassend ein dünnes Röhrchen aus Glas oder aus einem anderen geeigneten Material mit beidseitig offenen Enden, das bereits bei der Herstellung eingeritzt ist (vgl (2), Fig 9 iVm Sp 7 Z 11 bis 14). Nach dem Befüllen mit Körperflüssigkeit wird das Röhrchen am unteren Ende mit einem Stückchen Kitt oder Ton verschlossen und nach einem Zentrifugierschritt das untere Ende an der eingeritzten Stelle (Sollbruchstelle) abgebrochen (vgl (2), Fig 9 iVm Sp 7 Z 46 bis 55).

Davon unterscheidet sich die nunmehr beanspruchte Vorrichtung zum Sammeln wässriger Flüssigkeitsproben bereits durch das Verschlusselement in Form eines in der Kapillare angeordneten, beim Kontakt mit der wässrigen Flüssigkeitsprobe quellbaren Polymer.

Die US 5 065 768 (9) betrifft unter anderem ein Kapillarröhrchen, vorzugsweise aus Glas oder einem organischen Polymermaterial, mit zwei offenen Enden zum Sammeln von Flüssigkeiten mit einem darin angeordneten wasserquellbaren Polymer als Verschlusselement, wobei das Verschlusselement am gegenüberliegenden Ende der Eintrittsöffnung angebracht ist (vgl (9) Anspr 1 und 3 iVm Sp 6 Z 4 bis 12).

Demgegenüber weist die beanspruchte Vorrichtung zusätzlich ein ferromagnetisches Mischelement auf.

Auch keiner der übrigen, im Verfahren befindlichen Druckschriften ist eine Vorrichtung zum Sammeln von wässrigen Flüssigkeiten zu entnehmen, die durch sämtliche Merkmale der Vorrichtung gemäß geltendem Anspruch 1 ausgestaltet ist.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen, die darin besteht, Kapillaren zum Sammeln von Flüssigkeiten bereitzustellen, die dem Operator eine schnelle, sichere und komfortable Handhabung der Kapillare und eine sterile sowie analytisch zuverlässige Probennahme und Probenvorbereitung ermöglicht (vgl DE 101 06 362 A1, Sp 2 Z 6 bis 11).

Gelöst wird diese Aufgabe gemäß geltendem Anspruch 1 durch eine Vorrichtung zum Sammeln von Flüssigkeitsproben umfassend eine Kapillare mit einer Einsaugöffnung und einer Auslassöffnung, einem wasserquellbaren Polymer als Verschlusselement im Bereich der Auslassöffnung, einer Sollbruchstelle, die so angeordnet ist, dass das Verschlusselement einschließlich des es umgebenden Kapillarsegments auf- oder abgebrochen werden kann, sowie ein innerhalb der Kapillare angeordnetes ferromagnetisches Mischelement.

Keiner der entgegengehaltenen Druckschriften sind Anregungen dahingehend zu entnehmen, dass als Bestandteil einer Vorrichtung zum Sammeln von Flüssigkeitsproben zum Zweck einer schnellen, sicheren und komfortablen Handhabung unter sterilen und analytisch zuverlässigen Bedingungen bereits herstellungsseitig sowohl ein ferromagnetisches Mischelement in der Kapillare anzuordnen als auch ein Ende der Kapillare mit einem wasserquellbaren Polymer als Verschlusselement zu versehen ist.

Zwar sieht auch die Lehre der Druckschrift (9) den Verschluss der Kapillare bei Kontakt mit der Probenflüssigkeit durch ein bereits in der Kapillare angeordnetes quellbares Polymer und damit eine schnelle und sterile Abdichtung der der Probenaufnahmeöffnung gegenüberliegenden Kapillaröffnung vor. Die Möglichkeit zur Durchmischung der entnommenen Flüssigkeitsprobe, wie beispielsweise bei der Blutgasanalyse (vgl DE 101 06 362 A1, Sp 1 Z 35 bis 36) oder, wie der Anmelder in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, generell zur Vermeidung der Gerinnung soeben entnommener Blutproben trotz Beschichtung der Kapillarinnenwand mit zB Heparin als Gerinnungshemmer notwendig, wird jedoch weder in (9) noch in irgendeiner anderen der entgegengehaltenen Druckschriften überhaupt erwähnt oder angesprochen. Nach Ansicht des Senats hat somit auch kein Anlass bestanden, in einem Kapillarröhrchen mit wasserquellbarem Polymerverschluss gemäß (9) bereits ein ferromagnetisches Mischelement herstellungsseitig anzuordnen, um damit Probennahme, -mischung und -analyse steril zu handhaben.

Ein Naheliegen der Lehre der vorliegenden Erfindung lässt sich aber auch nicht ausgehend von der Druckschrift (2) feststellen, weil sich erst bei Kombination mit der Lehre der Druckschrift (9) ein mit einem wasserquellbaren polymeren Verschlusselement versehenes Kapillarröhrchen erschließt, dem jedoch zum Erfindungsgegenstand, ebenso wie in (9), noch ein darin angeordnetes Mischelement fehlt.

Weitere Gesichtspunkte, die bei dem nunmehr eingeschränkten Patentanspruch 1 eine Verneinung der erfinderischen Tätigkeit rechtfertigen könnten, sind aus den übrigen ermittelten Druckschriften nicht hervorgetreten.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 erweist sich daher als patentfähig, sodass dieser Anspruch gewährbar ist.

Das gleiche gilt bezüglich der Unteransprüche 2 bis 15, die bevorzugte Ausführungsformen einer Vorrichtung gemäß Patentanspruch 1 betreffen, sowie die Patentansprüche 16 und 17, die ein Verfahren zum Sammeln von wässrigen Flüssigkeiten durch Verwendung einer solchen Vorrichtung betreffen.

Der angefochtene Beschluss war somit aufzuheben und das Patent gemäß § 49 Abs 1 PatG zu erteilen.

Kahr Jordan Harrer Egerer Na






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Az: 15 W (pat) 17/03


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