Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 13. März 2000
Aktenzeichen: AnwZ (B) 28/99

(BGH: Beschluss v. 13.03.2000, Az.: AnwZ (B) 28/99)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. Oktober 1998 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 100.000 DM festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller war Inhaber einer sogenannten "Vollerlaubnis" (mit Ausnahme des Gebiets des Sozialversicherungsrechts) zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten nach Art. 1 § 1 RBerG a.F. und Mitglied der Rechtsanwaltskammer Köln.

Mit Verfügung vom 13. Juli 1998 -dem Antragsteller zugestellt am 17. Juli 1998 -hat der frühere Antragsgegner die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten und die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F. i.V.m. § 209 Abs. 1 Satz 3 BRAO) widerrufen. Den dagegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4, § 209 Abs. 1 Satz 3 BRAO); hat aber keinen Erfolg.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO a.F. (dem entspricht § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO n.F.), der auf den Kammerrechtsbeistand entsprechend anzuwenden ist (vgl. BGHSt 32, 326), sind die Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG und die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer zu widerrufen, wenn der Rechtsbeistand in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsbeistand in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Daß er in Vermögensverfall geraten ist, bestreitet der Antragsteller nicht.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat die am 15. Juni 1999 erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen weder den Vermögensverfall beseitigt noch die damit regelmäßig verbundene Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeräumt. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist in dem durch Art. 16 Nr. 2 EGInsO geänderten § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, der bisherigen Nr. 8 dieser Vorschrift, als zusätzlicher Fall aufgeführt, in dem ein Vermögensverfall und im weiteren auch eine Gefährdung der Rechtsuchenden vermutet werden. Schon dies zeigt, daß die im Rahmen eines Insolvenzverfahrens unter bestimmten Voraussetzungen bestehende Möglichkeit einer (Rest-)Schuldbefreiung für das Vorliegen des Widerrufstatbestandes unerheblich ist. Die Vermögensverhältnisse des Insolvenzschuldners sind nicht schon deshalb "geordnet", weil regelmäßig die Verfügungsbefugnis auf einen Insolvenzverwalter übergeht. Denn zu geordneten Vermögensverhältnissen gehört auch, daß die Gläubiger jedenfalls in absehbarer Zeit befriedigt werden und daß der Rechtsbeistand selbst und frei über sein Vermögen verfügen kann. Davon kann im Insolvenzverfahren in aller Regel nicht ausgegangen werden. Daran ändert auch nichts, daß das Insolvenzverfahren unter anderem auf eine Befreiung des redlichen Schuldners von seinen restlichen Verbindlichkeiten abzielt (§ 1 Satz 2 InsO). Ob es dazu kommt, ist im Einzelfall durchaus fraglich, und selbst wenn dieses Ziel letztlich erreicht wird, so ist das nicht vor Ablauf von sieben Jahren der Fall (§ 287 Abs. 2 Satz 1 InsO).

Dem Antragsteller kann auch nicht darin gefolgt werden, daß seit der Insolvenzeröffnung sein Vermögensverfall die Interessen der Rechtsuchenden nicht mehr gefährde. Er meint, dies ergebe sich aus dem Umstand, daß er während des Insolvenzverfahrens nicht befugt sei, über sein Vermögen zu verfügen. Abgesehen davon, daß das Insolvenzverfahren ein allgemeines Verfügungsverbot für den Schuldner nicht zwingend zur Folge hat (vgl. § 270 InsO), wäre der Verlust der Verfügungsbefugnis allenfalls geeignet, den Widerruf der Zulassung zu stützen. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO a.F. war die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen -entsprechendes galt für die Zulassung als Rechtsbeistand -, wenn eine derartige Verfügungsbeschränkung angeordnet wurde. Diese Vorschrift zielte in erster Linie auf den Fall der Konkurseröffnung ab. Die Entziehung der Verfügungsbefugnis wurde mithin nicht verstanden als ein Umstand, der die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden minderte, sondern war im Gegenteil als selbständiger Widerrufstatbestand ausgestaltet. Wird über das Vermögen eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ein Insolvenzverfahren eröffnet, sind die Interessen der Mandanten regelmäßig schon deshalb gefährdet, weil diese - vorbehaltlich ihres guten Glaubens - das Honorar nicht befreiend an den Auftragnehmer zahlen können. Daran hat sich durch das Inkrafttreten der Insolvenzordnung nichts geändert. Der Widerrufstatbestand der Nr. 7 a.F. wurde lediglich für entbehrlich erachtet, weil die Insolvenzeröffnung nunmehr die Vermutung des Vermögensverfalls begründet und deshalb unter den entsprechenden Tatbestand (Nr. 7 n.F.) fällt (amtl. Begr. zu Art. 16 Nr. 1 und 2 RegE-EGInsO, in Kübler/Prütting, Das neue Insolvenzrecht, RWS-Dokumentation 18 (1994) Bd. II S. 96; vgl. auch Beschl.

v. 14. Februar 2000 -AnwZ (B) 15/99, zVb).

Der Hinweis des Antragstellers darauf, daß er die eigene Praxis aufgegeben habe und nunmehr bei einer Rechtsanwältin angestellt sei, daß außerdem die Praxiskonten sämtlich auf den Namen dieser Rechtsanwältin lauteten, schließt eine Gefährdung der Rechtsuchenden ebensowenig aus. Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, daß Zahlungen an den Antragsteller in bar oder per Scheck erfolgen. Außerdem hat der Antragsteller bei Fortbestand seiner Erlaubnis jederzeit die Möglichkeit, wieder selbständig in eigener Praxis tätig zu werden.

Auch die Änderung des sachlichen Umfangs der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG durch das Fünfte Gesetz zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 18. August 1980 (BGBl. I S. 1503), die zur Folge hat, daß keine Vollerlaubnis mehr, sondern nur noch Teilerlaubnisse für die in Art. 1 § 1 RBerG n.F. abschließend aufgezählten Rechtsgebiete erteilt werden, kann nicht dazu führen, daß im Falle des Antragstellers von einem Widerruf abzusehen ist. Allerdings hat ein Rechtsanwalt, der wegen Vermögensverfalls die Zulassung verloren hat, die Möglichkeit, diese nach Sanierung seiner Vermögensverhältnisse neu zu beantragen. Der Antragsteller muß demgegenüber befürchten, daß er wegen der gesetzlichen "Schließung" des Rechtsbeistandsberufs nur noch die Stellung eines Rechtsbeistands nach neuem Recht verliehen bekommt und daß ihm die erneute Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer deshalb versperrt sein wird. Wegen dieser unumkehrbaren Folgen des Widerrufs sieht er darin ein "Berufsverbot" (Art. 12 GG). Indes kann der Antragsteller den Beruf eines Rechtsbeistands grundsätzlich wieder ausüben, falls er die Voraussetzungen für die Erteilung der entsprechenden Erlaubnis erfüllt. Daß er die für Neuanträge geltenden gesetzlichen Grenzen zu beachten hat, ist kein "Berufsverbot". Selbst wenn man dies anders sähe, könnte der Widerruf der "Vollerlaubnis" nicht unterbleiben. Das wäre mit dem Schutz der Rechtsuchenden nicht vereinbar. Außerdem würde der Antragsteller besser gestellt als ein in Vermögensverfall geratener Rechtsanwalt. Da dieser -als der berufene Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten (§ 3 Abs. 1 BRAO) - mindestens in gleichem Umfang beraten darf wie ein Rechtsbeistand alten Rechts, kann der Umfang der Erlaubnis zur Rechtsberatung für die Frage, ob diese im Falle eines Vermögensverfalls des Inhabers der Erlaubnis zu widerrufen ist, nicht erheblich sein. Ob sich aus Art. 12 GG ein Recht des Antragstellers ergibt, die Erlaubnis im Falle eines Neuantrags in dem früheren Umfang wiederzuerhalten, ist hier nicht zu entscheiden.

Für die von dem Antragsteller beantragte Aussetzung des Verfahrens bestand kein Anlaß.

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Beschluss v. 13.03.2000
Az: AnwZ (B) 28/99


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