Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. Februar 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 13/01

(BPatG: Beschluss v. 26.02.2002, Az.: 17 W (pat) 13/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Einsprechenden wird der Beschluß der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. November 2000 aufgehoben und das Patent Nr. 195 43 426 widerrufen.

Gründe

I.

Die Erteilung des Patents 195 43 426 mit der Bezeichnung

"Kontaktlose Chipkarte und Verfahren zur Herstellung derselben"

wurde am 7. Mai 1997 veröffentlicht.

Nach einem Einspruch hat die Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent mit Beschluß vom 22. November 2000 in beschränktem Umfang aufrechterhalten.

Gegen diesen Beschluß ist die Beschwerde der Einsprechenden gerichtet.

Die Patentinhaberin verteidigt ihr Patent nach Hauptantrag in der durch den angefochtenen Beschluß beschränkt aufrechterhaltenen Fassung, hilfsweise auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentanspruchs 1.

Der gemäß Hauptantrag geltende Patentanspruch 1, mit Gliederung gemäß dem angefochtenen Beschluß versehen, lautet:

1.1 Chipkarte zur kontaktlosen Übertragung von elektrischen Signalen an ein Terminal 1.2 mit einem Kartenkörper, in welchem ein Koppelelement (2) und ein Halbleiterchip (1) mit einer dem Koppelelement (2) zugeordneten elektronischen Schaltung integriert ausgebildet sind, 1.3 wobei der Halbleiterchip (1) auf einer Oberfläche (3) mit Anschlußflächen bzw Pads (4) für die elektrische Verbindung der elektronischen Schaltung und dem Koppelelement (2) versehen ist, 1.4 wobei den Anschlußflächen bzw Pads (4) auf der Oberfläche (3) des Halbleiterchips (1) wenigstens zwei aus elektrisch leitendem Material hergestellte und einen Abstand voneinander aufweisende Anschlußelemente (5) zugeordnet sind, 1.5 und in dem Bereich auf der Oberfläche (3) des Halbleiterchips (1) zwischen den Anschlußelementen (5) eine aus elektrisch isolierendem Material bestehende Isolationsschicht (6) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß

1.6 die Anschlußelemente (5) höckerförmig ausgebildet sind und 1.7 die Anschlußflächen bzw Pads (4) aufgrund der höckerförmigen Anschlußelemente (5) in Richtung parallel zur Oberfläche des Halbleiterchips (1) vergrößert sind, und 1.8 die zwischen den wenigstens zwei höckerförmigen Anschlußelementen (5) ausgebildete Isolationsschicht (6) eine gegenüber der maximalen Erhebung der höckerförmigen Anschlußelemente (5) wenigstens geringfügig geringere Stärke besitzt.

Der nebengeordnete Verfahrensanspruch 9 gemäß Hauptantrag, ebenfalls mit Gliederung gemäß dem angefochtenen Beschluß versehen, lautet:

9.1 Verfahren zur Herstellung einer Chipkarte zur kontaktlosen Übertragung von elektrischen Signalen an ein Terminal 9.2 mit einem Kartenkörper, in welchem ein Koppelelement (2) und ein Halbleiterchip (1) mit einer dem Koppelelement (2) zugeordneten elektronischen Schaltung integriert ausgebildet sind, 9.3 wobei der Halbleiterchip (1) auf einer Oberfläche (3) mit Anschlußflächen bzw Pads (4) für die elektrische Verbindung der elektronischen Schaltung und dem Koppelelement (2) versehen ist, 9.4 wobei den Anschlußflächen bzw Pads (4) auf der Oberfläche (3) des Halbleiterchips (1) wenigstens zwei aus elektrisch leitendem Material hergestellte und einen Abstand voneinander aufweisende Anschlußelemente (5) zugeordnet sind, 9.5 und in dem Bereich auf der Oberfläche (3) des Halbleiterchips (1) zwischen den Anschlußelementen (5) eine aus elektrisch isolierendem Material bestehende Isolationsschicht (6) vorgesehen ist, gekennzeichnet durch die Schritte:

9.6 Auftragen und Strukturieren der Isolationsschicht (6) mit einer vorbestimmten Stärke auf der Oberfläche (3) des Halbleiterchips (1), 9.7 wobei die Isolationsschicht (6) im Bereich der Anschlußflächen (4) des Halbleiterchips (1) mit wenigstens zwei Aussparungen versehen wird, 9.8 deren Abmessungen so gewählt sind, daß die Anschlußflächen bzw Pads (4) aufgrund der in den Aussparungen aufzubringenden höckerförmigen Anschlußelemente (5) in Richtung parallel zur Oberfläche des Halbleiterchips (1) vergrößert werden, 9.9 Aufbringen eines elektrisch leitenden Materials in den Aussparungen der Isolationsschicht (6) zur Ausbildung der Anschlußelemente (5), 9.10 wobei die Anschlußelemente (5) höckerförmig ausgebildet werden und eine die Stärke der Isolationsschicht (6) wenigstens geringfügig überragende maximale Höhe besitzen, und 9.11 Kontaktieren des Koppelelements (2) mit den auf der Oberfläche (3) des Halbleiterchips (1) aufgebrachten höckerförmigen Anschlußelementen (5).

Der gemäß Hilfsantrag geltende Patentanspruch 1 lautet:

1.1 Chipkarte zur kontaktlosen Übertragung von elektrischen Signalen an ein Terminal 1.2 mit einem Kartenkörper, in welchem ein Koppelelement (2) und ein Halbleiterchip (1) mit einer dem Koppelelement (2) zugeordneten elektronischen Schaltung integriert ausgebildet sind, 1.3 wobei der Halbleiterchip (1) auf einer Oberfläche (3) mit Anschlußflächen bzw Pads (4) für die elektrische Verbindung der elektronischen Schaltung und dem Koppelelement (2) versehen ist, 1.4 wobei den Anschlußflächen bzw Pads (4) auf der Oberfläche (3) des Halbleiterchips (1) wenigstens zwei aus elektrisch leitendem Material hergestellte und einen Abstand voneinander aufweisende Anschlußelemente (5) zugeordnet sind, 1.5 und in dem Bereich auf der Oberfläche (3) des Halbleiterchips (1) zwischen den Anschlußelementen (5) eine aus elektrisch isolierendem Material bestehende Isolationsschicht (6) vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, daß

1.6 die Anschlußelemente (5) höckerförmig ausgebildet sind und für einen Anschluss mit Leiterbahnanschlüssen (10) so wirken, als wenn 1.7 die Anschlußflächen bzw Pads (4) aufgrund der höckerförmigen Anschlußelemente (5) in Richtung parallel zur Oberfläche des Halbleiterchips (1) vergrößert sind, und 1.8 die zwischen den wenigstens zwei höckerförmigen Anschlußelementen (5) ausgebildete Isolationsschicht (6) eine gegenüber der maximalen Erhebung der höckerförmigen Anschlußelemente (5) wenigstens geringfügig geringere Stärke besitzt.

Bezüglich der sonstigen Ansprüche und der weiteren Unterlagen wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

Nach Ansicht der Einsprechenden liegt eine unzulässige Erweiterung des Patents vor, da das jeweilige im Anspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag enthaltene Merkmal 1.7 sowie das im Anspruch 1 nach Hilfsantrag enthaltene Merkmal 1.6 den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht entnommen werden könnten. Vergleichbares gelte hinsichtlich Merkmal 9.7 des Anspruchs 9 nach Hauptantrag.

Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise unter entsprechender Abänderung des angefochtenen Beschlusses das Patent in beschränktem Umfang unter Verzicht auf die Patentansprüche 9 bis 12 mit dem Patentanspruch 1 in der am 26. Februar 2002 überreichten Fassung und den bisherigen Patentansprüchen 2 bis 8 aufrechtzuerhalten.

Nach Meinung der Patentinhaberin sind die Formulierungen der Merkmale 1.7 im Anspruch 1 und 9.7 im Anspruch 9 nach Hauptantrag sowie der Merkmale 1.6 und 1.7 im Anspruch 1 nach Hilfsantrag zulässig. Die Patentinhaberin verweist diesbezüglich auf den die Seiten 4 und 5 der ursprünglichen Beschreibung verbindenden Satz, der gleichlautend in die Patentschrift Sp 3, Z 51-57 übernommen worden sei.

II.

Die zulässige Beschwerde der Einsprechenden ist begründet. Das Patent ist zu widerrufen, da sein Gegenstand über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgeht, § 21 Abs 1 Nr 4 PatG.

Es ist zwischen den Verfahrensbeteiligten nicht streitig, daß eine Chipkarte mit den Merkmalen 1.1 bis 1.6 und 1.8 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag bzw den Merkmalen 1.1 bis 1.5 und 1.8 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag durch die ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart wird.

Zu den im Merkmal 1.7 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag sowie in den Merkmalen 1.6 und 1.7 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag durchgeführten Änderungen verweist die Patentinhaberin bezüglich der Offenbarung auf den folgenden, in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen (Seiten 4 unten/5 oben) und in der Patentschrift (Sp 3, Z 51-57) enthaltenen Satz:

"Zum einen kann aufgrund eines geringeren Justieraufwandes das Koppelelement einfacher mit dem Halbleiterchip montiert werden, da die auf der Oberfläche des Halbleiterchips vorgesehenen Anschlußflächen bzw Pads aufgrund der höckerförmigen Anschlußelemente lateral, dh in Richtung parallel zur Oberfläche des Halbleiterchips gewissermaßen vergrößert werden."

Der technische Inhalt dieses zur Vorteilsbeschreibung gehörenden Satzes ist für den Durchschnittsfachmann - einen FH-Ingenieur der Fachrichtung Hochfrequenztechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Chipkarten - nicht verständlich. Eine "laterale" Vergrößerung der Anschlußflächen bzw Pads bedeutet für sich gesehen eine Zunahme der seitlichen Ausdehnung dieser in der Ebene der Oberfläche des Halbleiterchips liegenden Flächen (vergl Merkmal 1.3). Hierzu im Widerspruch bekommt der Begriff "lateral" jedoch durch die weiteren Informationen in dem genannten Satz eine räumliche Komponente, denn die laterale Vergrößerung soll gewissermaßen aufgrund der höckerförmigen Anschlußelemente in Richtung parallel zur Oberfläche des Halbleiterchips erfolgen.

Eine ergänzende Betrachtung der Fig. 1 bringt keine Klärung, denn dort sind die in der Oberfläche 3 befindlichen Anschlußflächen 4 mindestens von gleicher Größe wie die zugeordneten Flächen der höckerförmigen Anschlußelemente 5. Der Fachmann kann somit auch aus dieser Figur und der zugehörigen Beschreibung nicht ersehen, daß von den höckerförmigen Anschlußelementen ein irgendwie gearteter Vergrößerungseffekt auf die Anschlußflächen bzw Pads ausgeübt wird. Demzufolge kann weder die im Merkmal 1.7 des Anspruchs 1 nach Hauptantrag angegebene reale Vergrößerung der Anschlußflächen bzw Pads noch die diesbezügliche Wirkung, wie sie in den Merkmalen 1.6 und 1.7 des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag zum Ausdruck kommt, den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen entnommen werden.

Da somit der Gegenstand des Patents nach Haupt- und Hilfsantrag über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, war das Patent auf die Beschwerde der Einsprechenden zu widerrufen. Dieser Widerruf umfaßt auch das Patent im Umfang des Verfahrensanspruches 9 nach Hauptantrag, da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann (BGH in GRUR 1997, 120 "Elektrisches Speicherheizgerät").

Grimm Schmitt Bertl Schuster Bb






BPatG:
Beschluss v. 26.02.2002
Az: 17 W (pat) 13/01


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