Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 25. November 2002
Aktenzeichen: I-13 U 62/02

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 25.11.2002, Az.: I-13 U 62/02)

Tenor

Die Kosten des Berufungsrechtszuges werden der Beklagten aufer-legt.

Gründe

(G r ü n d e :

Nachdem die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war nach § 91 a ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Dies führte dazu, die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da sie ohne das erledigende Ereignis aller Voraussicht nach in der Hauptsache unterlegen wäre.

Die zulässige Feststellungsklage war begründet. Der Beklagte hat keinen Anspruch auf Freigabe der Domain "Versicherungsrecht.de".

I.

Die Beklagte kann den - zwischenzeitlich vor dem Landgericht Frankfurt - geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht auf § 15 Abs. 2 Markengesetz stützen.

Die Beklagte ist zwar Inhaberin eines im Sinne des § 15 Abs. 1 Markengesetz geschützten und gegenüber der Domain des Klägers prioritätsälteren Titelrechts, auch wenn der Titel "Versicherungsrecht" nur inhaltsbeschreibenden Charakter und deshalb nicht primär unterscheidungskräftig ist. Die Unterscheidungskraft muss vorliegend aufgrund der Verkehrsgeltung bejaht werden. Denn jedenfalls in Fachkreisen, an die die Zeitschrift sich wendet und die deshalb für die Verkehrsbekanntheit als Schutzvoraussetzung maßgeblich sind, wird der benutzte Begriff "Versicherungsrecht" jedenfalls auch mit der konkreten Fachzeitschrift in Verbindung gebracht.

Die Eintragung und Benutzung der Domain stellt nach Auffassung des Senats auch eine relevante Verletzungshandlung im Sinne des Markengesetzes dar.

Es fehlt indes an den Tatbestandsmerkmal der Verwechslungsgefahr im Sinne des § 15 Abs. 2 Markengesetz.

Zwischen dem Titelschlagwort "Versicherungsrecht" und der Domain "versicherungsrecht.de" besteht zweifels ohne ein hoher Grad an Ähnlichkeit.

Infolge der vorgenannten Verkehrsbekanntheit kommt dem Titel, auch wenn es sich um einen selbst beschreibenden Begriff für ein Rechtsgebiet handelt, unter dem jedermann ohne weiteres die Bezeichnung dieses Gebietes und nicht die Individualisierung eines Subjekts oder Objekts sehen wird, Kennzeichnungskraft zu. Diese ist jedoch allenfalls durchschnittlicher Art, da für Fachkreise der eindeutig im Vordergrund stehende rechtsgebietsbeschreibende Charakter im Vordergrund steht.

Es gilt indes zu berücksichtigen, dass es hinsichtlich der Kennzeichnungskraft im Rahmen der zu prüfenden Verwechslungsgefahr für ihre Wirkungen auch auf denjenigen Verkehrskreis abzustellen ist, dem die verwechselbare Bezeichnung "versicherungsrecht.de" begegnet. Dies sind alle potentiellen Benutzer oder Interessenten an der so bezeichneten Internet-Domain. Dieser reicht weit über den engen Kreis der Versicherungsexperten hinaus, da praktisch jedermann in Betracht kommt, der im täglichen Leben in einen Versicherungsfall verwickelt wird oder sich auch nur Informationen über Versicherungsfragen beschaffen will. Dieser Teil des allgemeinen Publikums hat niemals oder allenfalls selten mit der Fachzeitschrift "Versicherungsrecht" zu tun und kann deshalb bei der Begegnung mit dem entsprechenden Begriff als Internet-Domain überhaupt nicht an eine solche, ihm höchstwahrscheinlich unbekannte Zeitschrift erinnert werden. Er wird in dem Begriff lediglich eine hinweisende Bezeichnung sehen.

Schließlich kommt auch dem Zusatz ".de" für die Frage, wie ähnlich die beiden Begriffe sind, eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu. Denn heute weiß jeder Durchschnittsbürger, dass es sich hierbei um die Bezeichnung einer Internet-Domain und damit nicht etwa unmittelbar um die einer Fachzeitschrift oder eines anderen Werkes handelt.

Nach alledem wird die große Zeichenähnlichkeit weitgehend dadurch kompensiert, dass es sich bei den nahezu identischen Zeichen um einen glatt beschreibenden und gängigen Begriff der Umgangssprache handelt. Dieser wird grundsätzlich jedem, dem er begegnet, zunächst auch als solcher erscheinen. Nur derjenige, der weiß, dass es sich auch um einen Titel handelt, kann überhaupt eine Fehlassoziation bzw. der Gefahr einer Verwechslung erliegen. Für die große Mehrheit des von der Domain angesprochenen Publikums ist diese Voraussetzung indes eindeutig zu verneinen. Ein durchschnittlich aufmerksamer und verständiger Verbraucher, auf den abzustellen ist, wird bei der Begegnung mit dem eindeutig beschreibenden Begriff "Versicherungsrecht" als Internet-Domain nicht einen irgendwie gearteten Bezug zur Zeitschrift mit diesem Titelschlagwort herstellen, da ihm aufgrund seiner durchschnittlichen Informiertheit bekannt ist, dass dieser primär ein Rechtsbegriff umschreibende Begriff ganz andere, ebenfalls mindestens naheliegende Indikationsfunktionen für den Internet-Benutzer haben kann. Eventuelle Zweifel wird er zum Anlass nehmen, sich erst zu vergewissern, indem er im Internet nachsieht, worum es sich bei dem Domain-Angebot tatsächlich handelt. Geschieht dies, so ist aus der Art und Form des Angebotes klar ersichtlich, dass keinerlei Bezug zu der Fachzeitschrift der Beklagten besteht.

Scheidet mithin für einen normalen Durchschnittsbenutzer des Internets eine Verwechslungsgefahr nahezu aus, so muss dies erst Recht für die hier allein in Rede stehenden Angehörigen der juristischen Fachkreise gelten.

Schließlich scheitert ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 Markengesetz auch an der Schutzschranke des § 23 Nr. 3 Markengesetz. Nach dieser Bestimmung hat der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Beziehung nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr ein mit der geschäftlichen Bezeichnung identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen zu benutzen, sofern die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt.

Die hierfür vom Bundesgerichtshof genannte Voraussetzung des gänzlichen oder überwiegenden Zurücktretens der beschreibenden Funktion gegenüber der kennzeichnungsmäßigen Benutzung muss vorliegend verneint werden. Die inhaltsinformierende Funktion des Domain-Namens gegenüber seiner herkunftshinweisenden Funktion steht bei weitem im Vordergrund.

Auch andere Möglichkeiten eines sittenwidrigen Verhaltens sind nicht erkennbar. Die von der Beklagten behauptete Absicht der Sperrung der Domain für den Titelinhaber in erpresserischer oder sonst sittenwidriger Absicht sieht der Senat nicht als gegeben an. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstellt, dass der Sohn des Klägers gegenüber der Beklagten erklärt hat, bei entsprechender Bekanntheit der Domain könne sie von ihm zu einem sechsstelligen DM-Betrag veräußert werden, folgt daraus kein sittenwidriges Verhalten. Die Beklagte räumt selbst ein, dass die Domain des Sohnes des Klägers sich mit versicherungsrechtlichen Fragestellungen beschäftigt und ein breites Spektrum an Informationen zu den verschiedensten Teilbereichen des Versicherungsrechtes anbietet. Bei dieser Sachlage ist es nicht offensichtlich, dass die Gewinnerzielung durch Vermarktung attraktiver Internet-Domains zu überteuerten Preisen die eigentliche Triebfeder der Tätigkeit des Sohnes des Klägers war und ist.

Schließlich muss berücksichtigt werden, dass die Beklagte ihre Zeitschrift schon seit längerem im Internet mit den für Zitate verwendeten Kürzel VersR präsentiert. Hätte sie Wert auf die Domain "versicherungsrecht.de" gelegt, hätte es nahe gelegen, auch diesen Domain-Namen mit anzumelden.

II.

Ein Unterlassungsanspruch nach § 15 Abs. 3 Markengesetz scheitert daran, dass das Tatbestandsmerkmal "ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise" aus den vorgenannten Gründen verneint werden muss.

III.

Auch ein Unterlassungsanspruch nach §§ 1 UWG, 826, 1004 BGB besteht nicht.

1.

Soweit die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 UWG denen des § 13 Markengesetz entsprechen, kommt § 1 UWG nicht zur Anwendung, da diese Bestimmung durch die spezialgesetzliche Regelung des § 13 Abs. 3 Markengesetz verdrängt wird (BGHZ GRUR 2002, 622, 623).

2.

Im Übrigen sind unter Berücksichtigung der obigen Darlegungen Handlungen des Sohnes des Klägers oder des Klägers, die gegen die guten Sitten verstoßen, nicht ersichtlich, zumindest nicht bewiesen.

Streitwert: 50.000 €.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 25.11.2002
Az: I-13 U 62/02


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