Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Juli 2007
Aktenzeichen: 7 W (pat) 355/06

(BPatG: Beschluss v. 11.07.2007, Az.: 7 W (pat) 355/06)

Tenor

Das Patent wird beschränkt aufrechterhalten mit Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag, den erteilten Patentansprüchen 2 - 5, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Die Erteilung des Patents 42 45 046 mit der Bezeichnung "Kondensator für eine Klimaanlage eines Fahrzeuges", das auf einer durch Teilung des Patents 42 38 853 entstandenen Anmeldung beruht, ist am 16. März 2006 veröffentlicht worden. Gegen das Patent sind vier Einsprüche erhoben worden, von denen zwei später zurückgenommen wurden. Die Einsprüche sind auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei und dass er über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe, § 21 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 PatG. Zum Stand der Technik haben die Einsprechenden folgende Druckschriften genannt:

1. EP 0 480 330 A2 2. US 5 146 767 3. DE 42 30 092 C2 4. JP 3-14575 U 5. JP 1-111954 U 6. CA 2013377 A1 7. JP 4-121562 A 8. US 5 159 821 9. JP 4-43271 A 10. JP 2-267478 A 11. JP 4-131667 A 12. JP 58-49167 U 13. US 5 088 294 14. JP 58-22062 Y2 15. JP 2-103667 U 16. US 4 972 683 17. JP 04-254171 18. JP 04-092714 19. JP 05-10633.

Die Patentinhaberin hat in der mündlichen Verhandlung neue Patentansprüche nach Hauptantrag und Hilfsantrag vorgelegt.

Die zur mündlichen Verhandlung nicht erschienene Einsprechende I und die Einsprechende II beantragen, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrecht zu erhalten mit dem am 11. Juli 2007 überreichten Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, den erteilten Patentansprüchen 2 - 5 und dem erteilten Patentanspruch 7 als Patentanspruch 6 (Hauptantrag), hilfsweise mit dem am 11. Juli 2007 überreichten Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag und den erteilten Patentansprüchen 2 - 5, Beschreibung und Zeichnungen jeweils nach Patentschrift.

Sie vertritt die Auffassung, dass die von den Einsprechenden geltend gemachten Widerrufsgründe nicht vorlägen und dass der Gegenstand des Patents zumindest in der hilfsweise verteidigten Fassung eine patentfähige Erfindung darstelle.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

Kondensator für eine Klimaanlage eines Fahrzeuges, der einen Rohr-Rippenblock enthält, welcher beidseits mit Sammelrohren versehen ist, die mittels Trennwänden derart unterteilt sind, dass der Rohrrippenblock einen oberen Kondensierabschnitt für Kältemittel und einen unteren Unterkühlabschnitt für Kältemittel bildet, wobei neben einem der Sammelrohre und parallel dazu ein rohrförmiger Sammler angeordnet ist, der mit diesem Sammelrohr in Verbindung steht, dadurch gekennzeichnet, dass der Kondensierabschnitt nur durch den Sammler mit dem Unterkühlabschnitt verbunden ist, indem der Sammler über eine erste Verbindungsöffnung mit dem Kondensierabschnitt und über eine zweite Verbindungsöffnung mit dem Unterkühlabschnitt in Verbindung steht, wobei die beiden Verbindungsöffnungen unterhalb der (lies: des) Füllniveaus des Kältemittels im Sammler ausgebildet sind; dass in dem Sammler ein Trockner angeordnet ist; dass der rohrförmige Sammler gegenüber der Ebene des Rohr-Rippenblockes versetzt angeordnet ist und dass wenigstens die erste Verbindungsöffnung, die von dem Kondensatorabschnitt zu dem Sammler führt, einen Austritt mit einer in dem Sammler einen Strömungswirbel erzeugenden Form aufweist.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag dadurch, dass in jenem die Konjunktion "und" vor dem letzten Merkmal gestrichen ist und folgendes Merkmal am Ende angefügt ist:

"und dass der Austritt der Verbindungsöffnung mit einem Führungselement versehen ist, das hin zu einer an der Verbindungsöffnung anschließenden Wand des Sammlers gerichtet ist."

Laut Beschreibung soll die Aufgabe gelöst werden, einen Kondensator gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 so auszubilden, dass relativ große konstruktive Freiheiten bezüglich der Ausbildung des Kondensierabschnittes und insbesondere des Unterkühlabschnittes bestehen, wobei sichergestellt wird, dass dem Unterkühlabschnitt ausschließlich flüssiges Kältemittel zuströmt (Abschnitt 0005 i. V. m. Abschnitt 0001 und Patentanspruch 1).

Die Patentansprüche 2 bis 5 sind auf Merkmale gerichtet, mit denen der Gegenstand des Patentanspruchs 1 weiter ausgebildet werden soll.

Für weitere Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Der Einspruch ist durch das Patentgesetz § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 in der Fassung des Kostenbereinigungsgesetzes Art. 7 Nr. 37 vom 13. Dezember 2001, geändert durch das Gesetz zur Änderung des Patentgesetzes und anderer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes Art. 1 Nr. 2 vom 9. Dezember 2004 dem Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zur Entscheidung zugewiesen.

Als Fachmann ist im vorliegenden Fall ein Diplomingenieur des Maschinenbaus mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet der Thermodynamik und mit Erfahrungen in der Auslegung und Konstruktion von Klimaanlagen, insbesondere für Fahrzeuge, anzusehen.

2. Der Gegenstand des Patents geht nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Fassung hinaus.

Das Patent geht zurück auf die Teilung des Patents 42 38 853 gemäß § 60 Abs. 1 PatG. Mit der durch die Teilung entstandene Teilanmeldung kann der gesamte Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung ausgeschöpft werden, BGH "Straßenkehrmaschine" GRUR 1992, 38.

2.1 Es versteht sich für den Fachmann von selbst, dass in einem Kondensierabschnitt eines Kondensators gasförmiges (genauer dampfförmiges) Kältemittel kondensiert wird und dass in einem Unterkühlabschnitt des Kondensators flüssiges Kältemittel unterkühlt wird, denn dies ergibt sich aus der Bezeichnung der Apparateteile. Der Wegfall der Adjektive "gasförmig" und "flüssig" zur Qualifizierung des Kältemittels im Kondensierabschnitt und im Unterkühlabschnitt des Kondensators bedeutet daher in der Sache keine Änderung und keine Erweiterung des Gegenstandes.

2.2 Der Wegfall der Spezifizierung der zweiten Verbindungsöffnung (25) als "im Bereich seines (d. h. des Sammlers) Bodens angebrachte" gegenüber dem Anspruch 1 der Stammanmeldung bewirkt keine unzulässige Erweiterung. Die Fassung der Patentansprüche in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist nicht bindend. Vielmehr können die Patentansprüche im Erteilungsverfahren an einen weitergehenden Offenbarungsgehalt der Anmeldung angepasst werden.

Aus der der Stammanmeldung und im Streitpatent insoweit gleichlautenden Aufgabe ("relative große konstruktive Freiheit bezüglich ... insbesondere des Unterkühlabschnittes") und der im übernächsten Absatz darauffolgenden Darstellung der erzielten Wirkungen ("Insbesondere ist es möglich, den Unterkühlabschnitt ... so zu gestalten, dass das flüssige Kältemittel im Bereich des unteren Endes des Kondensators zugeführt wird.") ergibt sich, dass die Anbringung der zweiten Verbindungsöffnung im Bereich des Bodens des Sammlers nur eine bevorzugte Ausgestaltung darstellt. Zur Erfindung gehören aber, wie der Fachmann ohne weiteres erkennt, grundsätzlich alle Anordnungen der zweiten Verbindungsöffnung zwischen der den Unterkühlabschnitt vom Kondensierabschnitt trennenden Trennwand und dem Boden des Sammlers, denn u. a. dadurch ergibt sich die angestrebte konstruktive Freiheit bei der Gestaltung des Unterkühlabschnittes.

2.3 In der ursprünglichen Anmeldung ist auch ein Kondensator mit einem neben einem der Sammelrohre und parallel dazu angeordneten rohrförmigen Sammler offenbart, der gegenüber der Ebene des Rohr-Rippenblockes versetzt angeordnet ist. Dies ergibt sich z. B. daraus, dass der ursprüngliche Patentanspruch 7, wonach die als Sammler dienende Rohrkammer gegenüber der Ebene des Rohr-Rippenblockes versetzt angeordnet ist, auch auf den Patentanspruch 1 rückbezogen ist, in dem noch gar keine Rohrkammer spezifiziert ist. Der Fachmann wird dies so verstehen, dass die Lehre der Anmeldung hinsichtlich der versetzten Anordnung des Sammlers nicht auf Sammler begrenzt ist, die gemäß Patentanspruch 2 als Rohrkammer eines Doppelrohres ausgebildet sind, sondern auch andere rohrförmige Sammler umfasst. Dies steht auch in Einklang mit den für eine solche versetzte Anordnung angegebenen Vorteilen (DE 42 38 853 A1 Sp. 1 Zeilen 59 bis 67).

2.4 Schließlich ist in der ursprünglichen Anmeldung auch als zur Erfindung gehörig offenbart, dass die beiden Verbindungsöffnungen zwischen dem Sammelrohr und dem Sammler unterhalb des Füllniveaus des Kältemittels im Sammler ausgebildet sind. Dies ergibt sich aus der Beschreibung i. V. m. der Figur 1 (DE 42 38 853 A1 Sp. 2 Zeilen 53 bis 64).

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag stellt eine patentfähige Erfindung i. S. § 1 bis § 5 PatG dar. Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist dagegen nicht gewährbar.

3.1 Mit dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag kann das angefochtene Patent schon deshalb nicht (beschränkt) aufrecht erhalten werden, weil dieser Patentanspruch nicht dem Gebot der Rechtssicherheit genügt und daher nicht zulässig ist (vgl. Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl., § 14 Rdn. 18, 19, § 34 Rdn. 80). Bei dem Kondensator gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag soll (u. a.) die erste Verbindungsöffnung, die von dem Kondensatorabschnitt zu dem Sammler führt, einen Austritt mit einer in dem Sammler einen Strömungswirbel erzeugenden Form aufweisen. Jeder in einen mit einem Medium gefüllten Raum eingeführte Strahl dieses Mediums erzeugt aber aufgrund der Scherkräfte zwischen dem bewegten Strahl und dem im Raum befindlichen Medium bereits Wirbel. Dies gehört zum Grundwissen der Strömungslehre. Aus dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ergibt sich nicht, ob nicht bereits solche Wirbel gemeint sind, so dass nicht klar ist, was genau - evtl. jede beliebige Form des Austritts der ersten Verbindungsöffnung - mit dem Patentanspruch geschützt werden soll.

Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag dagegen ist darüber hinaus spezifiziert, dass der Austritt der Verbindungsöffnung mit einem Führungselement versehen ist, das hin zu einer an die Verbindungsöffnung anschließenden Wand des Sammlers gerichtet ist (vgl. Fig. 11). Damit ist klar, dass ein um die Längsachse des Sammlers rotierender Wirbel erzeugt werden soll und mit welchen Mitteln dies geschieht. Der Anspruch ist somit zulässig. Die im Vergleich zum erteilten Patentanspruch hinzugekommenen Merkmale entstammen den erteilten Patentansprüchen 6 und 7, die ihrerseits den ursprünglichen Patentansprüchen 8 und 9 entsprechen. Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist somit auch insoweit zulässig.

3.2 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu.

Nur in den Druckschriften EP 0 480 330 A2 (1), US 5 146 767 (2), US 4 972 683 (16), JP 04-092714 (18) und JP 05-10633 (19) sind überhaupt Kondensatoren für Kältemittel mit einem oberen Kondensierabschnitt und einem unteren Unterkühlabschnitt, zwischen denen ein Sammler angeschlossen ist, beschrieben. Von diesen zeigt lediglich die Druckschrift 1 explizit Apparate, bei denen ein rohrförmiger Sammler neben und parallel zu einem der beidseitigen Sammelrohre des Kondensators angeordnet ist (z. B. Fig. 15, 34, 43 und 45). Von einer Wirbelerzeugung im Sammler ist aber keine Rede. Dieses Merkmal ist auch bei keinem der anderen bekannten Kondensatoren mit Kondensierabschnitt und Unterkühlabschnitt vorhanden. Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag von den bekannten Kondensatoren mit Kondensierabschnitt und Unterkühlabschnitt zumindest dadurch, dass der Austritt der Verbindungsöffnung die von dem Kondensierabschnitt (Kondensatorabschnitt) zum Sammler führt, mit einem Führungselement versehen ist, das hin zu einer an der Verbindungsöffnung anschließenden Wand des Sammlers gerichtet ist, und dass der Kondensierabschnitt nur durch den Sammler mit dem Unterkühlabschnitt verbunden ist (Druckschrift 1) oder dass der Sammler im Sinne des Patents neben und parallel zu einem der Sammelrohre angeordnet ist (Druckschriften 2, 16, 18 und 19). Von den aus den übrigen Druckschriften bekannten Kondensatoren unterscheidet sich der Kondensator nach Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag, wie bereits ausgeführt, weiter dadurch, dass er einen oberen Kondensierabschnitt und einen unteren Unterkühlabschnitt aufweist.

3.3 Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, ist auch das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Bei dem in der EP 0 480 330 A2 (1) vorgeschlagenen Kondensator, bei dem nur ein Teil des umlaufenden Kältemittels zum Sammler geleitet wird, besteht keinerlei Veranlassung, im Sammler einen Strömungswirbel zur besseren Abscheidung von Dampfblasen auszubilden. Gegebenenfalls im Kältemittel am Austritt aus dem Kondensierteil noch enthaltene Dampfblasen werden nämlich direkt mit dem unmittelbar zum Unterkühlteil strömenden Kältemittel mitgenommen, so dass es auf eine möglichst vollständige Abscheidung im Sammler gar nicht ankommt (s. z. B. Fig. 15 und 17). Bei den rohr- bzw. topfförmigen Sammlern, die z. B. in der US 5 146 767 (2) und JP 04-092714 (18) gezeigt sind, besteht keine Veranlassung an eine Wirbelerzeugung im Sammler zu denken, denn dass kondensierte Kältemittel wird von oben parallel zur Sammlerachse in den Sammler eingeführt (D 2 Fig. 3, D 18 Fig. 3). Der Stand der Technik nach den übrigen Druckschriften liegt noch weiter ab, denn in keiner dieser Druckschriften ist ein Sammler an einem Kondensator gezeigt, bei dem die Zuführung kondensierten Kältemittels in den Sammler, d. h. in den eigentlichen Sammelraum, unterhalb des Flüssigkeitsspiegels im Sammler liegt, so dass das in den Sammler eingeführte flüssige Kältemittel in den dort vorhandenen flüssigen Kältemittelvorrat einströmt.

Der Fachmann hatte ohne weiteres auch keinen Anlass, nach Möglichkeiten zur Unterstützung der Trennung von Dampf und Flüssigkeit im Sammler zu suchen. Normalerweise wird das Kältemittel im Kondensierteil ja vollständig kondensiert und sogar geringfügig unterkühlt - der Flüssigkeitsspiegel im Sammler steht über der Verbindungsöffnung. Außerdem ist der Querschnitt des Sammlers vergleichsweise groß, so dass eine niedrige Strömungsgeschwindigkeit des Kältemittels vom Einlass zum Auslass zu erwarten ist und von daher kein Bedarf zur Unterstützung der Abscheidung von Dampf zu sehen ist. Erst in Verbindung mit der anspruchsgemäßen Anordnung beider Verbindungsöffnungen unterhalb des Flüssigkeitsspiegels im Sammler, d. h. in dessen unterem Teil und demzufolge relativ nahe beieinander, und der Anordnung eines Trockners im Sammler, der dessen Querschnitt einengt, macht die Ausbildung der Verbindungsöffnung mit einem Führungselement zur Erzeugung eines Wirbels richtig Sinn. Dies erkannt zu haben und den Kondensator entsprechend auszubilden, ist als Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit zu bewerten.

Der Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag und mit ihm die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 5 gemäß Patentschrift sind somit gewährbar.






BPatG:
Beschluss v. 11.07.2007
Az: 7 W (pat) 355/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/63f9d6c346f4/BPatG_Beschluss_vom_11-Juli-2007_Az_7-W-pat-355-06




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share