Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 31. März 2008
Aktenzeichen: 13 Ta 138/08

(LAG Hamm: Beschluss v. 31.03.2008, Az.: 13 Ta 138/08)

Tenor

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herford vom 21.01.2008 - 1 BV 11/07 - wird zurückgewiesen.

Die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe einer Gebühr von 40,00 € zu tragen.

Gründe

A.

Im Ausgangsverfahren hat sich der Betriebsrat gegen die Veränderung der Vorgabezeiten zur Akkordentlohnung für elf Arbeitnehmer im Bereich des Seitenschrankbandes gewandt. Die Beteiligten haben das Verfahren vergleichsweise beigelegt.

Auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 21.01.2008 den Gegenstandswert auf 4.000,00 € festgesetzt. Dagegen haben die Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates Beschwerde eingelegt mit dem Ziel, den 36-fachen Differenzbetrag für jeden der elf Arbeitnehmer zugrunde zu legen; mindestens müssten aber wegen der gehobenen Schwierigkeit 12.000,00 € in Ansatz gebracht werden.

B.

Die gemäß § 33 RVG zulässige Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates ist unbegründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht einen Gegenstandswert in Höhe von 4.000,00 € in Ansatz gebracht.

Bei der Bemessung des Gegenstandswertes ist von § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG auszugehen. Danach ist der Gegenstandswert auf 4.000,00 €, je nach Lage des Falles aber auch niedriger oder höher bis zu 500.000,00 € anzunehmen, sofern es sich um nichtvermögensrechtliche Gegenstände handelt. Hiervon ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren immer dann auszugehen, wenn um das Bestehen und die Beachtung betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte gestritten wird, weil die Begehren weder auf Geld noch auf eine geldwerte Leistung gerichtet sind und auch ihre Grundlage nicht in einem Verhältnis haben, dem ein Vermögenswert zukommt (BAG NZA 2005, 70; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 169, 181, 266).

Hier liegt eine solche nichtvermögensrechtliche Streitigkeit vor, weil es dem Betriebsrat im Ausgangsverfahren um die Wahrung seines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG ging.

Die danach einschlägige Auffangvorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG mit ihrem außerordentlich weiten Bewertungsrahmen und dem Hilfswert in Höhe von derzeit 4.000,00 € stellt die Rechtsprechung vor die Aufgabe, die im Beschlussverfahren in Frage kommenden Streitgegenstände in ein Bewertungssystem einzubinden, das falladäquate Abstufungen zulässt und zugleich tragenden Grundsätzen des Arbeitsgerichtsprozesses ausreichend Rechnung trägt; erforderlich ist die Herausarbeitung typisierender Bewertungsgrundsätze, um zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; Schneider, Anm. zu BAG EzA Nr. 36 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rn. 132 b, 264).

Maßgeblich ist allerdings immer die "Lage des Falles"; es bedarf also einer auf die konkreten Umstände des einzelnen Verfahrens abgestellten Wertfestsetzung.

Was die maßgeblichen Einzelfallumstände angeht, kann auf die vergleichbare Regelung zur Bewertung nichtvermögensrechtlicher Streitigkeiten in § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zurückgegriffen werden, wonach es vor allem auf die Bedeutung der Angelegenheit und daneben auf den Umfang sowie die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ankommt (vgl. BVerfG NJW 1989, 2047; siehe auch § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG).

Mit der Bedeutung der Angelegenheit als Ausgangspunkt der Bewertung ist die Tragweite der gerichtlichen Entscheidung für die materielle und ideelle Stellung der Betroffenen angesprochen, was ihnen selbst die Sache "wert" ist. Maßgeblich sind also nicht nur die unmittelbar mit dem Verfahren verfolgten Ziele, sondern auch die weiteren Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die Stellung und das Ansehen der Beteiligten (BVerfG, a.a.O.).

Auch Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit können bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigen sein.

Allerdings müssen beide Gesichtspunkte in Relation zur Bedeutung der Sache gesehen werden. Entspricht also der anwaltliche Arbeitsaufwand von seinem Umfang und seiner Schwierigkeit her typischerweise der Bedeutung der Sache, bleibt es bei deren Bewertung; die Bedeutung ist also letztlich das ausschlaggebende Moment für die vorzunehmende Wertfestsetzung (BVerfG, a.a.O.; LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO).

Andererseits ist der im Beschlussverfahren zum Ausdruck kommenden Grundtendenz Rechnung zu tragen, wonach die dem Arbeitgeber gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG obliegende Verpflichtung, die außergerichtlichen Kosten zu tragen, bei ihm nicht zu einer unangemessenen Belastung führen darf (LAG Hamm EzA Nr. 70 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdn. 265; vgl. auch § 37 Abs. 2 Satz 2 RVG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG und § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG).

Damit steht wiederum die Sonderbestimmung des § 2 Abs. 2 GKG in Einklang, wonach in Beschlussverfahren keine Gerichtskosten erhoben werden.

Nach alldem ist also ein Wert zu finden, der für den Rechtsanwalt angemessene und für den Arbeitgeber tragbare Gebühren ergibt (LAG Hamm LAGE Nr. 50 zu § 8 BRAGO).

Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt es also zunächst auf das Interesse an, das mit dem konkret gestellten Verfahrensantrag durchgesetzt werden soll. Insoweit ging es hier dem Betriebsrat um die Beachtung seines Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 in Zusammenhang mit der Anwendung von Vorgabezeiten bei der Akkordentlohnung.

Wenn damit im Erfolgsfalle auch (mittelbare) Auswirkungen auf die Vermögenslage der Arbeitgeberin und der betroffenen Mitarbeiter einhergegangen wären, ändert dies nichts daran, dass der Streit der Beteiligten im vorliegenden Beschlussverfahren ausschließlich nichtvermögensrechtlicher Art war (vgl. BAG NZA 2005, 70; LAG Düsseldorf JurBüro 1995, 483; LAG Schleswig-Holstein LAGE Nr. 17 und 24 zu § 8 BRAGO).

Dementsprechend kann das für potenzielle individualrechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer maßgebliche Zulagenvolumen nicht der Anknüpfungspunkt für die beantragte Festsetzung des Gegenstandswertes sein. Vielmehr hält es die Kammer in Fällen wie hier in der Regel für sachgerecht, bei der Bemessung der streitwertmäßigen Bedeutung, den eine Auseinandersetzung um das Bestehen eines Mitbestimmungsrechtes hat, von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer auszugehen und sich dabei an der Staffel des § 9 BetrVG zu orientieren.

Dabei ist der Grundfall von bis zu 20 Mitarbeitern – wie hier - mit dem Auffangwert des § 23 Abs. 3 Satz 2 2. Halbsatz RVG in Höhe von 4.000,00 Euro in Ansatz zu bringen.

Ansatzpunkte für eine Erhöhung diese Hilfswerts sind im konkreten Fall nicht erkennbar. Insoweit kann zunächst Bezug genommen werden auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts im Ausgangsbeschluss vom 11.02.2008. Es kann weiterhin nicht festgestellt werden, dass der Umfang und/oder die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit hier über das Maß dessen hinausgegangen ist, was der im Gegenstandswert von 4.000,00 € zum Ausdruck kommenden Bedeutung der Angelegenheit entspricht. Wenn es bei bereits bestehenden Regelungen um die Veränderung von Vorgabezeiten für nur elf betroffene Arbeitnehmer an einem bestimmten Seitenschrankband ging, wobei gegebenenfalls Streitfragen durch einen Sachverständigen zu klären gewesen wären (vgl. Schriftsatz des Betriebsrates vom 05.10.2007), ist es sachgerecht, in einem Beschlussverfahren zur Wahrung des Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG den Auffangwert des § 23 Abs. 3 S. 2 2. Halbsatz RVG in Ansatz zu bringen.

Die Entscheidung über die Auferlegung der Gebühr in Höhe von 40,00 € beruht auf § 1 S. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 8614 der Anlage 1 zum GKG (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2007 – 10 Ta 97/07; Beschluss vom 23.04.2007 – 13 Ta 130/07).

Dr. Müller






LAG Hamm:
Beschluss v. 31.03.2008
Az: 13 Ta 138/08


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