Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Januar 2003
Aktenzeichen: 17 W (pat) 306/02
(BPatG: Beschluss v. 16.01.2003, Az.: 17 W (pat) 306/02)
Tenor
Das Patent Nr. 100 44 448 wird in beschränktem Umfang mit folgenden Unterlagen aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 7, Beschreibung, beides überreicht in der mündlichen Verhandlungvom 16. Januar 2003, 1 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 4 gemäß der Patentschrift.
Gründe
I.
Auf die am 8. September 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 100 44 448.2 - 34 wurde am 4. Juli 2001 unter der Bezeichnung
"Drehschalteranordnung für ein Haushaltsgerät"
durch Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H01H das Patent erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 24. Januar 2002.
Auf den Einspruch der D... Stiftung & Co. KG GmbH in N... verteidigt die Patentinhaberin ihr Patent in eingeschränktem Umfang mit folgendem Patentanspruch 1 (geltender Anspruch 1):
1. Drehschalteranordnung für ein Haushaltsgerät, welche Anordnung einen in einem Ausschnitt einer Geräteblende (4) sitzenden Drehknopf (1) aufweist, der drehfest jedoch axial beweglich mit einer Betätigungswelle (2) verbunden ist, die die Drehbewegung des Drehknopfes (1) auf die Schaltwelle (7) einer hinter der Geräteblende (4) gehalterten Schalteinheit (6) überträgt, wobei
Ñ der Ausschnitt der Geräteblende (4) eine Aufnahmenische (3) bildet,
Ñ die Betätigungswelle (2) mit der Schaltwelle (7) kardanisch (15, 16)
gekuppelt ist und
Ñ die Betätigungswelle (2) an der Bodenwand (10) der Aufnahmenische (3) mittels eines Kugellagers (8) drehbar gelagert ist.
Wegen der Unteransprüche 2 bis 7 wird auf die Akte Bezug genommen.
Die Einsprechende stützt ihr Vorbringen auf die Druckschriften
[1] DE 198 32 089 A1,
[2] DE 87 16 377 U1, sowie auf die in der mündlichen Verhandlung vorgelegte
[3] DE 36 05 088 A1 und führt hierzu aus, der Fachmann gelange aufgrund des Standes der Technik gemäß den Druckschriften [1] und [2] ohne weiteres zu einer einschlägigen Drehschalteranordnung mit einem in der Geräteblende angeordneten Lager für die Betätigungswelle. Dieses Lager als Kugellager auszubilden sei nicht mehr als eine Routinemaßnahme, die der Fachmann ergreife, wenn er eine "gute" Lagerung gewährleisten möchte, wie bspw. die Druckschrift [3] zeige. Beim Patentgegenstand fehle es somit an der zu fordernden erfinderischen Tätigkeit.
Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 7 und der Beschreibung, beides überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2003, sowie der Zeichnungen gemäß der Patentschrift in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten und ansonsten den Einspruch zurückzuweisen.
Sie begründet ihren Antrag damit, daß es beim angegriffenen Patent um Haushaltsgeräte und deren Drehschalter gehe, die in der Geräteblende versenkbar angeordnet seien. Hierbei würden sich durch Fertigungstoleranzen bedingte Abweichungen in der Ausrichtung der Drehknöpfe schon im Zehntelmillimeter-Bereich optisch sehr störend bemerkbar machen. Die streitpatentgemäße Lösung, mit der eine exakte Ausrichtung der Drehknöpfe ermöglicht werde, sehe deshalb ein Kugellager für die Drehknopfwelle in der Geräteblende iVm einer kardanischen Kupplung zwischen Drehknopf- und Schalterwelle zum Ausgleich eines möglichen Versatzes zwischen beiden vor. Eine solche Schalteranordnung sei durch den nachgewiesenen Stand der Technik nicht nahegelegt.
II.
Der Einspruch frist- und formgerecht erhoben; er ist mit nachprüfbaren Gründen versehen und somit zulässig. Er hat aber nur teilweise Erfolg, da der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 die Kriterien der Patentfähigkeit gemäß §§ 1 bis 5 PatG erfüllt und das Patent in der eingeschränkt verteidigten Fassung somit Bestand hat.
1. Der Fachmann, ein Elektrotechniker mit mehrjähriger Berufserfahrung in der Entwicklung von Bedienelementen für haushaltstechnische Geräte entnimmt dem Streitpatent eine Drehschalteranordnung, bei der der Drehknopf in einer Einsenkung ("Aufnahmenische") der Geräteblende sitzt und eine kugelgelagerte Betätigungswelle aufweist, mit der die Drehbewegung des Knopfes über ein Kardangelenk auf die Schaltwelle eines hinter der Geräteblende befestigten Schalters übertragen wird. Drehknopf und Betätigungswelle sind zudem gegen die Schaltwelle axial verschieblich, um den Drehknopf in der Blende versenken zu können. Nach der Definition des Streitpatents werden dabei unter "Kardangelenk" auch Kreuzführungen zum Ausgleich eines Parallelversatzes verstanden (Patentschrift 100 44 448, Sp. 1, Z. 10 -20 iVm Anspruch 7).
2. Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig. Er ergibt sich aus den erteilten Patentansprüchen 1, 2 und 8 sowie aus der Beschreibung des Ausführungsbeispiels gemäß Patentschrift 100 44 448, Sp. 2, Z. 19 - 30 und ist in gleicher Weise durch die ursprünglichen Unterlagen gedeckt.
3. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu, denn keine der angezogenen Druckschriften beschreibt eine Schalteranordnung mit allen in diesem Anspruch angegebenen Merkmalen. Der beanspruchte Schalter beruht darüberhinaus auf erfinderischer Tätigkeit, weil er sich nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
Das Streitpatent geht von der aus Druckschrift [1] bekannten Schalteranordnung für Haushaltsgeräte aus (Figuren 1 und 2 mit Beschreibungen), die einen Drehknopf (9) sowie eine mit ihm verbundene Betätigungswelle (21) und die Schaltwelle (5) eines Schalters (7) umfaßt, wobei der Drehknopf (9) axial verschieblich und in einem Ausschnitt der Geräteblende (3) versenkbar ist. Um Toleranzen in der axialen Ausrichtung zwischen Drehknopf (9) und Schaltwelle (5) ausgleichen zu können, ist zwischen Drehknopf (9) und Betätigungswelle (21) eine komplizierte Kupplung in Form einer Kreuzführung (15, 17, 19) Ñ hier ebenfalls "Kardangelenk" genannt Ñ vorgesehen, mit der der Knopf (9) horizontal und vertikal gegen die Schaltwelle (5) verschiebbar ist, so daß er beim Drehen radiale Ausgleichsbewegungen ausführen kann, wobei er sich an der Ausnehmung der Geräteblende (1, 11) abstützt.
Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 dadurch, daß der Ausschnitt der Geräteblende eine Aufnahmenische bildet, in deren Bodenwand die Betätigungswelle mittels eines Kugellagers drehbar gelagert ist, und daß die kardanische Kupplung nicht zwischen Drehknopf und Betätigungswelle, sondern zwischen letzterer und der Schaltwelle angeordnet ist.
Mit der Lehre der Druckschrift [1] kann zwar ein axialer Versatz zwischen Betätigungs- und Schaltwelle kompensiert werden, allerdings verbleibt wegen der radialen Beweglichkeit unvermeidbar ein gewisses Spiel innerhalb der Ausnehmung der Geräteblende, wobei der Drehknopf zwangsläufig stellenweise an der Ausnehmung der Geräteblende scheuert (vgl. Sp. 2, Z. 24 - 27). Der Fachmann wird sich deshalb zwar bemühen, hier bspw. eine verbesserte Gleit- und Drehlagerung für den Drehknopf selbst vorzusehen. Er hat aber keinen Anlaß, die kardanische Kupplung aus der Kappe des bekannten Drehknopfs (9) zu entfernen und zwischen Betätigungswelle (21) und Schalterwelle (5) zu verlegen, wobei er zugleich die dort vorgesehene Längsverschiebung aufgeben oder zumindest völlig umgestalten und die Betätigungswelle am Drehknopf befestigen müßte, um sie mit einem Kugellager versehen zu können. Er wird dies um so weniger ins Auge fassen, als er wegen der daraus resultierenden langen Hebelarme eine weniger stabile Anordnung befürchten muß. Ebensowenig ergibt sich für den Fachmann ein zwingender Grund, die Lagerung der Welle in der Geräteblende anzubringen, denn dazu muß er beim aus Druckschrift [1] bekannten Schalter statt des Ausschnitts (11) eine topfartige Einsenkung (Aufnahmenische) in der Geräteblende vorsehen, in deren Boden das Lager befestigt werden kann; für die Anbringung dieses Lagers ergeben sich vielmehr zahlreiche andere Möglichkeiten, bspw. an einer Zwischenwand oder Traverse im Innenraum hinter der Geräteblende.
Die Maßnahmen nach Anspruch 1 werden auch nicht durch die Druckschrift [2] nahegelegt. Diese beschreibt anhand der Figuren 1 und 4 ein Tastentableau (2) für elektronische Herdschaltuhren, das Öffnungen (3) und entsprechende Schaftführungen (8) für die Tasten besitzt, wobei sowohl versenkbare als auch nichtversenkbare, und kurz- wie langschäftige Tasten einsetzbar sein sollen (S. 2, Abs. 3). Soweit Drehknöpfe (13, 17) vorgesehen sind, besitzen diese einen Schaft (19) mit rillenförmiger Einkerbung, die beim Aufschieben des Drehknopfs auf die Achse (11) eines Impulsgenerators (6) in einen am Gehäuse angespritzen ringförmigen Wulst (18) einrastet (S. 5, Abs. 1). Insoweit ist hier zwar eine "Lagervorrichtung" in der "Geräteblende" vorhanden. Mit dem Gegenstand des angegriffenen Patents bestehen darüberhinaus aber keine Gemeinsamkeiten, denn die Lehre der Druckschrift [2] befaßt sich tatsächlich nur damit, ein einheitliches Tastentableau für verschiedene Arten von Bedienungselementen zu schaffen, und enthält keinen Hinweis, aus dem der Fachmann Einzelheiten zur Lösung seines Problems der nicht fluchtenden Antriebs- und Abtriebsachsen entnehmen könnte.
Noch weniger ergibt sich eine solche Anregung aus der Druckschrift [3]. Sie betrifft eine Bedieneinrichtung für ein Gerät zur Informationswiedergabe (Videomagnetband-Wiedergabe) mit einem zur Auswahl verschiedener Betriebszustände ausgebildeten Drehknopf, in dem alle für die Auswahl der Gerätefunktionen erforderlichen Einrichtungen eingebaut sind (S. 1, Z.57 - S. 2, Z. 15). Wie anhand der Figur 2 beschrieben, ist die Welle (5) des Drehknopfs (1) in zwei Kugellagern (10, 11) gelagert, was eine besonders stabile Anordnung garantiert, die in diesem Falle für die Funktionssicherheit der innerhalb der Schalterkappe elektrisch nachgebildeten mechanischen Funktionen zur Betriebsartwahl auch von besonderer Bedeutung ist. Insoweit liegt dieser Lehre eine ganz andere Zielsetzung zugrunde. Aber selbst wenn der Fachmann trotz völlig abliegender Problematik hieraus das isolierte Merkmal "Kugellager" entnehmen würde, käme er damit ersichtlich nicht zum Gegenstand des angegriffenen Patents.
3. Mit dem geltenden Patentanspruch 1 haben auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 Bestand, die sinnvolle Weiterbildungen der im Anspruch 1 ausgewiesenen Schalteranordnung zum Gegenstand haben.
Grimm Schmitt Greis Schuster Bb
BPatG:
Beschluss v. 16.01.2003
Az: 17 W (pat) 306/02
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/640d1c946848/BPatG_Beschluss_vom_16-Januar-2003_Az_17-W-pat-306-02