Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 17. Oktober 2005
Aktenzeichen: AnwZ (B) 73/04

(BGH: Beschluss v. 17.10.2005, Az.: AnwZ (B) 73/04)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 24. Juli 2004 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seit 1984 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen, derzeit beim Amts- und beim Landgericht B. sowie beim Oberlandesgericht K. . Mit Bescheid vom 18. Februar 2004 hat die Antragsgegnerin die Zulassung des Antragstellers wegen Vermögensverfalls widerrufen. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Gegen dessen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers. Auf mündliche Verhandlung haben die Beteiligten verzichtet.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Zutreffend hat der Anwaltsgerichtshof die Voraussetzungen eines Vermögensverfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids als belegt angesehen, weil der Antragsteller damals aufgrund der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in drei Vollstreckungsverfahren im Schuldnerverzeichnis (§ 915 ZPO) eingetragen war; damit wurde der Vermögensverfall nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 (2. Halbsatz) BRAO gesetzlich vermutet. Für eine Widerlegung der Vermutung oder auch nur für eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse des Antragstellers (vgl. BGHZ 75, 356; 84, 149) ist nichts ersichtlich. Die Gesamtsumme der gegen ihn bestehenden Forderungen von rd. 97.000 € überschreitet seine mit rd. 72.000 € bezifferten, zudem weitgehend nicht realisierbaren Honoraraußenstände beträchtlich. Der Antragsteller bestreitet den Vermögensverfall selbst nicht.

2. Mit Recht hat der Anwaltsgerichtshof einen Ausnahmefall verneint, in dem die Interessen der Rechtsuchenden ungeachtet des Vermögensverfalls nicht gefährdet wären.

a) Die Erklärung, man wolle im Umgang mit Fremdgeldern eine Gefährdung der Rechtsuchenden tunlichst vermeiden, vermittelt keine ausreichende Sicherheit. Das Interesse eines Rechtsanwalts an der Fortführung seiner Berufstätigkeit muss zurückstehen, wenn dies zum Schutz für die Rechtsuchenden erforderlich ist. Deren berechtigtes Vertrauen auf unbedingte Zuverlässigkeit eines amtierenden Rechtsanwalts in Vermögensangelegenheiten muss im Interesse der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege als eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes als vorrangig anerkannt werden. Danach ist es angemessen, eine Fortführung anwaltlicher Tätigkeit bei Vermögensverfall nur in Ausnahmefällen einer besonderen Absicherung vor den in solchen Fällen generell gegebenen Gefährdungen zu gestatten. In diesem Sinne sieht § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO verfassungsgemäß einen regelmäßig zwingenden, insbesondere auch von einem Verschulden des betroffenen Rechtsanwalts unabhängigen Grund für den Widerruf der Rechtsanwaltszulassung bei gegebenem Vermögensverfall vor.

b) Im Interesse der Rechtsuchenden, deren Belange durch eine trotz des Vermögensverfalls fortgesetzte anwaltliche Tätigkeit des Antragstellers gefährdet werden, gewährleistet dessen erklärte Absicht, er wolle Fremdgelder nicht mehr entgegennehmen, keine gegenläufige hinreichend stabile Sicherung. Nichts anderes gilt aber auch für den am 26. Juli 2005 abgeschlossenen Treuhandvertrag zwischen dem Antragsteller und dem mit ihm in Bürogemeinschaft stehenden Rechtsanwalt H. . Dadurch entfällt die von einer fortgesetzten Berufstätigkeit des Antragstellers ausgehende Gefahr für die Rechtsuchenden nicht in einem Maße wie in dem Fall des Senatsbeschlusses vom 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 43/03 (NJW 2005, 511).

Der Antragsteller übt seinen Beruf weiterhin als Inhaber einer Einzelkanzlei aus. Anders als in dem dem Senatsbeschluss (aaO) zugrunde liegenden Sachverhalt wird daher nicht durch eine Überwachung seitens der Sozien einer Kanzlei, bei denen der Betroffene angestellt ist, und durch deren entsprechende sachbezogene Vorkehrungen gewährleistet, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ausgeschlossen ist. Eine vergleichbare Sicherheit für die Belange der Mandanten wird durch die Einschaltung des Rechtsanwalts H. , mit dem der Antragsteller lediglich eine Bürogemeinschaft unterhält, nicht geschaffen.

(1) Nach dem Treuhandvertrag hat der Antragsteller zwar keinerlei Verfügungsbefugnis über das von Rechtsanwalt H. eingerichtete, im Kanzleibriefkopf des Antragstellers allein angegebene Konto (Ziffer 2 des Vertrages). Gemäß Ziffer 3 des Vertrages werden jedoch die Fremdgelder, die auf dem Treuhandkonto eingehen, allein nach den diesbezüglichen Angaben und Weisungen des Antragstellers an die jeweiligen Empfänger weitergeleitet. Eine Kontrolle seiner Anweisungen findet nicht statt. Rechtsanwalt H. übernimmt nach Ziffer 3 Abs. 5 des Vertrages keinerlei Verpflichtung zum Überprüfen der Richtigkeit und Ordnungsgemäßheit der Angaben und Weisungen des Antragstellers sowie keinerlei Verantwortung und Haftung dafür; er verfügt über keine Kenntnis der Mandatsakten des Antragstellers und ihres Inhalts. Letztlich entscheidet damit doch der Antragsteller, was mit den eingegangenen Fremdgeldern geschieht.

(2) Zudem ist die Möglichkeit einer Hereinnahme von Schecks oder Bargeld, welche für die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden spricht (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 70/03, BRAK-Mitt. 2005, 27), nicht hinreichend sicher ausgeschlossen. Anders als in dem mit Senatsbeschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 43/03 (NJW 2005, 511) entschiedenen Fall erscheint vorliegend der Name des Antragstellers auf dem Briefkopf seiner (Einzel-)Kanzlei, und er selbst schließt die Verträge mit den Mandanten im eigenen Namen und für eigene Rechnung. Es ist unter diesen Umständen nicht ausgeschlossen, dass die Zahlung von Fremdgeldern bar oder per Scheck unmittelbar an den Antragsteller erfolgt. Durch den vorgesehenen Hinweis auf dem Kanzleibriefbogen, wonach Zahlungen mit schuldbefreiender Wirkung nur noch auf das Treuhandkonto erfolgen könnten, wird nicht hinreichend sicher gestellt, dass keine Barzahlung erfolgt.

(3) Weitere Zweifel sind schließlich noch dadurch begründet, dass in Fällen der Urlaubsabwesenheit bzw. Krankheit des Treuhänders eine Weitergabe des Geldes an Mandanten nicht sichergestellt sein könnte. Auch insoweit besteht ein nicht unerheblicher Unterschied zu dem mit Beschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ(B) 43/03 (NJW 2005, 511) entschiedenen Fall.

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BGH:
Beschluss v. 17.10.2005
Az: AnwZ (B) 73/04


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