Landgericht Karlsruhe:
Urteil vom 3. Juli 2014
Aktenzeichen: 15 O 19/14 KfH IV

(LG Karlsruhe: Urteil v. 03.07.2014, Az.: 15 O 19/14 KfH IV)

Dem Antragsgegner fallen keine Kosten eines Abschlussschreibens zur Last, wenn er bereits vor dessen Absendung rechtzeitig und unaufgefordert eine hinreichende Abschlusserklärung abgegeben hat.

Der Verletzte muss bei Geltendmachung seiner für das Abschlussschreiben entstandenen Anwaltskosten nicht beweisen, dass er beabsichtige oder beabsichtigt habe, Hauptsacheklage zu erheben.

Im Einzelfall kann das Abschlussschreiben so geringe Anforderungen an den damit beauftragten Anwalt stellen, dass die dadurch entstehende Gebühr nicht aus Nr. 2300 VV RVG, sondern aus Nr. 2302 VV RVG zu entnehmen ist.

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 745,40 EUR nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über Basiszinssatz hieraus seit 18.01.2014 zu bezahlen.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheitsleistung von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin macht einen Erstattungsanspruch hinsichtlich Rechtsanwaltskosten geltend, die ihr im Abschlussverfahren nach Erlass einer wettbewerbsrechtlichen einstweiligen Verfügung entstanden sind.

Die Klägerin hatte gegen den Beklagten im Verfahren 15 O € KfH IV eine einstweilige Verfügung im Urteilsverfahren erwirkt. Sie ließ das Urteil dem Beklagten (vorsorglich nochmals) am 30.10.2013 von Anwalt zu Anwalt zustellen. Mit Anwaltsschreiben vom 16.12.2013 forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer Abschlusserklärung auf und stellte ihm hierfür die Klagesumme in Rechnung. Der Beklagte gab im Rahmen eines Anwaltsschreibens eine ähnlich lautende Abschlusserklärung ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe für den Gebührenaufwand zur Anforderung einer Abschlusserklärung der mit der Klage geltend gemachte Betrag zu.

Sie beantragt

wie ausgeurteilt.

Der Beklagte beantragt

Klagabweisung.

Er ist der Meinung, dem Grunde und der Höhe nach nicht zur Erstattung der Anwaltskosten verpflichtet zu sein.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der für die Anforderung der Abschlusserklärung veranlassten Kosten zu.

1. a) Dieser Aufwendungsersatzanspruch ist nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683, 670 BGB) begründet (BGH, Urteil vom 04. Februar 2010 € I ZR 30/08 €, juris, Rn. 26; stRspr), nach a.A. auf der Grundlage von § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG analog (Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 12, Rn. 3.73). Die Anforderung der Abschlusserklärung gehört hinsichtlich der Rechtsanwaltsgebühren nicht mehr zum vorangegangenen Eilverfahren, sondern zur Hauptsacheklage. Das Abschlussschreiben ist daher als eine neue, selbständig zu honorierende Angelegenheit i.S. des § 17 Nr. 4 lit. b RVG anzusehen (BGH, a.a.O., Rn. 27). Fordert der Rechtsanwalt im Auftrag seines Mandanten nach Erwirkung einer auf Unterlassung gerichteten einstweiligen Verfügung den Anspruchsgegner dazu auf, die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anzuerkennen und auf die Rechte aus §§ 924, 926, 927 ZPO zu verzichten, so will er auf diese Weise die Klaglosstellung seines Mandanten und damit ein Ergebnis erzielen, wie es nur mit dem Hauptsacheprozess erreicht werden kann.

b) Allerdings fallen dem Antragsgegner dann keine Kosten eines Abschlussschreibens zur Last, wenn er bereits vor dessen Absendung unaufgefordert die Abschlusserklärung abgegeben hat (BGH, Urteil vom 08. Dezember 2005 € IX ZR 188/04 €, juris, Rn. 8 m.w.N.). Binnen welcher Frist ab Zustellung der Beschluss- oder Urteilsverfügung er dies tun muss, hängt von den Einzelfallumständen ab (vgl. näher Köhler/Bornkamm, a.a.O.); das Abschlussschreiben wird aber regelmäßig als erforderlich anzusehen sein (dazu BGH, GRUR 2010, 855, Rn. 26), wenn die Abschlusserklärung nicht binnen eines Monats abgegeben wurde.

c) Der Beklagte hat im Streitfall die Abschlusserklärung erst abgegeben, nachdem ihm das Unterlassungsurteil rund sechs Wochen zuvor (erneut, nach vorheriger gerichtlicher Zustellung) zugestellt worden war. Er schuldet mithin die durch das Abschlussschreiben entstandenen Anwaltskosten.

d) Die hiergegen von ihm vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

aa) Der Beklagte hat zwar keine Aktivitäten entfaltet, aus denen die Klägerin hätte schließen können, dass er sich nicht an die Urteilsverfügung zu halten gedenke; so hat er insbesondere keine Berufung eingelegt und die Kostennote der Klägervertreterin bezahlt. Damit ist das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin indes nicht entfallen, denn die einstweilige Verfügung enthält nur eine vorläufige Regelung. Die Abschlusserklärung dient dazu, sie ebenso effektiv und dauerhaft werden zu lassen wie einen Hauptsachetitel (BGH, GRUR 1991, 76, 77). Außerdem sichert sich der Gläubiger durch das Abschlussschreiben dagegen ab, dass der Schuldner in einem Hauptsacheverfahren mit der Wirkung des § 93 ZPO sofortig anerkennt (Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 3.70).

Angesichts dessen dient das Abschlussverfahren auch den Interessen des Verletzers, also des Beklagten, denn auf diese Weise kann ein - kostenträchtiger - Hauptsacheprozess vermieden werden.

bb) Die Kostenerstattungspflicht entfällt nicht deswegen, weil der Beklagte auf das Abschlussschreiben hin die geforderte Erklärung abgegeben hat; denn der entsprechende Anspruch war zu diesem Zeitpunkt bereits entstanden. Vorheriger Verzugseintritt ist nicht erforderlich. Soweit der Beklagte für seine Rechtsansicht eine Kommentarstelle aus Zöller/Herget, ZPO, zitiert, ist der Kommentierung dafür nichts zu entnehmen. Es hätte dem Beklagten oblegen, aufgrund entsprechender Beratung seines Prozessbevollmächtigten (dazu BGH, Urteil vom 08. Dezember 2005, a.a.O.) die Abschlusserklärung von sich aus abzugeben (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 91 Rn. 13 €Abschlussschreiben€; Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 58 Rn. 35 ff.; Köhler/Bornkamm, a.a.O., Rn. 3.73, alle m.w.N.).

cc) Soweit der Beklagte auf ein - von ihm nicht vorgelegtes und in juris und Beck online nicht verfügbares - Urteil des Landgerichts Berlin vom 21.01.2010 (27 O 822/09) verweist und behauptet, dieser Entscheidung zufolge müsse der Verletzte beweisen, dass er beabsichtige oder beabsichtigt habe, Hauptsacheklage zu erheben, so schließt sich das Gericht dieser Auffassung jedenfalls nicht an. Der Beweis einer (inneren) Absicht könnte regelmäßig durch die bloße Behauptung derselben geführt werden. Die Beweisanforderung würde also allein dazu führen, dass in Abschlussschreiben die Formel aufgenommen wird, es sei bei Nichtabgabe einer Abschlusserklärung beabsichtigt, Hauptsacheklage zu erheben. Mit solcher Förmelei wäre für das Abschlussverfahren nichts gewonnen. Da letzteres gerade dazu dient, das Hauptsachverfahren zu vermeiden, ist im Übrigen jedem Abschlussschreiben die Ankündigung immanent, bei Nichtabgabe der Abschlusserklärung gerichtliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

2. Der Höhe nach ist nach Ansicht des Gerichts im Streitfall gegen den Ansatz einer 1,3 Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG zzgl. Auslagenpauschale nichts zu erinnern. Diese Bemessung entspricht der wohl herrschenden Rechtsprechung (vgl. die Nachweise bei BGH, Urteil vom 04. Februar 2010, a.a.O., Rn. 30), der sich der Bundesgerichtshof für den Regelfall angeschlossen hat (a.a.O., Rn. 31).

Allerdings weist der Bundesgerichtshof (a.a.O.) zutreffend darauf hin, dass im Einzelfall das Abschlussschreiben so geringe Anforderungen an den damit beauftragten Anwalt stellen kann, dass die dadurch entstehende Gebühr aus Nr. 2302 VV RVG zu entnehmen sei. Dies war im vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall insbesondere deswegen so, weil eine erneute rechtliche Prüfung des Sachverhalts und der Abschlusserklärung nicht erforderlich war und sich das Abschlussschreiben auf eine Standardformulierung beschränkte.

Der Streitfall liegt indes anders. Zwar handelte es sich bei dem Abschlussschreiben der klägerischen Prozessbevollmächtigten vom 16.12.2013 ebenfalls nur um ein Standardschreiben; dasselbe gilt für die vorformulierte Abschlusserklärung. Der Beklagte hat letztere jedoch nicht unterschrieben, sondern durch seinen Prozessbevollmächtigten eine abweichend formulierte Abschlusserklärung abgeben lassen, welche zudem in einem Schriftsatz enthalten war, der sich hauptsächlich mit der Abwehr der zur Zahlung aufgegebenen Anwaltskosten beschäftigte. Angesichts dessen war die Prozessbevollmächtigte der Klägerin gehalten, die anwaltliche Erklärung daraufhin rechtlich zu überprüfen, ob sie das Rechtsschutzbedürfnis für ein Hauptsacheverfahren in gleicher Weise entfallen lässt wie die eigentlich angeforderte Abschlusserklärung. Damit hat sie eine anwaltliche Tätigkeit durchschnittlicher Schwierigkeit entfaltet.

3. Der Beklagte schuldet wegen Verzugs gesetzliche Zinsen gem. §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 1, 711 ZPO.






LG Karlsruhe:
Urteil v. 03.07.2014
Az: 15 O 19/14 KfH IV


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