Oberlandesgericht München:
Beschluss vom 15. April 2010
Aktenzeichen: 6 W 1566/09
(OLG München: Beschluss v. 15.04.2010, Az.: 6 W 1566/09)
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 24.4.2009 unter I. abgeändert:
Die Herausgabe des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S vom 5.12.2008 an Rechtsanwalt Dr. C P und Patentanwalt Dr. K S wird angeordnet; Rechtsanwalt Dr. C P und Patentanwalt Dr. K S werden verpflichtet, über die ihnen aufgrund dieses Beschlusses bekannt gewordenen Inhalte des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S auch gegenüber der eigenen Partei Verschwiegenheit zu bewahren.
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
3. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf Euro 100.000,-- festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist Inhaberin des Europäischen Patents ... (Anlage Ast 6) betreffend ein Leseverfahren und eine Lesevorrichtung für Reliefmarkierungen in einem durchsichtigen oder durchscheinenden Behälter, das unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 26.6.1998 (FR 9898356) am 24.6.1999 angemeldet wurde. Der Hinweis auf die Patenterteilung wurde am 31.1.2007 veröffentlicht. Der deutsche Teil wird unter der Nummer DE ... geführt (Anlage Ast 7).
Ansprüche 1 und 5 lauten in deutscher Übersetzung:
1. Verfahren zum optischen Lesen von Reliefs (2), die von der Außenwand eines transparenten oder lichtdurchlässigen Behälters (4) getragen werden, wobei das Verfahren darin besteht:
€ durch einen einfallenden Lichtstrahl die Außenwand des Behälters (4) gemäß ihrem Umfang zu beleuchten,
€ durch ein optisches Element (24) die Lichtstrahlen, die von dem Behälter reflektiert werden, im Hinblick darauf wiederzuerhalten, sie zu einem Empfängersystem (23) zu übertragen,
€ und die Verarbeitung der Lichtstrahlen sicherzustellen, die von dem Empfängersystem (23) empfangen werden, um die Identifizierung der Reliefs sicherzustellen,
dadurch gekennzeichnet, dass
€ der Schritt des Beleuchtens darin besteht, die Außenwand des Behälters (4) mit einem einfallenden Lichtkegel (11) zu beleuchten, der von einem Beleuchtungssystem (10) geliefert wird, das unter dem Behälter angeordnet ist,
€ wobei das Verfahren im übrigen darin besteht, die Breite des einfallenden Lichtkegels (11) einzustellen, um die Beleuchtung wenigstens des Teils der Außenwand zu begrenzen, der mit Reliefs (2) versehen ist, um Störreflexe zu vermeiden,
€ wobei der Schritt des Wiedererhaltens darin besteht, die reflektierenden Lichtstrahlen durch das optische Element (24) wiederzuerhalten, das unter dem Behälter angeordnet ist und ausgelegt ist, um ein ebenes Bild der Wand des Behälters auf dem Empfängersystem (23) zu bilden,
€ und wobei das Verfahren außerdem darin besteht, den Feldwinkel (...) des optischen Elements (24) in Abhängigkeit der Merkmale des Behälters einzustellen.
5. Vorrichtung zum optischen Lesen von Reliefs (2), die von der Außenwand (3) eines transparenten und lichtdurchlässigen Behälters (4) getragen werden, wobei die Vorrichtung umfasst:
€ ein Beleuchtungssystem (10), das geeignet ist, einen einfallenden Lichtstrahl zu liefern, der die Außenwand des Behälters gemäß ihrem Umfang beleuchtet,
€ ein Empfängersystem (23) der Lichtstrahlen, die durch den Behälter reflektiert werden und wieder erhalten werden durch ein optisches Element (24), das zwischen den Behälter (4) und das Empfängersystem eingefügt ist,
€ und eine Einheit zur Analyse und Verarbeitung der Lichtstrahlen, die durch das Empfängersystem empfangen werden, um die Identifikation der Reliefs sicherzustellen, dadurch gekennzeichnet, dass
€ das Beleuchtungssystem (10) unter dem Behälter angeordnet ist und einen einfallenden Lichtkegel (11) bildet, der die Außenwand des Behälters beleuchtet,
€ und das optische Element (24) unter dem Behälter angeordnet ist und geeignet ist, ein ebenes Bild der beleuchteten Wand des Behälters auf dem Empfängersystem zu bilden.
Die Antragsgegnerin, die in der Prozessautomatisierung für die Getränke-, Lebensmittel-, Verpackungs- und Glasindustrie tätig ist, unterhält in München zwei Betriebsstätten. Im Internet bewirbt die Antragsgegnerin unter www...de ein Glasinspektionsgerät "M" und hält eine Produktbroschüre für das System "S M-NCI" zum Download bereit (Anlage Ast 10).
In ihrem Antrag im selbständigen Beweisverfahren und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 15.10.2008 verweist die Antragstellerin auf ein ihr vorliegendes Angebot der Antragsgegnerin (Anlage 11), in dem ein nach Auffassung der Antragstellerin nicht nach dem Stand der Technik, sondern nach der Transmissionsmethode arbeitendes System vorgestellt wird. Dieses Angebot lege es somit nahe, dass die darin beschriebene Ausführungsform von allen Merkmalen von Anspruch 5 des Streitpatents Gebrauch mache. Die tatsächliche Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform sei der Antragstellerin jedoch nicht bekannt, sodass die Besichtigung durch einen Sachverständigen erforderlich sei.
Auf den Antrag erging in dem Verfahren 21 OH 17829/08 ein Beschluss vom 16.10.2008:
I. Auf Antrag der Antragstellerin wird, da ein Rechtsstreit noch nicht anhängig ist und die Antragstellerin ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Sache festgestellt wird, die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gemäß §§ 485 ff. ZPO angeordnet.
II. 1. Es soll durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis darüber erhoben werden, wie die Glasinspektionsgeräte des Typs "M", die ein Modul zur Formnummernlesung mit der Funktion "bottum-up picture ayquisition" (Unteransicht Bildgewinnung) aufweisen (nachfolgend: "Anlagen"), im Hinblick auf die Merkmale des Anspruchs 5 des deutschen Teils des Europäischen Patentes EP ... 1 (DE ... 2) ausgestaltet sind, welcher durch die Kombination folgender Merkmale gekennzeichnet ist:
Vorrichtung zum optischen Lesen von Reliefs (2),
1.1 die Reliefs werden von der Außenwand (3) eines Behälters (4) getragen
1.2 der Behälter ist transparent und lichtdurchlässig
Die Vorrichtung umfasst
1.3 ein Beleuchtungssystem (10)
1.3.1 das Beleuchtungssystem (10) ist geeignet, einen einfallenden Lichtstrahl zu liefern
1.3.2 Der Lichtstrahl beleuchtet die Außenwand des Behälters gemäß ihrem Umfang
1.4 ein Empfängersystem (23) der Lichtstrahlen, die durch den Behälter reflektiert werden
1.4.1 diese Lichtstrahlen werden wieder erhalten durch ein optisches Element (24)
1.4.2 das optische Element (24) ist zwischen den Behälter (4) und das Empfangssystem eingefügt
1.5 eine Einheit zur Analyse und Verarbeitung der Lichtstrahlen, die durch das Empfängersystem empfangen werden, um die Identifikation der Reliefs sicherzustellen
dadurch gekennzeichnet, dass
1.6 das Beleuchtungssystem (10) ist unter dem Behälter angeordnet
1.7 das Beleuchtungssystem (10) bildet einen einfallenden Lichtkegel (11), der die Außenwand des Behälters beleuchtet
1.8 das optische Element (24) ist unter dem Behälter angeordnet
1.9 das optische Element (24) ist geeignet, ein ebenes Bild der beleuchteten Wand des Behälters auf dem Empfängersystem zu bilden
Gegenstand der Begutachtung des Sachverständigen sind die Anlagen, die sich in den Betriebsstätten der Antragsgegnerin in der G in M, in der T 5 in M und/oder auf dem Messestand der Antragsgegnerin auf der vom 21. bis 25.10.2008 stattfindenden Messe "G" in D, Halle 13, Stand D82, befinden. Ergänzend soll der Sachverständige die in den Betriebsstätten oder auf dem Messestand vorhandenen Betriebshandbücher, Konstruktionszeichnungen, Fertigungszeichnungen, Dokumentationen zu Bauteilen der Anlage und/oder ähnliche auf die Anlage bezogene Dokumente seiner Begutachtung zu Grunde legen.
2. Zum Sachverständigen wird Patentanwalt Dr. D S, ..., ... M bestellt.
3. Dem Sachverständigen wird € im Interesse der Wahrung etwaiger Betriebsgeheimnisse der Antragsgegnerin, die bei der Begutachtung zu Tage treten könnten € aufgegeben, jeden unmittelbaren Kontakt mit der Antragstellerin zu vermeiden und notwendige Korrespondenz entweder über das Gericht oder mit den nachfolgend bezeichneten anwaltlichen Vertretern der Antragstellerin zu führen:
a. Rechtsanwalt Dr. C P B B Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, ... M
b. Rechtsanwalt Dr. S H, B B Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, ..., ... M
c. Patentanwalt Dr. K S, Patentanwälte L & Z, ..., ... M
4. Die Begutachtung soll € wegen der besonderen Eilbedürftigkeit € ohne vorherige Ladung der Antragsgegnerin erfolgen.
...
In dem Verfahren 21 O 17830/08 erging antragsgemäß eine einstweilige Verfügung (Beiakte Bl. 32/38), mit der der Antragsgegnerin u. a. aufgegeben wurde, die angeordnete Begutachtung zu dulden, einschließlich dessen, dass der beauftragte Sachverständige in Betriebshandbücher, Konstruktionszeichnungen, Fertigungszeichnungen und/oder Dokumentation zu Bauteilen der Anlagen und/oder ähnliche auf die Anlage bezogene Unterlagen unabhängig von der Form ihrer Verkörperung (Schriftstücke oder Computerdateien) Einsicht nimmt (1. c). Weiter wurde der Antragsgegnerin aufgegeben, dem Sachverständigen sämtliche Betriebshandbücher, Konstruktionszeichnungen, Fertigungszeichnungen und/oder Dokumentation zu Bauteilen der Anlage und/oder ähnliche auf die Anlage bezogene Unterlagen unabhängig von der Form ihrer Verkörperung (Schriftstücke oder Computerdateien) vorzulegen und die zu begutachtenden Anlagen zugänglich zu machen (I. 3. a). Den anwaltlichen Vertretern der Antragstellerin (Rechtsanwälte Dr. P und Dr. H, Kanzlei B B, Patentanwalt Dr. S) wurde die Anwesenheit während der Begutachtung gestattet (I. 4.). Diese wurden verpflichtet, "Tatsachen, die im Zuge des selbständigen Beweisverfahrens zu ihrer Kenntnis gelangen und den Geschäftsbetrieb der Antragsgegnerin betreffen, geheim zu halten, und zwar auch gegenüber der Antragstellerin und deren Mitarbeitern." (I. 6.). Unter II. des Beschlusses wird ausgeführt, dass die Antragsgegnerin nach Vorlage des schriftlichen Gutachtens Gelegenheit erhalten wird, zu etwaigen Geheimhaltungsinteressen Stellung zu nehmen. Sodann werde die Kammer darüber entscheiden, ob der Antragstellerin das Gutachten zur Kenntnis gebracht werde.
Die beiden Beschlüsse wurden der Antragstellerin jeweils am 17.10.2008 zugestellt. Die einstweilige Verfügung wurde der Antragsgegnerin im Parteibetrieb am 4.11.2008 zugestellt.
Die angeordnete Besichtigung fand am 4.11.2008 in den beiden Betriebsstätten in München statt. Unter dem 5.12.2008 erstattete der Sachverständige das in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten, das am 8.12.2008 bei Gericht einging. In dem Anschreiben an das Gericht (Bl. 48/50) führte er aus, es sei eine gut 50 Seiten umfassende Softwaredokumentation in englischer Sprache vorgelegt worden. Im Hinblick auf darin enthaltene geheimhaltungsbedürftige Informationen (so die Argumentation der Antragsgegnerin), hätten sich die Parteien mit dem Vorschlag einverstanden erklärt, dass der Sachverständige sie zu seinen Unterlagen nehme. Die Dokumentation werde jedoch nicht als Anlage dem Gutachten beigefügt, solange nicht das Gericht ausdrücklich darum bitte. Der Sachverständige bat das Gericht um Klärung, wie lange die Dokumentation aufzubewahren sei.
Das Gutachten, das u. a. 14 Kopien von Fotos, 16 Blatt technische Zeichnungen sowie das vom Sachverständigen erstellte Protokoll umfasst, wurde der Antragsgegnerin zur Stellungnahme übersandt, ob das Gutachten auch der Antragstellerin übersandt werden kann.
Mit Schriftsatz vom 2.2.2009 nahm die Antragsgegnerin hierzu Stellung. Sie machte geltend, dass es sich bei sämtlichen Fertigungszeichnungen um Betriebsgeheimnisse der Antragsgegnerin handele. Gleiches gelte für das Softwarehandbuch, das Informationen enthalte, die nicht für Dritte bestimmt seien. Zudem sei das Softwarehandbuch nicht von dem gerichtlich angeordneten Gegenstand der Besichtigung erfasst. Hinsichtlich der Fotos wurden keine Einwendungen erhoben, soweit diese die angegriffene Vorrichtung von außen zeigten. Am "Innenleben" bestehe jedoch ein Geheimhaltungsinteresse. Auch das Protokoll bedürfe keiner Vorlegung, da es mehrfach auch und gerade Aussagen des Geschäftsführers der Antragsgegnerin enthalte, die nichts mit dem Beweisthema (in Schriftform vorzulegende Unterlagen bzw. eine Besichtigung von vorhandenen Unterlagen und/oder Gegenständen) zu tun hätten. Auch im Sachverständigengutachten seien an verschiedenen Stellen Informationen enthalten, an den die Antragsgegnerin ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse geltend machen könne.
Die Antragsgegnerin vertrat die Auffassung, dass es an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage für die Weitergabe des Gutachtens fehle, da hierdurch in die grundgesetzlich geschützte Rechtsposition (Art. 14 GG) eingegriffen werde. Sie regte an, dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob § 140 c Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 PatG mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungskonform sei. Die Geheimhaltungsverpflichtung sei weiter aufrecht zu erhalten, hilfsweise dürfe die Entbindung erst mit Rechtskraft des Beschlusses greifen.
Der Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 2.2.2009 wurde der Antragstellerin nicht übersandt.
Mit Schriftsatz vom 4.3.2009 zeigte die Kanzlei J D an, dass sie nunmehr aufgrund Wechsels von Rechtsanwalt Dr. P zu dieser Kanzlei die Vertretung der Antragstellerin übernommen habe.
Am 24.4.2009 erging folgender Beschluss des Landgerichts:
I. Die Herausgabe des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S an die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird angeordnet.
II. Diese werden ausdrücklich auf die Verschwiegenheitsverpflichtung hingewiesen, die im Beschluss vom 16.10.2008. Az. 21 O 17830/08 in Ziff. I. 6 ausgesprochen wurde. Diese Anordnung bleibt bis auf weiteres aufrecht.
III. Der Sachverständige wird angewiesen, das bei der Besichtigung übergebene Handbuch bis auf weiteres nicht zu vernichten, sondern weiter aufzubewahren.
Mit Verfügung vom selben Tage wurde dem anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin aufgegeben, binnen drei Wochen mitzuteilen, ob und aus welchen Gründen eine Herausgabe des Beweissicherungsgutachtens über den von der Antragsgegnerin bezeichneten Umfang an die eigene Partei für erforderlich gehalten werde.
Gegen den ihr am 30.4.2009 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit der am 12.5.2009 eingelegten sofortigen Beschwerde.
Sie ist der Auffassung, dass das Landgericht sich nicht ausreichend mit den im Einzelnen dargelegten Geheimhaltungsinteressen befasst habe. Sie verweist auf den Beschuss des Senats vom 11.8.2008 € 6 W 1380/08. Grundsätzlich sei jeder Rechts- und Patentanwalt verpflichtet, seinen Mandanten zu unterrichten. Die Anordnung der Verschwiegenheit hindere die Anwälte nicht daran, dieser Pflicht nachzukommen. Ein Verzicht der Antragstellerin auf dieses Recht sei nicht vorgetragen bzw. erklärt worden. Dessen ungeachtet bedürfe eine richterliche Anordnung, die die Rechte des Mandanten einschränke, eine hinreichenden gesetzlichen Grundlage, die aber weder in § 140 c PatG noch in einer anderen Vorschrift zu finden sei. Zudem sei überhaupt fraglich, ob eine Partei auf dieses Rechte verzichten könne. Dies könne dann nicht gelten, wenn damit € wie vorliegend € ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse ausgehebelt werden würde. Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung zu der geltend gemachten Verletzung des Art. 14 GG. Den Gesetzgebungsmaterialien könne kein weitergehender Hinweis entnommen werden, dass dem Gesetzgeber überhaupt bekannt gewesen sei € und er es entsprechend gebilligt hätte € dass in Rechtsgüter des Art. 14 GG auf Grund der Bestimmung des § 140 c PatG eingegriffen werden dürfe. Auch wenn die geltend gemachte Verletzung von Patentrechten am Schutz des Art. 14 GG teilnehme, gehe es im Rahmen des Beschwerdeverfahrens um das Recht der Antragsgegnerin. Hierfür fehle es an einer ausreichenden Ermächtigung in § 140 c PatG. Die Antragsgegnerin wiederholt deshalb ihre Anregung hinsichtlich der Vorlage an das BVerfG. Weiter äußert die Antragsgegnerin Bedenken, ob ein "mehrstufiges" Verfahren von § 140 c PatG gedeckt sei. Die gehandhabte Praxis in Form des "Düsseldorfer Verfahrens" ändere hieran nichts. Die Anträge zu (nachfolgend) II und III würden vorsorglich gestellt. Da diesen kein Antrag der Antragstellerin zugrunde liege, bedürfe es auch der Aufhebung der Anordnungen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
I. unter Aufhebung des Beschlusses des LG München I vom 24.4.2009 (Az: 21 OH 17825/08) wird dieser aufgehoben;
II. die Herausgabe des Gutachtens wird abgelehnt;
III. der Sachverständige wird angewiesen, das übergebene Handbuch zu vernichten.
Die Antragstellerin hat zunächst beantragt,
I. die sofortige Beschwerde zurückzuweisen;
II. ...
III. das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen an die Antragstellerin auszuhändigen.
IV. die Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin von ihrer Verschwiegenheitspflicht gemäß Ziff. 6 des Beschlusses der Kammer vom 16.10.2008 freizustellen.
Mit Schriftsatz vom 5.3.2010, auf den wegen der Begründung Bezug genommen wird, stellt sie nunmehr folgende Anträge:
I. Die Herausgabe des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S an die Antragstellerin wird angeordnet.
II. Im Umfang der in dem Gutachten enthaltenen Informationen werden die rechts- und patentanwaltlichen Vertreter der Antragstellerin, Rechtsanwalt Dr. C F und Patentanwalt Dr. K S von ihrer gerichtlich auferlegten Verschwiegenheitsverpflichtung befreit.
III. Hilfsweise zu I und II: Unter Aufhebung des Beschlusses des Oberlandesgerichts vom 17.6.2009 wird die unverzügliche Herausgabe des Gutachtens des Sachverständigen Dr. S an die rechts- und patentanwaltlichen Vertreter der Antragstellerin, Rechtsanwalt Dr. C P und Patentanwalt Dr. K S, angeordnet. Rechtsanwalt Dr. C P und Patentanwalt Dr. K S werden verpflichtet, über die ihnen aufgrund dieses Beschlusses bekannt gewordenen Inhalte des Sachverständigengutachtens auch gegenüber der eigenen Partei Verschwiegenheit zu bewahren.
Sie macht geltend: Die Antragsgegnerin verkenne, dass § 11 BORA nur im Rahmen des geltenden Rechts Anwendung finde. Darüber hinaus sei bereits der Antrag auf Durchführung eines Besichtigungsverfahrens nach der gängigen Praxis so auszulegen, dass er einen zeitlich begrenzten Verzicht der Antragstellerin auf das Informationsrecht aus § 11 BORA einschließe. Es wird weiter anwaltlich versichert, dass der vom Gericht auferlegten Verschwiegenheitspflicht Folge geleistet wird und die Antragstellerin bis zur Aufhebung dieser Verpflichtung auf ihre Rechte aus § 11 BORA insoweit verzichte.
Das Patent der Antragstellerin als Vermögensrecht bedürfe eines Schutzes, der in einem effizienten rechtlichen Verfahren sicherzustellen sei und im Zweifel vorrangig vor Geheimhaltungsinteressen der Antragsgegnerin zu behandeln sei. Bei der Konkretisierung der Regelung in § 140 c PatG sei die Zielsetzung der Enforcement-Richtlinie zu beachten. Hierzu sei bereits in zahlreichen Entscheidungen eine Konkretisierung erfolgt.
Die Aushändigung des Gutachtens, wofür es keines ausdrücklichen Antrags bedürfe, sei erforderlich, da die Antragstellerin aufgrund ihrer Sachkunde beurteilen können müsse, ob die Ausführungen des Sachverständigen zutreffend und vollständig seien. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die weiterzugebenden Informationen durch die Einschaltung des Sachverständigen bereits "gefiltert" seien. Aus dem Beschluss gehe nicht hervor, in welchem Umfang die Antragsgegnerin mit einer Aushändigung des Gutachtens einverstanden sei. Hierzu könne nur Stellung genommen werden, wenn den anwaltlichen Vertretern das Gutachten und die Stellungnahme der Antragsgegnerin vorliege. Die Aushändigung des Gutachtens hänge maßgeblich davon ab, ob die Besichtigung den Verdacht der Schutzrechtsverletzung bestätigt habe. In diesem Fall habe der Geheimnisschutz hinter den Belangen des Schutzrechtsinhabers zurückzustehen.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde der Beklagten mit Beschluss vom 26.5.2009 nicht abgeholfen. Der Antrag auf Entbindung der Antragstellervertreter von der Verschwiegenheitsverpflichtung wurde abgelehnt (Nr. 4 des Beschlusses).
Mit Beschluss des Senats vom 17.6.2009 wurde die Vollziehung der Anordnung unter Nr. I des Beschlusses vom 29.4.2009 ausgesetzt.
II.
1. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Beschluss des Landgerichts vom 24.4.2009, gegen den sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin richtet. Nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Beschluss des Landgerichts vom 26.5.2009 unter 4. Insoweit hat das Landgericht den von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 25.5.2009 gestellten Antrag IV (Entbindung von der Verschwiegenheit) als derzeit nicht begründet abgelehnt. Hiergegen wurde von Seiten der Antragstellerin keine Beschwerde eingelegt. Über den Antrag III gemäß Schriftsatz vom 25.5.2009 hat das Landgericht noch nicht entschieden, wie sich aus der Begründung zur Ablehnung des Antrags IV ergibt. Folglich besteht keine Veranlassung die Gegenanträge der Antragstellerin auf Herausgabe des Gutachtens an die Antragstellerin als Anschlussbeschwerde (§ 567 Abs. 3 ZPO) zu behandeln, da das Landgericht über den Antrag auf Herausgabe des Gutachtens an die Antragstellerin gerade noch keine Entscheidung getroffen hat und der Antrag mangels Stellungnahme zu dem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 2.2.2009 auch noch nicht zur Entscheidung reif ist.
2. Herausgabe des Gutachtens
a. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig.
aa. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Mit den Anordnungen unter Nr. I und II wurde der Antrag der Antragsgegnerin, das Sachverständigengutachten (auch) nicht an die anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin herauszugeben, abgelehnt. Mit der Anordnung unter Nr. III wurde der Antrag der Antragsgegnerin, das vom Sachverständigen in Verwahrung genommene Softwarehandbuch zu vernichten, abgelehnt.
82Der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde steht die Regelung in § 490 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht entgegen, wonach der Beschluss, durch welchen dem Antrag auf Anordnung eines Beweissicherungsverfahrens stattgegeben wird, nicht der Anfechtung unterliegt. Denn streitgegenständlich ist vorliegend die hiervon zu unterscheidende Fragestellung, ob und wie das Ergebnis des Beweissicherungsverfahrens der Antragstellerin bzw. ihren anwaltlichen Vertretern zur Kenntnis gebracht werden darf (vgl. BGH GRUR 2010, 318 Tz. 9, 14 € Lichtbogenschnürung; OLG Düsseldorf InstGE 8, 186 € Klinkerriemchen II; InstGE 9, 41 € Schaumstoffherstellung; InstGE 10, 198 € zeitversetztes Fernsehen; Kühnen, GRUR 2005, 185, 193; ders., Mitt. 2009, 211, 217; Tilmann, FS Ullmann, S. 1013, 1022; Eck/Dombrowski, GRUR 2008, 387, 390).
bb. Die sofortige Beschwerde ist, da form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1 und 2 ZPO), auch zulässig.
b. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Herausgabeanordnung war lediglich zu präzisieren und um eine Verschwiegenheitsverpflichtung hinsichtlich der Inhalte des Sachverständigengutachtens zu ergänzen.
85aa. Nach der am 1.9.2008 in Kraft getretenen Regelung des § 140 c Abs. 1 Satz 1 PatG (Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7.7.2008, BGBl. I 1191) kann derjenige, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entgegen § 9 PatG eine patentierte Erfindung benutzt, vom Patentinhaber auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache, die sich in seiner Verfügungsgewalt befindet, oder eines Verfahrens, das Gegenstand des Patents ist, in Anspruch genommen werden, wenn dies zur Begründung von dessen Ansprüchen erforderlich ist. Wenn der vermeintliche Verletzer geltend macht, dass es sich um vertrauliche Informationen handelt, trifft das Gericht die erforderlichen Maßnahmen, um den im Einzelfall gebotenen Schutz zu gewährleisten (§ 140 c Abs. 1 Satz 3 PatG). Die Verpflichtung zur Vorlage einer Urkunde oder zur Duldung der Besichtigung kann im Wege der einstweilige Verfügung nach den §§ 935 bis 945 ZPO angeordnet werden (§ 140 c Abs. 3 Satz 1 PatG). Das Gericht trifft die erforderlichen Maßnahmen, um den Schutz vertraulicher Informationen zu gewährleisten (Satz 2). Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die einstweilige Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners erlassen wird (Satz 3). Ein Anspruch auf Vorlage oder Besichtigung scheidet aus, wenn die Inanspruchnahme unverhältnismäßig ist (§ 140 c Abs. 2 PatG). Mit dieser Regelung wurden Art. 6 und 7 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29.4.2004 (ABl. EG 2004 L 195 S. 16) umgesetzt.
Der Antrag der Antragstellerin und auch die Entscheidung des Landgerichts (mit Ausnahme der auch formellen Trennung in eine Duldungsverfügung € 21 O 17830/08 (der Ausspruch unter II. gehört inhaltlich allerdings zum Beweissicherungsverfahren) und in eine Anordnung der Beweissicherung € 21 OH 17829/08) orientieren sich an dem sog. Düsseldorfer Verfahren. Diese Handhabung wird € zu Recht € auch von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen (vgl. auch BGH GRUR 2010, 318 € Lichtbogenschnürung).
87bb. Soweit mit Schriftsatz vom 21.1.2010 nunmehr geltend gemacht wird, die Antragstellerin habe zum Rechtsbestand des Streitpatents nichts vorgetragen und nur bei ausreichend gesichertem Rechtsbestand könne ein Patent Grundlage für eine Besichtigung sein, anderenfalls sei jede Besichtigung unverhältnismäßig im Sinne von § 140 c Abs. 2 PatG, greift dies bereits deshalb nicht durch, weil sich der Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens darauf beschränkt, ob das eingeholte Sachverständigengutachten an die anwaltlichen Vertreter herauszugeben ist und welches Verfahren hierbei zu beachten ist (vgl. BGH GRUR 2010, 318 Tz. 9, 14 € Lichtbogenschnürung). Es bedarf folglich keiner Erörterung der Erfolgsaussichten der von der Antragsgegnerin unter dem 15.1.2010 erhobenen Nichtigkeitsklage (Anlagen zum Schriftsatz vom 21.1.2010).
bb. Der Herausgabe des Gutachtens steht auch nicht entgegen, dass die Beweissicherung im Rahmen einer einstweiligen Verfügung ergangen ist, denn das Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache erfasst nicht den vorliegend geltend gemachten, ein Verletzungsverfahren vorbereitenden Besichtigungsanspruch (Tilmann, GRUR 2005, 737, 738; ders., in Festschrift Ullmann, S. 1113, 1019; Hacker, in Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 19 a Rdn. 23; Fezer, MarkenG, 4. Aufl., § 19 a Rdn. 15). Würde man den Schutzrechtsinhaber auf die Bestätigung des Vorlageanspruchs in einem Hauptsacheverfahren verweisen (vgl. OLG Frankfurt GRUR-RR 2006, 295; Eck/Dombrowski, GRUR 2008, 387, 389), wäre damit den Vorgaben des Art. 6 der Durchsetzungsrichtlinie nicht genügt. Da dies auch von der Antragsgegnerin nicht geltend gemacht wird, sind hierzu keine weiteren Ausführungen veranlasst.
cc. Die Antragsgegnerin macht ohne Erfolg geltend, die Anordnung der Herausgabe des Sachverständigengutachtens an die anwaltlichen Vertreter der Klägerin sei rechtswidrig, weil nicht von einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage gedeckt.
Die Besichtigung der vermeintlich patentverletzenden Vorrichtung in den Betriebsstätten der Antragsgegnerin ist durch den vom Gericht beauftragten Sachverständigen erfolgt. Den genannten anwaltlichen Vertretern der Antragstellerin, nicht jedoch Mitarbeitern der Antragstellerin selbst, wurde die Anwesenheit bei der Besichtigung gestattet. Die genannten anwaltlichen Vertreter wurden gegenüber der Antragstellerin zur Verschwiegenheit verpflichtet. Das vom Sachverständigen erstellte Gutachten wurde bisher nur der Antragsgegnerin übermittelt, um ihr Gelegenheit zu geben, zu etwaigen der (vollständigen) Aushändigung des Gutachtens an die Antragstellerin entgegenstehenden Geheimhaltungsinteressen auf Seiten der Antragsgegnerin Stellung nehmen zu können. Auf der Grundlage dieser Stellungnahme der Antragsgegnerin und der vom Landgericht mit Verfügung vom 29.4.2009 hierzu angeforderten Stellungnahme von Seiten der anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin € die allerdings, wie von der Antragstellerin zu Recht bemerkt, ohne Kenntnis des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 2.2.2009 nicht sachgerecht erfolgen kann € soll sodann über die Aushändigung des Gutachtens oder von Teilen hiervon an die Antragstellerin sowie die Aufhebung der Verschwiegenheitsverpflichtung von deren Anwälten entschieden werden. Hierzu wurde unter I. des angefochtenen Beschlusses angeordnet, dass den anwaltlichen Vertretern der Antragstellerin das Gutachten ausgehändigt wird.
Diese Vorgehensweise des Landgerichts (siehe vorstehend) ist nicht zu beanstanden. Sie trägt den von der Antragsgegnerin geltend gemachten Geheimhaltungsinteressen Rechnung und ist durch die Regelung in § 140 c Abs. 1 Satz 3 PatG gedeckt. Insoweit kann auf die Ausführungen des BGH (aaO Tz. 15 ff € Lichtbogenschnürung). Bezug genommen werden. Dies gilt auch in Bezug auf den von der Beschwerde geltend gemachten Einwand, die Verpflichtung der anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin zur Verschwiegenheit dieser gegenüber stehe insbesondere im Widerspruch zu § 11 BORA (BGH aaO Tz. 24 ff € Lichtbogenschnürung). Weitere Ausführungen hierzu sind nicht veranlasst, zumal auch die Antragsgegnerin nach Kenntnis des Beschlusses des BGH vom 16.11.2009 nicht mehr Stellung genommen hat (was mit Schriftsatz vom 21.1.2010 unter 2. noch angekündigt worden war). Es besteht auch keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorzulegen, ob § 140 c Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 PatG mit Blick auf den Gesetzesvorbehalt gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungskonform ist, wie dies von der Antragsgegnerin angeregt wurde (u. a. Beschwerdeschrift, Seite 4).
dd. Die vom Landgericht getroffene Anordnung der Herausgabe an die "anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin" war lediglich dahingehend zu präzisieren, dass die Herausgabe nur an Rechtsanwalt Dr. P und Patentanwalt Dr. S zu erfolgen hat, die über den Inhalt des Gutachtens zur Verschwiegenheit zu verpflichten waren, nicht an sonstige anwaltliche Vertreter der Kanzlei J.
ee. Einer Aufhebung des Beschlusses des Senats vom 17.6.2009 bedurfte es nicht, denn die gemäß § 570 Abs. 3 ZPO angeordnete Aussetzung der Vollziehung der Herausgabe des Gutachtens verliert mit der vorliegenden Entscheidung ihre Wirkung (vgl. Reichold, in Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 570 Rdn. 2).
3. Verpflichtung zur Verschwiegenheit
95Soweit sich die Beschwerde (isoliert) gegen die Anordnung unter Nr. II des angefochtenen Beschlusses wendet mit der Begrünung, der Hinweis auf die Verschwiegenheitsverpflichtung gemäß Beschluss vom 16.10.2008 in dem Verfahren 21 O 17830/08 sei ohne Antrag ergangen (Beschwerde, Seite 6), ist die Beschwerde bereits unzulässig, da die Antragsgegnerin durch die Aufrechterhaltung der Verschwiegenheitsverpflichtung nicht beschwert ist.
4. Vernichtung des Softwarehandbuchs
a. Die Beschwerde ist statthaft, da mit der Anordnung unter III. des angefochtenen Beschlusses ein Antrag der Antragsgegnerin abgelehnt wurde (§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO).
b. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Für eine Anordnung gegenüber dem Sachverständigen, das von ihm in Absprache mit den Parteien vorläufig verwahrte Softwarehandbuch zu vernichten, besteht derzeit keine Grundlage.
aa. Das bei der Besichtigung in den Betriebsstätten der Antragsgegnerin von dieser übergebene Handbuch ist nicht (auszugsweise) körperlicher Bestandteil des Gutachtens des Sachverständigen. Der Sachverständige hat hierzu in seinem Schreiben an das Gericht vom 5.12.2008, mit dem das Gutachten übersandt wurde, ausgeführt:
"... In diesem Zusammenhang wurde auf Nachfrage eine gut 50 Seiten umfassende Softwaredokumentation in englischer Sprache vorgelegt. Dr. A und Herr H hatten Einwände dagegen, dass diese Softwaredokumentation mit zum Bestandteil des Gutachtens werden sollte, weil (auch und besonders) darin geheimhaltungsbedürftige Informationen enthalten seien und weil das betroffene Merkmal 1.5 des Anspruchs 5 kaum in die Tiefe gehe. Da Letzteres nicht von der Hand zu weisen ist und nach dem mir vorliegenden Vortrag der Parteien nichts dafür spricht, dass dieses Merkmal 1.5 überhaupt wesentlich werden wird, da aber andererseits ein Offenlassen dieses Merkmals bzw. einer Dokumentation dazu auch nicht vertretbar erschien, habe ich mit folgendem Vorschlag das Einverständnis beider Parteien gefunden: Ich habe die fragliche Dokumentation zu meiner Akte genommen. Ich habe sie zur Anfertigung des Gutachtens auch durchgesehen und verwertet. Ich füge sie allerdings nicht als Anlage dem Gutachten bei, solange nicht das Gericht ausdrücklich darum bittet. Insbesondere könnte die Antragsgegnerin die Benutzung des Merkmals 1.5 streitfrei stellen und damit die Notwendigkeit einer weiteren Diskussion dieses Punktes meines Erachtens gänzlich beseitigen. Auch sonst stellt sich die Frage, ob die Dokumentation wirklich notwendiger Bestandteil des Gutachtens ist, was aus meiner Sicht jedenfalls solange nicht zu bejahen ist, wie sich nicht Detailfragen zu Merkmal 1.5 ergeben, die über den jetzigen Inhalt des beiliegenden Gutachtens hinausgehen. Darüber hinaus bitte ich zur Vermeidung von Fehlern um Klärung, wie lange die Dokumentation des Gutachtens bei mir aufbewahrt werden muss. Ich habe der Antragsgegnerin zugesagt, nach Ablauf einer solchen Frist das Handbuch zu vernichten ..."
In dem vom Sachverständigen angefertigten Protokoll über die Besichtigung vom 4.11.2008 führt der Sachverständige aus:
"... Hinsichtlich des Softwarehandbuches existieren unterschiedliche Auffassungen, was dessen Notwendigkeit für die Gutachtenserstattung betrifft. Ich bin der Meinung, dass ich über die rechtlich nicht als Zeugeneinvernahme zu bewertenden Aussagen von Herrn H hinaus irgendeine Form von objektivem Beleg brauche. Andererseits ist schon klar, dass das relevante Anspruchsmerkmal in keiner Weise so in die Tiefe geht, wie dies das Handbuch tut. Eine Zwischenlösung im Sinne einer Zusammenfassung des Handbuchs existiert aber leider nicht.
Ich schlage als Kompromiss vor, dass ich das Handbuch in Kopie mitnehme und von mir aus zunächst nicht zur Anlage des Gutachtens mache. Ich werde eine Bemerkung im Gutachten aufnehmen, dass das Handbuch vorhanden ist und nur auf ausdrücklichen Wunsch des Gerichts nachgeliefert wird. Insbesondere könnte ja durch Zutun der Parteien eine Situation entstehen, bei der es auf die Details dieses Merkmals überhaupt nicht mehr ankommt.
Alle sind damit einverstanden. Ich kläre mit dem Gericht, wie lange ich das Handbuch aufbewahren muss, und versuche eine Regelung herbeizuführen, dergemäß das Handbuch nach Ablauf einer solchen Frist in unseren Reißwolf wandert."
bb. Die inhaltliche Richtigkeit der Ausführungen des Sachverständigen wird von der Antragsgegnerin nicht in Zweifel gezogen. Vielmehr bezieht sie sich im Schriftsatz vom 2.2.009 (Seite 2) auf die Absprache mit dem Sachverständigen und macht geltend, das Handbuch dürfe nicht herausgegeben werden, weil es nicht Gegenstand der angeordneten Besichtigung gewesen sei. Mit der Beschwerde wird gerügt (Beschwerdeschrift, S. 6), dass es (auch) hinsichtlich der Anordnung unter III. an einem Antrag fehle.
106cc. Mit der streitgegenständlichen Anordnung wurde keine Herausgabe des Handbuchs an die Antragstellerin oder das Gericht angeordnet, vielmehr soll das Handbuch weiterhin vom Sachverständigen verwahrt werden. Die Anordnung dieser "Sicherungsmaßnahme", die der vorstehenden Bitte des Sachverständigen unter Zurückweisung des Begehrens der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 2.2.2009 Rechnung trägt, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass es sich bei dem Softwarehandbuch um eine Unterlage im Sinne von Nr. 1 a. E. des Beschlusses ("... vorhandenen Betriebshandbücher, Konstruktionszeichnungen, Fertigungszeichnungen, Dokumentationen zu Bauteilen der Anlage und/oder ähnliche auf die Anlage bezogene Dokumente") handelt, folgt daraus nicht ohne weiteres, dass diese Unterlage auch auf Dauer beim Gericht (oder beim Sachverständigen) zu verbleiben haben. Eine dahingehende Anordnung wurde € wie bereits ausgeführt € jedoch nicht getroffen. Auch wenn sich die Einschätzung des Sachverständigen bestätigen sollte, dass es auf den Inhalt des Softwarehandbuches letztlich für die Beurteilung der Verletzungsfrage € Verwirklichung des Merkmals 1.5 € nicht ankommt, wäre die vom Landgericht getroffene Anordnung jedenfalls solange gerechtfertigt, bis es Rechtsanwalt Dr. P und Patentanwalt Dr. S nach Kenntnisnahme der Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 2.2.2009 und der Herausgabe des Gutachtens möglich war, hierzu Stellung zu nehmen. Sie ist von § 492 Abs. 1, § 404 a Abs. 1 ZPO gedeckt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der "Absprache" der Parteien und dem Sachverständigen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
6. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wurde gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO mit Euro 100.000,-- auf die Hälfte des Streitwerts des Beweissicherungsverfahrens festgesetzt, da € wie ausgeführt € Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Herausgabe des Gutachtens an die genannten anwaltlichen Vertreter, nicht an die Antragstellerin selbst, ist.
6. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor (§ 574 Abs. 3 ZPO), da durch die Entscheidung "Lichtbogenschnürung" die hier relevanten Fragen betreffend die Herausgabe eines Beweissicherungsgutachtens geklärt sind.
OLG München:
Beschluss v. 15.04.2010
Az: 6 W 1566/09
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/6461235323c2/OLG-Muenchen_Beschluss_vom_15-April-2010_Az_6-W-1566-09