Bundesgerichtshof:
Urteil vom 6. November 2014
Aktenzeichen: I ZR 26/13
(BGH: Urteil v. 06.11.2014, Az.: I ZR 26/13)
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Januar 2013 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit teilweise aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 19. April 2012 insgesamt zurückgewiesen worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 35. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart im Urteilsausspruch zu Ziffer 1 teilweise abgeändert und insoweit wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Werbeflyern mit Aussagen wie
"Kostenlose Zweitbrille* dazu!
*Kostenlose Zweitbrille mit Kunststoffgläsern +/- 6 dpt, cyl. 2 dpt, Fassung aus der InCollection."
zu werben, wenn dies wie folgt geschieht:
Wegen des weitergehenden Antrags zu diesem Urteilsausspruch wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin 10% und die Beklagte 90%.
Von den Kosten der Revision tragen die Klägerin 20% und die Beklagte 80%.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte betreibt in Süddeutschland ein Optikerunternehmen mit etwa 50 Filialen. In dem vorstehend im Tenor wiedergegebenen Flyer warb sie im Herbst 2010 dafür, dass ihre Kunden beim Erwerb einer Brille mit "Premium-Gläsern" eine kostenlose Zweitbrille im Wert von 89 € erhielten.
Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, hält die Werbung mit einer kostenlos abzugebenden Zweitbrille für eine unzulässige Täuschung über deren Kostenfreiheit, weil die Erstbrille mit der Zweitbrille ein Warenpaket bilde, in dessen Preis die Kosten für die Zweitbrille einkalkuliert seien. Zumindest aber stelle die kostenlose Abgabe einer Zweitbrille eine Zuwendung dar und verstoße damit gegen das heilmittelrechtliche Verbot von Werbegaben.
Soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist, hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr in Werbeflyern mit Aussagen wie
"Kostenlose Zweitbrille* dazu!
*Kostenlose Zweitbrille mit Kunststoffgläsern +/- 6 dpt, cyl. 2 dpt, Fassung aus der InCollection."
zu werben.
Das Landgericht hat der Klage mit diesem Antrag stattgegeben (LG Stuttgart, Urteil vom 19. April 2012 - 35 O 11/11 KfH, juris). Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Stuttgart, WRP 2013, 648).
Mit ihrer vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage mit dem oben wiedergegebenen Unterlassungsantrag.
Gründe
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts stellt das in der angegriffenen Werbung enthaltene Angebot einer kostenlosen Zweitbrille eine nach dem Heilmittelwerberecht verbotene Ankündigung einer Zuwendung dar. Die sprachliche und graphische Gestaltung der Werbung lege dem Verbraucher nahe, dass allein die "Erstbrille", die er kaufe, den gesamten Betrag wert und der angegebene Preis der Normalpreis für diese Brille sei. Der Verbraucher verstehe das Angebot der Beklagten daher nicht als Bewerbung eines aus mehreren Teilen bestehenden Leistungspakets mit einem Gesamtpreis, sondern als Werbung für eine mit einem Geschenk versehene Brille. Die Beklagte könne sich auch nicht auf eine der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 HWG geregelten Ausnahmen von dem Zuwendungsverbot berufen. Insbesondere liege kein Mengenrabatt im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG vor, weil keine größere Zahl gleichartiger Waren, sondern ein Einzelstück gekauft werden solle.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat nur zum Teil Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Klägerin von der Beklagten gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG die Unterlassung der beanstandeten Werbung mit der kostenlosen Abgabe einer Zweitbrille verlangen kann (dazu nachstehend unter II.1 bis 5).
Das Verbot geht allerdings zu weit und ist auf die konkrete Verletzungsform zu beschränken (dazu unten unter II.6).
1. Die Klägerin hat ihren Unterlassungsanspruch auf Wiederholungsgefahr gestützt und dazu eine ihrer Auffassung nach von der Beklagten im Herbst 2010 begangene Zuwiderhandlung vorgetragen. Der Unterlassungsantrag ist daher nur dann begründet, wenn das beanstandete Verhalten der Beklagten nach dem zur Zeit der Begehung geltenden Recht gegen die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG verstieß und wettbewerbswidrig war, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt. Da der Unterlassungsanspruch in die Zukunft gerichtet ist, muss das beanstandete Verhalten der Beklagten zudem nach dem zur Zeit der Entscheidung geltenden Recht gegen diese Bestimmung verstoßen und wettbewerbswidrig sein (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - I ZR 17/10, GRUR 2012, 188 Rn. 11 = WRP 2012, 975 - Computer-Bild, mwN). Die in der Zeit zwischen dem beanstandeten Verhalten und der Entscheidung erfolgte Änderung des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist für die Entscheidung des Streitfalls ohne Bedeutung.
2. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot von Werbegaben stelle eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar, weil es dem Gesundheitsschutz von Verbrauchern diene (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2006 - I ZR 145/03, GRUR 2006, 949 Rn. 25 = WRP 2006, 1370 - Kunden werben Kunden; Urteil vom 26. März 2009 - I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082 Rn. 21 = WRP 2009, 1385 - DeguSmiles & more; OLG Celle, GRUR-RR 2014, 263 = WRP 2014, 597). Die Regelung des § 7 Abs. 1 HWG soll durch eine weitgehende Eindämmung der Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden (vgl. BGH, GRUR 2009, 1082 Rn. 16 - DeguSmiles & more; BGH, Urteil vom 25. April 2012 - I ZR 105/10, GRUR 2012, 1279 Rn. 29 = WRP 2012, 1517 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT).
3. Der Umstand, dass die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die keinen dem § 4 Nr. 11 UWG vergleichbaren Unlauterkeitstatbestand kennt, in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3 der Richtlinie) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat (Art. 4 der Richtlinie; BGH, Beschluss vom 19. Juli 2012 - I ZR 2/11, GRUR 2012, 1056 Rn. 12 = WRP 2012, 1219 - GOOD NEWS I, mwN), steht der Anwendung der § 1 Abs. 1 Nr. 1a, § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG nicht entgegen. Die sich aus diesen heilmittelwerberechtlichen Vorschriften ergebende Beschränkung der Werbung mit Werbegaben stellt eine nationale Regelung in Bezug auf die Gesundheitsaspekte von Medizinprodukten dar. Da das Unionsrecht weder in der Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte noch in anderen Bestimmungen eine gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorrangig anzuwendende Reglementierung der Werbung für Medizinprodukte enthält, bleibt die Regelung in § 1 Abs. 1 Nr. 1a, § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG von der Richtlinie 2005/29/EG nach deren Art. 3 Abs. 3 unberührt.
4. Das Berufungsgericht ist ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass die von der Klägerin beanstandete Werbung der Beklagten mit der kostenlosen Abgabe einer Zweitbrille gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG verstößt.
a) Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, wenn keiner der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 5 HWG geregelten Ausnahmetatbestände vorliegt. Das insoweit bestehende grundsätzliche Verbot von Werbegaben gilt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG auch für die Werbung für Medizinprodukte im Sinne von § 3 MPG. Eine der Kompensierung einer Sehschwäche dienende Brille stellt ein Medizinprodukt im Sinne von § 3 Nr. 1 Buchst. b MPG dar (vgl. BGH, GRUR 2006, 949 Rn. 23 - Kunden werben Kunden; OLG Hamburg, OLG-Rep 2005, 698, 699; OLG Celle, GRUR-RR 2014, 263).
b) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass es sich bei der im beanstandeten Werbeflyer beworbenen kostenlosen Zweitbrille um eine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG unzulässige Werbegabe handelt.
aa) Der Begriff der Werbegabe in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist im Hinblick auf den Zweck der dortigen Regelung, durch eine weitgehende Eindämmung von Werbegeschenken im Heilmittelbereich der abstrakten Gefahr einer hiervon ausgehenden unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, weit auszulegen. Er erfasst grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte Vergünstigung, die im Zusammenhang mit der Werbung für ein bestimmtes oder mehrere konkrete Heilmittel gewährt wird (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1990 - I ZR 240/88, GRUR 1990, 1041, 1042 = WRP 1991, 90 - Fortbildungs-Kassetten; Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 13/10, GRUR 2011, 1163 Rn. 15 = WRP 2011, 1590 - Arzneimitteldatenbank; BGH, GRUR 2012, 1279 Rn. 22 - DAS GROSSE RÄTSELHEFT; BGH, Urteil vom 12. Dezember 2013 - I ZR 83/12, GRUR 2014, 689 Rn. 14 = WRP 2014, 847 - Testen Sie Ihr Fachwissen). Eine Werbegabe setzt demnach voraus, dass die Zuwendung aus der Sicht des Empfängers unentgeltlich gewährt wird; er muss diese also als ein Geschenk ansehen (vgl. BGH, GRUR 1990, 1041, 1042 - Fortbildungs-Kassetten; BGH, Urteil vom 30. Januar 2003 - I ZR 142/00, GRUR 2003, 624, 625 f. = WRP 2003, 886 - Kleidersack; BGH, GRUR 2011, 1163 Rn. 15 - Arzneimitteldatenbank; GRUR 2012, 1279 Rn. 24 - DAS GROSSE RÄTSEL-HEFT; GRUR 2014, 689 Rn. 14 - Testen Sie Ihr Fachwissen). Werden dem Werbeadressaten mehrere Waren als ein einheitliches, mit einem Gesamtpreis zu entgeltendes Angebot präsentiert, so liegt keine unentgeltliche Vergünstigung und damit keine Werbegabe vor (vgl. BGH, GRUR 2003, 624, 625 f. - Kleidersack; Spickhoff/Fritzsche, Medizinrecht, 2. Aufl., § 7 HWG Rn. 6; zur Zugabe im Sinne von § 1 Abs. 1 der früheren Zugabeverordnung vgl. BGH, Urteil vom 8. Oktober 1998 - I ZR 187/97, BGHZ 139, 368, 372 - Handy für 0,00 DM; Urteil vom 13. Januar 2000 - I ZR 271/97, GRUR 2000, 918, 919 = WRP 2000, 1769 - Null-Tarif).
bb) Von diesen Maßstäben ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, die beanstandete Werbung der Beklagten stelle sich für den Verbraucher nach ihrer Gesamtgestaltung nicht als Angebot eines aus zwei Brillen bestehenden Leistungspakets zu einem Komplettpreis, sondern als Angebot einer zu einem bestimmten Preis zu erwerbenden Brille nebst einer zu verschenkenden Zweitbrille dar. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
(1) Die Beurteilung der Verkehrsauffassung obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter. Im Revisionsverfahren ist sie nur darauf zu überprüfen, ob der Tatrichter den Tatsachenstoff fehlerfrei ausgeschöpft und seine Beurteilung frei von Widersprüchen mit Denkgesetzen und Erfahrungssätzen vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2001 - I ZR 193/99, GRUR 2002, 550, 552 = WRP 2002, 799 - Elternbriefe; Urteil vom 22. März 2012 - I ZR 111/11, GRUR 2012, 1159 Rn. 15 = WRP 2012, 1384 - Preisverzeichnis bei Mietwagenangebot; Urteil vom 27. März 2013 - I ZR 100/11, GRUR 2013, 631 Rn. 47 = WRP 2013, 778 - AMARULA/Marulablu). Solche Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht nicht unterlaufen.
(2) Soweit das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, dass die Zweitbrille in der Werbung als "kostenlos" bezeichnet worden ist, trägt dieser Gesichtspunkt allerdings für sich allein noch nicht die Annahme einer unentgeltlichen Vergünstigung. Der durchschnittlich informierte, verständige und aufmerksame Durchschnittsverbraucher geht erfahrungsgemäß davon aus, dass ein Kaufmann Waren von nicht unerheblichem Wert nicht ohne weiteres verschenkt. Er nimmt häufig an, dass die Kosten für eine als gratis beworbene Ware in den Preis des sonstigen Angebots mit eingerechnet sind (vgl. BGHZ 139, 368, 373 f. - Handy für 0,00 DM; MünchKomm.UWG/Busche, 2. Aufl., § 5 Rn. 498). Er sieht eine als gratis beworbene Zusatzleistung deshalb nicht immer als ein von der entgeltlich abzugebenden Ware zu trennendes Geschenk an, sondern geht jedenfalls dann, wenn es sich bei der "gratis" hinzugegebenen Ware um eine mit dem beworbenen entgeltlichen Produkt identische Ware handelt, davon aus, dass der von ihm zu zahlende Preis die Zusatzleistung im Sinne von "zwei Waren zum Preis von einer" einschließt (vgl. BGH, Urteil vom 31. Oktober 2013 - I ZR 139/12, GRUR 2014, 576 Rn. 26 = WRP 2014, 689 - 2 Flaschen GRA-TIS; GroßKomm.UWG/Lindacher, 2. Aufl., § 5 Rn. 728; Bornkamm in Köhler/ Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 5 Rn. 5.116; Sosnitza in Ohly/Sosnitza, UWG, 6. Aufl., § 5 Rn. 509).
(3) Das Verkehrsverständnis wird allerdings durch die Art und Weise mitbeeinflusst, in der das fragliche Angebot in der konkreten Werbung präsentiert wird (vgl. BGHZ 139, 368, 372 f. - Handy für 0,00 DM). Die besondere Hervorhebung des Gratischarakters einer Zusatzleistung in einer werblichen Äußerung kann daher den Verbraucher glauben machen, die zusätzliche Ware werde unentgeltlich abgegeben (vgl. GroßKomm.UWG/Lindacher aaO § 5 Rn. 728).
(4) Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es hat angenommen, die blickfangmäßige und bildliche Hervorhebung der Kostenlosigkeit der Zweitbrille in der angegriffenen Werbung vermittle dem Verbraucher den Eindruck, er erhalte beim Kauf einer Brille zu dem beworbenen Preis die Zweitbrille als Geschenk dazu. Diese tatrichterliche Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das Berufungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Unentgeltlichkeit der Zweitbrille in der von der Klägerin beanstandeten Werbung in einem von dem Angebot einer Brille mit "Premium-Gläsern" und den dort ausgewiesenen Preisersparnissen räumlich abgesetzten "Eyecatcher" optisch hervorgehoben ist, wobei die eingeblendete Formulierung "Kostenlose Zweitbrille dazu!" für eine kostenlose Zugabe zu der entgeltlichen Abgabe der Erstbrille spricht. Das Berufungsgericht ist weiterhin mit Recht davon ausgegangen, dass der dadurch vermittelte Eindruck eines Geschenks durch die gleichzeitige Abbildung einer mit einer roten Schleife versehenen Brille zusätzlich verstärkt wird.
(5) Der Einwand der Revision, im Fließtext der Werbung werde eine individuell gefertigte Zweitbrille ausdrücklich "im Paket" mit der Erstbrille angeboten, führt nicht dazu, dass sich die vom Berufungsgericht vorgenommene Einstufung der Zweitbrille als unentgeltliche Zuwendung als rechtsfehlerhaft darstellt.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, diese Angabe sei in sich widersprüchlich, weil ein Paket begrifflich standardisierte Produkte voraussetze, unterliegt allerdings Bedenken. Das Berufungsgericht hat die Angabe im Fließtext aber auch wegen der blickfangmäßigen Hervorhebung der als Geschenk präsentierten Zweitbrille als nicht hinreichende Aufklärung darüber angesehen, dass eine aus zwei Brillen bestehende Wareneinheit zu einem Gesamtpreis angeboten wird. Diese Bewertung stellt sich jedenfalls nicht als erfahrungswidrig dar. Dazu trägt der Umstand bei, dass die Abgabe der Zweitbrille nach der im Weiteren gegebenen Erläuterung an den Erwerb (nur) einer Brille anknüpft. Soweit die Revision demgegenüber meint, der Fließtext verdeutliche hinreichend, dass ein um den Wert der Zweitbrille preisermäßigtes Brillenset angeboten werde und deshalb ein nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG zulässiger Warenrabatt vorliege, ersetzt sie die tatrichterliche Würdigung in revisionsrechtlich unzulässiger Weise durch ihre eigene Bewertung, ohne dass sie einen erheblichen Rechtsfehler im angefochtenen Urteil aufzuzeigen vermag. Sie lässt in diesem Zusammenhang zudem unberücksichtigt, dass der mit 89 € angegebene Wert der Zweitbrille nicht in die blickfangmäßig ausgewiesenen, allein die "Premium-Gläser" betreffenden Preisnachlässe eingerechnet ist.
cc) Die Revision macht weiterhin ohne Erfolg geltend, der Verbraucher sehe die Erstbrille und die Zweitbrille als eine funktionale Einheit an.
Soweit der Senat in früheren Entscheidungen verschiedentlich davon ausgegangen ist, dass der Verbraucher die gemeinsam mit einem anderen Produkt angebotene, nicht gesondert berechnete Ware aus funktionalen Gründen nicht als selbstständig angebotene Waren, sondern als einheitliches entgeltliches Angebot versteht, lagen dem Sachverhalte zugrunde, bei denen die beworbenen Produkte notwendigerweise oder üblicherweise zusammen genutzt, in der Praxis daher als Einheit angeboten und dementsprechend vom Verkehr erfahrungsgemäß als Gesamtangebot angesehen werden (vgl. BGH, Urteil vom 25. September 1997 - I ZR 84/95, GRUR 1998, 500, 501 f. = WRP 1998, 388 - Skibindungsmontage; BGHZ 139, 368, 372 f. - Handy für 0,00 DM; BGH, GRUR 2000, 918, 919 - Null-Tarif; BGH, Urteil vom 16. November 2000 - I ZR 186/98, GRUR 2001, 446, 447 = WRP 2001, 392 - 1-Pfennig-Farbbild). Zwischen einer Erstbrille und einer Zweitbrille, die unabhängig voneinander genutzt werden können, besteht kein solcher enger funktionaler Zusammenhang. Die Anschaffung einer zusätzlichen Korrektionsbrille als Ersatzbrille oder Sonnenbrille mag objektiv nützlich sein. Für die sinnvolle Nutzung der anzuschaffenden Erstbrille ist sie verzichtbar.
dd) Eine Werbegabe im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG liegt allerdings nur dann vor, wenn ihr Anbieten, Ankündigen oder Gewähren die abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten begründet (vgl. BGH, GRUR 2014, 689 Rn. 14 - Testen Sie Ihr Fachwissen). Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Nach den Umständen liegt es nicht fern, dass sich ein Verbraucher, der eine Brille für die Korrektur einer Sehschwäche benötigt, für eine solche mit den von der Beklagten beworbenen "Premium-Gläsern" wegen der in Aussicht gestellten kostenlosen Zweitbrille entscheidet, ohne zuvor eine von ihm andernfalls vorgenommene Prüfung durchzuführen, ob das Angebot eines anderen Unternehmens seinen persönlichen Bedürfnissen besser entspricht.
c) Das Berufungsgericht hat des Weiteren im Ergebnis zutreffend angenommen, die als kostenlos beworbene Zweitbrille stelle zu der Brille mit "Premium-Gläsern" auch keinen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG zulässigen Naturalrabatt dar.
aa) Der Annahme eines Naturalrabatts steht entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts allerdings nicht entgegen, dass die Beklagte die Zweitbrille für den Fall des Kaufs einer einzelnen Brille mit "Premium-Gläsern" in Aussicht gestellt hat. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG ist eine Werbegabe zulässig, wenn sie in einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt wird. Danach kann auch zu einem Einzelstück ein gleiches Produkt als Zuwendung dergestalt gewährt werden, dass der Empfänger insgesamt zwei gleiche Waren erhält.
bb) Eine gleiche Ware im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG liegt jedoch nur dann vor, wenn es sich um dieselbe Ware in identischer Qualität wie die entgeltlich abgegebene Ware handelt (OLG Celle, GRUR-RR 2014, 263; Doepner, HWG, 2. Aufl., § 7 Rn. 42; Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 510, 135. Lief. November 2008, § 7 HWG Rn. 28; Spickhoff/Fritzsche aaO § 7 HWG Rn. 22; Frenz, MPR 2014, 71, 72; zu § 1 Abs. 2 Buchst. c ZugabeVO vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1978 - I ZR 165/76, GRUR 1978, 547, 549 = WRP 1978, 537 - Automatentruhe; OLG Stuttgart, WRP 1995, 258, 260). Eine Gleichartigkeit, Ähnlichkeit oder Gebrauchsnähe genügt nicht (vgl. BGH, GRUR 1978, 547, 550 - Automatentruhe). Die vom Senat insoweit zu § 1 Abs. 2 Buchst. c ZugabeVO aufgestellten Kriterien gelten gleichermaßen für § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG, weil die Ausnahmetatbestände der Zugabeverordnung unmittelbaren Eingang in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG gefunden haben (vgl. Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften, BT-Drucks. 14/5594, S. 10 und 11).
cc) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die kostenlos abzugebende Zweitbrille angesichts der Unterschiede bei den Gläsern nicht als gleichwertig mit der beworbenen entgeltlichen Brille anzusehen ist. Auch wenn beide Brillen der Korrektur einer Sehschwäche dienen, bestehen aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs, die auch insoweit maßgeblich ist (vgl. BGH, GRUR 1978, 547, 550 - Automatentruhe), in qualitativer Hinsicht Unterschiede. So beträgt der Wert der Zweitbrille nach der Werbung der Beklagten 89 €. Dagegen werden die "Premium-Gläser" der Erstbrille, die besonders leicht und dünn sind, über eine Superentspiegelung, eine Super-Hartschicht sowie eine antistatische Lotusbeschichtung verfügen und einen 100%igen UV-Schutz sowie - bei den "Premium-Gleitsichtgläsern" - eine verbesserte Kontrastwahrnehmung gewährleisten, mit von 399 € auf 239 € und von 803,50 € auf 499 € herabgesetzten Sonderpreisen beworben. Der für den Verbraucher ohne weiteres ersichtliche erhebliche Wertunterschied zwischen der Erstbrille und der Zweitbrille steht der Annahme entgegen, dass diese gleich im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG sind. Der Umstand, dass der geringere Wert der Zweitbrille in der angegriffenen Werbung nicht verschleiert wird, ist demgegenüber in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht der Revision unerheblich.
5. Der Verstoß der Beklagten gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist im Hinblick darauf, dass diese Bestimmung dem Schutz der gesundheitlichen Interessen der Verbraucher dient und die abstrakte Gefahr ihrer unsachlichen Beeinflussung besteht (vgl. oben Rn. 24), geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3 UWG spürbar zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 - I ZR 213/06, BGHZ 180, 355 Rn. 34 - Festbetragsfestsetzung; BGH, GRUR 2009, 1082 Rn. 22 - DeguSmiles & more; BGH, Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 96/10, GRUR 2012, 647 Rn. 42 = WRP 2012, 705 - INJECTIO; Urteil vom 18. Januar 2012 - I ZR 83/11, GRUR 2012, 1058 Rn. 20 = WRP 2012, 1091 - Euminz).
6. Das gegen die Beklagte ausgesprochene Verbot kann allerdings nur insoweit Bestand haben, als es nicht über die konkrete Verletzungsform hinausreicht. Aus den vorstehenden Ausführungen (Randnummer 15 bis 28) folgt, dass der Beklagten die von der Klägerin beanstandete Werbung nicht bereits aufgrund der Angaben, die im Klageantrag angeführt sind, sondern erst im Hinblick auf ihre gesamte Gestaltung verboten werden kann. Der von der Klägerin allgemein formulierte Antrag ist anhand des Klagevorbringens jedoch dahin auszulegen, dass die Klägerin zumindest die von ihr beanstandete konkrete Verletzungsform verboten haben will (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - I ZR 50/01, GRUR 2004, 605, 607 = WRP 2004, 735 - Dauertiefpreise; Urteil vom 4. November 2010 - I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Rn. 18 = WRP 2011, 742 - Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; Urteil vom 6. November 2011 - I ZR 54/10, GRUR 2012, 405 Rn. 16 = WRP 2012, 461 - Kreditkontrolle). Der Unterlassungsantrag ist daher nur insoweit abzuweisen, als er über die konkrete Verletzungsform hinausgeht (BGH, Urteil vom 15. September 1999 - I ZR 131/97, GRUR 2000, 436, 438 = WRP 2000, 383 - Ehemalige Herstellerpreisempfehlung; BGH, GRUR 2004, 605, 607 - Dauertiefpreise, mwN).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Büscher Schaffert Kirchhoff Löffler Schwonke Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 19.04.2012 - 35 O 11/11 KfH -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 17.01.2013 - 2 U 92/12 -
BGH:
Urteil v. 06.11.2014
Az: I ZR 26/13
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