Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Oktober 2002
Aktenzeichen: 8 W (pat) 5/01
(BPatG: Beschluss v. 15.10.2002, Az.: 8 W (pat) 5/01)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Firma P... GmbH hat am 14. Januar 1994 eine Erfindung unter der Bezeichnung "Fräsmaschine zum Bearbeiten von Firstkanten an Stirnseiten von Zähnen eines Zahnrades" zum Patent angemeldet. Mit Beschluss vom 24. April 1995 wurde das Patent erteilt (44 00 887) und am 30. November 1995 die Erteilung veröffentlicht. Bereits zuvor war über das Vermögen der Präwema Werkzeugmaschinenfabrik GmbH das Konkursverfahren eröffnet worden; im Jahre 1998 erfolgte die Übertragung des Patents auf die Firma P1... GmbH. Nach Prüfung des Einspruchs der Firma W... GmbH & Covom 28. Februar 1996 hat die Patentabteilung 14 des Patentamts mit Beschluss vom 22. November 2000 den Einspruch als zulässig angesehen und im übrigen das Patent in vollem Umfang aufrechterhalten, da der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 gegenüber dem genannten Stand der Technik 1. DE 1 048 762 B 2. EP 0 107 826 A2 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen den Beschluss der Patentabteilung hat die Einsprechende Beschwerde eingelegt. Sie hat im Beschwerdeverfahren zum Stand der Technik noch folgende Druckschriften genannt:
3. EP 0 453 875 A1 4. DE 37 21 610 C2.
Im Prüfungsverfahren ist noch die 5. DE 33 10 000 C3 genannt worden.
Nach dem erteilten Patentanspruch 1 betrifft der Gegenstand des Patents eine Fräsmaschine zum Bearbeiten der Stirnseiten der Zähne (2) eines Zahnrades (1) mit einem drehbar angetriebenen Werkstückträger für das Zahnrad (1) und einem drehbar angetriebenen Werkzeugträger (6) für ein Schlagmesser (7), dessen Drehantrieb mit dem Drehantrieb des Werkstückträgers derart synchronisiert ist, dass die Zähne (2) und das Schlagmesser (7) in Wälzkopplung stehen, und mit einem Vorschubantrieb, über den der Werkstückträger und der Werkzeugträger (6) relativ zueinander bewegbar sind, wobei das Schlagmesser (7) bei jedem Werkstückumlauf jeden Zahn (2) des Zahnrades (1) höchstens einmal überstreicht, dadurch gekennzeichnet, dass zum Entgraten der Firstkanten von an den Stirnseiten der Zähne (2) angebrachten Dachschrägen der Vorschubantrieb eine Bewegung des Schlagmessers entlang der Firstkanten (5) der Zähne (2) des Zahnrades (1) bewirkt.
Wegen des Wortlauts des erteilten Patentanspruchs 2 wird auf die Akten Bezug genommen.
Gemäß dem in der mündlichen Verhandlung überreichten einzigen Patentanspruch gemäß Hilfsantrag betrifft der Gegenstand des Patents eine Fräsmaschine zum Bearbeiten der Stirnseiten der Zähne (2) eines Zahnrades (1) mit einem drehbar angetriebenen Werkstückträger für das Zahnrad (1) und einem drehbar angetriebenen Werkzeugträger (6) für ein Schlagmesser (7), dessen Drehantrieb mit dem Drehantrieb des Werkzeugträgers derart synchronisiert ist, dass die Zähne (2) und das Schlagmesser (7) in Wälzkopplung stehen, und mit einem Vorschubantrieb, über den der Werkstückträger und der Werkzeugträger (6) relativ zueinander bewegbar sind, wobei das Schlagmesser (7) bei jedem Werkstückumlauf jeden Zahn (2) des Zahnrades (1) höchstens einmal überstreicht, dadurch gekennzeichnet, dass zum Entgraten und Abrunden der Firstkanten von an den Stirnseiten der Zähne (2) angebrachten Dachschrägen der Vorschubantrieb eine Bewegung des Schlagmessers entlang der Firstkanten (5) der Zähne (2) des Zahnrades (1) bewirkt, wobei die Schneide (8) des Schlagmessers (7) als abgerundete Hohlkehle ausgebildet ist.
Dem Patentgegenstand liegt gemäß Spalte 1, Zeilen 56 bis 60 die Aufgabe zugrunde, eine Maschine zu schaffen, mit der die Firstkanten von an den Stirnseiten der Zähne eines Zahnrades angebrachten Dachschrägen entgratet werden können.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin trägt vor, dass der erteilte Patentanspruch 1 keine Fräsmaschine beschreibe, sondern die Arbeitsweise der Maschine. Dies träfe vor allem für den kennzeichnenden Teil des Anspruchs zu, der nur Merkmale enthalte, die auf ein Verfahren gerichtet seien. Im übrigen seien die auf die Fräsmaschine gerichteten Merkmale aus der DE 1 048 762 B und der EP 0 453 875 A1 bekannt, so dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 durch diesen druckschriftlichen Stand der Technik nahegelegt sei.
Die Einsprechende beantragt, den Beschluss der Patentabteilung 14 des Patentamts vom 22. November 2000 aufzuheben und das Patent 44 00 887 zu widerrufen.
Die Patentinhaberin ist dem Vorbringen der Einsprechenden entgegengetreten. Sie vertritt die Auffassung, dass der Einspruch unzulässig sei, im übrigen der im Verfahren befindliche Stand der Technik keine im wesentlichen radiale Bewegung des Werkstücks gegenüber dem Werkzeug bewirke, so dass der Gegenstand des Patents nach dem erteilten Patentanspruch 1 bzw. nach Hilfsantrag vom aufgezeigten Stand der Technik weder vorweggenommen noch dem zuständigen Fachmann nahegelegt sei.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, den Beschluss der Patentabteilung 14 des Patentamts vom 22. November 2000 aufzuheben und den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Beschwerde zurückzuweisen, weiter hilfsweise, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
ein Patentanspruch, Beschreibung Spalten 1 und 2, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Spalte 3, 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 und 2, jeweils wie Patentschrift.
II 1. Der Einspruch ist zulässig.
Der Einspruch ist im Sinne des § 59 PatG form- und fristgerecht erhoben worden und ist auf einen der im § 21 PatG aufgeführten Widerrufsgründe gestützt. Die Einsprechende hat auch nicht nur ihre Rechtsauffassung, es liege ein Widerrufsgrund vor, zum Ausdruck gebracht, sondern sie hat auch die Tatsachen angegeben, die nach ihrer Auffassung den Widerruf rechtfertigen. Sie hat sich zum Stand der Technik nach der DE 1 048 762 B und der EP 0 107 826 A2 geäußert und angegeben, an welcher Stelle der DE 1 048 762 B (z.B auf Seite 2, vierter Absatz der Einspruchsbegründung) und der EP 0 107 826 A 2 (Seite 3, erster Absatz der Einspruchsbegründung) die angefochtenen Merkmale zu finden sind und in welchem Zusammenhang sie zum Streitpatent stehen. Sie hat es also nicht den Beteiligten und dem Patentamt überlassen, eine Vorveröffentlichung darauf hin zu untersuchen, ob die entsprechenden Merkmale in einer der Patentierbarkeit des Gegenstandes des Streitpatents entgegenstehenden Weise zusammenwirken. Dem (Haupt-)Antrag der Patentinhaberin auf Verwerfung des Einspruchs als unzulässig kann somit nicht stattgegeben werden.
2. Die Erfindung ist im erteilten Patentanspruch 1 so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann, ein in der Konstruktion von Fräsmaschinen erfahrener Ingenieur oder Techniker, sie ausführen kann.
Dieser Durchschnittsfachmann entnimmt dem Patentanspruch 1 und unter Zuhilfenahme der Beschreibung (Spalte 2, Zeilen 20 bis 25) in welcher Reihenfolge die Bewegungsabläufe von Werkstück und Werkzeughalter ablaufen sollen, um ein Entgraten der Firstkanten zu erreichen.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit aufgrund seiner Zweckbestimmung außer Zweifel steht, hat gegenüber demim Verfahren befindlichen druckschriftlichen Stand der Technik als neu zu gelten, denn keine der Druckschriften beschreibt dessen Merkmale in seiner Gesamtheit.
So wird in keiner der Druckschriften eine Wälzkopplung von Schlagmesser und Werkstück derart beschrieben, dass beim Entgraten der Firstkanten von Dachschrägen eine Bewegung des Schlagmessers entlang der Firstkanten bewirkt wird.
Bei der DE 1 048 762 B (Spalte 3, Zeilen 2 bis 5) und der EP 0 107 826 A2 (Seite 3, Zeilen 25 bis 29) wird die Bewegung der Fräser so gesteuert, dass der Grat nach außen gelegt wird. Das Entgraten der Kanten erfolgt bei der EP 0453 875 A2 bei stillstehendem Werkstückträger, so dass keine Wälzkopplung von Schlagmesser und Werkstück vorliegt. Die DE 33 100 000 C3 und die DE 37 21 610 C2 betreffen Maschinen auf denen Werkstücke bearbeitet werden können. Ein Entgraten der Werkstücke erfolgt jedoch nicht.
4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Bei der Fräsmaschine nach dem Patentanspruch 1 soll der Vorschubantrieb eine Bewegung des Schlagmessers entlang der jeweils zu bearbeitenden Firstkante bewirken. Dabei soll bei jedem Werkstückumlauf das Schlagmesser jeden Zahn des Zahnrades höchstens einmal überstreichen.
Für diese Maßnahme vermittelt der aufgezeigte Stand der Technik dem Durchschnittsfachmann keine Anregungen.
In der DE 1 048 762 B ist ein Werkstückspindelstock zum Antrieb des Werkstückes sowie Werkzeugspindelstöcke vorgesehen, an denen jeweils Schneidmesser tragende Schneidmesserhalter festgespannt sind. Die Drehzahlen der Werkstückspindel und der Werkzeugspindeln stehen bei der Bearbeitung in einem vorbestimmten Verhältnis derart, dass bei einer Umdrehung des Werkzeugs nacheinander aufeinanderfolgende Kanten von Zähnen abgeschrägt werden. Somit werden bei jedem Werkstückumlauf jeder Zahn von einem Schlagmesser auch nur einmal überstrichen (Spalte 2, Zeilen 39 bis 50; Spalte, 3 Zeile 35 bis 42; Spalte 4, Zeilen 6 bis 22; Spalte 5, Zeile 47 bis 50 in Zusammenhang mit den Figuren 1 und 2). Ferner ist die Möglichkeit eines manuellen Verstellens mittels eines Handrades für die erforderliche relative Bewegung der Werkstückspindel und der Werkzeugspindeln zueinander vorgesehen (Spalte 6, Zeilen 31 bis 35).
Aufgrund der beschriebenen Anordnung bzw. Einstellung der Werkzeugspindeln zur Werkstückspindel, der dort vorgesehenen Schneidmesserform und der Schneidbewegung von zwei Schneidmessern jeweils beginnend in einer Zahnlücke entstehen beim Abschrägen der Stirnseiten der Zähne einerseits Firstkanten, andererseits kann ein durch die Art der Bearbeitung mit dem einen Schneidmesser zunächst entstehender Grat beim folgenden Schnitt des anderen Schneidmessers entfernt werden (Spalte 2, Zeile 39 bis Spalte 3, Zeile 6 in Zusammenhang mit Figuren 1 bis 3). Von daher können auch bei dieser bekannten Fräsmaschine Firstkanten entgratet werden, allerdings erfolgt die Bewegung der Schlagmesser nicht entlang der Firstkanten sondern quer dazu.
Es trifft auch zu, dass bei der bekannten Fräsmaschine Verschiebebewegungen in der radialen Richtung, also in derjenigen, in welcher alle Firstkanten einzeln stehen, möglich sind. Allerdings wird das Werkzeug lediglich zum Voreinstellen der Spantiefe verstellt und dieses Einstellen wird von Hand vorgenommen (Spalte 6, Zeilen 25 bis 30). Es sind somit keine Vorschubantriebe und auch kein Vorschübe im Sinne einer fortlaufenden Spanabnahme während mehrerer Werkstückumdrehungen vorgesehen, die eine Bewegung des Schlagmessers entlang der Firstkanten von Dachschrägen bewirken könnten. Diese Druckschrift kann somit keinen Hinweis auf die patentgemäße Lösung geben. In der EP 0 453 875 A1 ist eine Maschine zur spanabhebenden Metallbearbeitung beschrieben, die einen drehbaren Werkstückträger aufweist und bei der Bearbeitung von Zähnen eines Zahnrades eingesetzt wird. Der Werkstückträger ist rotierend, wobei die Rotationsbewegungen der beiden Träger (Werkstück- und Werkzeugträger) elektronisch gekoppelt, jedoch auch abkoppelbar sind (Patentanspruch 1 der EP 0 453 875 A1). Auch ist ein Vorschubantrieb vorhanden, über den der Werkzeugträger und der Werkstückträger relativ zueinander bewegbar sind (Patentanspruch 1 der EP 0 453 875 A1, Figurenbeschreibung). Bei der Nacharbeitung von Zahnrädern wird die Rotation des Werkzeugträgers jedoch stillgelegt (Spalte 5, Zeilen 23 ff), so dass eine Verschiebung von Werkzeugträger und Werkstückträger relativ zueinander wohl möglich ist, diese Vorgehensweise jedoch bei der Nachbearbeitung der Zähne nicht zum Tragen kommt. Infolge des Abkoppelns liegt auch keine Wälzkopplung zwischen den Zähnen des Zahnrades und dem Schlagmesser vor. Somit kann die Lehre der EP 0 453 875 A1 ebenfalls keinen Hinweis auf den Patentgegenstand geben.
Die EP 0 107 826 A2, die DE 37 21 610 C2 und die DE 33 10 000 C3 wurden von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen. Sie liegen auch vom Patentgegenstand weiter ab und können daher ebenfalls keine Anregungen zur erfindungsgemäßen Lösung geben, wie der Senat überprüft hat.
Der erteilte Patentanspruch 1 ist daher bestandsfähig.
Nachdem der erteilte Patentanspruch 1 bestandsfähig ist, ist der auf ihn rückbezogene Patentanspruch 2 ebenfalls bestandsfähig.
Nachdem der Senat bereits dem Antrag der Patentinhaberin auf Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entsprochen hat, war auf den weiteren Hilfsantrag nicht näher einzugehen.
Kowalski Viereck Gießen Kuhn Cl
BPatG:
Beschluss v. 15.10.2002
Az: 8 W (pat) 5/01
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