Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 6. Dezember 1996
Aktenzeichen: 6 U 26/96
(OLG Köln: Urteil v. 06.12.1996, Az.: 6 U 26/96)
Aus dem formalen Verstoß gegen § 18 RettG NW (Durchführung von Krankentransporten ohne behördliche Genehmigung) kann gegenüber dem Betreiber eines Krankentransportdienstes der Vorwurf unzulässigen Wettbewerbsverhaltens i.S. von § 1 UWG dann nicht hergeleitet werden, wenn er seine - ungenehmigten - Transporte mit Wissen gerade der für die Erteilung der Genehmigung zuständigen Behörde ungeahndet durchführt.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 17. Oktober 1995 verkündet Urteil der 18. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 18 O 141/95 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Landgerichts vom 1. Dezember 1995 teilweise abgeändert und die Klage auf Unterlassung abgewiesen. Die Berufung der Kläger gegen das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden den Klägern auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Kläger wird auf insgesamt 30.000,00 DM festgesetzt (für die Unterlassungsklage: 20.000,00 DM und für die Klage auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Beklagten: 10.000,00 DM).
Gründe
(abgekürztes Urteil gemäß § 543 Abs. 1 ZPO)
Die Berufungen der Kläger und des Beklagten sind jeweils
zulässig. Begründet ist jedoch nur das Rechtsmittel des Beklagten,
während die Berufung der Kläger zurückzuweisen war.
1.
Der Beklagte wehrt sich mit seiner Berufung erfolgreich gegen
das Unterlassungsbegehren der Kläger, dem das Landgericht mit dem
angefochtenen Urteil entsprochen hat. § 1 UWG in Verbindung mit §
18 RettG NW vermag diese Unterlassungsklage nicht zu rechtfertigen.
Andere Anspruchsgrundlagen, die das Verlangen der Kläger stützen
könnten, sind aber nicht ersichtlich; sie werden von den Klägern
auch nicht geltend gemacht.
Ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten aus §§ 18 RettG NW,
1 UWG es zu unterlassen, Aufgaben der Notfallrettung ohne die dafür
nach § 18 RettG NW erforderliche Genehmigung wahrzunehmen bzw.
wahrnehmen zu lassen, scheitert bereits an der für ein
Unterlassungsbegehren erforderlichen Begehungsgefahr. Die Kläger
haben weder dargelegt, daß der Beklagte in der Vergangenheit
derartige Aufgaben wahrgenommen hat, noch sind dem Sachvortrag der
Kläger Umstände zu entnehmen, aus denen sich eine
Erstbegehungsgefahr für eine solche Tätigkeit des Beklagten
ergibt.
Die Unterlassungsklage ist jedoch ebenfalls unbegründet, soweit
die Kläger damit von dem Beklagten verlangen es zu unterlassen,
Aufgaben des Krankentransports wahrzunehmen bzw. wahrnehmen zu
lassen, ohne im Besitz einer nach dem Rettungsgesetz NW gültigen
Genehmigung für die jeweiligen Krankenkraftwagen zu sein.
Die Kläger leiten die Begehungsgefahr für die vom Beklagten zur
Unterlassung geforderten Tätigkeiten aus den Fahrten mit den
Krankentransportwagen mit den Kennzeichen ... und ...
her, die der Beklagte nach Behauptung der Kläger im Jahre 1995
durchgeführt haben soll. Selbst wenn man aber zugunsten der Kläger
davon ausgeht, daß die im einzelnen von den Klägern vorgetragenen
und unter Beweis gestellten Krankentransporte mit diesen beiden
Fahrzeugen stattgefunden haben, ergibt sich daraus nicht gemäß §§
18 RettG NW, 1 UWG der von den Klägern geltend gemachte
Unterlassungsanspruch.
Fest steht allerdings, daß der Beklagte bis heute nicht im
Besitz der nach § 18 des am 16. Dezember 1992 in Kraft getretenen
Rettungsgesetz NW geforderten Genehmigung ist, deren ein
Unternehmer für die Durchführung von Aufgaben des Krankentransports
bedarf, wenn er - wie der Beklagte - nicht am Rettungsdienst nach
dem zweiten Abschnitt des Rettungsgesetzes NW beteiligt ist. Die
entsprechenden Genehmigungsanträge des Beklagten vom 7. Januar
1993, 8. September 1993 und 26. Oktober 1993 waren von der Stadt B.
als der für die Erteilung der Genehmigung zuständigen
Kreisordnungsbehörde mit Ordnungsverfügung vom 8. März 1994
abschlägig beschieden worden. Die Ordnungsverfügung der Stadt B.
ist zwar auf den Widerspruch des Beklagten hin durch Bescheid der
Bezirksregierung K. vom 4. Juli 1996 aufgehoben und die
Genehmigungsanträge des Beklagten sind wieder an die Stadt B. zur
erneuten Entscheidung zurückverwiesen worden. Diese Entscheidung
der Stadt B. nach § 18 RettG NW steht aber derzeit noch aus. Der
Beklagte vermag sich hinsichtlich der im Jahre 1995 durchgeführten
Fahrten auch nicht mit Erfolg auf die Óbergangsregelung im Erlaß
des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes
Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 1992 (V C 6 - 0712.11 A)
berufen. Nach Ziffer 2 dieser Óbergangsregelung können Unternehmer,
die - wie der Beklagte - den Krankentransport mit Krankenkraftwagen
erstmals nach dem 1. Januar 1992 aufgenommen haben, diesen in dem
bisherigen Umfang bis zur Entscheidung über ihren Antrag nach dem
Rettungsgesetz NW unter Beachtung der übrigen Anforderungen des
Erlasses weiter ausüben. Unstreitig hat jedoch der Beklagte bei
Inkrafttreten dieses Erlasses Krankentransporte nur mit einem
Fahrzeug durchgeführt. Ihm war deshalb vom Verwaltungsgericht Köln
mit Beschluß vom 14. November 1994 (9 L 576/94) die Durchführung
von Krankentransporten nur mit dem Fahrzeug mit dem amtlichen
Kennzeichen ... gestattet worden; insoweit war auch die
aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Beklagten gegen die
Ordnungsverfügung der Stadt B. vom 8. März 1994 in dem
vorbezeichneten Beschluß des Verwaltungsgerichts Köln
wiederhergestellt worden.
Dennoch läßt sich ein unlauteres Handeln des Beklagten im Sinne
von § 1 UWG bei den ihm von den Klägern zur Last gelegten
Krankentransporten mit den beiden in Rede stehenden Fahrzeugen im
Jahre 1995 nicht feststellen. Ausweislich der vom Senat
beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemachten Akte 11 L 1495/94 VG Köln war der Stadt B seit 1994
bekannt, daß der Beklagte nicht nur das Fahrzeug ... für
Krankentransporte einsetzt, sondern ebenfalls die beiden im
vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Fahrzeuge, nachdem
diese zuvor von der Stadt B. als Sonderkraftfahrzeuge, d.h. als
Fahrzeuge mit der für Krankentransporte erforderlichen
Sonderausstattung, zugelassen worden waren. Wie sich aus der Akte
11 L 1495/94 VG Köln ebenfalls ergibt hat die Stadt B. zunächst mit
Ordnungsverfügung vom 24. Juli 1994 unter Hinweis auf ihre mit der
Ordnungsverfügung vom 8. März 1994 angeordneten Schließung des
Betriebs des Beklagten die Abrüstung der beiden Fahrzeuge als
Krankentransportfahrzeuge angeordnet unter gleichzeitiger Anordnung
der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung. Auch diese
Ordnungsverfügung der Stadt B. vom 24. Juli 1994 wurde jedoch nicht
bestandskräftig. Der Beklagte legte hiergegen Widerspruch ein und
strengte ein verwaltungsgerichtliches Verfahren vor dem
Verwaltungsgericht Köln zur Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung seines Widerspruchs an. In diesem Verfahren - 11 L 1495/94
VG Köln - kam es sodann nach entsprechender Anregung durch das
Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die noch ausstehende
Entscheidung über die vom Beklagten am 15. März 1995 gegen die
Stadt B. eingeleitete Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO mit dem Ziel
der Erteilung einer Genehmigung gemäß § 18 RettG NW für die
Fahrzeuge ..., ... und ... am 23. Januar 1996
zu einem Vergleich des Beklagten und der Stadt B.. Die Stadt B.
verpflichtete sich darin, bis zur rechtskräftigen Entscheidung im
Verfahren 9 K 1774/95 VG Köln nicht die Abrüstung des Fahrzeugs
... zu verlangen, während sich der Beklagte unter Rücknahme
seines Widerspruchs gegen die Ordnungsverfügung der Stadt B. vom
26. Juli 1994 verpflichtete, das Fahrzeug ... abzurüsten
oder stillzulegen. Mit dem bereits erwähnte Widerspruchsbescheid
der Bezirksregierung Köln vom 4. Juli 1996 wurden schließlich nicht
nur die Ordnungsverfügung der Stadt B. vom 8. März 1994 aufgehoben
und die Genehmigungsanträge des Beklagten zur erneuten Bescheidung
an die Stadt B. zurückgewiesen. Vielmehr wurde in diesem Bescheid
vom 4. Juli 1996 auch ausdrücklich davon Abstand genommen, die
Schließung des Unternehmens des Beklagten bis zur endgültigen
Entscheidung über die Genehmigung nach § 18 RettG NW anzuordnen,
weil eine derartige Untersagung des weiteren Betriebs trotz dessen
formeller Illegalität wegen "erheblicher Zweifel an der materiellen
Illegalität" des Unternehmens des Beklagten von er Bezirksregierung
Köln als unverhältnismäßig angesehen wurde.
Nach alledem hat somit der Beklagte seit 1994 bis zumindest zum
23. Januar 1996 die beiden streitgegenständlichen Fahrzeuge mit
Wissen der gemäß § 18 RettG NW zuständigen Behörde als
Krankentransportwagen eingesetzt, ohne daß dies ihm durch einen
bestandskräftigen Bescheid untersagt worden ist, sei es durch einen
Bescheid, der das Unternehmen des Beklagten insgesamt einstellte,
sei es auch nur durch einen Bescheid, der dem Beklagten
ausdrücklich oder mittelbar über die Anordnung der Abrüstung der
Fahrzeuge als Krankentransportwagen zumindest den Einsatz der
Fahrzeuge ... und ... für Krankentransporte untersagte.
Die vom Landgericht angeführten Erwägungen legen zwar nahe, § 18
RettG NW als sog. wertbezogene Norm zu verstehen, deren Verletzung
grundsätzlich den Tatbestand des § 1 UWG erfüllt, ohne daß weitere
Umstände hinzutreten müssen (vgl. dazu Baumbach, Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 18. Auflage, § 1 UWG Randnummer 610, 613 ff.).
Wenn aber - wovon bislang auszugehen ist - das dem Beklagten von
den Klägern zur Last gelegte unlautere Verhalten allein darin
beruht, daß dieser Krankentransporte ohne die nach § 18 RettG NW
erforderliche Genehmigung durchführt, andererseits der Beklagte
diese Tätigkeiten mit Wissen gerade der für die Erteilung dieser
Genehmigung und ihrer Beachtung zuständigen Behörde vornimmt, ohne
daß ihm dies bestandskräftig untersagt wird, vermag der Senat trotz
des formalen Verstoßes des Beklagten gegen § 18 RettG NW ein
unlauteres Handeln des Beklagten im Sinne von § 1 UWG nicht
festzustellen, auch wenn § 18 RettG NW eine sog. westbezogene Norm
darstellen sollte.
Fehlt es jedoch am Tatbestand des § 1 UWG, kann das
Unterlassungsbegehren der Kläger keinen Erfolg haben; der Berufung
des Beklagten war deshalb stattzugeben.
2.
Daraus ergibt sich zugleich, daß der mit der Berufung der Kläger
von diesen geltend gemachte Antrag auf Feststellung der
Schadensersatzpflicht des Beklagten wegen der Wahrnehmung von
Aufgaben der Notfallrettung und/oder des Krankentransportes ohne
entsprechende Genehmigung nach dem Rettungsgesetz NW ebenfalls
unbegründet ist. Ein Verstoß des Beklagten gegen § 18 RettG NW, der
gemäß § 1 UWG zu einer Schadensersatzpflicht des Beklagten
gegenüber den Klägern führen könnte, ist aus den vorstehend unter
der Ziffer 1 der Entscheidungsgründe angeführten Erwägungen nicht
ersichtlich.
3.
Dem Antrag der Kläger im Schriftsatz vom 25. Juli 1996 auf
Aussetzung des vorliegenden Rechtsstreits gemäß § 148 ZPO bis zum
Abschluß des verwaltungsbehördlichen Genehmigungsverfahrens nach §
18 RettG NW, war nicht stattzugeben. Nach dem bisherigen
Sachverhalt, wie er von den Klägern zur Begründung ihrer Klage
vorgetragen worden ist, ist die Klage insgesamt abweisungsreif,
ohne daß es darauf ankommt, ob die Stadt B. nunmehr dem Beklagten
wiederum die Genehmigung nach § 18 RettG verweigern wird oder
nicht. Die nach § 148 ZPO erforderliche Vorgreiflichkeit des
verwaltungsbehördlichen Verfahrens für den vorliegenden
Rechtsstreit ist damit nicht gegeben.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht
gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Beschwer der Kläger war gemäß § 546 Abs. 2 festzusetzen und
entspricht dem Wert des Unterliegens der Kläger im
Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 06.12.1996
Az: 6 U 26/96
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