Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 26. April 2001
Aktenzeichen: 24 U 117/00
(OLG Hamm: Urteil v. 26.04.2001, Az.: 24 U 117/00)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 31.08.2000 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Münster - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen - wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.071,01 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 02.04.1999 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz trägt der Beklagte 54%, der Kläger 46 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger 93 % und der Beklagte 7 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das Urteil beschwert keine der Parteien um mehr als 60.000 DM.
Gründe
A.
Die Berufung hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, weitgehend ist sie unbegründet.
I.
Die Berufung hat Erfolg, soweit sie eine Erhöhung der Schiedsrichtervergütung für das hier streitgegenständliche Schiedsgerichtsverfahren begehrt, weil der Streitwert um 35.009,22 DM höher lag, als vom Landgericht der Entscheidung zugrunde gelegt wurde.
Die Berufung greift die Feststellung des Landgerichtes nicht an, dass sich hier die gemäß den §§ 611, 612 BGB geschuldete übliche Vergütung nach der BRAGO richtet. Der damit der Honorarberechnung zugrunde zu legende Streitwert wird allerdings nicht allein von dem Betrag der Schiedsklage iHv. 145.949,13 DM bestimmt. Der Schiedsbeklagte hat vielmehr eine den Streitwert erhöhende Widerklage erhoben.
Für das hier streitgegenständliche Schiedsgerichtsverfahren ist die Rechtslage vor der Änderung der §§ 1025 ff. ZPO vom 1.1.1998 zugrunde zu legen. Jedenfalls nach der alten Rechtslage war die Erhebung einer Widerklage ohne förmlichen Antrag möglich (BGH DB 1959, 789), weil für das Verfahren des Schiedsgerichts keine besonderen Regeln bestanden, § 1034 a.F. ZPO.
Mit dem Schriftsatz vom 14.04.1997 im Schiedsverfahren führte der Schiedsbeklagte eine angebliche Überzahlung von 35.009,22 DM in das Verfahren ein. Dabei erklärte er nicht nur - wie die Berufung meint - es sei bereits Erfüllung eingetreten. Vielmehr erklärt er ausdrücklich, "seinerseits die Zahlung geltend" zu machen. Damit verlangt er eindeutig die Rückzahlung und erhebt konkludent eine Widerklage.
Auf der Grundlage des Streitwertes von 180.958,35 DM ergibt sich ein Gesamthonorar von 9.065,40 DM. Gemäß dem Schiedsspruch hat der Beklagte davon 78% zu tragen, also 7.071,01 DM. Der vom Landgericht ausgeurteilte Betrag war deshalb um 434,30 DM zu erhöhen.
II.
Soweit der Kläger darüber hinaus weitere Vergütung fordert, weil er in dem Schiedsgerichtsverfahren gleichzeitig als Sachverständiger tätig geworden sei, ist dieses Begehren unbegründet.
Eine Vergütungsvereinbarung zwischen ihm und den Parteien des Schiedsgerichtsverfahrens, dahin, dass er neben der Vergütung als Schiedsrichter auch eine weitere Vergütung als Sachverständiger erhalten solle, hat der Kläger nicht dargelegt.
Nicht in diesen Zusammenhang gehört, dass der Kläger zwischen den Parteien bei diesem Bauvorhaben im Jahre 1995 bereits einmal als Schiedsgutachter tätig war. Das streitgegenständliche Schiedsgerichtsverfahren begann erst etwa 1,5 Jahre nach Abschluß der Schiedsgutachtertätigkeit.
Das Schiedsgericht kann grundsätzlich als Beweismittel auch ein Sachverständigengutachten einholen. Die Frage, ob und wie Sachverständigenbeweis erhoben wird, steht aber zur einverständlichen Dispostition der Schiedsverfahrensparteien (Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 1998, Rn 401; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 5.Aufl. 1995, Kap. 15 Rn 19). Diese Vorrangigkeit der Parteimaxime verbietet es nach OLG Köln (KTS 1977, 265) nicht, ein Mitglied eines Zweier-Schiedsgerichts mit der Erstattung des Sachverständigengutachtens zu betrauen.
1.
Eine Beauftragung des Klägers als Beweismittel Sachverständiger durch das Schiedsgericht im Namen der Parteien liegt aber nicht vor. Es fehlt an einer entsprechenden Vollmacht durch die Parteien.
Bei der Beauftragung des Sachverständigen kann das Schiedsgericht mit diesem im Namen der Schiedsparteien einen Werkvertrag schließen (Schütze, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 3.Aufl.'99, Rn 163). Die Bevollmächtigung dazu liegt regelmäßig im Abschluß des Schiedsvertrages, kann aber entfallen, wenn die Parteien mit der Beauftragung eines Sachverständigen nicht rechnen mußten (Musielak/Voit, ZPO-Komm., 2.Aufl.'00, § 1049 Rn 8 m.w.Nw.). Das Schiedsgericht darf einen Sachverständigen nur beauftragen, wenn dies unumgänglich notwendig ist (Schütze, a.a.O.). Zunächst einmal haben die Schiedsrichter in eigener Verantwortung den Sachverhalt festzustellen (BGH LM Nr.8 zu § 1041 ZPO). Dabei obliegt ihnen eine verstärkte Aufklärungspflicht, weshalb es keines Sachverständigenbeweises bedarf, wenn das Schiedsgericht selbst über die erforderliche Sachkenntnis verfügt (Henn, Schiedsverfahrensrecht, 3.Aufl.'00, Rn 338), wobei die Informationsgewinnung vom Schiedsgericht dessen einzelnen Mitgliedern übertragen werden kann (Musielak/Voit § 1042 Rn 22).
Hier haben die Parteien den Kläger als Schiedsrichter beauftragt. Das geschah gerade, weil der Kläger von Beruf Sachverständiger ist. Die Beteiligten gingen also davon aus, dass der Kläger seine Kenntnisse als Sachverständiger im Rahmen seiner Schiedsrichtertätigkeit zur Entscheidung des Streitfalles einsetzt. In einem solchen Fall muß keine Partei damit rechnen, dass ein Schiedsrichter eine Doppelfunktion als Schiedsrichter und als Beweismittel Sachverständiger einnehmen soll und will, mit der Folge einer weiteren Vergütungspflicht. Deshalb fehlt gerade im Falle eines sachkundigen Schiedsrichters die Bevollmächtigung des Schiedsgerichts, einen Sachverständigen als Beweismittel zu beauftragen.
2.
Aber auch ein direkter Vertragsschluß zwischen den Parteien des Schiedsgerichtsverfahrens und dem Kläger ist nicht ersichtlich.
Ein Schiedsrichter muß, wenn er eine Doppelfunktion auch als Beweismittel Sachverständiger einnehmen will, dieses den Parteien ganz eindeutig klar machen und eine entsprechende Vergütungsvereinbarung schließen. Nur so genügt er seinen Sorgfaltspflichten gegenüber den Parteien, die dann selbst entscheiden können, ob sie den Schiedsrichter auch als Sachverständigen bezahlen oder den Schiedsvertrag mit ihm kündigen. Ohne eine solche eindeutige Vereinbarung gehen die Parteien zu Recht davon aus, dass der Schiedsrichter auch umfangreiche Tätigkeiten aufgrund seiner Kenntnisse als Sachverständiger in seiner Eigenschaft als Schiedsrichter ausführt und nur dieser Eigenschaft entsprechend vergütet wird.
Eine entsprechende Vereinbarung ist dem Protokoll der Schiedsgerichtssitzung vom 30.07.1997 in keiner Weise zu entnehmen. Dort heißt es vielmehr, dass der Schiedsrichter F. - der Kläger - die Rechnungsprüfung vornehmen solle. Im übrigen geht es um die Frage, wie die Prüfung vorgenommen werden soll, nicht aber darum, ob der Kläger als Beweismittel Sachverständiger oder nur gegen besondere Vergütung tätig werden sollte. Soweit der Kläger auf Seite 3 des Protokolls hinweist, übersieht er, dass es bei der dort dokumentierten Einigung der Parteien ausschließlich um die "bisher entstandenen Kosten des Schiedsgutachters F." ging. Damit waren die Kosten im Zusammenhang mit dem 1995 erstatteten Schiedsgutachten gemeint. Andere Kosten waren noch gar nicht entstanden, auch war noch kein Ortstermin des Schiedsgerichtes durchgeführt worden. Eine Regelung bezüglich möglicher künftiger Kosten einer Beweisaufnahme durch das Schiedsgericht enthält das Protokoll ganz offensichtlich nicht. Deshalb ist auch der Beweisantritt des Klägers auf Zeugenvernehmung viel zu pauschal und in's Blaue hinein, als dass ihm hätte nachgegangen werden können. Es wird vom Kläger nur ein Zeuge benannt, obwohl an der Sitzung neben ihm noch 12 weitere Personen teilgenommen haben. In dem Protokoll werden eine Reihe wichtiger Fragen angesprochen, eine Beauftragung des Klägers auch als Beweismittel Sachverständiger und/oder eine entsprechende Vergütungsvereinbarung ist aber mit keinem einzigen Wort erwähnt.
Dass keine Vereinbarung getroffen wurde, ist auch dem der Sitzung folgenden Schreiben der Rechtsvertreter des Beklagten vom 8.08.1997 zu entnehmen. In diesem wird nicht nur erneut die Meinung vertreten, dass die Rechnung der Schiedsklägerin gar nicht prüffähig sei und der Kläger mit einer Rechnungsprüfung nicht die Arbeit der Schiedsklägerin machen solle. Weiter wird ausdrücklich geschrieben, dass der Beklagte keine Kosten für eine eventuelle Tätigkeit eines Sachverständigen zahlen werde. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass der Beklagte davon ausgeht, dass der Kläger seine Tätigkeit als Schiedsrichter mit der entsprechenden Schiedsrichtervergütung ausführt, eine besondere Beweisaufnahme durch ein Sachverständigengutachten - gleichgültig durch welche Person - aber nicht in Frage kommt.
Auch dem Protokoll vom 10.10.1997 ist kein Anhalt für eine Beauftragung des Klägers als Beweismittel Sachverständiger zu entnehmen. Richtig ist zwar, dass hier der Kläger darauf hingewiesen hat, dass eine Prüfung durch ihn - ohne vorherige Abklärung der streitigen Positionen - zeitintensiv sei und zu einer Kostenerhöhung führen werde. Das drückt aber lediglich sein damaliges Verständnis aus, für seine Tätigkeit ein Zeithonorar zu bekommen, wie er es auch in seiner ersten Rechnung über seine gesamte Tätigkeit abgerechnet hat. Das zeigt aber nicht, dass die Schiedsverfahrensparteien das Verständnis gehabt hätten, dass der Kläger neben seiner Schiedsrichtervergütung eine weitere Vergütung als Sachverständiger erhalten würde.
Eine entsprechende Vergütungsvereinbarung hätte sich aus einer Vorschußanforderung des Klägers ausdrücklich wegen einer durchzuführenden Tätigkeit als Beweismittel Sachverständiger neben der Tätigkeit als Schiedsrichter herleiten lassen. Eine solche Vorschußanforderung gibt es aber nicht.
Auch der Hinweis des Klägers auf die Bezeichnung seiner Person im Schiedsgerichtsverfahren durch die Schiedsparteien deutet in keiner Weise auf die zu verlangende eindeutige Vereinbarung einer weiteren Vergütung hin.
Richtig ist, dass die Schiedsverfahrensparteien den Kläger häufig als Sachverständigen bezeichnet haben. Das hat aber nichts damit zu tun, ob er hier neben seiner Tätigkeit als Schiedsrichter - wozu er nur wegen seiner Eigenschaft als Sachverständiger bestellt worden war - auch als Gutachter im Sinne eines prozessualen Beweismittels tätig werden sollte. Vielmehr haben die Parteien einen Fachmann in das Schiedsgericht berufen, offenbar gerade um die gesonderte Beauftragung eines Gutachters unnötig zu machen. Dieser sachverständige Beisitzer des Schiedsgerichts soll die Beweisaufnahme durchführen, aber nicht in einer Doppelfunktion, sondern eben als sachkundiger Schiedsrichter.
Die Terminologie der Beteiligten des Schiedsverfahrens war schlicht ungenau. Es wird nicht unterschieden zwischen Schiedsrichter/Schiedsgericht, Schiedsgutachter und Sachverständiger. Die Begriffe werden wahllos nebeneinander gebraucht. Daraus Schlüsse zu ziehen, wie die Parteien rechtliche Beziehungen sehen wollten und insbesondere dahin, dass man den Kläger "zweifach" beauftragen wollte, wäre verfehlt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ein Schiedsgerichtsverfahren die Bestellung eines Schiedsgutachters ausschließt.
Auch aus den ersten Schriftsätzen im Schiedsverfahren ist nichts anderes zu entnehmen. Sie verhielten sich über die Frage, ob der Kläger überhaupt noch als Schiedsrichter tätig sein sollte, nachdem er bereits vor dem Schiedsverfahren in Bezug auf einen anderen Streitpunkt als Schiedsgutachter tätig gewesen war. Es ging aber in keiner Weise darum, ob er neben seiner Tätigkeit als Schiedsrichter auch als Beweismittel "Sachverständiger" tätig sein sollte. Diese Frage stellte sich zu dem Zeitpunkt überhaupt noch nicht.
Dass auch die Schiedsklägerin die Tätigkeit des Klägers im Rahmen des Schiedsverfahrens ausschließlich als Tätigkeit des Schiedsrichters ansah, zeigt auch deren Vortrag vor dem Bundesgerichtshof - III ZB 68/99 - in dem Streit um die Aufhebung des Schiedsspruchs im Schriftsatz vom 9.06.2000, in dem vorgetragen wird, dass zwischen den Schiedsverfahrensparteien im Verhandlungstermin vom 30.07.97 vereinbart worden sei, dass der Schiedsrichter Friedag allein - ohne den zweiten Schiedsrichter - die Überprüfung der Aufmaße und Rechnungen vornehmen sollte.
B.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs.1, 97 Abs.1, 708 Nr.10, 711, 713 ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 26.04.2001
Az: 24 U 117/00
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