Oberlandesgericht Stuttgart:
Urteil vom 29. November 2012
Aktenzeichen: 2 U 64/12
(OLG Stuttgart: Urteil v. 29.11.2012, Az.: 2 U 64/12)
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 09. März 2012 (21 O 107/11 KfH) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsausspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe erbringt. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 20.000 EUR
Gründe
I.
1.
Die Klägerin, ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und § 3 Abs. 2 Nr. 3 UKlaG, begehrt von der Beklagten, es zu unterlassen, im Zusammenhang mit dem Verkauf von Hörgeräten in deren Hörgeräte-Akustik-Fach-geschäft in H. mit der Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum H. zu werben (Klagantrag Ziff. 1). Ferner begehrt sie die Zahlung einer Abmahnkostenpauschale (Klagantrag Ziff. 2).
Im Ladenlokal der Beklagten waren und sind zwei Personen beschäftigt. Seine Größe beträgt nach einem Umzug im Januar 2012 in andere Räume 80 qm. In H. und Umgebung können Hörgeräte der Fa. a. H. GmbH Co. KG (i. F.: Fa. a.) nur bei der Beklagten, die darüber hinaus Hörgeräte aller Hersteller anbietet, erworben werden.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens in erster Instanz einschließlich der Antragstellung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO.
2.
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Die Klage sei zulässig, insbesondere liege eine hinreichende Konkretisierung des Unterlassungsantrags durch Bezugnahme auf die im Tenor als Anl. K 2 beigefügte Werbeanzeige vor.
Die Klage sei auch begründet.
Nach Ausstattung, Größe und Öffnungszeiten des Ladengeschäfts der Beklagten sei dieses allenfalls als durchschnittlich anzusehen.
Soweit die Beklagte ihre Sonderstellung/Alleinstellung auf herausragende charakteristische Leistungen unter Hinweis auf das nur bei ihr erhältliche teilimplantierbare Hörsystem R. begründet, sei keine praktisch bedeutsame, markterhebliche Alleinstellung gegeben, nachdem sie nicht bestritten habe, dass es im Raum H. so gut wie keine mit Implantaten versorgte Patienten geben dürfte.
Was die von ihr behauptete Spitzenstellung/Alleinstellung im Bereich der Anpassung von modernen Hörsystemen durch das allein bei ihr erhältliche A.-System betreffe, so verfügten auch die Mitbewerber vor Ort im Rahmen der Anpassung von Hörgeräten über modernste Techniken wie insbesondere Störgeräuscheunterdrückung u. ä. Auch für die von ihr für Tinnitusbetroffene herausgestellte Retraining-Therapie könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass nicht auch die Konkurrenz über vergleichbare Therapiekonzepte verfüge.
Im Hinblick auf die unstreitig nicht vorhandene Sonder-/Spitzen-/Alleinstellung der Beklagten im Raum H. betreffend Größe, Ausstattung und Personal ihres Ladengeschäfts und im Hinblick darauf, dass die im Raum H. ansässige Konkurrenz über andere mit den von der Beklagten ausschließlich vertriebenen Systemen und Behandlungstherapien vergleichbare Systeme verfüge und im Hinblick darauf, dass es im Bereich der teilimplantierbaren Hörsysteme R. kaum nennenswerte Patienten gebe, verstoße die Beklagte mit dem auch als Firmenbestandteil verwendeten Hinweis Hör- und Tinnitus-Zentrum H. gegen das Irreführungsgebot des § 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 UWG.
Der deshalb gegebene Unterlassungsanspruch sei auch nicht verjährt, weil es sich um einen Dauerverstoß gegen lauteren Wettbewerb handele, da die Beklagte auch heute noch mit dem im Tenor untersagten Begriff werbe und ihn auch weiterhin als Namensbestandteil verwende.
Der Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten sei aus § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG begründet. Er sei in jedem Fall angemessen, wenn überhaupt kostendeckend.
3.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihr Begehren der Klagabweisung weiter verfolgt.
Der Klagantrag sei entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht hinreichend bestimmt i. S. d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er abstrahiere in unzulässiger Weise von der konkreten Verletzungsform, denn sie verwende die Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum H. nicht isoliert, sondern jeweils mit der vollständigen Firmenbezeichnung a. Hör- und Tinnitus-Zentrum H. bzw. mit einer entsprechenden Bezugnahme (unser Hör- ...). Es liege eine unzulässige Antragserweiterung vor, wenn wie vorliegend ein Schlechthinverbot begehrt werde, das auch zulässige Verwendungsformen des angegriffenen Firmenbestandteils erfasse.
Das Landgericht setze sich in seiner Entscheidung auch nicht ansatzweise mit ihrer Argumentation auseinander, wonach die Verwendung der angegriffenen Bezeichnung bereits deshalb nicht irreführend sei, weil diese von ihr stets in doppelter Weise relativiert werde, nämlich zum einen durch die Verwendung der Bezeichnung a. und zum anderen durch den geografischen Zusatz H.. Es sei aber anerkannt, dass der Kontext die Bedeutung des Begriffs Zentrum relativieren könne.
Durch die Voranstellung der Bezeichnung a. sei für den verständigen Verbraucher klar, dass die Bezeichnung Zentrum nicht auf eine besondere Größe oder Bedeutung hinweise, sondern dass der Begriff als Hinweis auf ein Geschäftslokal zu verstehen sei, in dem Produkte des Hörgeräteherstellers a. angeboten würden bzw. nach dem Konzept zur Kette gehörender Fachgeschäfte Waren und Dienstleistung angeboten würden. Es müsse Unternehmen, die Produkte oder Marken mit einem nicht ganz so hohen Bekanntheitsgrad anböten, möglich sein auf den Geschäftszweig im Firmennamen hinzuweisen. Dies sei auch üblich, insbesondere in der Branche der Beklagten.
Eine weitere Relativierung erfolge durch den Zusatz H. Dieser weise einschränkend darauf hin, dass es sich bei ihr in H. und Umgebung um das Hörgeräteakustikfachgeschäft handele, in welchem Produkte der Fa. a. bzw. nach dem Konzept dieser Firmenkette vertrieben würden. Auch dies sei jedenfalls in ihrer Branche üblich.
Die von ihr für ihre Sonderstellung unter den örtlichen Hörgeräteakustikfachgeschäften in H. und Umgebung angeführten Kriterien habe das Landgericht unzulässigerweise nivelliert.
Allein der Umstand, dass Hörgeräte der Fa. a. ausschließlich bei ihr im Raum H. erworben werden, rechtfertige es, dass sie mit der Bezeichnung a. Hör- und Tinnitus-Zentrum H. werben dürfe.
Soweit das Landgericht eine Sonderstellung im Hinblick auf das teilimplantierbare Hörsystem R. ablehne, sei seine Feststellung, im Raum H. dürfte es so gut wie keine mit Implantat versorgte Patienten geben, falsch, weil das Landgericht offenbar verkannt habe, dass es sich bei den implantierbaren Hörsystemen R. und C. um verschiedene Produkte handele. R. sei ein neuartiges Hörsystem, welches sich insbesondere bei leichten bis mittleren Hörminderungen im Bereich der hohen Töne eigene und außerdem anders als alle anderen Hörgeräte nahezu nicht sichtbar sei. Hierfür habe sie im Schriftsatz vom 05.01.2012 Zeugen- und Sachverständigenbeweis angetreten, (S. 4, Bl. 21), den das Landgericht in unzulässiger Weise übergangen habe. Ferner habe sie ausdrücklich um Hinweis gebeten (S. 3 des Schriftsatzes vom 28.02.2012, Bl. 3), falls es das Gericht für erforderlich halten sollte, Zahlen über im Raum H. und deutschlandweit mit dem Hörsystem R. versorgte Patienten vorzulegen. Statt den Hinwies zu erteilen, habe das Landgericht angenommen, dass es im Raum H. so gut wie keinen mit Implantaten versorgten Patienten geben dürfte.
Was das A.-System zur Erzeugung virtueller Klangwelten betreffe, gehe das Landgericht mit nicht nachvollziehbarer Argumentation davon aus, dass die Konkurrenz über vergleichbare Systeme verfüge, obwohl sie mit Schriftsatz vom 28.02.2012 (S. 3 f, Bl. 43 f) vorgetragen habe, dass die Fa. I. GmbH & Co. KG in H. weder über das System i. verfüge noch dieses System gleichwertig sei. Dem diesbezüglichen Beweisantritt sei das Landgericht in unzulässiger Weise nicht nachgegangen.
Schließlich sei in H. und Umgebung ausschließlich bei ihr und bei sonst keinem Mitbewerber ein Tinnitus-Therapiekonzept vorhanden. Wenn das Landgericht meine, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, dass nicht auch die Konkurrenz über vergleichbare Therapiekonzepte verfüge, berücksichtige es erneut Vortrag nicht hinreichend, da sie insbesondere im Schriftsatz vom 28.02.2012 (S. 4, Bl. 44) vorgetragen habe, dass das als Anl. K 18 dargestellte Konzept der Fa. I. GmbH & Co. KG in H. überhaupt nicht verfügbar, jedenfalls nicht ihrem Konzept gleichwertig sei. Diesbezügliche Beweisantritte durch Sachverständigengutachten habe das Landgericht zum einen übergangen und zum anderen insoweit die Beweislastverteilung verkannt.
Auch mit ihrer Argumentation hinsichtlich der Verjährung habe sich das Landgericht auch nicht ansatzweise auseinandergesetzt.
Dabei sei der Klägerin aus zahlreichen wettbewerbsrechtlichen Auseinandersetzungen mit Hörgeräteakustik-Fachgeschäften der a.-Kette und mit HNO-Ärzten bestens bekannt, dass die mittlerweile zur Kette gehörenden über 30 Hörakustikfachgeschäfte unter der Bezeichnung a. Hör- und Tinnitus-Zentrum GmbH & Co. KG firmierten, wobei vor dem Rechtsformzusatz der jeweilige Ortsname (hier H.) eingefügt sei).
So habe die Klägerin mit Schreiben vom 16.08.2010 (Anl. B 2) einen renommierten HNO-Arzt aus K. abgemahnt und der Abmahnung einen Flyer der Fa. a. Hör- und Tinnitus-Zentrum D. GmbH & Co. KG beigefügt. Es werde deshalb bestritten, dass der bei der Klägerin zuständige Sachbearbeiter erst durch das als Anl. K 13 vorgelegte Schreiben vom 04.10.2011 von den streitgegenständlichen Firmenbezeichnungen erfahren habe wolle.
Jedenfalls habe die Klägerin grob fahrlässig keine Kenntnis davon gehabt, dass die streitgegenständliche Firmenbezeichnung (a. Hör- und Tinnitus-Zentrum (Ortsangabe) GmbH & Co. KG) häufig verwendet werde. Die Klägerin sei verpflichtet gewesen zu überprüfen, ob die streitgegenständliche Bezeichnung für das Hörgeräteakustikfachgeschäft in K.-D. und an anderen Orten zulässig sei oder nicht. Vorliegend hätte es sich aufgrund der Abmahnung des K. HNO-Arztes vom 16.08.2010 aufgedrängt, die Firmenbezeichnung zu beanstanden und außerdem zu prüfen, ob neben der a. Hör- und Tinnitus-Zentrum D. GmbH & Co. KG weitere Unternehmen die Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum führten.
Jedenfalls seien wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche verwirkt, weil der Klägerin seit Jahren bekannt sei, dass deutschlandweit unter a. Hör- und Tinnitus-Zentrum Hörgeräteakustik-Fachgeschäfte nach jeweils demselben Konzept betrieben würden und sie seit Jahren hiergegen nichts unternommen habe.
Auf der anderen Seite hätten sie und die anderen Unternehmen der Kette einen wertvollen Besitzstand geschaffen. Die Firmenbezeichnung habe jedenfalls unter Berücksichtigung der deutschlandweiten Verwendung der Bezeichnung für andere Hörgeräteakustik-Fachgeschäfte einen erheblichen Bekanntheitsgrad erlangt.
Die Beklagte beantragt:
1.das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
2.hilfsweise: unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt:
kostenpflichtige Zurückweisung der Berufung.
Die Beklagte bezweifele zu Unrecht die Zulässigkeit des Unterlassungsantrags. Die Klage richte sich gegen die Verwendung der konkreten Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum H. und zwar in der aus der vorgelegten Anl. K 2 ersichtlichen konkreten Verletzungsform.
Der Unterlassungsantrag erfasse auch nicht zulässige Verwendungsformen. Insbesondere sei die Firma der Beklagten a. Hör- und Tinnitus-Zentrum H. GmbH & Co. KG aufgrund des irreführenden Firmenbestandteils Hör- und Tinnitus-Zentrum H. wettbewerbsrechtlich unzulässig.
Der Begriff Zentrum werde nach wie vor im Grundsatz als Charakterisierung für ein Unternehmen nach Bedeutung und Größe verstanden. Die angesprochenen Verkehrskreise würden aus der Bezeichnung Zentrum auf eine besondere Bedeutung und damit auch auf eine jeweils über den Durchschnitt hinausgehende Kompetenz, Ausstattung und Erfahrung schließen. Für die hier verwendete Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum H. könne nichts anderes geltend. Auch wenn es im Einzelfall zutreffen könne, dass im Kontext einer Werbung der Begriff Zentrum relativiert sein könne, sei für eine derartige Relativierung im Zusammenhang mit der hier interessierenden und als Anl. K 2 vorgelegten angegriffenen Webeanzeige nichts ersichtlich.
Die Bezeichnung a. sei eine bei den angesprochenen Verkehrskreisen unbekannte Bezeichnung. Die Bezeichnung a. Hör- und Tinnitus-Zentrum werde schon aufgrund dessen von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht lediglich dahingehend verstanden, dass in dem Geschäftslokal der Beklagten Produkte des Hörgeräteherstellers a. angeboten würden. Im Übrigen würden im Geschäft der Beklagten - wie von ihr selbst vorgetragen - Hörgeräte aller namhaften Hersteller angeboten (Klagerwiderung S. 2, Bl. 19). Die Voranstellung der Bezeichnung a. relativiere die angegriffene Bezeichnung in keiner Weise, die angesprochenen Verkehrskreise würden die angegriffene Bezeichnung vielmehr i. S. einer Spitzen-, wenn nicht Alleinstellungsbehauptung verstehen. Hieran vermöge entgegen der Auffassung der Beklagten auch der Zusatz H. nichts ändern, vielmehr deute ein solcher geografischer Zusatz in Kombination mit dem Tätigkeitsbereich eines Unternehmens und dem Hinweis Zentrum auf eine Alleinstellung in dem geografischen Bereich hin.
Es bleibe dabei, dass die Beklagte für ihr Unternehmen keine deutlich über dem Durchschnitt liegende Marktbedeutung in der Region H., geschweige denn eine Alleinstellung in Anspruch nehmen könne. Zutreffend habe das Landgericht im Hinblick auf das Alter der Beklagten, die Zahl ihrer Mitarbeiter, die Größe ihres Ladengeschäfts und ihre Ladenöffnungszeiten eine auch nur überdurchschnittliche Marktbedeutung verneint.
Was den ausschließlichen Vertrieb von Hörgeräten der Marke a. im Raum H. betreffe, könne dies die in Anspruch genommene Alleinstellung schon mangels Behauptung irgendwelcher Vorzüge dieser Hörgeräte gegenüber Hörgeräten anderer Hersteller nicht rechtfertigen.
Es treffe auch nicht zu, dass das Landgericht den Unterschied zwischen C.-Implantaten und dem teilimplantierten Hörsystem R. nicht erkannt hätte. Ihren Vortrag in der Klageschrift unter 3. c) (S. 7 f = Bl. 7 f) und ihrem Schriftsatz vom 08.02.2012 (unter Ziff. 4 b), S. 4 = Bl. 37), dass es im Raum H. so gut wie keine mit Implantaten versorgte Patienten gebe, habe die Beklagte nicht bestritten.
Eine Spitzen- oder gar Alleinstellung lasse sich auch nicht mit dem A.-System begründen. Aus dem von der Beklagten zum A.-System vorgelegten Auszug ihrer Internetseite (Anl. B 3) ergebe sich lediglich, dass dabei realistische Schallsignale aus verschiedenen Richtungen und die gleichzeitige Darbietung von Sprache und Störsignalen erforderlich sind. Diese Beschreibung entspreche im Grunde einer handelsüblichen Anlage, welche mittlerweile praktisch in allen Hörgerätefachbetrieben zur Anwendung komme. Es verbleibe deshalb dabei, dass auch die Wettbewerber der Beklagten in der Anpassung von Hörgeräten über modernste Techniken insbesondere Störgeräuschunterdrückung und vieles mehr, verfügten. So sei von ihr in erster Instanz beispielhaft anhand der vorgelegten Anl. K 17 auf das i.-System der Fa. I. verwiesen worden. Lediglich ergänzend und rein vorsorglich sei angemerkt, dass entgegen der Behauptung der Beklagten die Filiale der Fa. I. in H. mit diesem System ausgestattet sei.
Weiter existiere etwa von der Fa. G. f. A. AG & Co. KG das Anpassungsverfahren G. A-Live, das auch in der G.-Filiale in H. bei der Anpassung von Hörgeräten eingesetzt werde. Dabei handle es sich um einen interaktiven Live-Hörtest, bei welchem mit alltäglichen Klangbildern abgefragt werde, wie die Hörfähigkeit in der jeweiligen Situation empfunden werde, wobei der Kunde mit einem Schallspektrum umgeben werde, das den natürlichen Klängen und Geräuschen des normalen Alltags entspreche.
Auch dieses Bespiel zeige, dass die Wettbewerber der Beklagten über modernste Techniken der Anpassung von Hörgeräten verfügten, welche dem von der Beklagten verwendeten A.-System zumindest ebenbürtig seien. Im Übrigen stelle die Beklagte unstreitig an die Vorbildung ihrer beiden Mitarbeiter keine wesentlichen Anforderungen, weshalb bezweifelt werden müsse, dass die Beklagte in dem von ihr vertriebenen System im Vergleich zu ihrem Mitbewerbern auch nur überdurchschnittliche Ergebnisse zu erreichen vermöge.
Entsprechendes gelte auch für das von der Beklagten herausgestellte Tinnitus-Therapiekonzept.
Die Einrede der Verjährung und der Einwand der Verwirkung griffen beide nicht durch. Da die Werbeanzeige K 2 vom 07.09.2011 stamme, könne der Unterlassungsanspruch nicht verjährt sein. Selbst wenn für den Beginn der Verjährung generell auf die Führung der Firma und den wettbewerbsrechtlich unzulässigen Firmenbestandteil abgestellt würde, wäre zu berücksichtigen, dass es sich dabei um eine Dauerhandlung handele, bei welcher die Verjährung nicht beginnen könne, solange der Eingriff noch fortdauere.
Da es sich bei der Beklagten um ein rechtlich selbständiges Unternehmen handele, sei unter verjährungsrechtlichen Gesichtspunkten unerheblich, ob sich evtl. einzelne Schwesterunternehmen der Beklagten in der Vergangenheit bereits in vergleichbarer Weise wettbewerbswidrig verhalten haben.
Was das a. Hör- und Tinnitus-Zentrum D. GmbH & Co. KG betreffe, auf das die Beklagte abstelle, so habe der bei ihr zuständige Sachbearbeiter erst durch das jetzige Anwaltsschreiben der Beklagten davon erfahren, dass die Hörgeräte-Akustik-Fachgeschäfte der Fa. a. jeweils als Hör- und Tinnitus-Zentrum bezeichnet würden. Im Übrigen könne nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Bezeichnung im Einzelfall auch zulässig sein könne. Sie sei auch nicht gehalten gewesen, im Zusammenhang mit dem beim Landgericht Karlsruhe geführten Prozess gegen einen HNO-Arzt aus K. zu überprüfen, ob die Bewerbung mit der Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum für das Hörgeräte-Akustik-Fachgeschäft in D. zulässig gewesen sei oder nicht.
Für eine Verwirkung sei ebenfalls kein Raum, nachdem die Beklagte erst seit Kurzem existiere und es am notwendigen Umstandsmoment fehle. Im Übrigen bestehe ein Interesse der Allgemeinheit daran, dass die Verwendung der irreführenden Bezeichnung unterbunden werde, damit nicht tagtäglich neue Verbraucher aufgrund entsprechender Fehlvorstellungen auf das Unternehmen der Beklagten hingelenkt würden. Auch dieser Gesichtspunkt stehe der Annahme einer Verwirkung entgegen.
4.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung (25.10.2012) eingereichten Schriftsätze, den nachgelassenen Schriftsatz der Klägerin vom 09.11.2012 (Bl. 105 ff.) sowie die Verhandlungsniederschrift vom 25.10.2012 (Bl. 98 ff.) verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
5.
Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 19.11.2011 (Bl. 113 ff.) hat die Beklagte auf den Schriftsatz der Klägerin vom 09.11.2011 erwidert.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, jedoch nicht begründet, da die Klage in vollem Umfang zulässig und begründet ist.
A.
Die Klage ist insgesamt zulässig.
1.
Die Klägerin ist nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt.
a)
Die gesetzliche Regelung in § 8 Abs. 3 UWG hat eine Doppelnatur. Sie betrifft nicht nur die materielle Sachlegitimation (Aktivlegitimation), sondern auch die Prozessführungsbefugnis (Klagebefugnis; BGH GRUR 2007, 610 Tz. 14 - Sammelmitgliedschaft V). Ihre Voraussetzungen sind daher von Amts wegen zu prüfen (BGH, ebenda).
b)
Bei der Klägerin wird allerdings in ständiger Rechtsprechung angenommen, sie erfülle die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, wobei sie die Anforderungen der Zugehörigkeit einer erheblichen Zahl von Unternehmen, die Waren oder Dienstleistungen in gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, bereits über die Mitgliedschaft der Industrie- und Handelskammer erfüllt; ein Verband, dem diese angehören, ist nämlich stets anspruchsberechtigt (BGH GRUR 1997, 758, 759 - Selbst ernannter Sachverständiger; BGH NJW-WettbR 1996, 18; BGH NJW 1995, 724, 725 = GRUR 1995, 122 - Laienwerbung für Optiker; Fezer-Büscher, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 258).
2.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Unterlassungsantrag i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt.
a)
Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Gegner nicht erschöpfend verteidigen kann und die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (st. Rspr.; entsprechende Nachweise bei Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 2.35). Es ist nicht ersichtlich, warum Verbotsantrag und -tenor diesem Gebot nicht entsprechen sollte.
b)
Zwar ist es zutreffend, dass der Verbotsantrag der Klägerin von der konkreten Verletzungsform abstrahiert, denn er nimmt zwar die Anlage K 2 in Bezug, jedoch nicht mit einem wie-Zusatz (wenn dies geschieht wie ...), sondern mit einem insbesondere wie-Zusatz. Während durch die unmittelbare Bezugnahme auf die konkrete Werbeanzeige mit dem Vergleichspartikel wie in der Regel deutlich gemacht wird, dass Gegenstand des Antrags allein die konkrete Werbeanzeige sein soll, wobei die abstrakt formulierten Merkmale die Funktion haben mögen, Details der Varianten näher zu bestimmen, die von dem Verbot als kerngleiche Verletzungsformen erfasst sein sollen, wird die konkrete Verletzungsform bei einem insbesondere wie-Zusatz nur als Beispiel herangezogen (BGH GRUR 2006, 164 Tz. 14 - Aktivierungskosten II; BGH NJW-WettbR 1999, 25, 24 - Handy für 1 DM; Köhler/Bornkamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 2.44 u. 2.46). Geht bei einem insbesondere wie-Antrag das begehrte abstrakte Verbot über die konkrete Verletzungsform und ihre kerngleichen Erweiterungsformen hinaus, was dann der Fall ist, wenn das abstrakt umschriebene Verbot jedenfalls teilweise das Charakteristische der konkreten Verletzungsform nicht mehr zum Ausdruck bringt und daher über eine noch zulässige Verallgemeinerung der beanstandeten Verhaltensweisen hinausgeht, macht dies den Antrag (teilweise) unbegründet (BGH GRUR 2001, 446, 447 - 1-Pfenning-Farbbild - m.w.N.). D. h., verfehlt oder überschreitet die Verallgemeinerung das charakteristische Element, so ist die Klage (teilweise) unbegründet - das gilt insbesondere dann, wenn sie auch Handlungen einbezieht, die nicht wettbewerbswidrig sind (BGH GRUR 1999, 509, 511 - Vorratslücken - m.w.N.; BGH GRUR 2004, 605, 607 - Dauertiefpreise; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 2.43 f.)- , nicht aber unzulässig.
Wenn die Beklagte also moniert, der Antrag gehe zu weit, weil sie mit den in ihm wiedergegebenen Bezeichnungen Hör- und Tinnitus-Zentrum H. gar nicht isoliert geworben habe und die Klägerin ein zu weit gehendes Schlechthinverbot begehre, ist dies keine Frage der Bestimmtheit des Antrags und damit von dessen Zulässigkeit, sondern eine Frage der Begründetheit (so auch die von Beklagtenseite herangezogenen Fundstellen - Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 2.43 u. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., [nunmehr 10. Aufl.], § 51 Rn. 18 f.).
B.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage sowohl hinsichtlich des Unterlassungsantrags (Klagantrag Ziff. 1) als auch der Abmahnkostenpauschale (Klagantrag Ziff. 2) für begründet erachtet.
1.
Die angegriffene Werbung (Anl. K 2 zum Schriftsatz vom 16.11.2011) stellt eine irreführende geschäftliche Handlung i. S. v. §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG dar, weshalb der Klägerin aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG der geltend gemachte (Verletzungs-) Unterlassungsanspruch zusteht.
aa)
Eine Werbung ist irreführend, wenn sie geeignet ist, bei einem erheblichen Teil der umworbenen Verkehrskreise irrige Vorstellungen über das Angebot hervorzurufen und die zu treffende Marktentschließung in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Die wettbewerbliche Erheblichkeit ist ein dem Irreführungstatbestand immanentes, spezifisches Relevanzerfordernis, das als eigenständige Bagatellschwelle eine zusätzliche Erheblichkeitsprüfung nach § 3 UWG überflüssig macht (BGH GRUR 2012, 942 Tz. 11 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum - m.w.N.). Für die Beurteilung der Frage, ob eine Werbeaussage irreführend ist, kommt es maßgeblich darauf an, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung versteht (BGH, ebenda).
bb)
In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend eine Irreführung i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG gegeben.
(1)
Abzustellen ist dabei auf die als Anl. K 2 vorgelegte Werbeanzeige vom 17.09.2011, nachdem die Klägerin in der Replik (S. 1 f., Bl. 34 f.) klargestellt hat, dass Gegenstand des Verfahrens die angegriffene Bezeichnung in der aus dieser Anlage ersichtlichen konkreten Verletzungsform sein soll.
In der Anzeige wird aber unstreitig ebenso wie im Firmennamen der Beklagten die angegriffene Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum nicht isoliert verwendet, sondern vielmehr am Beginn des Fließtextes im Rahmen der Gesamtbezeichnung a. Hör- und Tinnitus-Zentrum in H. und weiter unten als Teil der vollständigen Firma der Beklagten (a.® Hör- und Tinnitus-Zentrum H. GmbH & Co. KG).
(2)
Bei der Feststellung, wie der angesprochene Verkehr die Werbung versteht, ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die werbliche Darstellung vermittelt (BGH, a.a.O., Tz. 16; BGH GRUR 2010, 352 Tz. 11 - Hier spiegelt sich Erfahrung). Abzustellen ist dabei auf den informierten, verständigen und situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher; nichts anderes besagt auch § 3 Abs. 2 Satz 2 UWG (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 2.87 und 1.59b).
Bei der Beurteilung der angegriffenen Bezeichnung ist davon auszugehen, dass der Begriff Zentrum nach seinem ursprünglichen Sinn einen Hinweis auf die besondere Größe und Bedeutung eines Unternehmens darstellt und dass ein Bedeutungswandel dieses Begriffs jedenfalls nicht in demselben Maße festzustellen ist, wie er sich bei dem Begriff Center vollzogen hat, vielmehr der Begriff Zentrum im Grundsatz immer noch als Charakterisierung für ein Unternehmen von einer besonderen Bedeutung und Größe verstanden wird (so BGH GRUR 2012, 942 Tz. 17 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum - mit zahlr. Nachw. aus Lit. und Rspr.); es handelt sich also um eine mittelbare Größenbehauptung (Fezer-Peifer, a.a.O., § 5 Rn. 390 für den insoweit vergleichbaren Begriff Zentrale). Grundsätzlich weist also die Bezeichnung Zentrum nach wie vor auf die besondere Größe und Bedeutung eines Unternehmens hin (OLG München GRUR-RR 2005, 59; OLG Köln, Urteil vom 16.11.2007, 6 U 71/07 Rn. 15 in Juris).
Eine besondere Größe und Bedeutung verlangt dabei in der Regel, dass das beworbene Unternehmen deutlich über dem Durchschnitt gleichartiger Betriebe hinausragt (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 5.44; OLG Koblenz WRP 1990, 125 Rn. 9 in Juris; LG Münster, Urteil vom 12.09.2008, 23 O 155/08 Rn. 16 in Juris; Senat, WRP 1986, 242, 243 für den Begriff Center in seiner ursprünglichen Bedeutung; BGH GRUR 1977, 503, 504 - Datenzentrale - für den Begriff Zentrale).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung BVerfG NVwZ 2005, 683, in welcher die 3. Kammer des ersten Senats des BVerfG erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Entscheidung geäußert hat, die Bezeichnung einer tierärztlichen Praxis als Zentrum für Kleinmedizin (Ortsangabe) berge die Gefahr einer Irreführung der Bevölkerung. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs, welcher der Senat folgt, ist bei der Betrachtung des Verkehrsverständnisses des Begriffs Zentrum immer auf die jeweiligen Einzelfallumstände abzustellen (BGH GRUR 2012, 942 Tz. 17 - Neurologisch/Vaskuläres Zentrum); insbesondere kann der Kontext den Begriff des Zentrums relativieren (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 UWG Rn. 5.47). Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts betraf eine große Tierarztpraxis mit zwei Tierärzten. Angesichts des Umstandes, dass Tierärzte im Allgemeinen alleine praktizieren und der Verkehr bei Tierarztpraxen unterhalb der Tierklinik keine noch größeren Organisationseinheiten erwartet, war die angegriffene Bezeichnung nicht irreführend (Harte/Henning/Dreyer, UWG, 2. Aufl., § 5 E Rn. 137; Köhler/Bornkamm, ebenda).
Wird neben der Branchenangabe und dem Wort Zentrum wie vorliegend auch noch ein geografischer Zusatz verwendet, kann dies vom Verkehr als Hinweis auf die Alleinstellung oder zumindest Vorrangstellung des Unternehmens für den angegebenen geografischen Bereich verstanden werden (OLG Köln, ebenda; BGH GRUR 1977, 503, 504 - Datenzentrale; BGH GRUR 1986, 903, 904 - Küchen-Center; Fezer-Peifer, a.a.O., Rn. 391 f.; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 5 Rn. 5.44). Dies muss aber nicht so sein; insbesondere für eine in einem Firmennamen als nachgestellten Zusatz verwendete Ortsangabe gilt nicht die Vermutung oder ein Erfahrungssatz, dass der Verkehr dies regelmäßig i. S. einer Spitzenstellungs- oder sogar Alleinstellungsbehauptung und nicht nur als Ausdruck der Ortsbezogenheit versteht (BGH GRUR 1990, 52, 53 - Ortsbezeichnung).
(3)
In Anwendung dieser Grundsätze ist anzunehmen, dass der angesprochene Verkehr eine Bezeichnung a. Hör- und Tinnitus-Zentrum (in) H. dahin versteht, dass es sich um ein Geschäft handelt, das nach Größe und Bedeutung deutlich über dem Durchschnitt liegt; er erwartet also mehr, etwas Größeres als ein normales Hörakustik-Fachgeschäft.
Dieses Verkehrsverständnis kann der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen, da sich die Werbung an Hör- und Tinnitus-Geschädigte richtet und nicht ersichtlich ist, dass es zur Beurteilung dieser Werbeaussagen auf besondere Erkenntnisse und Erfahrungen von Fachkreisen ankäme; im Übrigen ist der Senat ständig mit Wettbewerbssachen befasst (vgl. BGH GRUR 2004, 244, 245 - Marktführerschaft). Dabei kann es dahinstehen, ob Hörgeschädigte generell oder hörgeschädigte Senioren eine besonders schutzbedürftige und eindeutig identifizierbare Gruppe von Verbrauchern i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 3 UWG darstellen, denn es nicht ersichtlich, dass deren Verständnis der in Streit stehenden Bezeichnung von derjenigen des gewöhnlichen Durchschnittsverbrauchers abwiche. Der Einholung von Sachverständigengutachten zur Feststellung der Verkehrsauffassung bedarf es mithin nicht.
(a)
Die Ortsangabe (in) H. vermag jedenfalls anders als die Beklagte meint, ein solches Verständnis nicht zu relativieren: Im für die Beklagte günstigsten Fall versteht der Verkehr diesen Zusatz als reine Ortsbezeichnung. Das ist jedenfalls bei der im Fließtext der beanstandeten Anzeige (K 2) bezeichneten Form des Zusatzes in H. der Fall. Dadurch wird aber der durch die Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum vorgerufenen Vorstellung, es handele sich um ein verglichen mit normalen Hörakustik-Fachgeschäften nach Größe und Bedeutung deutlich überdurchschnittliches Geschäft, nicht abgeschwächt.
Wird die Partikel in vor H. weggelassen wie in dem in der beanstandeten Anzeige wiedergegebenen Firmennamen der Beklagten, versteht der Verkehr die geografische Bezeichnung H. dahin, dass sie den Bereich umschreiben soll, in der das Hör- und Tinnitus-Zentrum seine beanspruchte Bedeutung hat (vgl. OLG Köln, a.a.O., Tz. 15), und dies ist nach o. G. bei der Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum die einer besonderen Größe und Bedeutung, die deutlich über dem Durchschnitt der Hörakustikfachgeschäfte im Raum H. liegt.
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich dem geographischen Zusatz aber keine Alleinstellungsbehauptung oder Spitzenstellungsbehauptung in dem Sinne entnehmen, dass die Beklagte sämtliche Mitbewerber an Größe und Bedeutung überrage. Da es sich auch insoweit um eine nachgestellte Ortsangabe handelt, die nicht in attributiver Form, sondern in substantivischer Form benutzt wird, kommt auch insoweit ein Verständnis als bloße Ortsangabe in Betracht (BGH GRUR 1990, 52, 53 - Ortsbezeichnung; Fezer-Peifer, a.a.O., § 5 Rn. 393 f). Für die Feststellung, der Verkehr verstünde die Ortsangabe i. S. einer Allein- oder Spitzenstellungsbehauptung, bedürfte es ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte, welche die Annahme eines derartigen Verständnisses rechtfertigten (BGH GRUR 1990, 52, 53 - Ortsbezeichnung). Daran fehlt es: aufgrund der Kombination des Tätigkeitsbereichs Hör- und Tinnitus-Zentrum mit dem geografischen Zusatz H. wird der Verkehr nicht auf eine Allein- oder Spitzenstellung der Beklagten schließen, denn er wird nicht annehmen, dass allein die Beklagte entsprechende Waren und Dienstleistungen anbietet, vielmehr annehmen, dass es im Raum H. weitere Hörgeräteakustikfachgeschäfte mit einer entsprechenden Palette von Angeboten gibt. Die Annahme einer Spitzenstellungsbehauptung für die Region H. dahingehend, dass die Beklagte sämtliche Mitbewerber an Größe und Bedeutung überrage, etwa in dem Sinne, dass es sich beim Hör- und Tinnitus-Zentrum der Beklagten um das Hör- und Tinnituszentrum in H. handelt, mit dem sich kein anderer nach Größe und Bedeutung vergleichen kann, würde voraussetzen, dass der Bezeichnung der bestimmte Artikel vorangestellt wäre (Das a. Hör- und Tinnitus-Zentrum H.), vgl. OLG Hamm MMR 2009, 50, 51 (anders noch MMR 2003, 471 = GRUR-RR 2003, 289).
(b)
Auch die Voranstellung der Firmenbezeichnung a. vor die Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum bewirkt nicht, dass der Verkehr die Bezeichnung Zentrum nicht auf eine besondere Größe und Bedeutung bezieht, sondern (nur) als Hinweis auf ein Geschäftslokal versteht, in dem Produkte der Fa. a. angeboten werden bzw. nach dem Konzept der zur a.-Kette gehörenden Hörakustik-Fachgeschäfte Waren und Dienstleistungen angeboten werden.
(aa)
Davon, dass die Beklagte Teil einer Kette von bundesweit etwa 30 Hörakustikfachgeschäften ist, die alle unter der Bezeichnung a. Hör- und Tinnitus-Zentrum GmbH & Co. KG firmieren, wobei vor dem Rechtsformzusatz jeweils der jeweilige Ortsname (vorliegend: H.) steht, ist allerdings auszugehen. Soweit die Klägerin dies in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 09.11.2012 mit Nichtwissen bestreitet, ist dies nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen: zwar ist in dem Schriftsatz vom 16.10.2012, zu welchem der Klägerin mit Beschluss vom 25.10.2012 (S. 3 des Protokolls, Bl. 100) ein Schriftsatzrecht eingeräumt wurde, davon die Rede, die Beklagte würde zu einer Kette mit etwa 30 Hörakustikfachgeschäften gehören, doch handelte es sich insoweit nicht um erstmals in diesem Schriftsatz erfolgten Vortrag, vielmehr war dies bereits Gegenstand des Parteivorbringens in erster Instanz (Klagerwiderung S. 2, Bl. 19) und dort unstreitig (LGU S. 3), ja sogar von der Klägerin selbst vorgetragen worden (Klageschrift S. 3 = Bl.3).
(bb)
Zwar wird durch die Voranstellung der Herstellerbezeichnung a. ein Bezug zur Fa. a. als Hörgerätehersteller hergestellt, insbesondere, nachdem sich in der beanstandeten Anzeige K 2 unten rechts noch in großer Schrift die Bezeichnung a. Hörgeräte findet. Der Verbraucher, welcher die Anl. K 2 liest, wird daher und aufgrund des in der dort ebenfalls wiedergegebenen vollständigen Firmenbezeichnung a.® Hör- und Tinnitus-Zentrum H. GmbH & Co. KG nach a. angebrachten ® in a. eine Marke oder Herstellerbezeichnung erkennen.
(bb)
Das Verständnis des Verbrauchers erschöpft sich aber nicht darin, dass die Bezeichnung a. Hör- und Tinnitus-Zentrum (in) H. auf ein Geschäftslokal hinweist, das - am Standort H. möglicherweise exklusiv - Produkte der Marke/Firma a. vertreibt, also sozusagen der offizielle a.-Händler für H. ist.
Über diesen Firmen- und Produktbezug hinaus wird er vielmehr (auch) annehmen, dass dieses Zentrum bestimmte qualitative und - hier entscheidend (nachfolgend (b)) - quantitative Eigenschaften aufweist, denn er misst der Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum ein eigenständiges Gewicht bei. Er wird nämlich aufgrund der Verknüpfung des Wortes Zentrum mit dem Unternehmensgegenstand Hör- und Tinnitus-, mit dem es auch durch einen Bindestrich verbunden ist, ein Geschäftslokal von einer Größe und Bedeutung erwarten, die über diejenige einer durchschnittlichen, gewöhnlichen Filiale einer Hörakustikkette hinausgeht. Es handelt sich um eine Sachangabe, welche die Vorstellung einer Einrichtung von einer Größe und Bedeutung hervorruft, die über ein gewöhnliches Hörakustikgeschäft hinausragt. Die vorangestellte Bezeichnung a. bewirkt zwar die Vorstellung, dass es in dieser Einrichtung jedenfalls primär Produkte einer Fa. a. (oder Produkte einer Marke a.) gibt oder diese von einer Firma mit dem Namen a... betrieben wird, dies ändert aber nichts daran, dass der Verkehr gleichzeitig eine Einrichtung erwartet, die objektiv, also im Vergleich zu anderen Hörakustikfachgeschäften von besonderer Größe und Bedeutung ist.
(cc)
Eine gegenteilige Feststellung kann auch nicht daraus geschöpft werden, dass etwa im Bereich des Automobilhandels der Verkehr daran gewöhnt ist, dass die Bezeichnung Zentrum mit einen vorangestellten Herstellernamen bzw. mit dieser gleichlautenden Marke und einer nachgestellten Ortsangabe verknüpft wird (etwa Audi Zentrum X oder Porsche Zentrum Y"). Unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob der Verkehr diesbezüglich auch gewisse Erwartungen an Größe und Bedeutung hat, liegen insoweit keine vergleichbaren Sachverhalte vor, als vorliegend der Begriff Zentrum mit der Angabe Hör- und Tinnitus- und nicht unmittelbar mit der Marken-/Firmenbezeichnung a. verbunden ist (die Beklagte verwendet nicht die Bezeichnung a. Zentrum) und es sich zum anderen bei a. nicht um ein bekanntes Zeichen wie Porsche oder Audi handelt, was die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auch eingeräumt hat. Die Voranstellung dieses Zeichens nimmt den Worten Hör- und Tinnitus-Zentrum nicht den beschriebenen sachlichen Gehalt.
Es kann auch nicht angenommen werden, dass im Hörgerätebereich bzw. in der Hörakustikbranche Zentrum eine verbreitete, übliche Bezeichnung (unabhängig von Größe und Bedeutung) sei. Diese Behauptung der Beklagten ist angesichts des Bestreitens der Klägerin (Protokoll vom 25.10.2012 S. 2, Bl. 99) nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen. Soweit man diesen Vortrag als bereits im Schriftsatz an das Landgericht vom 06.03.2012 (Bl. 47) enthalten ansieht, gilt nichts anderes, denn dieser wurde vom Landgericht zu Recht nach § 296a ZPO nicht berücksichtigt und ist damit ebenfalls nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht zu berücksichtigen (Zöller-Heßler, a.a.O., § 531 Rn. 21). Die hierzu vorgelegte Anl. B 8 zu einem HörGut Hörzentrum genügt aber auch nicht, diese Behauptung zu belegen. - Im Übrigen kann der Senat wie bereits ausgeführt die Verkehrsauffassung aber ohnehin aufgrund eigener Sachkunde feststellen.
Die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat aufgestellte Behauptung, dass im immer verbreiteteren Internetverkehr die Verwendung des Wortes Zentrum i. S. v. Anlaufstelle üblich sei, ist von der Klägerin umgehend bestritten worden (S. 2 des Protokolls, Bl. 99), so dass auch insoweit der Ausschluss nach § 531 Abs. 2 ZPO greift. Im Übrigen kann ein solches Verkehrsverständnis auch nicht angenommen werden und ist das Vorbringen auch deshalb unerheblich, weil die Verwendung vorliegend gar nicht im Internetverkehr erfolgte.
(b)
Damit liegt eine Irreführung vor, denn tatsächlich handelt es sich bei der Beklagten nicht um ein nach Größe und Bedeutung überdurchschnittliches Unternehmen. Dies behauptet die Beklagte selbst nicht, räumt vielmehr ein, dass sie keine deutliche über dem Durchschnitt liegende Marktbedeutung in Anspruch nehme und hat auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt, dass ihr Geschäft nicht größer ist als andere Hörakustikfachgeschäfte. Zutreffend hebt das Landgericht dabei darauf ab, dass bei einem Hörakustikfachgeschäft, das nach eigenem Vorbringen der Beklagten erst seit September 2010 existiert, mit lediglich zwei Mitarbeitern und einer (nach Umzug in das jetzige Ladenlokal im Januar 2012) Ladengröße von 80 m² (zuvor bestrittene 90 m²) allenfalls eine durchschnittliche Größe angenommen werden kann. Dem Betrieb der Beklagten mangelt es mithin an der besonderen Größe, so dass durch das Hervorrufen der Vorstellung einer besonderen Größe und Bedeutung i. S. v. Überdurchschnittlichkeit eine Fehlvorstellung bewirkt wird.
Dabei kann es dahinstehen, ob - wie von der Beklagten behauptet - das allein von ihr in H. und Umgebung vertriebene teilimplantierbare Hörsystem R. allen anderen Produkten anderer Hersteller überlegen sei, ob nur von ihr im Raum H. das A.-System zur Erzeugung virtueller Klangwelten im Rahmen der Anpassung von Hörsystemen genutzt werde, das vergleichbaren Systemen von Mitbewerbern überlegen sei und ob ausschließlich bei ihr in H. und Umgebung ein Tinnitus-Therapie-Konzept vorhanden sei. Denn selbst wenn dies alles zuträfe, änderte dies nichts daran, dass es dem Betrieb der Beklagten unter quantitativen Aspekten an der überdurchschnittlichen Größe und Bedeutung fehlte.
Soweit die Beklagte argumentiert, es müsse auch Anbietern nicht so bekannter Firmen und Marken möglich sein, unter Verwendung der Marke und Nennung des Geschäftszweigs (hier: Hör- und Tinnitus) auf Orte hinzuweisen, an denen die Produkte erhältlich sind, bleibt ihr dies unbenommen: sie darf hierzu nur nicht den Geschäftszweig Hör- und Tinnitus- mit dem Begriff Zentrum verbinden, auf dessen Verwendung sie zur Charakterisierung ihres Geschäftszweigs aber auch nicht angewiesen ist.
(4)
Diese auf die Quantität/Größe bezogene Fehlvorstellung ist auch von wettbewerblicher Relevanz, weil sie geeignet ist, das Marktverhalten der angesprochenen Verkehrskreise zu beeinflussen: Das Publikum hat durchaus Interesse am Zuschnitt eines Unternehmens und wird häufig von der besonderen Größe auf eine besondere Leistungsfähigkeit schließen; der Verkehr verspricht sich nämlich von der Größe oder Bedeutung des Unternehmens Vorteile (Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht-Busche, § 5 Rn. 668; Harte/Henning-Dreyer, UWG, 2. Aufl., § 5 E Rn. 136) und wird mithin durch eine solche suggerierende Bezeichnung angelockt.
b)
Der Klägerin steht infolgedessen ein (Verletzungs-)Unterlassungsanspruch zu, und zwar auch in dem geltend gemachten Umfang.
aa)
Die Klägerin begehrt dabei nicht nur ein Verbot der konkreten Verletzungshandlung, denn diese ist aufgrund des insbesondere wie-Zusatzes lediglich beispielhaft genannt.
bb)
Das von der in Bezug genommenen Werbeanzeige losgelöste abstrakte Verbot der Werbung mit der Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum H. ist jedoch gerechtfertigt:
(1)
Macht ein Kläger wie vorliegend einen Verletzungsunterlassungsanspruch unter Berufung auf eine konkret angegriffene Handlung geltend, besteht eine Wiederholungsgefahr nicht nur für die konkrete Verletzungsform, sondern auch für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen (BGH GRUR 2010, 749 Tz. 42 u. 45 - Erinnerungswerbung im Internet -, st. Rspr.); geht ein Unterlassungsantrag aber darüber hinaus und gibt er nicht mehr ausschließlich das Charakteristische der konkreten Verletzungsform wieder, so kann insoweit mit der Verletzungshandlung keine Wiederholungsgefahr begründet werden (BGH GRUR 2002, 187, 188 - Lieferstörung - m.w.N.; Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 2.44 und § 8 Rn. 1.52 f., jeweils mit zahlr. Nachw. aus der Rspr. des BGH).
(2)
Vorliegend besteht das Charakteristische, der Kern der Verletzungshandlung aber gerade darin, dass die Beklagte durch die Kombination des Geschäftsgegenstands Hör- und Tinnitus- mit dem Begriff Zentrum die Vorstellung eines Betriebs von besonderer Größe und Bedeutung erweckt, obwohl es sich bei ihm tatsächlich nicht um einen solchen handelt. Genau dies gibt der abstrahierende Verbotsantrag wieder.
(3)
Anders als die Beklagte meint liegt hierin kein unzulässiges Schlechthinverbot. Ein solches läge vor, wenn von der Abstraktionsform auch Handlungen erfasst würden, auf deren Unterlassung kein Anspruch besteht. Zwar wird ein unzulässiges Schlechthinverbot insbesondere dann angenommen, wenn die Verwendung eines Firmenbestandteils untersagt werden soll (BGH GRUR 1981, 60, 64 - Sitex; Teplitzky, a.a.O., Kap. 51 Rn. 19 m.w.N. Fn. 132), und die Bezeichnung Hör- und Akustikzentrum H. ist (auch), und zwar wesentlicher Bestandteil der Gesamtfirma der Beklagten. Doch geht es vorliegend nicht darum, dass kennzeichenrechtlich die Verwendung des Bestandteiles einer Firma verboten werden soll, bei der immer die Möglichkeit besteht, dass der angegriffene Bestandteil in eine aus sonstigen Bestandteilen zusammengesetzte Firmenbezeichnung derart eingefügt werden kann, dass die Gefahr von Verwechselungen mit der älteren Firma ausscheidet (BGH, ebenda), vielmehr darum, dass durch die angegriffene Bezeichnung eine wettbewerbsrechtliche Irreführung erfolgt. In einem solchen Fall besteht kein Hindernis, die Werbung mit der irreführenden Bezeichnung generell zu verbieten (vgl. etwa die Tenorierungen in den Entscheidungen OLG Hamm, MMR 2003, 471 = GRUR-RR 2003, 289 - Rn. 8 in Juris; OLG Köln, NJWE-WettbR 1999, 196 - vor Rn. 1 in Juris; Senat, NJW 2006, 2273 - Rn. 13 in Juris). Es ist dann Sache der Beklagten, einen Weg zu finden, wie sie die Irreführung des Verbrauchers vermeidet und dadurch aus dem Schutzbereich des Verbots herauskommt (BGH GRUR 2000, 619, 620 - Orient-Teppichmuster).
c)
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist weder verjährt noch verwirkt.
aa)
Verjährung nach § 11 UWG ist nicht eingetreten.
(1)
Die sechsmonatige Verjährungsfrist für den Unterlassungsanspruch beginnt, wenn der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von dem den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
Der Unterlassungsanspruch entsteht mit der Zuwiderhandlung. Unter Zuwiderhandlung ist dabei nicht der Beginn, sondern der Abschluss der tatbestandsmäßigen Handlung zu verstehen. Dabei ist bei einer Einzelhandlung deren Abschluss auch dann maßgebend, wenn der Eingriff noch Fortwirkungen zeitigt. Dies gilt auch bei einer fortgesetzten (wiederholten) Handlung, also einer auf einem einheitlichen Willen beruhenden Vornahme gleichartiger Handlungen, d. h. für jeden Teilakt läuft eine gesonderte Verjährung. Hingegen beginnt bei einer Dauerhandlung, also einer Verletzungshandlung, von der eine fortwährende, vom Verletzer pflichtwidrig aufrechterhaltene Störung ausgeht, die Verjährung nicht, solange der Eingriff noch fortdauert (zum Ganzen Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 11 UWG Rn. 1.19 - 1.22 mit zahlr. Nachw. aus der höchstrichterl. und obergerichtl. Rspr.).
(2)
Da die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch auf die von der Beklagten am 17.09.2011 geschaltete und als Anl. K 2 vorgelegte Anzeige stützt, kann die Verjährungsfrist nicht vor dem 17.09.2011 zu laufen begonnen haben, wobei nach dem zu (1) Gesagten gleichgültig ist, ob es sich dabei um eine Einzelhandlung oder um eine fortgesetzte, wiederholte Handlung handelt (wofür nichts vorgetragen ist); jedenfalls liegt insoweit, anders als das Landgericht meint, keine Dauerhandlung vor. Die Verjährung ist damit durch die am 16.11.2011 eingereichte und am 24.11.2011 zugestellte Klage rechtzeitig nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden.
Dauerverstoß ist hingegen die Führung der Firma (s. BGH GRUR 2003, 448, 450 - gemeinnützige Wohnungsgesellschaft), auf die aber nicht abzustellen ist, weil es sich dabei nicht um die bei der Klägerin geltend gemachte Verletzungshandlung handelt. Im Übrigen wäre insoweit aber ebenfalls keine Verjährung eingetreten, weil die Firma nach wie vor unverändert fortgeführt wird und deshalb nach dem zu (1) Gesagten die Verjährungsfrist noch gar nicht zu laufen begonnen hätte.
bb)
Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist auch nicht verwirkt.
(1)
Die Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung setzt voraus, dass sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und gerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, und deswegen die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (st. Rspr., BGH WRP 2006, 114 Tz. 10). Dabei ist allerdings zu beachten, dass bei wiederholten, gleichartigen Verletzungshandlungen jede Verletzungshandlung einen neuen Unterlassungsanspruch entstehen lässt und damit auch die für das Zeitmoment der Verwirkung erforderliche Frist jeweils neu zu laufen beginnt (BGH GRUR 2012, 928 Tz. 22 - Honda-Grauimport).
(2)
Da maßgebliche Verletzungshandlung das Erscheinen der Anzeige K 2 am 17.09.2011 ist, kann schon das Zeitmoment nicht erfüllt sein.
(3)
Die Verwirkung des Unterlassungsanspruchs im Wettbewerbsrecht setzt im Übrigen voraus, dass der Berechtigte über einen längeren Zeitraum untätig geblieben ist, obwohl er den Verstoß kannte oder ihn bei der gebotenen Wahrung seiner Interessen erkennen musste, so dass der Verpflichtete mit der Duldung seines Verhaltens durch etwaige Berechtigte rechnen durfte und sich daraufhin einen wertvollen Besitzstand schuf (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 11 Rn. 2.14 mit zahlr. Nachw. aus der Rspr. des BGH).
(a)
Hiervon kann bezüglich der Beklagten, auch wenn man auf die Führung des Firmennamens abstellte, nicht ausgegangen werden, nachdem sie erst im September 2010 gegründet worden ist und ihre Geschäftstätigkeit erst im Herbst 2011 (September 2011) aufnahm. Zu Unrecht stellt die Beklagte insoweit nicht auf ihre eigene Person, sondern auf die Komplementärin sämtlicher Unternehmen der Kette bzw. auf die Unternehmen der Kette selbst ab.
(b)
Aber selbst wenn man der Beklagten hierin folgte, es sei auf die Komplementärin bzw. sämtliche Firmen der Kette abzustellen, käme eine Verwirkung nicht in Betracht:
Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin vor August 2010, als sie im Rahmen der Beanstandung eines ihrer Ansicht nach wettbewerbswidrigen Verhaltens eines HNO-Arztes in Karlsruhe-D. erfuhr, dass dort eine Firma a. Hör- und Tinnitus-Zentrum D. GmbH & Co. KG - Zentrum für gutes Hören existiert, Kenntnis davon hatte, dass es zumindest ein Unternehmen mit einer derartigen Firmierung gab, so dass es auch insoweit am Zeitmoment fehlt.
Zum anderen war Gegenstand der Abmahnung des HNO-Arztes vom 16.08.2010 (Anl. B 2) und des nachfolgenden Verfahrens nicht ein wettbewerbswidriges Verhalten der Fa. a. Hör- und Tinnitus-Zentrum D. GmbH & Co. KG - Zentrum für gutes Hören, sondern ein solches des HNO-Arztes und ging es in der Sache auch nicht darum, ob die genannte Firma der a.-Kette eine Größe und Bedeutung aufweist, welcher die Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum rechtfertigt, sondern war Gegenstand das berufsrechtliche Zuweisungsverbot nach § 34 Abs. 5 der Berufsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Die Komplementärin der Beklagten bzw. die Firmen der a.-Kette konnten mithin nicht aufgrund der K. Vorgänge mit der Duldung der Führung der Verwendung der Bezeichnung a. Hör- und Tinnitus-Zentrum rechnen.
(4)
Schließlich kommt vorliegend die Annahme von Verwirkung auch deshalb nicht in Betracht, weil eine Irreführung in Frage steht. Da das Irreführungsverbot aber dem Schutz sämtlicher Marktteilnehmer und vor allem auch demjenigen der Verbraucher dient, kommt eine Verwirkung des Unterlassungsanspruchs nur ausnahmsweise in Betracht, weil das Interesse der Allgemeinheit, vor Irreführung bewahrt zu werden, grundsätzlich Vorrang hat. Eine solche Ausnahme kann insbesondere dann angenommen werden, wenn die Belange der Allgemeinheit nicht in erheblichem Maße und ernstlich in Mitleidenschaft gezogen werden und nur eine geringe Irreführungsgefahr vorliegt oder weil es sich im Grunde genommen nur um Individualinteressen der klagenden Mitbewerber handelt (BGH GRUR 1983, 32, 34 - Stangenglas; GRUR 2003, 448, 450 - gemeinnützige Wohnungsgesellschaft). Letzteres scheidet von vornherein aus, und auch ersteres kann nicht angenommen werden. - Letztlich konnte die Komplementärin der Beklagten und die übrigen Firmen der Kette allein aus dem Umstand, dass nicht früher Unterlassungsansprüche geltend gemacht worden sind, keinen Vertrauenstatbestand herleiten, insbesondere nicht annehmen, Mitbewerber oder Verbände wie die Klägerin hätten die Zulässigkeit der Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum geprüft und dies hingenommen.
2.
Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz einer Abmahnkostenpauschale in Höhe von 205,00 EUR zzgl. 7 % MwSt., mithin von insgesamt 219,35 EUR zu.
a)
Berechtigt i.S.v. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ist eine Abmahnung, wenn die mit ihr geltend gemachten Ansprüche bestanden (Begründetheit der Abmahnung) und die Abmahnung erforderlich war, um dem Verletzer einen Weg zu weisen, den Verletzten ohne Gerichtsverfahren klaglos zu stellen (BGH GRUR 2009, 502 Tz. 11 - pcb).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Insbesondere war die Abmahnung begründet, da der Klägerin während der Abmahnung vom 09.07.2011 (Anl. K 12) der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zustand.
aa)
Gegenstand der Abmahnung war allerdings nicht die als Anl. K 2 vorgelegte Werbeanzeige in der H.er Stimme vom 17.09.2011, sondern vielmehr die als Anl. K 1 vorgelegte Stellenanzeige in derselben Zeitung vom 03.09.2011. Beanstandet hat die Klägerin den Satz Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen Hörberater (m/w) für eine abwechslungsreiche Tätigkeit in unserem Hör- und Tinnitus-Zentrum H., weil durch die Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum H. der unzutreffende Eindruck erweckt werde, es handele sich um ein der Größe und Bedeutung nach über dem Durchschnitt gleichartiger Unternehmen in H. hinausragendes Geschäft.
bb)
Der damit geltend gemachte Unterlassungsanspruch wegen Verstoß gegen das Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 UWG) stand der Klägerin auch zu.
(1)
Wie bereits oben unter 1. a) bb) (3) ausgeführt erweckt die Bezeichnung Hör- und Tinnitus-Zentrum H. die von der Klägerin behauptete Vorstellung überdurchschnittlicher Größe und Bedeutung, welcher das Geschäft der Beklagten aber bereits aus quantitativen Gründen nicht gerecht wird. Dies gilt für die Anl. K 1 erst recht, nachdem anders als in der Anl. K 2 dem Begriff Hör- und Akustikzentrum nicht das Wort a. vorangestellt ist.
Der Umstand, dass sich die Anzeige vom 03.09.2011 nicht an potentielle Kunden, sondern an Interessenten für die Tätigkeit eines Hörberaters bei der Beklagten wendet, ändert dabei am Verkehrsverständnis nichts, denn es ist nicht ersichtlich, dass dieser Personenkreis die Bezeichnung anders verstünde als der Durchschnittskunde.
(2)
Diese Fehlvorstellung hat auch wettbewerbliche Relevanz, denn auch für einen an einer Arbeitsstelle interessierten Verbraucher hat der Zuschnitt eines Unternehmens, seine Größe eine Bedeutung und kann dieses attraktiv erscheinen lassen.
cc)
Allerdings passt die von der Klägerin begehrte Unterwerfungserklärung nicht zu der gerügten Verletzungshandlung (Stellenanzeige K 1), denn zur Unterlassung verpflichten soll sich die Beklagte im Zusammenhang mit dem Verkauf von Hörgeräten, und damit steht die Stellenanzeige nicht (jedenfalls nicht in einem unmittelbaren) Zusammenhang. Das ist allerdings unschädlich, denn der Gläubiger muss den Schuldner zwar zur Abgabe einer Unterwerfungserklärung auffordern, es ist aber Sache des Schuldners, auf Grund der Abmahnung die zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr erforderliche Erklärung abzugeben (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.17 m.w.N.).
b)
Als Verband i.S.v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG kann die Klägerin anteiligen Ersatz der Personal- und Sachkosten in Form einer Aufwandspauschale verlangen (BGH GRUR 2010, 852 Tz. 23 - Gallardo Spyder; Köhler/Bornkamm, § 12 Rn. 1.98; Fezer-Büscher, § 12 Rn. 69). Gegen deren Höhe ist nichts zu erinnern, nachdem die Pauschale nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin noch nicht einmal kostendeckend ist.
4.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 19.11.2012 gibt keinen Anlass, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen (§ 156 ZPO).
III.
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. § 713 ist nicht anzuwenden, da es nicht zweifelsfrei ist, dass der Wert der Beschwer der Beklagten 20.000 EUR nicht übersteigt (vgl. Zöller-Herget, a.a.O., § 713 Rn. 2).
2.
Anlass zur Zulassung der Revision besteht entgegen der Anträge beider Parteien nicht. Durch die Entscheidung Neurologisch/Vaskuläres Zentrum des Bundesgerichtshofs vom 18.01.2012 (I ZR 104/10) ist geklärt, dass der Begriff Zentrum im Grundsatz nach wie vor auf eine besondere Größe oder Bedeutung eines Unternehmens hinweist oder jedenfalls vom Verkehr auf einen solchen Tatsachenkern zurückgeführt wird, wobei aber auf die jeweiligen Einzelumstände abzustellen ist (a.a.O., Tz. 17). Die vorliegende Entscheidung beschränkt sich darauf, diese Einzelumstände, insbesondere die Voranstellung des Firmen- (Marken-)Namens a., zu würdigen.
3.
Den Streitwert hat das Landgericht auf 20.219,35 EUR festgesetzt und damit ersichtlich den Streitwert des Unterlassungsantrags mit 20.000 EUR bemessen sowie die mit Klagantrag Ziff. 2 geltend gemachte Abmahnkostenpauschale hinzuaddiert.
Diese Bemessung des Streitwerts für den Unterlassungsantrag haben die Parteien nicht beanstandet. Sie erscheint auch dem Senat angemessen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt damit 20.000 EUR, nachdem die Abmahnkostenpauschale entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht streitwerterhöhend ist (BGH, Beschl. v. 21.12.2011, I ZR 83/11 Tz. 2 - Streitwert ohne Abmahnkosten).
OLG Stuttgart:
Urteil v. 29.11.2012
Az: 2 U 64/12
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/64ce70a0a2f4/OLG-Stuttgart_Urteil_vom_29-November-2012_Az_2-U-64-12