Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. April 2007
Aktenzeichen: 6 W (pat) 318/03

(BPatG: Beschluss v. 05.04.2007, Az.: 6 W (pat) 318/03)

Tenor

Das Patent 199 09 709 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentanspruch 1, wie Patentanspruch 1 in Hilfsantrag 1, eingereicht am 4. April 2007, Patentansprüche 2 bis 4 sowie übrige Unterlagen wie erteilt.

Gründe

I.

Gegen das am 31. Oktober 2002 erteilte Patent 199 09 709 mit der Bezeichnung "Wälzlager" ist mit Schriftsatz vom 31. Januar 2003 Einspruch erhoben worden.

Die Einsprechende stützt sich in ihrer Begründung auf die nachfolgend bezeichneten Druckschriften D9 - D11, die sie im Einspruchsverfahren angezogen hat. Im Prüfungsverfahren waren bereits die Entgegenhaltungen D1 - D8 berücksichtigt worden, auf die die Einsprechende aber nicht mehr eingegangen ist.

D1: JP A 7 103 241 D2: NSK, Hauptkatalog, Katalog 7310, 1973, NSK Kugellager GmbH Düsseldorf, S. 58, D3: JP B 633 441 D4: DE 42 17 566 A1 D5: US 49 92 111 A D6: JP B 772 565 D7: JP A 989 724 D8: US Publ.: SAE Technical Paper Series:

Murakami, Naka, Iwamoto, Chatell: "Long Life Bearings for Automotive Alternator Applications", Detroit, 2. März 1995 D9: US Publ.: Hengener, Brockmüller, Sörström:

"Through hardening or case hardening for taper roller bearings" San Diego, USA, 7. November 1991 D10: DE Publ.: Hengener: "Werkstoffe für Wälzlager" TZ für Metallbearbeitung, Heft 4, 1982, S. 39 - 46 D11: DE 197 33 101 A1.

Die Einsprechende trägt vor, aus dem Aufsatz "Through hardening or case hardening for taper roller bearings" (D9) seien sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 1 bekannt. Diese Publikation, deren Vorveröffentlichung von der Patentinhaberin ebenso wenig in Zweifel gezogen wird wie der Aufsatz "Werkstoffe für Wälzlager" (D10), befasst sich mit der Härtung von Kegelrollenlagern, u. a. der Stahlsorte 100 CrMo 7. Im Zusammenhang mit dieser Stahlsorte verweist die Einsprechende auf die D10, in der die chemische Zusammensetzung speziell dieser Stahlsorte aufgeführt ist. Sie führt dazu aus, die dort angegebenen Werte für Kohlenstoff, Silicium, Mangan und Chrom lägen innerhalb der jeweils im Patentanspruch 1 (Merkmale c - f) angegebenen Bereiche, die restlichen Merkmale a, b und g - j seien für sich der D9 entnehmbar.

Zusätzlich zieht die Einsprechende auch noch die DE 197 33 101 A1 (D11) an, zu der sie vorträgt, dieses Dokument lege besonderes Augenmerk auf die Konzentration an Restaustenit in den Laufringen. Dabei seien auch eine Reihe von Ausführungsbeispielen offenbart, bei denen der rotierende bzw. der stationäre Laufring unterschiedliche Restaustenitkonzentrationen aufwiesen und gleichzeitig auch die im Patentanspruch 1 aufgeführten Werte für den Stahlwerkstoff einhielten.

Sowohl die Entgegenhaltung D9 als auch die DE 197 33 101 A1 (D11) nähmen daher die vom Patentanspruch 1 gegebene Lehre neuheitsschädlich vorweg.

Unabhängig davon liege es für den Fachmann nahe, angesichts der den Entgegenhaltungen D9 bzw. D11 entnehmbaren Lehren aufgrund seines Fachwissens zu einem Wälzlager mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1 zu gelangen.

Die Einsprechende beantragt, das Patent 199 09 709 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 199 09 709 mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentanspruch 1, wie Patentanspruch 1 in Hilfsantrag 1, eingereicht am 4. April 2007, Patentansprüche 2 bis 4 sowie übrige Unterlagen wie erteilt.

Die Patentinhaberin argumentiert, aus den Aufsätzen "Through hardening or case hardening for taper roller bearings" (D9) und "Werkstoffe für Wälzlager" (D10) gingen keinerlei Hinweise darauf hervor, stationäre und rotierende Laufringe mit unterschiedlichen Restaustenitgehalten herzustellen. Hinsichtlich der DE 197 33 101 A1 (D11) verweist sie darauf, dass die darin getroffene Angabe für den Restaustenitgehalt deutlich von demjenigen nach dem geltenden Patentanspruch 1 abweiche.

Der geltende Patentanspruch 1 hat folgende Fassung (entsprechend der Merkmalsanalyse der Einsprechenden):

a) Wälzlager umfassend:

- einen stationären Laufring,

- einen sich drehenden Laufring und - eine Vielzahl von Wälzkörpern, die zwischen dem stationären und dem sich drehenden Laufring angeordnet sind und die mit einem Schmiermittel geschmiert sind, b) wobei der sich drehende und der stationäre Laufring aus einem Stahlwerkstoff gefertigt sind, enthaltend in Gew.-%:

c) C: 0,65 bis 1,20 Gew.-%;

d) Si: 0,10 bis 0,70 Gew.-%;

e) Mn: 0,20 bis 1,20 Gew.-% undf) Cr: 0,20 bis 1,80 Gew.-%, g) wobei ein Restaustenitgehalt des sich drehenden Laufringes nach einer Wärmebehandlung zwischen 0 bis 4 Vol.-% beträgt undh) eine Oberflächenhärte HRC einer Lagerfläche des sich drehenden Laufringes nach der Wärmebehandlung nicht weniger als 57 und nicht mehr als 65 beträgt undi) wobei ein Restaustenitgehalt im stationären Laufring nicht weniger als 7 Vol.-% nach der Wärmebehandlung beträgt undj) eine Oberflächenhärte HRC einer Lagerfläche des stationären Laufringes nach der Wärmebehandlung nicht weniger als 60 und nicht mehr als 65 beträgt.

Auf diesen Patentanspruch 1 sind die Ansprüche 2 bis 4 zurückbezogen.

Wegen deren Wortlaut und weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend zuständig.

2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und zulässig, was von der Patentinhaberin auch nicht in Zweifel gezogen worden ist.

3. Die zweifelsfrei gewerblich anwendbare Verbindungsanordnung nach Patentanspruch 1 stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.

a. Die Merkmale der geltenden Ansprüche 1 bis 4 sind in den ursprünglichen Unterlagen offenbart. Die Ansprüche sind zulässig.

Patentanspruch 1 in seiner erteilten Form enthält die Merkmale der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 4, Patentanspruch 2 entspricht dem ursprünglichen Anspruch 9 und Patentanspruch 4 dem ursprünglichen Anspruch 5. Die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 3 wurden den ursprünglich eingereichten Unterlagen von Seite 5, 3. Absatz entnommen.

b. Als hier zuständigem Durchschnittsfachmann sieht der Senat einen Diplom-Ingenieur der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" mit mehrjähriger Berufserfahrung im Bereich der Wälzlagerherstellung an.

c. Das Wälzlager nach geltendem Patentanspruch 1 ist neu.

Die DE 197 33 101 A1 (D11) offenbart in Zusammenschau der Werte, wie sie in den Tabellen 2 und 6 aufgeführt sind, eina) Wälzlager umfassend:

- einen stationären Laufring,

- einen sich drehenden Laufring und - eine Vielzahl von Wälzkörpern, die zwischen dem stationären und dem sich drehenden Laufring angeordnet sind und die mit einem Schmiermittel geschmiert sind, b) wobei der sich drehende und der stationäre Laufring aus einem Stahlwerkstoff gefertigt sind, enthaltend in Gew.-%:

c) C: 0,8 bis 1,1 Gew.-%;

d) Si: 0,29 Gew.-%;

e) Mn: 0,75 Gew.-% undf) Cr: 1,50 Gew.-%, h) wobei eine Oberflächenhärte HRC einer Lagerfläche des sich drehenden Laufringes nach der Wärmebehandlung nicht weniger als 58 und nicht mehr als 64 beträgt undi) wobei ein Restaustenitgehalt im stationären Laufring nicht weniger als 45 Vol.-% nach der Wärmebehandlung beträgt undj) eine Oberflächenhärte HRC einer Lagerfläche des stationären Laufringes nach der Wärmebehandlung nicht weniger als 58 und nicht mehr als 64 beträgt.

Ein Wälzlager gemäß geltendem Patentanspruch 1 unterscheidet sich von einem solchen gemäß DE 197 33 101 A1 (D11) somit durch das Merkmalg) wobei ein Restaustenitgehalt des sich drehenden Laufringes nach einer Wärmebehandlung zwischen 0 bis 4 Vol.-% beträgt.

Als einsetzbares, d. h. fertig hergestelltes Wälzlager enthält sowohl dasjenige nach Streitpatent als auch das nach der D10 einen Kohlenstoffgehalt zwischen 0,8 und 1,1 Gew-%. Hingegen wird in der Entgegenhaltung an mehreren Stellen angegeben, dass der Restaustenitgehalt des sich drehenden Laufrings 5 Vol % oder mehr betragen soll. Der Verweis der Einsprechenden, wonach dabei der Einsatz derartiger Lager in schwierigen, weil verschmutzten Bereichen zu berücksichtigen sei, mag grundsätzlich zutreffen. Der Fachmann erhält aus dieser Schrift allerdings keinen Hinweis darauf, bei anderen Einsatzgebieten einen Restaustenitgehalt entsprechend demjenigen nach dem geltenden Patentanspruch 1 des Streitpatents einzustellen.

Auch der Hinweis der Einsprechenden, wenn der Restaustenitgehalt an der Oberfläche eines Lagerrings 5 Vol % betrage, könne er in tieferen Schichten einen geringeren Wert aufweisen, mag grundsätzlich stimmen. Doch auch in einem solchen Fall kann das die Neuheit des anspruchsgemäßen Wälzlagers nicht vorwegnehmen, da in Merkmal g) der Restaustenitgehalt des gesamten Laufrings definiert ist, nicht jedoch nur eines Teils bzw. eines Abschnitts desselben.

Ein Wälzlager nach Patentanspruch 1 ist daher neu gegenüber einer Ausbildung, wie in der DE 197 33 101 A1 (D11) offenbart.

Sofern in den von der Einsprechenden genannten Entgegenhaltungen D9 und D10 bzw. in den im Prüfungsverfahren berücksichtigten D1 bis D8 ein Restaustenitgehalt bei Wälzlagern überhaupt angesprochen ist, wird darin jedenfalls nicht hinsichtlich unterschiedlich hoch einzustellender Restaustenitgehalte für den sich drehenden bzw. den stationären Laufring eines Wälzlagers unterschieden.

Das anspruchsgemäße Wälzlager ist damit ebenfalls gegenüber jedem der im Verfahren befindlichen weiteren Wälzlager neu.

d. Das Wälzlager nach geltendem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Nach Auffassung des Senats ist ein Wälzlager in der Ausgestaltung der DE 197 33 101 A1 (D11) hinsichtlich der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit bzgl. einer streitpatentgemäßen Ausbildung im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen, da der hier zuständige Fachmann wegen der darin behandelten unterschiedlichen Thematik diesen Stand der Technik als abseits liegend ansehen und daher nicht anziehen würde.

Beim Wälzlager nach der D11 besteht das Ziel darin, eine gute Nasslaufeigenschaft zu erreichen, insbesondere bei groben Verunreinigungen des Schmiermittels, bspw. durch Eisenpulver oder Wasser, worauf die Einsprechende bei der Neuheitsdiskussion auch in zutreffender Weise hingewiesen hat. Entsprechend werden in der D11 insbesondere Überlegungen hinsichtlich der Elektrochemie (Veredelung der Bestandteile) getroffen und Legierungsbestandteile Nickel und Kupfer variiert, um aufgabengemäß eine verbesserte Haltbarkeits-Lebensdauer auch dann zu erhalten, wenn Wasser in das Lager-Schmiermittel eindringt.

Anspruchsgemäß soll dagegen ein Wälzlager geschaffen werden, das unter hohen Temperaturen, bei starken Vibrationen und unter hoher Last eine hohe Lebensdauer erreicht. Dies soll bei vergleichbaren Anteilen einzelner Komponenten speziell durch ein Einstellen des Restaustenitgehalts am sich drehenden Lagerring erreicht werden. Wenngleich in beiden Schriften als eines der Einsatzgebiete der Wälzlager ein Wasserpumpen-Lager genannt wird, beschreibt dieses doch nur die mögliche Verwendung, ohne jedoch das spezielle Ziel oder die mit der jeweiligen Weiterbildung bezweckte Problemlösung zu definieren. Folgerichtig fehlt beim streitpatentgemäßen Wälzlager jegliche Ausführung hinsichtlich einer möglichen Verschmutzung des eingesetzten Schmiermittels und einer dadurch beeinträchtigten (verkürzten) Lebensdauer.

Der Aufsatz "Through hardening or case hardening for taper roller bearings" (D9) beschreibt den nächstkommenden Stand der Technik. Daraus geht hervor, eina) Wälzlager umfassend:

- einen stationären Laufring,

- einen sich drehenden Laufring und - eine Vielzahl von Wälzkörpern, die zwischen dem stationären und dem sich drehenden Laufring angeordnet sind und die mit einem Schmiermittel geschmiert sind, b) wobei der sich drehende und der stationäre Laufring aus einem Stahlwerkstoff gefertigt sind, enthaltend in Gew.-%:

c) C: 0,9 bis 1,05 Gew.-%;

d) Si: 0,20 bis 0,40 Gew.-%;

e) Mn: 0,25 bis 0,45 Gew.-% undf) Cr: 1,65 bis 1,80 Gew.-%, g) wobei ein Restaustenitgehalt unter 3 % beträgt undh) eine Oberflächenhärte HRC zwischen 58 und 62 beträgt.

Wie unter c) bereits kurz angedeutet lässt ein so ausgeführtes Wälzlager jeden Hinweis auf einen unterschiedlichen Restaustenitgehalt von rotierendem bzw. stationärem Laufring vermissen. Unbestritten sind dieser Entgegenhaltung zwar unterschiedliche Methoden zur Beeinflussung des Restaustenitgehalts entnehmbar (Tab. 1), auch erläutert ein Diagramm (Fig. 15) die verschiedenen bevorzugten Einsatzgebiete unterschiedlich behandelter Stähle, bzw. der daraus resultierenden Lager, der Aufsatz liefert jedoch an keiner Stelle einen Hinweis darauf, dass ein und dasselbe Lager aus unterschiedlich behandelten Komponenten zusammengesetzt sein soll. Der Aufsatz geht in Fig. 6 auf den Zusammenhang zwischen Restaustenitgehalt, Härte und Lager-Haltbarkeit ein, worauf in der Verhandlung eingegangen wurde, gleichwohl wird ein Fachmann gerade dieser Darstellung die Anregung entnehmen, den Restaustenitgehalt auf 8 % bis ca. 15 % festzulegen. Insofern kann die D9 weder für sich, noch in der Zusammenschau mit einer anderen Entgegenhaltung die Lehre nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nahelegen.

Dies gilt speziell auch für den Aufsatz "Werkstoffe für Wälzlager" (D10), aus dem für sich die Lehre hinsichtlich der Maßhaltigkeit in Abhängigkeit des Restaustenitgehalts herleitbar ist. Aber auch hieraus ist ein Hinweis bezüglich unterschiedlich zu behandelnder Außen-/Innenlaufringe von Wälzlagern nicht entnehmbar. Die restlichen Entgegenhaltungen lassen einen diesbezüglichen Hinweis in gleicher Weise vermissen, sie wurden unabhängig davon in der Verhandlung auch nicht mehr aufgegriffen.

Der geltende Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.

Mit ihm sind es die Ansprüche 2 bis 4, die zweckmäßige Ausgestaltungen des Wälzlagers nach Patentanspruch 1 zum Inhalt haben.

Nach alledem war das Patent im beschränkten Umfang aufrecht zu erhalten.






BPatG:
Beschluss v. 05.04.2007
Az: 6 W (pat) 318/03


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