Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 9. August 1995
Aktenzeichen: 6 U 34/95
(OLG Köln: Urteil v. 09.08.1995, Az.: 6 U 34/95)
Die Schaltung von Titelschutzanzeigen für Dritte stellt eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten dar, die der Gesetzgeber den Rechtsanwälten und - im Einzelfall neben den Patentanwälten - den Inhabern einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz vorbehalten hat.
Gründe
Die Berufung ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die
einstweilige Verfügung vom 28.11.1994 - 81 O 214/94 - LG Köln ist
zu Recht erlassen worden und daher in Abänderung der angefochtenen
Entscheidung zu bestätigen. Der Antrag auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung ist aus § 1 UWG i.V.m. Art.1 § 1 RBerG
begründet.
Die Ausübung einer rechtsbesorgenden Tätigkeit ohne die nach
Art.1 § 1 RBerG erforderliche Erlaubnis und ohne, daß einer der im
Rechtsberatungsgesetz zugelassenen Ausnahmefälle vorliegt, verstößt
nach gefestigter Rechtsprechung auch des Senats (vgl. AnwBl. 86,346
m.w.N.) grundsätzlich gegen § 1 UWG, ohne daß weitere
Unlauterkeitsmomente hinzuzutreten brauchen.
In der angegriffenen Schaltung der die Titel ,Das Programm" und
,Das TV-Programm" betreffenden Titelschutzanzeige, die den
Gegenstand des vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahrens
darstellt, liegt eine gemäß Art.1 § 1 RBerG verbotene Besorgung
einer fremden Rechtsangelegeneheit.
Rechtsangelegenheiten im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes sind
Angelegenheiten, die entweder der Verwirklichung oder der
Gestaltung eines Rechtes dienen. Demgegenüber fallen
,Wirtschaftsangelegenheiten", also Geschäfte wirtschaftlicher Art,
nicht unter das Rechtsberatungsgesetz (vgl. Rennen-Caliebe,
Rechtsberatungsgesetz, 2. Auflage, Art.1 § 1, RZ 15 f;
Altenhoff-Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 9. Auflage Art.1 § 1 RZ
40, jeweils m.w.N.). Die Schaltung der Titelschutzanzeige stellt
eine Rechtsangelegenheit dar. Es kann zunächst keinem Zweifel
unterliegen, daß sie der Gestaltung eines Rechtes dient. Die
Veröffentlichung einer solchen Anzeige bewirkt die Vorverlagerung
der Priorität des - geschützten - Titels eines alsbald später zu
veröffentlichenden Werkes (vgl.näher BGH GRUR 89,760,761 -
Titelschutzanzeige) und gestaltet daher das auf dem späteren
Erscheinen des Werkes beruhende Recht des Auftraggebers auf
Titelschutz gemäß § 16 UWG bzw. nunmehr § 15 MarkenG. Es handelt
sich nicht um ein erlaubnisfreies Geschäft wirtschaftlicher Art.
Das wäre nur dann der Fall, wenn aus der Sicht des auftraggebenden
Verlages nicht die rechtliche, sondern die wirtschaftliche
Gestaltung im Vordergrund des Auftrages stünde, wie dies nicht
selten bei Bargeschäften des täglichen Lebens der Fall ist (vgl.
hierzu Rennen-Caliebe, a.a.O., RZ 16 a.E.; Altenhoff-Chemnitz,
a.a.O. RZ.42). Hiervon kann indes keine Rede sein: Der
auftraggebende Verlag erstrebt mit der Titelschutzanzeige selbst
unmittelbar keinerlei wirtschaftlichen Vorteile, sondern allein die
oben aufgezeigte Verbesserung seiner rechtlichen Situation im
Hinblick auf den Schutz des Titels eines seiner Werke. Daß die
Vorverlagerung der Priorität des Titelschutzes im Einzelfall durch
eine Verhinderung der Titelverwässerung auch die Absatzchancen des
Berechtigten erhöhen und so letztlich auch wirtschaftliche Vorteile
mit sich bringen kann, muß als allenfalls mittelbare Folge im
vorliegenden Zusammenhang außer Betracht bleiben (vgl. dazu, daß
bloße mittelbare wirtschaftliche Folgen an der Qualifizierung als
Rechtsangelegenheit nichts ändern, BGH GRUR 87, 710 -
Schutzzrechts- überwachung, aufgegriffen in der in ,Recht intern"
26/95 S.145 f zitierten Entscheidung des BGH vom 18.5.1995 - III ZR
109/94).
Keiner näheren Begründung bedarf die Feststellung, daß es sich
bei der Rechtsangelegenheit für die Antragsgegnerin um eine fremde,
nämlich die des Gruner + Jahr Verlages, gehandelt hat.
Durch die Schaltung der Anzeige ist diese fremde
Rechtsangelegenheit schließlich auch im Sinne des
Rechtsberatungsgesetzes ,besorgt" worden. Hierzu genügt eine
unmittelbare Förderung der fremden Rechtsangelegenheit (vgl. dazu
Altenhoff-Chemnitz a.a.O., RZ 37). Auch diese Voraussetzung ist
erfüllt. Es ist zunächst nicht zweifelhaft, daß das Schalten der
Anzeige die Rechtsposition des Auftraggebers der Antragsgegnerin in
der oben beschrieben Weise fördert. Ohne die Schaltung der Anzeige
wäre einem später erscheinenden Werk Titelschutz mit Priorität erst
ab dem Erscheinungsdatum zugekommen, während dieser Zeitpunkt durch
die Anzeige auf deren Erscheinungsdatum vorverlegt worden ist,
sofern der Auftraggeber nur in angemessener Frist ein Werk mit
diesem Titel oder Werke mit diesen Titeln auf den Markt bringt bzw.
gebracht hat. Die Schaltung der Anzeige verliert den Charakter
einer Förderung der Rechtsangelegenheit des G. + J. Verlages auch
nicht deswegen, weil es sich um eine untergeordnete Tätigkeit ohne
großen Gestaltungsspielraum der Antragsgegnerin gehandelt hätte,
die der Verlag auch selbst hätte vornehmen können. Auch durch
einfache Tätigkeiten kann zunächst die Rechtsposition des
Auftraggebers gestärkt werden. So ist z.B. in der ebenfalls
einfachen Tätigkeit der Anmeldung einer Firmenänderung zum
Handelsregister die Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit zu
sehen (Altenhoff-Chemnitz a.a.O., RZ 38). Óberdies war der Text der
Anzeige auch nicht wörtlich vorgegeben, so daß - wenn auch in
eingeschränktem Rahmen - durchaus eine Gestaltungsmöglichkeit
bestand. Vor allem trifft es aber auch nicht zu, daß der G. + J.
Verlag die Anzeige auch selbst hätte schalten können. Es ging dem
Verlag gerade darum, zwar den Titelschutz zum Zeitpunkt des
Erscheinens der Anzeige zu erhalten, aber dabei selbst (noch) nicht
in Erscheinung zu treten. Es sollte also nicht erkennbar sein, daß
der G. + J. Verlag die Titelschutzrechte für sich begründen wollte.
In dieser Situation war der Verlag darauf angewiesen, sich eines
Dritten zu bedienen, der unter seinem Namen die Anzeige schaltete.
Indem die Antragsgegnerin diese Funktion übernahm, hat sie selbst
und in eigener Verantwortung - sogar maßgeblich - dazu beigetragen,
daß die Priorität des Titelschutzes - das rechtzeitige Erscheinen
der Werke vorausgesetzt - zu Gunsten des Verlages vorverlagert
worden ist. Ihre Position ist damit keineswegs mit derjenigen eines
Boten angemessen beschrieben, der die reine Óbermittlung einer
Erklärung übernimmt und damit eine Tätigkeit ausübt, die sein
Auftraggeber unverändert auch selbst hätte erledigen können. Es
kommt hinzu, daß durch das Schalten der Anzeige ,für einen
Klienten" bei dem Leser der Eindruck eines besonderen
Treueverhältnisses zwischen der anzeigenden Antragsgegnerin und
ihrem dem Leser unbekannt bleibenden Auftraggeber im Sinne der
Wahrnehmung von dessen Interessen durch die Antragsgegnerin
hervorgerufen wird. So deutet schon die Verwendung des Begriffes
,Klient" zumindest in die Nähe des anwaltlichen Vertretung mit
ihren darauf beruhenden besonderen Pflichten. Óberdies erweckt die
Tatsache, daß der Auftraggeber eben im Hintergrund bleibt, den - im
übrigen zutreffenden - Eindruck, daß die Belange des Auftraggebers,
was die Vorverlegung des Titelschutzes angeht, eben gerade nicht
von diesem selbst, sondern auf Grund eines besonderen Auftrages mit
entsprechenden Treuepflichten stattdessen von der Antragsgegnerin
wahrgenommen werden. Die Antragsgegnerin ist schließlich auch
insoweit für die Anzeige verantwortlich, als sie für eventuelle
Unterlassungsansprüche Dritter passivlegitimiert ist. Eine Klage
auf Unterlassung, etwa mit der Begründung, es bestehe bereits ein
Werk mit diesem Titel, wäre gegen die Antragsgegnerin zu
richten.
Vor dem vorstehenden Hintergrund läßt der Senat die Frage offen,
ob eine völlig untergeordnete reine Hilfstätigkeit ohne jegliche
eigene Gestaltungsmöglichkeit überhaupt im Einzelfall als nicht dem
Schutzbereich des Art.1 § 1 RBerG unterfallend anzusehen sein
könnte. Denn hierfür liegen die Voraussetzungen im vorliegenden
Fall jedenfalls nicht vor. Die Schaltung von Titelschutzanzeigen
stellt eine Wahrnehmung fremder Interessen auf rein rechtlichem
Gebiet dar, die der Gesetzgeber den Rechtsanwälten und - im
Einzelfall neben den Patentanwälten - den Inhabern einer Erlaubnis
nach dem Rechtsberatungsgesetz vorbehalten hat, und unterfällt aus
den vorstehenden Gründen auch dem Schutzbereich dieses
Gesetzes.
Liegt damit durch die Schaltung der Anzeige die Besorgung einer
fremden Rechtsangelegenheit vor, so ist es ohne Bedeutung, daß die
Antragsgegnerin den Verlag nicht auch noch hinsichtlich des
Titelschutzes im einzelnen beraten hat. Schon aus diesem Grunde
kommt den AGB der Antragsgegnerin, wonach diese regelmäßige keine
Rechtsberatung ausübt, für das vorliegende Verfahren keine
Bedeutung zu. Abgesehen davon kann ohnehin nicht der Wortlaut ihrer
AGB, sondern nur die rechtliche Qualifizierung der tatsächlichen
Tätigkeit der Antragsgegnerin für die Frage maßgebend sein, ob ein
Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz vorliegt.
Schließlich ist die Antragsgegnerin auch nicht gemäß Art.1 § 5
Ziff.1 RBerG ohne Erlaubnis zur Schaltung derartiger Anzeigen
befugt. Dies würde voraussetzen, daß das Schalten der Anzeigen im
unmittelbaren Zusammenhang mit dem Geschäft ihres Gewerbebetriebes
steht. Das ist indes nicht der Fall. Die Erfassung von Titeln und
Titelschutzanträgen und die Erteilung von Auskünften über die
erfolgte Anmeldung von Titeln oder das Erscheinen von Werken mit
bestimmten Titeln setzt - was keiner Begründung bedarf - zunächst
nicht voraus, daß die Antragsgegnerin auch selbst
Titelschutzanzeigen veröffentlicht. Daß die Besorgung der fremden
Rechtsangelegenheit für die Durchführung der erlaubten
Geschäftstätigkeit notwendig wäre, ist allerdings auch nicht in
allen Fällen für die Anwendung des Art.1 § 5 Ziff.1 RBerG
erforderlich. Es kann vielmehr die subjektive Erwartung des
Geschäftspartners ausreichen, daß der Unternehmer im Zusammenhang
mit der erlaubten Tätigkeit auch solche Hilfs- oder Nebengeschäfte
erledigt, für die er bei ihrer isolierten Vornahme der Erlaubnis
bedürfte (vgl. näher Rennen-Caliebe a.a.O., Art.1 § 5 RZ 8 m.w.N.).
So liegt der Fall indes nicht. Das Schalten von Titelschutzanzeigen
ist nicht ein Hilfs- oder Nebengeschäft zu der beschriebenen
Tätigkeit der Antragsgegnerin als Agentur, sondern die
erlaubnisfreie Erteilung von Auskünften über den aktuellen Bestand
von geschützten Titeln ist mit eben dieser Auskunftserteilung
erledigt und abgeschlossen. Die daran im Einzelfall anschließende
Bitte von Kunden, nunmehr für einen - nach der Auskunft noch nicht
von anderen verwendeten - Titel zu ihren Gunsten den Titelschutz zu
besorgen, ist ein eigenständiger Auftrag, der nicht als Hilfs- oder
Nebengeschäft zu der Auskunftserteilung angesehen werden kann (vgl.
dazu, daß für die Anwendung des Art.1 § 5 Ziff.1 RBerG das
Hauptgeschäft noch nicht abgeschlossen sein darf, Senat a.a.O.,
S.347). Er mag im Einzelfall im Zusammenhang mit der regelmäßig
zunächst zu erteilenden Auskunft über den derzeitigen Bestand an
Titeln stehen, dieser Zusammenhang ist aber nicht im Sinne des
Art.1 § 5 Ziff.1 RBerG als unmittelbar anzusehen. Für die Kunden,
die überhaupt beides wünschen, dürfte im übrigen die
Veröffentlichung der Titelschutzanzeige zumindest gleichrangige
Bedeutung wie die Auskunft über den derzeitigen Bestand an
geschützten Titeln haben, die umgekehrt regelmäßig eher als reine
Vorfrage zu der im Vordergrund stehenden Sicherung eigener
Titelschutzrechte der Kunden anzusehen sein dürfte. Demgegenüber
setzt die Anwendung des Art.1 § 5 Ziff.1 RBerG voraus, daß es sich
bei der betreffenden Tätigkeit nur um eine - dessen Zwecken
dienende - Nebentätigkeit zu einem nicht unter den Schutzbereich
des Rechtsberatungsgesetzes fallenden Hauptgeschäft handelt (vgl.
Altenhoff-Chemnitz, a.a.O., Art 1 § 5 RZ 392 m.w.N.).
Besteht danach der Verfügungsanspruch aus § 1 UWG i.V.m. Art.1 §
1 RBerG, so ist die am 28.11.1994 erlassene, auf die Unterlassung
der Schaltung derartiger Anzeigen gerichtete einstweilige Verfügung
bis auf ihre Ziffer 3, die sich durch die vorstehende Begründung
erledigt, zu bestätigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs.2 ZPO mit seiner Verkündung
rechtskräftig.
Gegenstandswert für das Berufungsverfahren: 50.000 DM
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Urteil v. 09.08.1995
Az: 6 U 34/95
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