Bundespatentgericht:
Beschluss vom 22. Januar 2002
Aktenzeichen: 17 W (pat) 41/00
(BPatG: Beschluss v. 22.01.2002, Az.: 17 W (pat) 41/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G11B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 17. April 2000 aufgehoben. Die Sache wird unter Zugrundelegung der am 22. Januar 2002 eingereichten Patentansprüche 1 bis 4 zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Gründe
I Die vorliegende Patentanmeldung ist beim Deutschen Patentamt unter der Bezeichnung:
"Verfahren zum Steuern der Umdrehungsgeschwindigkeiten und Phasen eines Kopfradantriebsmotors und eines Capstanmotors in einem Videokassettenrecorder"
angemeldet worden.
Sie wurde von der Prüfungsstelle für Klasse G11B des Deutschen Patent- und Markenamts mit dem in der Anhörung vom 17. April 2000 verkündeten Beschluss mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Verfahren nach den nebengeordneten Patentansprüchen 1 und 3 mangels einer erfinderischen Leistung nicht gewährbar seien.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
Sie verfolgt die Anmeldung auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 4 weiter.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Verfahren zum softwaremäßigen Regeln der Phasen eines Kopfradantriebsmotors und/oder eines Capstanmotors in einem VCR mit Hilfe eines Servosystems und mit Signalen entsprechend der momentanen Umdrehungsgeschwindigkeit und Phase des Kopfradantriebsmotors bzw des Capstanmotors und mit den folgenden Schritten:
a) Zuführen von voreingestellten Referenzphasensignalen von einem Freilaufzähler und der momentanen Phasensignale entsprechend der momentanen Phase des entsprechenden Motors, b) Überprüfen, ob die momentane Umdrehungsgeschwindigkeit des entsprechenden Motors innerhalb von voreingestellten Referenzgrenzen für die Umdrehungsgeschwindigkeit liegen;
c1) wenn die momentane Umdrehungsgeschwindigkeit des entsprechenden Motors innerhalb der voreingestellten Referenzgrenzen für die Umdrehungsgeschwindigkeit liegt: Ermitteln der Phasendifferenzen zwischen den voreingestellten Referenzphasensignalen und den momentanen Phasensignalen, Überprüfen, ob die Phasendifferenzsignale (ÆNp) Signalen aus mehreren voreingestellten Phasendifferenzsignalgrenzen (N1, N2, N3, N4) entsprechen, und Ausgeben eines Phasenfehlersignals entsprechend den überprüften Ergebnissen;
c2) wenn die momentane Umdrehungsgeschwindigkeit des entsprechenden Motors außerhalb der voreingestellten Referenzgrenzen für die Umdrehungsgeschwindigkeit liegt: Ausgeben eines vorgegebenen konstanten Phasenfehlersignals;
d) Erzeugen von Phasensteuersignalen entsprechend den Phasenfehlersignalen, Zuführen der erzeugten Phasensteuersignale zu dem entsprechenden Motor, um dessen Phase zu steuern; unde) Ausführen einer entsprechenden für das Servosystem notwendigen Kompensation, bevor die Phasensteuersignale erzeugt werden und schließlich Beenden der Routine zum Regeln der Phase des Kopfradantriebsmotors bzw Capstanmotors, f) wobei die Umdrehungsgeschwindigkeitsgrenzen entsprechend verschiedenen Betriebsmodi veränderbar sind."
Der nebengeordnete Patentanspruch 3 lautet:
"Verfahren zum softwaremäßigen Regeln der Umdrehungsgeschwindigkeiten des Kopfradantriebsmotors und/oder des Capstanmotors in einem VCR mit Hilfe eines Servosystems und unter Verwendung von detektierten Signalen entsprechend den momentanen Umdrehungsgeschwindigkeiten des entsprechenden Motors mit den folgenden Verfahrensschritten:
a) Zuführen des momentanen Umdrehungsgeschwindigkeitssignals entsprechend der momentanen Umdrehungsgeschwindigkeit des Kopfradantriebsmotors bzw des Capstanmotors von einem jeweiligen Frequenzgenerator;
b) Vergleichen des momentanen Umdrehungsgeschwindigkeitssignals des entsprechenden Motors mit einem Umdrehungsgeschwindigkeitsfrequenzsignal und Überprüfen, ob das momentane Umdrehungsgeschwindigkeitssignal des entsprechenden Motors mehreren voreingestellten Umdrehungsgeschwindigkeitsgrenzen entspricht und Ausgeben eines Umdrehungsgeschwindigkeitsfehlersignals entsprechend dem Vergleichs- und Überprüfungs-Ergebnis;
c) Erzeugen von Umdrehungsgeschwindigkeitssteuersignalen entsprechend dem Umdrehungsgeschwindigkeitsfehlersignal, Zuführen der erzeugten Umdrehungsgeschwindigkeitssteuersignale zu dem entsprechenden Motor, um dessen Umdrehungsgeschwindigkeit zu steuern; undd) Ausführen einer entsprechenden für das Servosystem notwendigen Kompensation, bevor die Umdrehungsgeschwindigkeitssteuersignale dem entsprechenden Motor zugeführten werden und schließlich Beenden der Routine zum Regeln der Umdrehungsgeschwindigkeit des Kopfradantriebsmotors bzw Capstanmotors, e) wobei das Umdrehungsgeschwindigkeitsreferenzsignal und/oder die Umdrehungsgeschwindigkeitsgrenzen entsprechend verschiedenen Betriebsmodi veränderbar sind."
Wegen der übrigen Patentansprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die Anmelderin trägt zur Begründung ihrer Beschwerde vor, dass mit den beanspruchten Verfahren die bisher bekannten aufwendigen Hardwarelösungen für die Regelung von Geschwindigkeit und Phase der Motoren eines Videokassettenrecorders durch Software ersetzt werden sollten. Eine softwaregesteuerte Regelung lasse eine leichte Änderung der Regelgrößen zu. Deshalb könnten nicht nur die Aufnahme- oder Wiedergabegeschwindigkeiten ohne großen Aufwand verändert werden, sondern auch die jeweils zugehörigen Referenzgrenzen. Dadurch würde eine Vielzahl von neuen Betriebsmodi ermöglicht, wie eine Wiedergabe mit reduzierter Geschwindigkeit (slow motion), wobei der Wechsel zwischen den verschiedenen Betriebsmodi optimiert werden könne.
Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit den am 22. Januar 2002 eingereichten Patentansprüchen 1 bis 4 zu erteilen.
II Die in rechter Frist und Form erhobene Beschwerde ist zulässig und insoweit begründet, als sie zur Zurückverweisung der Sache zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt führt (§ 79 Abs 3 Satz 1 Nr 3 PatG).
1. Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ansprüche 1 und 3 unterscheiden sich von der ursprünglich eingereichten Fassung dieser Ansprüche durch die Angabe, dass die Verfahren softwaremäßig ausgeführt werden sollen, und durch die Ergänzung des Merkmals f) im Anspruch 1 und des Merkmals e) im Anspruch 3.
Dass die Verfahren softwaremäßig ausgeführt werden sollen, ergibt sich schon aus S 13, Abs 3 der ursprünglichen Beschreibung.
Die mit den Merkmalen f) bzw e) vorgenommene Präzisierung, dass die Umdrehungsgeschwindigkeitsgrenzen entsprechend verschiedenen Betriebsmodi veränderbar sind, kann für die Regelung der Frequenz S 10, Abs 2 bis S 11, Abs 1 und für die Regelung der Phase S 12, Abs 4 bis S 13, Abs 1 entnommen werden. Die Fassung der beiden nebengeordneten Ansprüche ist daher zulässig.
2. Die Neuheit und erfinderische Tätigkeit der Verfahren nach den geltenden Ansprüchen 1 und 3 sind durch das im bisherigen Prüfungsverfahren genannte Material nicht in Frage gestellt.
Von den bisher genannten Druckschriften kommt die DE 35 17 815 C2 dem Verfahren zum Regeln der Phase nach dem Anspruch 1 und dem Verfahren zum Regeln der Frequenz nach dem Anspruch 3 am nächsten. Aus dieser Druckschrift ist ein Verfahren zur Phasen- und Drehzahlregelung eines Motorantriebs für das Kopfrad und den Bandlauf eines Videokassettenrecorder bekannt, das ebenfalls softwaremäßig vorgenommen wird, nämlich mit einem Mikroprozessor (vgl Sp 4, Z 38 bis 58).
a) In Übereinstimmung zu Merkmal a) des Anspruchs 1 ist aus dieser Druckschrift bekannt, dass zum Zweck der Phasenregelung Referenzphasensignale (Vergleichsschwingung) eines Freilaufzählers mit den momentanen Phasensignalen (von einem Drehwinkelgeber) der Motoren verglichen werden (vgl Anspruch 1 der DE 35 17 815 C2).
Dabei wird entsprechend den Merkmalen b) und c1) ein Phasenvergleich erst dann durchgeführt, wenn die Umdrehungsgeschwindigkeit innerhalb von eingestellten Referenzgrenzen liegt, dh der Einfluss des Phasenmesswertes wird erst beim Erreichen oder in der Nähe der geforderten Nenndrehzahl wirksam gemacht (vgl Sp 4, Z 31 bis 35). Dieser Formulierung entnimmt der Fachmann -ein auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik tätiger Ingenieur- dass, wie in Merkmal c2) angegeben, außerhalb der Referenzgrenzen ein konstantes Phasenfehlersignal ausgegeben wird, das die Drehzahlregelung nicht stört.
Liegt die Umdrehungsgeschwindigkeit in der Nähe der geforderten Nenndrehzahl und tritt bei dem Phasenvergleich eine Differenz auf, wird ein geeigneter Stellwert für den Antrieb des Gleichstrommotors erzeugt, der eine Verringerung der Ablage herbeiführt (vgl Anspruch 1), dh es wird entsprechend den Merkmalen c1), d) und e) vorgegangen.
Das Verfahren nach dem Anspruch 1 unterscheidet sich von dem bekannten Verfahren sonach nur hinsichtlich des Merkmals f). Bezüglich dieses Merkmals ist in der DE 35 17 815 C2 lediglich ausgeführt, dass der Videokassettenrecorder die Betriebszustände "Wiedergabe" und "Aufnahme" einnehmen kann (vgl Sp 5, Z 25f), ohne dass ein Hinweis auf eine Änderung der Umdrehungsgeschwindigkeitsgrenzen entsprechend den verschiedenen Betriebsmodi zu finden ist.
Ein Hinweis auf eine solche Änderung der Grenzen findet sich auch in der weiter entgegengehaltenen US 4 575 835 nicht. Dies liegt schon daran, dass diese Druckschrift eine Datenwiedergabeeinrichtung betrifft, die als Hardwareschaltung ausgebildet ist und eine wesentlich geringere Variation der Umdrehungsgeschwindigkeit abzudecken hat als ein Videokassettenrecorder (vgl Sp 1, Z 41 bis 45).
Es ist daher anzuerkennen, dass das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 durch die bisher im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften nicht nahegelegt ist.
b) Aus der DE 35 17 815 C2 sind auch Merkmale des Verfahrens zum Regeln der Frequenz nach dem Anspruch 3 bekannt. So werden bei dem bekannten Verfahren die momentanen Umdrehungsgeschwindigkeiten des Kopfradantriebsmotors und des Capstanmotors über Frequenzgeneratoren (Drehzahlgeber 7 und 22) abgegriffen und mit einem Umdrehungsgeschwindigkeitsreferenzsignal verglichen. Bei einer auftretenden Abweichung wird ein Stellwert für den jeweiligen Motor erzeugt (vgl Sp 5, Z 43 bis Sp 6, Z 1).
Im Unterschied zu dem bekannten Verfahren findet beim Verfahren nach dem Patentanspruch 3 ein Vergleich des momentanen Umdrehungsgeschwindigkeitssignals mit mehreren voreingestellten Umdrehungsgeschwindigkeitsgrenzen statt (vgl Merkmal b). Diese Maßnahme dient -für den Fachmann offenbar- zur Festlegung des Bereiches, in dem eine lineare Regelung der Geschwindigkeit der Motoren möglich ist, wie er in Figur 3 als Abschnitt Ns dargestellt ist. Diese Maßnahme vermag für sich die Patentfähigkeit des Verfahrens zur Frequenzsteuerung noch nicht zu begründen, da der Regelbereich jeder Regelung aufgrund der physikalischen Randbedingungen, bspw der zur Verfügung stehenden Versorgungsspannung, nur in einem begrenzten Bereich linear sein kann. Außerhalb dieser Grenzen werden idR Grenzwerte, zB der obere oder der untere Wert der Versorgungsspannung, eingenommen.
Es ist für den Fachmann auch noch als naheliegend anzusehen, dass das Umdrehungsgeschwindigkeitsreferenzsignal entsprechend den Betriebsmodi veränderbar ist, da davon auszugehen ist, dass Videokassettenrecorder über schnelle Bandlauffunktionen verfügen. Als nicht aus dem Fachwissen nahegelegt anzusehen ist aber, dass -wie bereits zum Anspruch 1 ausgeführt- eine Änderung der Umdrehungsgeschwindigkeitsgrenzen vorgenommen wird.
Die vorliegenden Druckschriften jedenfalls legen eine solche Maßnahme nicht nahe.
3. In den Anspruchsfassungen, mit denen die Anmelderin im bisherigen Prüfungsverfahren ihre Anmeldung verfolgt hat, war das Merkmal der Änderung der Umdrehungsgeschwindigkeitsgrenzen nicht enthalten, so dass davon auszugehen ist, dass ein möglicherweise hierzu vorliegender Stand der Technik nicht genannt wurde.
Die Sache wird deshalb zur weiteren Prüfung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.
Grimm Dr. Schmitt Bertl Prasch Bb
BPatG:
Beschluss v. 22.01.2002
Az: 17 W (pat) 41/00
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