Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. März 2007
Aktenzeichen: 29 W (pat) 237/04

(BPatG: Beschluss v. 19.03.2007, Az.: 29 W (pat) 237/04)

Tenor

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Juni 2004 wird aufgehoben, soweit der international registrierten Marke 753 089 der Schutz verweigert wurde für die Dienstleistungen "Étude et recherche de marche par telephone (telemarketing)".

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die Schutzerstreckung der international registrierten Wortmarke 753 089 YA NET für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 9:

Programmes d' ordinateur enregistres;

Klasse 35:

Étude et recherche de marche par telephone (telemarketing);

Klasse 36:

Affaires financières; affaires monetaires, aussi par le biais de reseaux globaux d' ordinateurs (internet);

Klasse 38:

Transmission (mise à disposition) d' informations et de donnees (messages, sons et images) par des reseaux informatiques (internationaux) de telecommunications, y compris par reseau dit Internet; agences de presse; transmission de messages; services telephoniques; informations en matière de telecommunications;

Klasse 42:

Mise à disposition de temps d' accès à des banques de donnees pour des informations dans une large variete de domaines au moyen d' un reseau informatique global; services de dessinateurs d' arts graphiques pour la creation de pages d' accueil et de sites de reseaux informatiques (Internet); hebergement de sites informatiques (hosting); mise à jour de logiciels; elaboration (conception) de logiciels; location de logiciels informatiques; location de temps d' accès à un centre serveur de bases de donnees; consultation en matière d' ordinateur.

wurde Widerspruch erhoben aus der älteren Wortmarke Janneteingetragen am 10. Juli 2000 für die Waren der Klasse 9:

Elektrische, elektrotechnische und elektronische Apparate und Geräte, soweit in Klasse 9 enthalten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Computerprogramme (Software);

Klasse 36:

Versicherungswesen; Finanzwesen; Bank- und Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Immobilienfinanzierung; Dienstleistungen einer Bausparkasse;

Klasse 38:

Telekommunikation; Dienstleistungen im Bereich der elektronischen Mail; Betrieb von Telekommunikationsnetzen; Nachrichtenwesen, nämlich Sammeln, Liefern, Übermittlung, Übertragung und Verbreitung von Nachrichten, Daten und Informationen, insbesondere mittels neuer Medien, im Internet, in digitalen Netzwerken, in elektronischen Medien, im Rahmen von Online-Diensten sowie in lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Computernetzen; Erstellung und Ausstrahlung von Internet-Seiten; Bereitstellung und Betrieb eines elektronischen Marktplatzes auf Computernetzen, insbesondere auf dem Internet (E-Commerce).

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat der Marke aufgrund des Widerspruchs mit Beschluss vom 22. Juni 2004 den Schutz verweigert. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und teilweiser Identität bzw. hochgradiger Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen halte die jüngere Marke nicht den erforderlichen Abstand ein. Insbesondere in klanglicher Hinsicht bestehe bei einer deutschen Aussprache für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen. Diese klangliche Markenähnlichkeit werde auch nicht durch den beschreibenden Anklang der Widerspruchsmarke an die weiblichen Vornamen "Janet" bzw. "Jeanette" reduziert. Denn im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie sei dieser Bedeutungsgehalt nicht nahegelegt, zumal sich beide Vornamen auch in der Schreibweise von der Widerspruchsmarke unterschieden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass sie eine Markenserie aufgebaut habe mit den Anfangsbuchstaben "YA" ihres Firmennamens Yellow Acces als Stammbestandteil und einer weiteren Angabe zur Bezeichnung der jeweiligen Dienste, im vorliegenden Fall den Begriff "NET" für Netzwerkdienste. Die Verkehrskreise nähmen die Marke daher als ein zweiteiliges Zeichen war, mit der Folge, dass sie zweisilbig und mit Betonung auf der Anfangssilbe "YA" ausgesprochen werde. Hingegen handele es sich bei der Widerspruchsmarke um ein einteiliges Zeichen, das wegen des beschreibenden Anklangs an die weiblichen Vornahmen "Janet" und "Jeanette" kurz und mit betonter Endsilbe ausgesprochen werde. Weitere deutliche Unterschiede in Schriftbild und Klang ergäben sich auf Grund der verschiedenen Anfangsbuchstaben "Y" bzw. "J", die nach der Ausspracheumschreibung des Duden unterschiedlich ausgesprochen würden.

Die Markeninhaberin beantragt, den Beschluss der Markenstelle vom 22. Juni 2004 aufzuheben.

Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie tritt der Beschwerde im Wesentlichen mit der Begründung entgegen, dass die jüngere Marke im Hinblick auf die teilweise identischen bzw. eng ähnlichen Waren und Dienstleistungen in schriftbildlicher sowie klanglicher Hinsicht nicht den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke einhalte. Im hier maßgeblichen Bereich der Telekommunikation und Netzwerkdienste erkenne der Verkehr in der Widerspruchsmarke die Verbindung des Firmennamens JAN der Widersprechenden mit dem englischen Begriffs "net" für Netzwerk und benenne die Marke demzufolge bei mündlicher Wiedergabe deshalb mit "Jannet". Die beiderseitigen Marken seien ihrem Klang nach daher hochgradig ähnlich.

II.

Die nach § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Hinsichtlich der Dienstleistungen "Étude et recherche de marche par telephone (telemarketing)" war der angegriffene Beschluss aufzuheben, weil wegen der fehlenden Dienstleistungsähnlichkeit keine Gefahr von Verwechslungen besteht. Hingegen hat die Markenstelle für die übrigen Waren und Dienstleistungen die Schutzerstreckung zu Recht verweigert, so dass die Beschwerde insoweit zurückzuweisen war (§ 107 i. V. m. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 114 Abs. 3 i. V. m. § 43 Abs. 2 MarkenG).

1. Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungskriterien der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit, der Markenähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, Rn. 17 ff. - Canon; BGH GRUR 2006, 60, 61 - coccodrillo; GRUR 2006, 859, Tz. 16 - Malteserkreuz). Nach diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr nur hinsichtlich der Dienstleistungen "Étude et recherche de marche par telephone (telemarketing)" verneint werden.

2. Für die Beurteilung der Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit ist von der Registerlage auszugehen, da Benutzungsfragen nicht zu erörtern waren. Zu berücksichtigen sind dabei nach ständiger Rechtsprechung alle erheblichen Umstände, die das Verhältnis der Waren oder Dienstleistungen zueinander kennzeichnen. Dazu zählen insbesondere die Art, der Verwendungszweck und die Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder ergänzende Waren oder Dienstleistungen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, Rn. 23 - Canon; BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN).

2.1. Die von der angegriffenen Marke erfassten Waren und Dienstleistungen "programmes d' ordinateur enregistres; affaires financières; affaires monetaires, aussi par le biais de reseaux globaux d' ordinateurs (Internet); transmission (mise à disposition) d' informations et de donnees (messages, sons et images) par des reseaux informatiques (internationaux) de telecommunications, y compris par reseau dit Internet; transmission de messages; services telephoniques; informations en matière de telecommunications; services de dessinateurs d' arts graphiques pour la creation de pages d' accueil et de sites de reseaux informatiques (Internet)" sind identisch mit den im Verzeichnis der Widerspruchsmarke aufgeführten Waren und Dienstleistungen "Computerprogramme (Software); Finanzwesen; Bank- und Geldgeschäfte; Telekommunikation; Betrieb von Telekommunikationsnetzen; Nachrichtenwesen, nämlich Sammeln, Liefern, Übermittlung, Übertragung und Verbreitung von Nachrichten, Daten und Informationen, insbesondere mittels neuer Medien, im Internet, in digitalen Netzwerken, in elektronischen Medien, im Rahmen von Online-Diensten sowie in lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Computernetzen; Erstellung und Ausstrahlung von Internet-Seiten".

2.2. Im engen Ähnlichkeitsbereich liegen außerdem die Dienstleistungen "mise à disposition de temps d' accès à des banques de donnees pour des informations dans une large variete de domaines au moyen d' un reseau informatique global; hebergement de sites informatiques (hosting); location de temps d' accès à un centre serveur de bases de donnees" mit den von der Widerspruchsmarke erfassten Dienstleistungen "Nachrichtenwesen, nämlich Sammeln, Liefern, Übermittlung, Übertragung und Verbreitung von Nachrichten, Daten und Informationen, insbesondere mittels neuer Medien, im Internet, in digitalen Netzwerken, in elektronischen Medien, im Rahmen von Online-Diensten sowie in lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Computernetzen; Erstellung und Ausstrahlung von Internetseiten". Zwischen dem Bereitstellen von Datenbankzugängen und Webhosting einerseits und Online- Informationsangeboten und Webdesign andererseits bestehen angesichts der zahlreichen Überschneidungen im Bereich der Telekommunikations- und der Informationstechnologie so enge Berührungspunkte, dass diese Dienstleistungen nach Art und Zweck eine erhebliche Ähnlichkeit aufweisen (vgl. BGH GRUR 2002, 544, 546 - Bank 24; GRUR 2001, 164, 165 - Wintergarten).

Ähnlichkeit auf Grund eines übereinstimmenden Nutzens für den jeweiligen Empfänger ist ferner gegeben zwischen den Dienstleistungen "agences de presse" der angegriffenen Marke und den Dienstleistungen "Nachrichtenwesen, nämlich Sammeln, Liefern, Übermittlung, Übertragung und Verbreitung von Nachrichten, Daten und Informationen, insbesondere mittels neuer Medien, im Internet, in digitalen Netzwerken, in elektronischen Medien, im Rahmen von Online-Diensten sowie in lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Computernetzen", da beide auf das Sammeln und Übermitteln von Daten und Informationen ausgerichtet sind.

Ebenfalls ähnlich sind die von der angegriffenen Marke erfassten Dienstleistungen "mise à jour de logiciels; elaboration (conception) de logiciels; location de logiciels informatiques; consultation en matière d' ordinateur" mit den Waren "Computerprogramme (Software)" der Widerspruchsmarke. Progammier- und Computerberatungsdienstleistungen und Computerprogramme als Ergebnis bzw. Gegenstand dieser Dienstleistungen sind unmittelbar aufeinander bezogen, so dass der Verkehr der Fehlvorstellung einer gemeinsamen betrieblichen Herkunft unterliegen kann (vgl. BGH GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS).

2.3. Hingegen fehlt es an einer die Verwechslungsgefahr begründenden Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen "Étude et recherche de marche par telephone (telemarketing)" und den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke. Auch wenn die Dienstleistungen des Telemarketing unter Inanspruchnahme von Telekommunikations- und Datenbankdiensten erbracht werden, unterscheiden sie sich als Marketingdienstleistungen nach ihrem Nutzen für Unternehmen, die solche Dienste üblicherweise in Anspruch nehmen, so deutlich von reinen Datenbankangeboten und technischen Übertragungsdienstleistungen, dass nicht anzunehmen ist, der Verkehr werde beide Dienstleistungen demselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen zuordnen (vgl. BGH GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS; GRUR 2002, 544, 546 - Bank 24; GRUR 2001, 164, 165 - Wintergarten).

3. Im Bereich der identischen bzw. eng ähnlichen Waren und Dienstleistungen hält die jüngere Marke unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke den zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr erforderlichen Abstand nicht ein.

3.1. Die Markenähnlichkeit ist anhand des Gesamteindrucks, den beide Marken hervorrufen nach Schriftbild, Klang und Sinngehalt zu beurteilen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Abzustellen ist dabei auf die Wahrnehmung des angesprochenen Durchschnittsverbrauchers, der eine Marke regelmäßig in ihrer Gesamtheit erfasst und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, Rn. 28 - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2006, 60, Tz. 17 - coccodrillo).

3.2. Die beiderseitigen Marken enthalten übereinstimmend an zweiter Stelle den Vokal "a" sowie die Buchstabenfolge "net" am jeweiligen Wortende. Im Schriftbild unterscheidet sich die angegriffene Marke durch den Anfangsbuchstaben "Y", die Leerstelle zwischen den beiden Zeichenelementen und die um einen Buchstaben verminderte Buchstabenzahl. In klanglicher Hinsicht bestehen die Gemeinsamkeiten - unabhängig von der Aussprache des Anfangslauts - in der gleichen Vokalfolge [a - e] und dem übereinstimmenden Schlusslaut [net]. Der sich auf Grund des Doppelkonsonaten "n" bei der klanglichen Wiedergabe der Widerspruchsmarke ergebende Unterschied ist zu gering, um vom Verkehr wahrgenommen zu werden.

Die klanglichen Gemeinsamkeiten verstärken sich, wenn die Widerspruchsmarke im Sinne von "Jannet" erfasst und somit zweisilbig und mit dem gleichen Anfangslaut wie die angegriffenen Marke [ja] ausgesprochen wird. Nahegelegt ist diese Aussprache insbesondere deshalb, weil "JAN" das Firmenschlagwort der Widersprechenden ist und der englische Begriff "net" im hier maßgeblichen Waren- und Dienstleistungsgebiet häufig als Bestandteil von Unternehmenskennzeichen Verwendung findet.

3.3. Die klangliche Markenähnlichkeit wird auch nicht durch einen eindeutigen und klaren Bedeutungsgehalt der Widerspruchsmarke reduziert, den das Publikum ohne weiteres erfasst und deshalb die bildlichen oder klanglichen Zeichenunterschiede deutlicher wahrnimmt (vgl. EuGH GRUR 2006, 237, Rn. 20 ff. - PICASSO; BGH GRUR 2003, 1044, 1046 - Kelly; GRUR 2005, 326, 327 - il Padrone/Il Portone). Der eindeutigen und unmittelbaren Wahrnehmung der Widerspruchsmarke im Sinne der weiblichen Vornamen "Janet" bzw. "Jeanette" steht einerseits die abweichende Schreibweise der Widerspruchsmarke entgegen und andererseits der Umstand, dass weibliche Vornamen bisher - mit Ausnahme des Namens "Alice" - zur Kennzeichnung von Produkten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie nicht üblich sind und daher vom Verkehr in der Regel nicht mit den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen in Verbindung gebracht werden.

4. Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 19.03.2007
Az: 29 W (pat) 237/04


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