Landgericht Hamburg:
Urteil vom 11. März 2008
Aktenzeichen: 312 O 853/07

(LG Hamburg: Urteil v. 11.03.2008, Az.: 312 O 853/07)

Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 29.11.2007 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden wie folgt verteilt: Die Antragsgegnerin hat 7/27 der Kosten des Erlassverfahrens nach einem Streitwert von 675.000 € zu tragen, 20/27 fallen der Antragstellerin zur Last; die Kosten des Widerspruchsverfahrens nach einem Streitwert von 375.000 € haben die Antragstellerin zu 8/15 und die Antragsgegnerin zu 7/15 zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien stellen her und vertreiben Medikamente gegen Osteoporose. Das Präparat der Antragsgegnerin ist B., welches als Tabletten und als Injektionslösung erhältlich und zugelassen ist zur Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen mit erhöhtem Frakturrisiko.

Die Antragsgegnerin warb im Jahr 2007 mit zwei Abgabekarten, die als Anlagen I und II vorliegen, sowie zwei Mailings, die als Anlagen III und IV vorliegen, gegenüber Ärzten für ihre B.-Präparate B. 150 mg Filmtabletten und B. 3 mg Injektionslösung.

Auf der Karte gemäß Anlage II €Bei postmenopausaler Osteoporose€ hieß es im Innenteil unter der Überschrift €Die Quartalsspritze B.® i.v. Einfache Anwendung€ unter den 4. von 5 Beispielspunkten: € Kein routinemäßiges Nierenmonitoring* erforderlich .€ Diese Aussage ist bezogen auf das Präparat B. und alle anderen Osteoporose-Präparate unstreitig sachlich richtig. Nieren-Monitoring ist die Beobachtung der Nierenfunktion während des Verlaufs der Behandlung. Nicht gemeint ist eine Eingangsuntersuchung zur Abklärung, ob Nierenfunktionsstörungen vorliegen. Das Sternchen hinter dem Wort Nierenmonitoring wird auf derselben Seite der Werbekarte erläutert mit € Patienten, die Nierenerkrankungen haben oder Arzneimittel nehmen, die potenziell Nebenwirkungen auf die Niere haben können, sollten regelmäßig überwacht werden€.

In dem Mailing gemäß Anlage IV €Zur Therapie der postmenopausalen Osteoporose 1 Injektion, 1 x pro Quartal€ heißt es auf dem Untergrund eines roten Ovals, in dem der Text in weißer Schrift steht: Hohe Response. Nach einem Jahr sprechen 92,1% der Patientinnen auf die Therapie an¹ . Die Fußnote 1) ist auf der Umseite aufgelöst mit dem Text Delmas et al., Arthr & Rheum 2005, 54: 1838-1846 . E in Responder ist definiert als eine Patientin mit einem Anstieg oder einer gleich bleibenden MBD an der LWS nach einem Jahr im Vergleich zum Studienstart . Auf diese Quellenangabe weisen die Worte €Quelle: Bitte wenden€, die unter dem roten Oval in dunkelblauer Schrift auf hellblauem Grund stehen, hin.

Die Antragstellerin meint, es liege mit der Angabe € Kein routinemäßiges Nierenmonitoring erforderlich€ ein Verstoß gegen § 3 HWG i.V.m. §§ 4 Nr. 11, 3, 8 I UWG vor, weil bei keinem Osteoporose-Präparat ein routinemäßiges Nierenmonitoring erforderlich sei und deshalb mit Selbstverständlichkeiten geworben werde. Die Erläuterung in der mit * gekennzeichneten Fußnote entspreche nicht der Fachinformation. Die Aussage €Hohe Response. Nach einem Jahr sprechen 92,1% der Patientinnen auf die Therapie an¹€ im dargestellten Zusammenhang hält sie für einen Verstoß gegen § 3 II Nr. 1 HWG. Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass unter Response (= Therapieantwort) im Bereich der Osteoporose das Nichtauftreten von Frakturen verstanden werde, hingegen nicht der Knochendichtezuwachs. Die Aussage in dem Mailing beziehe sich laut Quellenangabe aber auf Therapieerfolge bei der Knochendichte.

Die Antragstellerin hat ihre ursprünglich gestellten Anträge 1) a) aa) und bb) sowie 2) b) cc) vor Erlass der einstweiligen Verfügung am 29.11.2007 zurückgenommen.

Die Kammer hat der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung vom 29.11.2007 verboten,

das Präparat B. ® 3 mg Injektionslösung in einer Fertigspritze mit folgenden Aussagen zu bewerben:

a) €kein routinemäßiges Nierenmonitoring erforderlich€, wenn dieses geschieht wie auf der Abgabekarte €B. ® -bei postmenopausaler Osteoporose€ gemäß Anlage II€;

und/oder

b) €Hohe Wirksamkeit: Nach drei Jahren: 62 % vertebrale und 69 % nicht-vertebrale Frakturrisikoreduktion, wenn dieses geschieht wie in dem Mailing €Die Quartalsspritze B. ® -i.v. Injektion€ gemäß Anlage III€;

und/oder

c) €Hohe Response - nach einem Jahr sprechen 92,1 % der Patientinnen auf die Therapie an, wenn dieses geschieht wie in dem Mailing €Die Quartalsspritze B. ® -i.v. Injektion€ gemäß Anlage IV€.

Gegen die Verbote a) und c) richtet sich noch der Widerspruch der Antragsgegnerin, nachdem die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2008 einen Teilvergleich geschlossen haben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 29.11.2007 hinsichtlich der Punkte a) und c) aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt

Bestätigung der einstweiligen Verfügung vom 29.11.2007 in den Punkten a) und c).

Zu Verbot a) macht die Antragsgegnerin geltend, dass die Fachkreise die Aussage so verstehen, dass routinemäßige Nieren-Überwachung nicht erforderlich ist, was auch richtig sei. Zum Hintergrund trägt die Antragsgegnerin vor, dass bei den so genannten intravenösen Bisphosphonaten wie z.B. B...nat (Anlage AG 1) und P...nat (Anlage AG 2), die in der Onkologie eingesetzt würden, die regelmäßige Überprüfung der Nierenfunktion angezeigt sei, was den Fachkreisen bekannt sei. Da zu diesen intravenösen Bisphosphonaten auch die Ibandronsäure, der Wirkstoff von B. 3 mg, bei dem allerdings die regelmäßige Nierenüberwachung nicht nötig sei, gehöre, müsste einem aus der Onkologie rührenden Vorurteil der Fachkreise entgehen gewirkt werden. Aus der Fachinformation (Anlage AS 3, Ziffer 4.4) ergebe sich, dass routinemäßige Nierenüberwachung bei B. nicht nötig sei, sondern nur bei Patienten mit Begleiterkrankungen oder solchen, die potentiell nierenschädigende Medikamente einnehmen.

Die Antragstellerin hat dazu repliziert, dass es ausgeschlossen sei, dass die beteiligten Fachkreise Rückschlüsse aufgrund der Zugehörigkeit des Wirkstoffs zu den so genannten intravenösen Bisphosphonaten ziehen könnten, da die beteiligten Fachkreise in der Onkologie und Osteoporose-Behandlung unterschiedliche seien und der Zusammenhang der Werbeaussagen in Anlage II sich nur auf die Osteoporose-Therapie beziehe.

Zu Verbot c) meint die Antragsgegnerin, ihre Angaben seien richtig und es sei deutlich, dass die Zahlen sich auf Therapieerfolge bei Knochendichtemessungen bezögen. Der Maßstab Knochendichtemessungen sei schließlich auch in der Fachinformation herangezogen worden.

Die Antragstellerin hat dagegen repliziert, die Response-Werbung beziehe sich auf das Frakturrisiko, von Knochenmineraldichte sei nicht die Rede, daher sei sie irreführend. Die Nennung der Zahl 92,1% allein lasse den Arzt an die Reduktion von Frakturrisiken denken, weil Knochendichtewerte sich zwischen 4 und 6% bewegten. Weiter bezieht sich die Antragstellerin auf die Leitlinien des Dachverbandes Osteoporose (DVO), nach denen Knochendichtemessungen zur Abschätzung des medikamentösen Therapieerfolges nur bedingt geeignet sind. Zur Glaubhaftmachung bezieht sie sich weiter auf die Studienergebnisse Cefalu , nach denen €keine lineare Korrelation€ zwischen der Veränderung des T-Scores der Knochendichte als Ergebnis einer Osteoporose-Therapie und der Reduktion des Frakturrisikos€ bestehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2008 verwiesen.

Gründe

Der Widerspruch der Antragsgegnerin ist, soweit über ihn noch zu entscheiden ist, zulässig und begründet.

Die einstweilige Verfügung war hinsichtlich des Verbotes a) aufzuheben, weil die Antragsgegnerin in erheblicher Weise deutlich gemacht hat, dass die Werbeaussage € Kein routinemäßiges Nierenmonitoring erforderlich€ in der vorliegenden Konstellation weder eine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit noch sonst irreführend ist, so dass kein Verstoß gegen § 3 HWG vorliegt.

Die Aussage € Kein routinemäßiges Nierenmonitoring*€ erforderlich ist zunächst sachlich richtig und daher nicht als falsche Sachinformation irreführend. Denn unstreitig ist bei der Gabe von intravenösen Bisphosphonaten wie z.B. B...nat und P...nat, die in der Onkologie eingesetzt werden, die regelmäßige Überprüfung der Nierenfunktion angezeigt. Ebenso unstreitig gehört der Wirkstoff von B. 3 mg, die Ibandronsäure, zu diesen intravenösen Bisphosphonaten, wobei bei B. 3 mg trotz der Zugehörigkeit zur Wirkstoffgruppe die regelmäßige Nierenüberwachung nicht nötig ist. Die Angaben unter dem *, nämlich: Patienten, die Nierenerkrankungen haben oder Arzneimittel nehmen, die potenziell Nebenwirkungen auf die Niere haben können, sollten regelmäßig überwacht werden, entsprechen der Fachinformation zu B. 3 mg Injektionslösung (Anlage AS 3, S. 1, mittlere Spalte, Punkt 4.4, 5. Absatz) und sind sachlich zutreffend in der Werbekarte Anlage II als Angabe zur B. 3 mg Injektionslösung wiedergegeben worden.

Eine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit liegt nicht vor. Die Aussage € Kein routinemäßiges Nierenmonitoring* erforderlich€ ist nicht geeignet, bei einem erheblichen Teil der maßgeblichen Verkehrskreise einen unrichtigen Eindruck zu erwecken. Auch wenn alle anderen Osteoporose-Medikamente ein routinemäßiges Nierenmonitoring nicht erfordern, kann die Aussage nicht den unrichtigen Eindruck eines besonderen Vorzugs hervorrufen. Denn die Angabe stellt klar, dass das Präparat trotz des enthaltenen Wirkstoffs Ibandronsäure, der zu den intravenösen Bisphosphonaten gehört, kein routinemäßiges Nierenmonitoring erfordert. Die Kammer geht davon aus, dass die beteiligten Ärzte aus ihrer umfassenden medizinischen Ausbildung über Hintergrundkenntnisse zu Wirkstoffgruppen wie den intravenösen Bisphosphonaten verfügen und dies außerhalb von Spezialisierungen bzw. über diese hinaus. Dass Osteoporose-Spezialisten und andere Ärzte, wie z.B. Allgemeinmediziner und Internisten, die die Behandlung von Osteoporose-Patienten übernehmen, über diese Kenntnisse nicht verfügen sollten, ist nicht ersichtlich. Die Werbeaussage € Kein routinemäßiges Nierenmonitoring erforderlich€ ist diesen Kreisen gegenüber eine Klarstellung, die das Osteoporose-Präparat mit dem Wirkstoff Ibandronsäure gegenüber onkologischen Präparaten mit demselben Wirkstoff abgrenzt. Diese Klarstellung ist auch deshalb nicht eine Werbung mit einer Selbstverständlichkeit, weil das Präparat B. 3 mg Injektionslösung mit dem Wirkstoff Ibandronsäure erst seit Ende März 2006 zugelassen ist, während die intravenösen Bisphosphonate in der Onkologie schon seit langem verwendet werden. Auch von daher ist die Information € Kein routinemäßiges Nierenmonitoring erforderlich€ zu diesem Präparat nicht selbstverständlich, wenn auch alle anderen Osteoporose-Präparate das routinemäßige Nierenmonitoring nicht erfordern.

Das Verbot c) war aufzuheben, da die Antragsgegnerin die Prämisse, die die Antragstellerin gesetzt hat und von der auch die Kammer bei Erlass der einstweiligen Verfügung ausgegangen ist, nämlich dass unter €Response€ auf Osteoporose-Behandlung die Vermeidung von Brüchen, also die Minderung des Frakturrisikos zu verstehen ist, erheblich erschüttert hat. Ein Verstoß gegen § 3 II Nr. 1 HWG ist damit nicht mehr erkennbar.

Die Antragsgegnerin macht zu Recht geltend, dass auch die Erhöhung der Knochendichte eine Therapieantwort auf die Behandlung von Osteoporose € auch genannt Knochenschwund - ist. Dafür spricht, dass die Fachinformation von B. 3 mg Injektionslösung (Anlage AS 3) im Kapitel 5 €Pharmakologische Eigenschaften€ unter €Klinische Wirksamkeit€ die Entwicklung der Knochenmineraldichte [€BMD€] auswertet und erwähnt: €Nach 1 Jahr Behandlung zeigten 92,1% der Patienten, die alle 3 Monate 3 mg intravenös erhielten, einen Anstieg oder eine gleich bleibende BMD der Lendenwirbelsäule (d.h. sprachen auf die Behandlung an [...]€ (S. 4 der Fachinformation, Anlage AS 3, linke Spalte, letzter Absatz). Hinzu kommt, dass das so genannte Mailing, Anlage IV, die Worte €Fraktur€ oder €Frakturrisiko€ nicht enthält. Auch von Knochenbrüchen ist nicht die Rede. Die streitgegenständliche Aussage ist mit einer Fußnote erläutert, die klar stellt, dass ein Responder eine Patientin ist, deren BMD an der LWS unter der Behandlung gleich bleibt oder ansteigt. Dies ist für die beteiligten Fachkreise verständlich, die Aussage stimmt mit der Fachinformation überein, eine Irreführung ist nicht erkennbar. Auch dass die Fachkreise bei der Erwähnung der Osteoporose im Zusammenhang mit €Response€ sofort die Reduzierung des Frakturrisikos assoziieren, ist nicht ersichtlich. Schließlich kann auch aus der Ähnlichkeit der Gestaltung von Anlage III und Anlage IV nicht auf eine solche Assoziation geschlossen werden. Beide Mailings wurden, wie die mündliche Verhandlung am 26.02.2008 ergeben hat, getrennt voneinander und mit zeitlichem Abstand verschickt. Dass im Mailing Anlage III an derselben Stelle des Layouts auf die Reduktion des Frakturrisikos abgestellt wurde, an der im Mailing Anlage IV die €Response€ mit 92,1% bewertet wurde, reicht nach Auffassung der Kammer daher nicht aus, um von einer Irreführung der Empfänger dahingehend, dass sie nun unter €Response€ die Therapieantwort im Sinne von Reduzierung des Frakturrisikos verstehen müssten, auszugehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO sowie auf dem Teilvergleich aus der mündlichen Verhandlung vom 26.02.2008. Die Antragsgegnerin hat zu Verbot b) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, die die Antragstellerin angenommen hat, den Antrag b) hat sie für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat die Kosten der auf Antrag b) bezogenen Kosten des Verfahrens übernommen. Die Kammer hat den Anträgen/Verboten a) und c) einen Gegenstandswert von jeweils 100.000,--€ und dem Antrag b) von 175.000,--€ zugrunde gelegt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.






LG Hamburg:
Urteil v. 11.03.2008
Az: 312 O 853/07


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