Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Oktober 2005
Aktenzeichen: 33 W (pat) 341/02
(BPatG: Beschluss v. 14.10.2005, Az.: 33 W (pat) 341/02)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Juli 2002 aufgehoben.
2. Wegen des Widerspruchs aus der Marke 300 46 592 wird die Löschung der Marke 300 50 661 angeordnet.
Gründe
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Dienstleistungen
"35: Organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung von Immobilienfirmen und Maklern bei der Vermarktung ihrer Objekte, insbesondere über das Internet; 36: Immobilienwesen; 38: Dienstleistungen für die Immobilienwirtschaft sowie für die EDV-Wirtschaft in Verbindung mit dem Medium Internet, nämlich Sammeln und Bereitstellen von Informationen, Texten, Zeichnungen und Bildern über Waren und Dienstleistungen zur Nutzung in Internetdatenbanken"
registrierten Marke 300 50 661 aufgrund der für die Waren und Dienstleistungen
"09: Elektrische, elektronische, optische Mess-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/ oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel); 35. Werbung und Geschäftsführung; 36: Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; 38: Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen; 39: Transport- und Lagerwesen; 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; Organisation von sportlichen und kulturellen Veranstaltungen; Veröffentlichung und Herausgabe von Büchern, Zeitschriften und anderen Druckerzeugnissen sowie entsprechenden elektronischen Medien (einschließlich CD-ROM und CD-I); 42: Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Dienstleistungen einer Datenbank, nämlich Vermietung der Zugriffszeiten zu und Betrieb von Datenbanken sowie Sammeln und Liefern von Daten, Nachrichten und Informationen; Vermietung von Datenverarbeitungseinrichtungen und Computern; Projektierung und Planung von Einrichtungen für die Telekommunikation"
am 10. November 2000 eingetragenen Marke 300 46 592 am 11. April 2001 Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 36 hat den Widerspruch durch Beschluss vom 26. Juli 2002 zurückgewiesen und ausgeführt, dass keine Verwechslungsgefahr im Sinne der § 42 Abs 2, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bestehe. Trotz teilweiser Identität der Dienstleistungen werde der zwischen den Marken erforderliche Abstand eingehalten. Zu berücksichtigen sei in diesem Zusammenhang die eingeschränkte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke. Diese setze sich aus stark benutzten und damit verbrauchten Elementen zusammen, die noch dazu in direkter begrifflicher Verbindung zu den Dienstleistungen im Ähnlichkeitsbereich stünden; so weise das Haus auf die thematische Verknüpfung der Dienstleistungen mit Immobilien und die Gestaltung nach Art des "@"-Zeichens auf einen Bezug zum Internet hin. Zwischen den Marken selbst bestehe nur eine geringe Ähnlichkeit. Beide Marken seien reine Bildmarken, die grafische Gestaltungen verwendeten, die als abgegriffen und verbraucht anzusehen seien. Dies habe zur Folge, dass die Marken sich gerade in der besonderen Art der Darstellung nahe kommen müssten. Das Individuelle der Widerspruchsmarke liege in der Verwendung eines schwarzen Kreises als Grundfläche und in der besonderen Gestaltung des wiedergegebenen Haus. Die angegriffene Marke weise diese Gestaltungsmerkmale nicht auf, für sie sei die minimalistische Darstellung des Hauses charakteristisch.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Diese trägt vor, dass das Widerspruchszeichen gerade eine vollkommen neuartige fantasievolle und gestaltungskräftige Zeichnung sei, die in dieser Form, wenn man auf den Gesamteindruck abstelle, bisher im Verkehr noch nicht häufig vorkomme. Der Verkehr achte gerade wegen des "@"-Zeichens sehr stark auf Abweichungen dieser Zeichen und nehme sie als eigenartige neue Gestaltungsformen auf.
Der Gesamteindruck der Zeichen werde durch die Kombination eines Hauses in der Gestaltungsform nach Art eines Klammeraffenzeichens bestimmt. Die Zeichnung des Hauses unterscheide sich jeweils nur geringfügig voneinander. Unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass Übereinstimmungen stärker im Erinnerungsbild haften blieben, als die Abweichungen, sei davon auszugehen, dass der Verkehr die Zeichen miteinander verwechsle.
Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaber haben sich im Verfahren vor dem Bundespatentgericht nicht geäußert. Im Verfahren vor der Markenstelle haben sie ausgeführt, dass von einer Dienstleistungsidentität nicht ausgegangen werden könne. Die ältere Marke sei ausdrücklich schwerpunktmäßig auf die Bereiche Telekommunikation, Funk und Fernsehen sowie Versicherungs- und Finanzwesen ausgerichtet. Der Schutz der angegriffenen Marke erstrecke sich ausschließlich auf die Dienstleistungen der Immobilienwirtschaft im Bereich des Mediums Internet. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei geschwächt, da lediglich abgegriffene und verbrauchte Motive wie "der Klammeraffe" bzw ein Haus verwendet würden. Sämtliche individuelle Einzelheiten des Motivs wichen voneinander ab, so dass eine Verwechslungsgefahr nicht bejaht werden könne.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Der Senat hält die Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke für gegeben.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüber stehenden Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfassten Dienstleistungen ab, wobei von dem Fall eines durchschnittlich informierten aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist (BGH GRUR Int 1999, 734 - Lloyd; BGH GRUR 2000, 506 - ATTACHE / TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbesondere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO - ATTACHE / TISSERAND; GRUR 1999, 995 - Honka). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so dass zB ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw. durch einen höheren Grad an Dienstleistungsähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr vgl BGH GRUR 2000, 603 - Cetof / ETOP). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.
1. Nachdem Benutzungsfragen hier nicht einschlägig sind, ist für die Frage der Ähnlichkeit der Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen. Die in der Klasse 35 beanspruchten Dienstleistungen "organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung von Immobilienfirmen ..." sind in dem Oberbegriff "Geschäftsführung" der Widerspruchsmarke enthalten. Die Dienstleistung "Immobilienwesen" (Klasse 36) findet sich in beiden Dienstleistungsverzeichnissen. Auch die "Dienstleistungen für die Immobilienwirtschaft sowie für die EDV-Wirtschaft in Verbindung mit dem Medium Internet, nämlich Sammeln und Bereitstellen von Informationen, Texten, Zeichnungen und Bildern über Waren und Dienstleistungen zur Nutzung in Internetdatenbanken" sind jedenfalls hinsichtlich der technischen Aspekte in der Dienstleistung "Telekommunikation" in der Widerspruchsmarke enthalten. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die tatsächliche Benutzung der Marke. Für die Frage der Dienstleistungsähnlichkeit bzw -identität ist allein die Registerlage maßgeblich.
2. Der Senat legt seiner Beurteilung eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke von Haus aus zu Grunde. Zwar ist sowohl das Klammeraffenzeichen @ als auch ein Haus im Zusammenhang mit den hier einschlägigen Dienstleistungen, insbesondere auf dem Gebiet des Immobilienwesens, als verbraucht anzusehen. Die Verbindung beider Elemente zu einem neuen Bildzeichen konnte der Senat jedoch bei seinen Recherchen - auch im Falle der Verwendung anderer Motive als eines Hauses - nur vereinzelt nachweisen. Aus diesem Grunde gibt es keine Anhaltspunkte für eine Schwächung der Bildmarke in ihrer Gesamtheit.
3. Die sich gegenüber stehenden Bildmarken sind zwar nicht identisch, enthalten jedoch so erhebliche Übereinstimmungen, dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise - hier neben Fachkreisen auch das allgemeine Publikum - sie nicht sicher auseinander halten wird.
Übereinstimmender Bestandteil beider Marken ist dabei der "äußere Ring" des Klammeraffenzeichens, der in seinem Inneren unmittelbar in die Gestaltung eines Hauses übergeht. Die Marken unterscheiden sich dadurch, dass das Haus in der angegriffenen Marke lediglich stark vereinfacht und schematisch aus vier Strichen gebildet ist, während das Haus in der angegriffenen Marke vollkommen ausgestaltet ist. Ein weiterer Unterschied besteht in der Farbgestaltung dahingehend, dass die Widerspruchsmarke aus einem schwarzen Kreis besteht, auf dem sich in Weiß die bildliche Gestaltung befindet. Die angegriffene Marke wiederum enthält eine diagrammartige Darstellung des mit einem Klammeraffen verbundenen Hauses auf weißem Grund.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang jedoch auch der Erfahrungssatz, dass die Übereinstimmungen bei den angesprochenen Verkehrskreisen grundsätzlich stärker im Erinnerungsbild haften, als die Abweichungen (BGH GRUR 1999, 855 - monoflam / polyflam). Gerade die Verbindung des @ mit einem Haus ist der eigentümliche Aussagegehalt beider Marken und wird so auch den angesprochenen Verkehrskreisen in Erinnerung bleiben, ohne dass die dabei bestehenden Abweichungen in der konkreten Ausgestaltung ausreichend präsent bleiben werden.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlass aus Gründen der Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.
Winkler Kätker Dr. Hock WA
BPatG:
Beschluss v. 14.10.2005
Az: 33 W (pat) 341/02
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