Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 9. Februar 2010
Aktenzeichen: 4 U 185/09
(OLG Hamm: Urteil v. 09.02.2010, Az.: 4 U 185/09)
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 05. August 2009 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum abgeändert.
I.
Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Ge-richt festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzwei-se Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, wörtlich oder sinngemäß, mit den nachfolgenden Aussagen
Kundenspezifisches Design. Die Lösung eines Wettbewerbers besteht aus einem großen Rahmen mit eingebauten Kraftaufnehmern, die um die Welle herum angebracht sind. Dies ist eine instabile Lösung, die komplizierter und kostspieliger ist und das Problem der Nullpunktdrift, hervorgerufen durch Axialkräfte auf die Bandzugmessgeber, nicht befriedigend löst. Die Nullpunktsänderungen bei den Kraftaufnehmern zeigen das typische Sägezahnmuster bei Temperaturänderungen, die auf axiale Krafteinflüsse aufgrund der thermischen Ausdehnung zu-rückzuführen sind.,
zu werben, wenn dies geschieht wie im ArtikelErhöhte Bandqualität für Kontiglühlinien in der Ausgabe Nummer 6/2008 der Fachzeitschrift T (Anlage 1),
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter Ziff. I. 1 bezeichneten Angaben gemacht hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Werbemaßnahmen.
II.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend unter Ziff. I.1 bezeichneten Angaben entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
III.
Die Beklagte wird ferner verurteilt, an die Klägerin 2.118,44 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 11.11.2008 zu zahlen.
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 150.000,- EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
A.
Beide Parteien vertreiben mess- und wägetechnische Systeme u. a. für die Bereiche Stahlherstellung und Stahlbearbeitung. Die Beklagte gehört zu dem weltweit tätigen B3 Konzern. Die Beklagte fertigte für eine belgische Firma (T2) eine Systemlösung im Bereich der Bandzugmessung , die sodann von der B GmbH in Deutschland geliefert wurde.
In der Ausgabe 6/2008 der Fachzeitschrift T wurde unter der Überschrift "Erhöhte Bandqualität für Kontiglühenlinien" ein Artikel veröffentlicht, der u. a. Ausführungen zu dem im Stahlwerk T2 eingesetzten Produkt machte. Verfasser des Aufsatzes ist ein Herr P, der für die Beklagte tätig ist. Unter dem Beitrag ist nochmals der Name des Verfassers genannt mit dem Zusatz "B3, Schweden". Der Beitrag enthält u. a. die folgenden Ausführungen:
"Kundenspezifisches Design. Die Lösung eines Wettbewerbers besteht aus einem großen Rahmen mit eingebauten Kraftaufnehmern, die um die Welle herum angebracht sind. Dies ist eine instabile Lösung, die komplizierter und kostspieliger ist und das Problem der Nullpunktdrift, hervorgerufen durch Axialkräfte auf die Bandzugmessgeber, nicht befriedigend löst. Die Nullpunktsänderungen bei den Kraftaufnehmern zeigen das typische Sägezahnmuster bei Temperaturänderungen, die auf axiale Krafteinflüsse aufgrund der thermischen Ausdehnung zurückzuführen sind".
Hinsichtlich der Einzelheiten und des Gesamtzusammenhangs wird auf den in Kopie vorgelegten Artikel (Anl. 1 zur Klageschrift, Bl. 24 f.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, mit dem Beitrag werde für die maßgeblichen Kundenkreise ohne weiteres erkennbar auf das von ihr vertriebene Messsystem angespielt. Die getroffenen Aussagen, wonach dieses System von ihr instabiler, komplizierter oder kostspieliger sei als das standardisierte System der Beklagten, seien unzutreffend. Der Beitrag sei als Werbung zu qualifizieren. Es handele sich nicht um einen rein redaktionellen Beitrag. Die Klägerin hat diese Werbung als nach § 6 I, II Nr. 5 UWG, §§ 5 III, II Nr. 1 i.V.m. § 6 I UWG und § 4 Nr. 8 UWG verbotswidrig angesehen.
Die Klägerin hat beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen, 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, wörtlich oder sinngemäß, mit den nachfolgenden Aussagen "Kundenspezifisches Design. Die Lösung eines Wettbewerbers besteht aus einem großen Rahmen mit eingebauten Kraftaufnehmern, die um die Welle herum angebracht sind. Dies ist eine instabile Lösung, die komplizierter und kostspieliger ist und das Problem der Nullpunktdrift, hervorgerufen durch Axialkräfte auf die Bandzugmessgeber, nicht befriedigend löst. Die Nullpunktsänderungen bei den Kraftaufnehmern zeigen das typische Sägezahnmuster bei Temperaturänderungen, die auf axiale Krafteinflüsse aufgrund der thermischen Ausdehnung zurückzuführen sind.", zu werben, wenn dies geschieht wie im Artikel "Erhöhte Bandqualität für Kontiglühlinien" in der Ausgabe Nummer 6/2008 der Fachzeitschrift T(Anlage 1). 2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter Ziff. 1 bezeichneten Angaben gemacht hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Werbemaßnahmen.
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend unter Ziff. I.1 bezeichneten Angaben entstanden ist und künftig noch entstehen wird. III. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.118,44 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 11.11.2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben, weil die behaupteten Verstöße im Zeitpunkt der Klageerhebung am 12.12.2008 bereits mehr als 6 Monate zurücklägen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin unmittelbar nach Veröffentlichung des Beitrags im Juni 2008 erstmals Kenntnis hiervon erlangt habe. In der Sache werde bestritten, dass die Produkte der Klägerin identifizierbar seien. Die Beklagte hat sodann gemeint, es handele sich nicht um Werbung im Sinne des UWG, sondern um einen redaktionellen Beitrag in der führenden Fachzeitschrift der betroffenen Branche. Die Aussagen der Kundin zu den Erfahrungen im konkreten Projekt seien korrekt wiedergegeben worden. Tatsächlich seien die Messungen im Rahmen der Tests des Produktes der Klägerin im Werk T2 ungenauer und weniger leistungsstark gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass keine vergleichende Werbung im Sinne des § 6 UWG vorliege. Werbung sei nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich unbeweglicher Sachen, Rechte und Verpflichtungen zu fördern, wobei ein funktioneller Zusammenhang mit einer eigenen oder fremden unternehmerischen Tätigkeit bestehen müsse. Die von einem Privaten, wenngleich in Wettbewerbsförderungsabsicht betriebene Werbung falle nicht darunter. Vorliegend habe die Beklagte den Artikel nicht selbst verfasst, sondern lediglich einer ihrer Mitarbeiter. Allein der Umstand, dass hinter dem Namen des Mitarbeiters der Zusatz "B3, Schweden" angefügt sei, führe nicht dazu, dass die angesprochenen Leserkreise davon ausgingen, dass der Beitrag der Beklagten zuzurechnen sei. In technischen Fachzeitschriften sei es nicht unüblich, dass der Verfasser angebe, in welcher Firma er tätig sei. Dies führe jedoch nicht dazu, dass der Beitrag der Beklagten als Verfasserin zuzurechnen sei. Es sei davon auszugehen, dass der Beitrag für die Leser erkennbar von Herrn P als Privatmann verfasst worden sei. Im Übrigen handele es sich um einen redaktionellen Beitrag und nicht um einen Werbebeitrag, für den Herr P sich auf die durch Art. 5 GG garantierte Meinungs- und Pressefreiheit berufen könne. Allein der Umstand, dass kritische Äußerungen bezüglich des Produkts eines Wettbewerbers in dem Beitrag enthalten seien, führe zu keiner anderen Beurteilung. Da es sich jedenfalls nicht um einen der Beklagten zurechenbaren Werbebeitrag handele, sei die Klage abzuweisen, ohne dass die weiteren aufgeworfenen Fragen, insbesondere die Frage der Erkennbarkeit der Produkte der Klägerin und der Richtigkeit der getroffenen Aussagen, vertieft werden müssten.
Die Klägerin wehrt sich hiergegen mit der von ihr eingelegten Berufung. Sie beanstandet zunächst, dass die Auffassung des Landgerichts, dass es sich hier um einen redaktionellen Beitrag eines Privatmanns gehandelt habe, vollkommen überraschend sei. Selbst die Beklagte sei nicht davon ausgegangen, dass Herr P den Beitrag als Privatmann verfasst habe. Das wettbewerbswidrige Verhalten der Beklagten sei vielmehr im Zusammenspiel der drei Gesellschaften B4, Schweiz, B2 GmbH, N, Deutschland, und der Beklagten erfolgt. So sei auch über die Internetseite *Internetadresse1* ein Datenblatt (Bl. 188) mit dem Namen "B5" abrufbar gewesen, in dem die streitgegenständlichen Äußerungen getätigt worden seien. Die B4, die Betreiberin der Internetseite des B3-Konzerns sei, habe mit Schreiben vom 14.11.2008 eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Auch im Verfügungsverfahren gegen die B2 GmbH - Az. 13. O 252/08 - habe das Landgericht im Termin vom 10.12.2008 im Rahmen der rechtlichen Erörterung zu erkennen gegeben, dass es sich bei dem vorliegenden Artikel nicht nur um einen redaktionellen Beitrag handeln würde, sondern um Werbung, die auch wettbewerbswidrig im Sinne des UWG sei. Hier habe sich die B2 GmbH im Wege des Vergleichs strafbewehrt verpflichtet, diese Bewerbung zu unterlassen. Darüber hinaus sei die B2 GmbH im Wege des Anerkenntnisurteils vom 19.05.2009 verurteilt worden, die vorprozessualen Abmahnkosten zu dem dortigen Verfügungsverfahren in Höhe von 2.118,44 € an die Klägerin zu zahlen. Die nunmehrige Rechtsauffassung des Landgerichts sei unzutreffend. Ein redaktioneller Beitrag liege nicht vor. Denn der redaktionelle Beitrag der Zeitschrift T habe sich oberhalb des streitgegenständlichen Artikels von Herrn P befunden und sei durch eine durchgezogene Linie hiervon getrennt gewesen. Es handele sich hierbei auch nicht um einen wissenschaftlichen Beitrag, der über die durch Art. 5 GG garantierte Meinungs- und Pressefreiheit gerechtfertigt werden könne. Insoweit fehle es bereits an der notwendigen Unabhängigkeit, weil der als Autor fungierende Herr P unstreitig und erkennbar Mitarbeiter der schwedischen Konzerngesellschaft des B3-Konzerns sei. Darüber hinaus würden keine wissenschaftlichen Messrahmen, keine aussagekräftigen, sachlichen und überprüfbaren Bewertungskriterien angegeben, welche die inkriminierten Aussagen des Artikels rechtfertigen könnten. Der Anschein der Wissenschaftlichkeit werde auch nicht dadurch erreicht, dass technische Daten des CAPL-Ofenbereichs angegeben würden. Der Umstand, dass hinter dem Namen des Mitarbeiters der Zusatz "B3, Schweden" angefügt sei, spreche gerade dafür, dass hier der Mitarbeiter nicht als Privatperson gehandelt habe, sondern im Auftrage seines Arbeitgebers, zumal die Zeitschrift T kein Forum für private Äußerungen biete, sondern sich über Annoncen der Unternehmen finanziere, um den Unternehmen der Branche ein Forum zu bieten und um über deren Produkte und Entwicklungen zu berichten. Entscheidend gegen eine private Äußerung des Mitarbeiters P spreche der Umstand, dass unmittelbar über der Nennung des Mitarbeiters und der Beklagten auch noch die geschäftliche eMail-Kontaktadresse des Herrn I *Internetadresse2* angegeben worden sei. Diese Angabe habe erkennbar ausschließlich den Zweck, den deutschsprachigen Kunden die unproblematische Kontaktaufnahme zu dem Vertriebsunternehmen des deutschen Teils des B3-Konzerns für das beworbene Produkt zu ermöglichen. Bei einem Artikel eines Privatmanns sei die Angabe der geschäftlichen Kontaktadresse nicht erforderlich. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Werbeaussagen des Artikels zu dem Gesamtkonzept der Marketingmaßnahme des B3-Konzerns gehörten, der über die anderen Gesellschaften mit gleichgelagerter Aussage die Produktanwendung zu T2 zu Werbezwecken beworben habe. Bei dem Artikel handele es sich keineswegs um die Äußerung eines Privaten, sondern um eine getarnte Werbung der Beklagten zur Absatzförderung. Gerade die vermeintlich positiven Äußerungen von Dritten, hier des Kunden, ohne kritische Distanz und Bewertung der Beklagten führe dazu, dass der Verkehr zugleich über geschäftliche Verhältnisse irregeführt werde. Die Einrede der Verjährung der Beklagten sei schließlich unbegründet, da Klageerhebung nach Erscheinen der Ausgabe Juni 2008 unzweifelhaft vor Ablauf des 6-Monatszeitraums gewesen sei.
Die Klägerin beantragt unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils,
I. die Beklagte zu verurteilen, 1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken, wörtlich oder sinngemäß, mit den nachfolgenden Aussagen "Kundenspezifisches Design. Die Lösung eines Wettbewerbers besteht aus einem großen Rahmen mit eingebauten Kraftaufnehmern, die um die Welle herum angebracht sind. Dies ist eine instabile Lösung, die komplizierter und kostspieliger ist und das Problem der Nullpunktdrift, hervorgerufen durch Axialkräfte auf die Bandzugmessgeber, nicht befriedigend löst. Die Nullpunktsänderungen bei den Kraftaufnehmern zeigen das typische Sägezahnmuster bei Temperaturänderungen, die auf axiale Krafteinflüsse aufgrund der thermischen Ausdehnung zurückzuführen sind.", zu werben, wenn dies geschieht wie im Artikel "Erhöhte Bandqualität für Kontiglühlinien" in der Ausgabe Nummer 6/2008 der Fachzeitschrift T (Anlage 1). 2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die vorstehend unter Ziff. I. 1 bezeichneten Angaben gemacht hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der Werbemaßnahmen.
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser durch die vorstehend unter Ziff. I.1 bezeichneten Angaben entstanden ist und künftig noch entstehen wird. III. die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.118,44 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten seit dem 11.11.2008 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Sie weist darauf hin, dass die zahlreichen von der Klägerin initiierten Verfahren von den Gesellschaften des B3-Konzerns stets und ausschließlich im Vergleichswege beendet worden seien, um ein Eskalieren der Angelegenheit zu verhindern. Es sei in allen Verfahren vorgetragen gewesen, warum der Unterlassungsanspruch nicht als gegeben angesehen worden sei. Es habe sich bei der streitgegenständlichen Äußerung um einen redaktionellen Beitrag und nicht um eine Werbemaßnahme i.S.v. § 6 UWG gehandelt. Das Landgericht stelle sodann richtigerweise fest, dass durch die Klägerin keine ausreichenden Belege für ein der Beklagten zuzurechnendes Handeln vorgelegt worden seien und dass von einem privaten Handeln des Mitarbeiters auszugehen sei. Das Vorbringen der Klägerin, dass die E-Mail-Adresse *Internetadresse2* als Kontaktadresse für ihre Haftung sprechen solle, genüge nicht. Es sei auch lebensfremd, die beiden Teile des Artikels als getrennte Veröffentlichungen anzusehen. Vielmehr handele es sich bei dem vorangestellten Text um eine Zusammenfassung des nachfolgenden Artikels, welche darauf gerichtet sei, das Interesse der Leser zu wecken und ihnen einen ersten Überblick über den Inhalt des Artikels zu geben. Völlig unsubstantiiert sei die Vermutung der Klägerin, dass ein angeblich wettbewerbswidriges Verhalten im Zusammenspiel zwischen drei Gesellschaften des B3-Konzerns erfolgt sei. Die diesbezüglichen Ausführungen der Berufung seien insofern unerheblich, als diese nicht den vorliegenden Streitgegenstand beträfen. Im Übrigen verweist die Beklagte auf ihre Klageerwiderung vom 22.05.2009 und die dort vorgebrachten Einwendungen. Eine pauschale Herabsetzung liege nicht vor. Selbst bei einem werblichen Handeln sei im Rahmen der Bewertung einer vergleichenden Werbung der Grundrechtsschutz der Meinungsäußerung zu beachten. Dass hier, wenn überhaupt, ein Fall von Wirtschaftswerbung mit meinungsbildendem und Informationscharakter vorliege, sei offensichtlich. Der Autor habe sich nicht nur darauf beschränkt, einen Vergleich zu den Produkten der Klägerin vorzunehmen. Vielmehr liege eine objektivierte Bewertung der verwendeten, unterschiedlichen Konzepte spezifisch im Stahlwerk T2 vor.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
Sie kann von der Beklagten aus §§ 8 I, III Nr. 1; 3; 6 II Nr. 5 UWG die Unterlassung der streitgegenständlichen Aussagen verlangen.
I.
Die internationale Zuständigkeit des Gerichts ist unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Artikel in Deutschland veröffentlicht wurde, nach Art. 40 I EGBGB, § 14 II UWG gegeben. Dies steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit.
II.
Der Klageantrag ist i.S.v. § 253 II Nr. 2 UWG hinreichend bestimmt, zumal auch die konkrete Verletzungshandlung ("wenn dies geschieht wie …") in die Antragsfassung einbezogen ist. Soweit die Beklagte meint, der Verbotsantrag sei zu weit gefasst und zu unbestimmt, weil sich aus dem gesamten Text des angegriffenen Artikels ergebe, dass die Verbesserungen im Ofenbereich nur in einer bestimmten Prozesslinie, nämlich im Stahlwerk T2 bei N, Belgien, erzielt worden seien, und weil es sich um eine reine Wiedergabe der Untersuchungsergebnisse des Kunden N handele, ist dies unrichtig. Hierbei handelt es sich nicht um Fragen der Bestimmtheit, sondern der Begründetheit des Unterlassungsantrags und seines Umfangs.
III.
Die Klägerin ist als Mitbewerberin i.S.v. § 8 III Nr. 1 UWG klagebefugt. An dem Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien, die beide Systemlösungen im Bereich der Bandzugmessung produzieren und vertreiben, besteht kein Zweifel.
IV.
Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß dem Klageantrag ergibt sich aufgrund unlauterer vergleichender und dabei herabsetzender Werbung (§§ 3; 6 I, II Nr. 5 UWG). Die weitergehend geltend gemachten Verstöße wegen Irreführung (§§ 3; 5 I, II Nr. 1, III UWG) und Anschwärzung (§ 4 Nr. 8 UWG) können insofern dahinstehen.
1.
Nach § 6 II Nr. 5 UWG handelt unlauter, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich die Waren eines Mitbewerbers herabsetzt.
a)
Vergleichende Werbung wird nach § 6 I UWG als jede Werbung definiert, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht. Um dabei von einem Vergleich i.S.v. § 6 II UWG zu sprechen, müssen Angaben über das Verhältnis der Mitbewerber oder ihrer Angebote zueinander gemacht, die Unternehmen oder deren Angebote müssen aufeinander bezogen und aneinander gemessen, d.h. einander gegenübergestellt werden. Die von beiden Unternehmen angebotenen Waren oder Dienstleitungen müssen dabei bis zu einem gewissen Grad austauschbar sein (Köhler, in: Köhler/ Bornkamm, UWG, 28. Aufl. 2010, § 6 Rn. 43 ff., 51 m.w.N.). Das ist hier zu bejahen, denn in dem Artikel, der der Beklagten als Werbung auch zuzurechnen ist, wird die technische Lösung der Klägerin für Bandzugsysteme, wenn auch nur mittelbar, in vergleichender Weise als instabiler, komplizierter, kostspieliger und letztlich auch minderwertiger dargestellt, weil nämlich das Problem der Nullpunktdrift nicht befriedigend gelöst sei, mit der Folge, dass sich bei Temperaturänderungen (…) das typische und offenbar unerwünschte Sägezahnmuster zeige.
Das Vorliegen einer Werbung ist zu bejahen. Darunter zu verstehen ist jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufes mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Der in Rede stehende Artikel in der AusgabeT unter der Überschrift "Erhöhte Bandqualität für Kontiglühlinien" hatte ersichtlich das Ziel, den Absatz der von B3 entwickelten und vertriebenen Produkte geschäftlich zu fördern. Es handelte sich dabei keineswegs nur um einen redaktionellen Beitrag mit der bloßen Wiedergabe einer Kundenmeinung und ebenso wenig, wie vom Landgericht angenommen, um die Veröffentlichung eines Artikels des Mitarbeiters P als Privatperson. Denn der Autor des Artikels und Mitarbeiter der Beklagten P, zumal aus der Marketingabteilung des Unternehmens, weist sich schon als der Beklagten zugeordnet mit "B3, Schweden" aus. An dieser Stelle werden keineswegs nur die persönlichen Kontaktdaten des Verfassers angegeben, sondern überdies, um in Kontakt gerade auch mit dem Unternehmen treten zu können, die E-Mail-Adresse eines Herren I (*Internetadresse2*). Was dieser ansonsten mit einem privaten Artikel des P zu tun hätte, ist nicht ersichtlich. Der Inhalt des gesamten Artikels resultiert aus der unternehmerischen Tätigkeit des Mitarbeiters P. Es werden - mit dem beanstandeten Inhalt - verschiedene Lösungen für die Bandzugregelung vorgestellt wie auch die dargestellten Verbesserungen im Kaltwalzwerk von T2. Berichtet wird inhaltlich allein von den Produkten und den Geschäftstätigkeiten des Unternehmens. Der Autor hat keine eigenen Erkenntnisse oder Messungen widergegeben und keine eigenen Wertungen vorgenommen, sondern das Produkt seiner Firma positiv und werbend dargestellt, indem Stellungnahmen des Kunden referiert werden. Vor allem ist der Artikel auch im gesamtgeschäftlichen Zusammenhang des Unternehmens zu sehen, da nämlich die angegriffenen Aussagen in vergleichbarer Weise ebenso bei anderen Publikationen des Unternehmens getätigt werden, so wie auf dem Datenblatt mit dem Namen "B5", wie es sich auch aus den anderen in Rede stehenden Rechtsstreitigkeiten ergibt. Die Werbeaussagen gehören zum Gesamtkonzept der Marketingmaßnahmen, und es geht insofern keineswegs um die Äußerung eines Privaten, sondern um eine werbliche Darstellung ihres Mitarbeiters P. So handelt es sich hierbei, wie die Beklagte meint, nicht nur um einen redaktionellen Beitrag in der führenden Fachzeitschrift der Branche, in dem nur über die Bewertungen eines bestimmten Kunden berichtet wird. Die Vorteile der B3-Lösung, bestehend aus Linearlagertechnik und den großen Kraftaufnehmern Q auf der einen und die Nachteile der Lösung "eines Mitbewerbers" auf der anderen Seite werden auch allgemein und übergreifend, wenn auch beispielhaft in Bezug auf das Werk T2, dargestellt. Erst im Anschluss hieran werden die fraglichen Äußerungen von dem Werk T2, durch die für die Messtechnik verantwortlichen Personen W und U, mitgeteilt. Diese Darstellung erfolgt auch keines durch neutrale Medien, sondern letztlich durch die Beklagte selbst, wenn auch in einem "redaktionellen Gewand".
Die Werbung ist vergleichend. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die Klägerin namentlich nicht genannt wird. Nach § 6 I UWG reicht nämlich gerade auch die mittelbare Kenntlichmachung des Mitbewerbers aus, mit dem man sich vergleichen will. Es wird als Negativvergleich vorliegend die Lösung "eines" Mitbewerbers vorgestellt. Das beschriebene Rahmensystem wird von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres mit der Klägerin in Verbindung gebracht, die zum Zwecke des Messens von Band- und Bahnenzügen unstreitig eine derartige spezielle Rahmensystemlösung entwickelt hat und vertreibt. Die Klägerin ist so ohne weiteres identifizierbar. Es würde auch schon allein eine Anfrage in dem Werk in H ausreichen, wer das verglichene Produkt denn geliefert hat, um so allein die Klägerin zu konkretisieren. Dass demgegenüber etwa allein der Anbieter W2 gemeint sein sollte, den die Beklagte mit der Klageerwiderung ins Spiel bringt, behauptet diese selbst nicht. Die Klägerin wäre als Herstellerin der Rahmenlösung zumindest mit angesprochen, was ebenfalls ausreicht. Ersichtlich handelt es sich so um einen Vergleich der bei der Firma in H zur Anwendung gelangten Produkte der beiderseitigen Parteien. Damit werden deren Produkte konkret und unmittelbar miteinander verglichen. Das Produkt der Klägerin ist zumindest erkennbar. Gerade auch eine nur begrenzte Mitbewerberzahl, wie vorliegend, ist ohne weiteres ein Indiz für deren Erkennbarkeit (vgl. Köhler, a.a.O., § 6 Rn. 84 ff., 90). Das weitere Bestreiten der Beklagten in diesem Zusammenhang ist insofern nicht hinreichend substantiiert und von daher unerheblich. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es nicht.
Der Artikel ist der Beklagten zurechenbar. Er stammt von ihrem Mitarbeiter P aus ihrer Marketingabteilung und findet sich im Gesamtzusammenhang mit anderen Herabsetzungen des Produkts der Klägerin durch die Beklagte, wobei konkret auch auf die Möglichkeit hingewiesen wird, zum deutschen Unternehmen der B3 zu gelangen.
b)
Eine - unlautere - Herabsetzung besteht in der sachlich nicht gerechtfertigten Verringerung der Wertschätzung (des Rufs) des Mitbewerbers und/oder seiner Produkte in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise (vgl. Köhler, a.a.O., § 6 Rn. 166). Auch eine solche ist zu bejahen. Wenn die Beklagte ihr eigenes Produkt pauschal als höherwertig einstuft, liegt damit zugleich eine unzulässige Herabsetzung der Produkte der Klägerin vor. Es liegen Umstände vor, die den Vergleich in unangemessener Weise abfällig, abwertend und unsachlich erscheinen lassen. Das ist schon deshalb der Fall, weil an dieser Stelle keine objektiv vergleichbaren Bezugsgrößen mitgeteilt werden. Es werden keine wissenschaftlichen Messrahmen, keine aussagefähigen und sachlich überprüfbaren Bewertungskriterien angegeben, die die negativen Aussagen des Artikels rechtfertigen könnten. Es liegt vielmehr ein pauschal herabsetzender Qualitätsvergleich vor. Ein solcher begründet regelmäßig eine Herabsetzung, wenn ein Konkurrenzprodukt im Vergleich zum eigenen Produkt direkt oder indirekt als minderwertig bezeichnet wird (BGH GRUR 1998, 824 - Testpreisangebot; Köhler, a.a.O., § 6 Rn. 79). Insofern ist auch unmaßgeblich, ob etwaige Messungen - unter jedenfalls nicht bekannten Bedingungen - in T2 tatsächlich zu größeren Ungenauigkeiten gekommen sein mögen oder eine etwaig größere Instabilität bestehen könnte. Dies bedarf nicht der Klärung. Jedenfalls sind nach dem pauschal verfassten Artikel nicht allein T2 und die dortigen Messungen angesprochen, sondern die beiderseitigen Messsysteme als solche. Selbst wenn nur die Messungen in T2 angesprochen wären, bliebe es bei der werblichvergleichenden und pauschalierten Aussage, dass das Produkt der Beklagten besser sei als das der Klägerin.
Insofern handelt es sich auch nicht um eine Meinungsäußerung, die durch die gemäß Art. 5 GG garantierte Meinungs- und Pressefreiheit, durch Art. 6 II EUV oder durch Art. 11 Grundrechtscharta gerechtfertigt ist. Jedenfalls eine Abwägung der beiderseitigen Belange der Parteien unter Berücksichtigung der Gesamtumstände führt dazu, dass die pauschale Herabsetzung gegenüber den Interessen hier der Klägerin an einem zumindest objektivierten Vergleich zurückstehen muss.
V.
Die Folgeansprüche, gerichtet auf Auskunftserteilung, Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten und Erstattung der Abmahnkosten von 2.118,44 €, resultieren aus §§ 242 BGB, 9 UWG und § 12 I 2 UWG. Ein Verschulden der Beklagten ist Bezug auf die Verletzungshandlung ist zu bejahen. Eine Schadenswahrscheinlichkeit, an die nur geringe Anforderungen zu stellen sind, ist ebenfalls zu bejahen.
VI.
Verjährung ist nicht eingetreten. Unstreitig erschien die Ausgabe T 06/2008 am 16.06.2008 und konnte von daher von den maßgeblichen Verkehrskreisen zuvor nicht zur Kenntnis genommen werden. Die Klage ist mit hemmender Wirkung innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist bereits am 12.12.2008 eingereicht worden.
VII.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 I ZPO.
OLG Hamm:
Urteil v. 09.02.2010
Az: 4 U 185/09
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/65384bb5de3d/OLG-Hamm_Urteil_vom_9-Februar-2010_Az_4-U-185-09