Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 3. Dezember 1993
Aktenzeichen: 6 U 179/93
(OLG Köln: Urteil v. 03.12.1993, Az.: 6 U 179/93)
1. Zu den Prüfungsanforderungen im praktischen und fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung für das Dachdeckerhandwerk zählen - als wesentlicher Teil dieses Handwerks - auch Dichtungsarbeiten. 2. Die Ausführung von Dichtungsarbeiten an Balkonen und Terrassen setzt allerdings nicht in jedem Fall das Vorhandensein von Spezialkenntnissen des Dachdeckerhandwerks in Bezug auf Dichtungsarbeiten voraus. Voraussetzung hierfür ist vielmehr, daß die von einem nicht in die Handwerksrolle eingetragenen Anbieter solcher Leistungen beworbenen und vorgenommenen Arbeiten ohne diese besonderen Kenntnisse und Fertigkeiten nicht ordnungsgemäß ausgeführt werden können. Ist das vom Gläubiger nicht hinreichend dargetan, entfällt ein Anspruch nach § 1 UWG. 3. Aus einem Verstoß gegen § 18 Abs. 1 HWO (Nichtbeachtung der Anzeigepflicht) läßt sich ein Anspruch gem. § 1 UWG nicht herleiten, da die Ausübung der in Anlage B zu § 18 HWO genannten Gewerbe von der Eintragung in das bei den Handwerkskammern geführte Verzeichnis unabhängig ist.
Tenor
Die Berufung des Antragstellers gegen das am 19. Mai 1993 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bonn - 16 O 42/93 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Gründe
Die Berufung des Antragstellers ist zulässig, aber
unbegründet.
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht den Erlaß der
beantragten einstweiligen Verfügung abgelehnt, denn der
Antragsteller hat die Voraussetzungen für den geltend gemachten
Verfügungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
§ 1 UWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 HWO vermögen das
Unterlassungsbegehren des Antragstellers nicht zu rechtfertigen,
und zwar schon deshalb, weil ein Verstoß des Antragsgegners gegen §
1 Abs. 1 HWO nicht hinreichend glaubhaft gemacht ist.
Aus der auf der Grundlage von § 45 HWO erlasse- nen Verordnung
über das Berufsbild und über die Prüfungsanforderungen im
praktischen Teil und im fachtheoretischen Teil der Meisterprüfung
für das Dachdecker-Handwerk (BGBl 1/608 f.) ergibt sich zwar, daß
zum Dachdecker-Handwerk auch Dichtungs- tätigkeiten gehören und
daher auch entsprechende Kenntnisse und Fertigkeiten dem
Dachdecker-Hand- werk zuzurechnen sind (vgl. dazu § 1 Abs. 1 Zif-
fer 2, 5, 11, § 1 Abs. 2 Ziffer 2, 4, 5, 10, 14, § 3 Abs. 2 Ziffer
3 der genannten Verordnung). Der Senat folgt dem Vortrag des
Antragstellers eben- falls darin, daß es sich bei diesen
Dichtungstä- tigkeiten um einen wesentlichen Teil des Dachdek-
ker-Handwerks handelt. Diese Umstände reichen je- doch nicht aus,
um von einem Verstoß des Antrags- gegners gegen § 1 Abs. 1 HWO im
Hinblick auf die von diesem in der beanstandeten Anzeige beworbenen
Dichtungsarbeiten auszugehen.
Nicht jeder Gewerbebetrieb, der sich mit Tätigkei- ten eines in
der Anlage A zur Handwerksordnung aufgeführten - handwerksfähigen -
Gewerbes befaßt, ist schon ein Handwerksbetrieb in Sinne von § 1
und § 2 HWO. Voraussetzung hierfür ist vielmehr, daß Tätigkeiten
ausgeübt werden, die einen we- sentlichen Teil des entsprechenden
Vollhandwerks ausmachen und die die im Vollhandwerk erforderli-
chen Fertigkeiten und Kenntnisse zur fachgerechten Ausführung der
Arbeiten erfordern. Fallen dagegen lediglich Tätigkeiten an, die
ohne Beherrschung in handwerklicher Schulung erworbener Kenntnisse
und Fähigkeiten einwandfrei und gefahrlos ausgeübt werden können,
liegt lediglich ein den Vorschrif- ten der Handwerksordnung nicht
unterfallendes Minderhandwerk vor (vgl. Honig, Handwerksordnung,
1993, § 1 HWO Randnr. 68, 69 f. m.w.N.). Dabei kommt es nicht
darauf an, ob die betreffende Tä- tigkeit als handwerksähnliches
Gewerbe von der An- lage B zu § 18 Abs. 2 HWO erfaßt wird (vgl.
Honig a.a.O., § 1 HWO Randnr. 70 m.w.N.).
Ausweislich der streitgegenständlichen Werbeanzei- ge führt der
Antragsgegner Dichtungsarbeiten an Balkonen und Terrassen aus,
wobei er - insoweit unwidersprochen - angegeben hat, daß er sich
aus- schließlich mit der Oberflächenversiegelung schad- haft
gewordener Balkon - und Terrassenflächen beschäftige und dabei die
Oberflächen - Oberbe- läge - mit einem industriell fertiggestellten
Produkt versiegele. Nach der durch eidesstattli- che Versicherung
glaubhaft gemachte Darstellung des Antragsgegners werden dabei die
vorhandenen Oberbeläge gesäubert und mit Hochdruckreinigern
gereinigt; sodann wird in zwei oder drei Lagen
Polyurethan-Flüssigkunststoff aufgewalzt (farblos) oder, wenn
farbige Gestaltung gewünscht wird, mit Quarzgemischen versetzt
aufgespachtelt; Ab- dichtungsarbeiten im Sinne der DIN 18 336 oder
18 338 werden nicht ausgeführt. Diese Tätigkeiten des
Antragsgegners umfassen danach zunächst nur einen kleinen Bereich
der als wesentlicher Teil des Dachdecker-Handwerks zu betrachtenden
Dich- tungsarbeiten. Es kann im vorliegenden Verfahren der
einstweiligen Verfügung auch nicht davon ausgegangen werden, daß
die vom Antragsgegner beworbenen und vorgenommenen
Beschichtungsarbeiten ohne die besonderen Kenntnisse und
Fertigkeiten des Dachdecker-Handwerks nicht ordnungsgemäß aus-
geführt werden könnten. Darlegungs- und beweis- pflichtig ist
hierfür der Antragsteller, der sich aber bis zum Berufungstermin
nicht konkret zu den vom Antragsgegner schon in der ersten Instanz
ausreichend beschriebenen Tätigkeiten Stellung ge- nommen hat.
Andere Umstände, die glaubhaft machen, daß der Antragsgegner die
Spezialkenntnisse des Dachdecker-Handwerks im Bezug auf
Dichtungsar- beiten für die fachgerechte Durchführung seiner
Arbeiten benötigt, sind jedoch nicht ersichtlich. Zwar hat der
Antragsgegner durch seine Darlegungen im Berufungstermin gewisse
Zweifel geweckt, ob die von dem Antragsgegner beworbenen und im
Berufungs- termin nochmals geschilderten Arbeiten tatsächlich so
problemlos - insbesondere ohne die dem Dach- decker-Handwerks
zuzuordnenden Kenntnisse von der Beschaffenheit und Präparierung
eines schadhaften Untergrunds vor Auftragung der Beschichtung -
ausgeführt werden können, wie vom Antragsgegner geltend gemacht, um
eine fachgerechte Abdichtung von Balkonen und Terassen zu
gewährleisten. Diese Zweifel reichen aber nicht aus, um hinreichend
glaubhaft zu machen, daß der Antragsgegner für seine Tätigkeit der
besonderen Kenntnisse und Fä- higkeiten des
Dachdecker-Handwerksbedaf und daher entgegen seiner Darstellung ein
Handwerk im Sinne von § 1 Abs. 1, 2 HWO ausübt.
Fehlt es danach bereits an einem Verstoß des Antragsgegners
gegen § 1 Abs. 1 HWO, kommt es nicht darauf an, ob sich der
Antragsgegner plan- mäßig durch einen Verstoß gegen (die
wertneutrale Vorschrift des) § 1 HWO einen ungerechtfertigten
Vorteil vor seine gesetzestreuen Mitbewerbern ver- schafft und
somit von einem Verstoß gegen § 1 UWG auszugehen ist.
Soweit der Antragsteller erstmals in der Beru- fungsbegründung
geltend gemacht hat, daß der An- tragsgegner nicht mit dem Holz-
und Bautenschutz- gewerbe in die Handwerksrolle eingetragen sei,
vermag auch dieser Vortrag des Antragstellers nicht seinem auf § 1
UWG gestützten Unterlassungs- verlagen zum Erfolg zu führen.
Zwar nimmt der Antragsgegner für sich in Anspruch, Tätigkeiten
auszuführen, die dem Bautenschutzge- werbe im Sinne der Ziffer I.6
der Anlage B zu § 18 HWO zuzurechnen sind. Eine Unlauterkeit der
beanstandeten Werbeanzeige des Antragsgegners ge- mäß § 1 UWG kann
aber aus einem möglichen Verstoß des Antragsgegners gegen die
Anzeigepflicht aus § 18 Abs. 1 HWO nicht hergeleitet werden, denn
die Ausübung der in der Anlage B genannten Gewerbe ist von der
Eintragung in das bei der Handwerks- kammer geführte Verzeichnis
handwerksähnliche Be- triebe nicht abhängig (vgl. Honig a.a.O., §
19 HWO Randnr. 2).
Schließlich ist das Unterlassungverlangen des Antragstellers
ebenfalls nicht aus § 3 UWG be- gründet.
Daß der Antragsgegner in der beanstandeten Anzeige Tätigkeiten
des Dachdecker-Handwerks bewirbt, ist nicht hinreichend glaubhaft
gemacht. Weder die in der Anzeige angeführten Arbeiten des
Antragsgeg- ners noch die - letztlich nichtssagende - Bezeich- nung
"I.F.", unter der der Antragsgegner in der Anzeige auftritt, bieten
ausreichende Anhaltspunk- te für eine derartige Vorstellung und
damit Irre- führung zumindest eines Teils der angesprochenen
Verbraucher. Der Senat vermag daher aus eigener Sachkunde und
Erfahrung die von dem Antragsteller geltend gemachte Irreführung
des Verkehrs nicht festzustellen. Der Antragsteller hätte somit
diese Irreführung in anderer Weise glaubhaft machen müs- sen, was
jedoch nicht geschehen ist.
Es kann jedoch auch nicht von einer Irreführung des Verkehrs
gemäß § 3 UWG unter dem Gesichts- punkt der
"Selbstverständlichkeitwerbung" ausge- gangen werden. Dieser vom
Antragsteller erstmals in der Berufungsinstanz erhobenen
Beanstandung gegenüber der streitgegenständlichen Werbeanzeige des
Antragsgegners war schon mangels Dringlichkeit des darauf
gestützten Unterlassungsbegehrens im vorliegenden Verfahren nicht
näher nachzugehen. Der Antragsgegner hätte diese Beanstandung
bereits in der ersten Instanz geltend machen können, was aber nicht
der Fall war. Er hat damit durch sein eigenes Verhalten deutlich
gemacht, daß ihm die Verfolgung dieses angeblichen Verstoßes der
Werbe- anzeige gegen § 3 UWG nicht dringlich ist und auf diese
Weise die Vermutung des § 25 UWG widerlegt. Damit fehlt es bereits
an der Zulässigkeit des in- soweit getend gemachten
Unterlassungsverlangens.
Andere Anspruchsgrundlagen, die dem Verfügungsan- spruch des
Antragstellers zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich
und werden von dem Antragsteller auch nicht geltend gemacht.
Die Kostenentscheidung der danach insgesamt er- folglosen
Berufung beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO.
Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO mit der Ver- kündung
rechtskräftig.
OLG Köln:
Urteil v. 03.12.1993
Az: 6 U 179/93
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