Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Juli 2006
Aktenzeichen: 7 W (pat) 1/04

(BPatG: Beschluss v. 05.07.2006, Az.: 7 W (pat) 1/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 15 B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. November 2003 aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren zur aktiven Geräuschreduzierung bei hydraulischen Aggregaten Anmeldetag: 23. April 1999.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentanspruch 1, eingegangen am 3. Juli 2006, Patentansprüche 2 bis 7, eingegangen am 30. Juni 2006, Beschreibung Seiten 1 bis 6, eingegangen am 15. März 2006, Zeichnungen (Figuren 1a, 1b, 2a, 2b) gemäß Offenlegungsschrift.

Gründe

I Die am 23. April 1999 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Patentanmeldung 199 18 455.0 wurde nach Prüfung der Anmeldung durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 15 B vom 11. September 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass es ihrem Gegenstand an einer erfinderischen Tätigkeit mangele.

In einem Bescheid vom 8. März 2000 hatte die Prüfungsstelle der Anmelderin mitgeteilt, dass der Anmeldungsgegenstand in der Anspruchsfassung vom Anmeldetag nicht patentfähig sei und bei Weiterverfolgung der Anmeldung mit denselben oder inhaltsgleichen Ansprüchen daher mit der Zurückweisung der Anmeldung zu rechnen sei.

Zum Stand der Technik hatte die Prüfungsstelle folgende Patentdokumente genannt:

1. DE 197 06 635 A1 2. DE 43 02 977 A1 3. US 5 162 709 A 4. DE-OS 24 01 523 5. DE 30 25 391 C2.

Der Zurückweisungsbeschluss ist auf die unter 1. genannte DE 197 06 635 A1 gestützt.

Gegen den Beschluss der Prüfungsstelle richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie macht geltend, dass der Anmeldungsgegenstand gegenüber dem von der Prüfungsstelle entgegengehaltenen Stand der Technik neu und erfinderisch sei. Mit Schriftsatz vom 13. März 2006 reicht sie neue Patentansprüche 1 bis 7 sowie neue Beschreibungsseiten 1 bis 6 ein. Am 30. Juni 2006 legt sie neue Patentansprüche 1 bis 7 vom 28. Juni 2006, am 3. Juli 2006 einen neuen Patentanspruch 1 vor.

Die Anmelderin stellt sinngemäß den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle vom 11. September 2003 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage des Patentanspruchs 1 vom 3. Juli 2006, der Patentansprüche 2 bis 7 vom 28. Juni 2006, der Beschreibung Seiten 1 bis 6 vom 13. März 2006, sowie der Figuren 1a, 1b, 2a, 2b vom Anmeldetag zu erteilen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

Verfahren zur aktiven Geräuschreduzierung bei in einem Hydraulikkreis angeordneten hydraulischen Aggregaten, mit zumindest einem Aktuator, der zur Beeinflussung einer Fluidströmung und zur Bildung einer Kompensationsschwingung von einer Steuereinrichtung beaufschlagt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Steuereinrichtung zur Erzeugung der Kompensationsschwingung einen in einem hydraulischen Aggregat des Hydraulikkreises bereits vorhandenen Aktuator, der nicht in besonderer Weise als separater Schallgeber zur Erzeugung einer Kompensationsschwingung ausgebildet ist, ansteuert.

Die geltenden Patentansprüche 2 bis 7 betreffen Weiterbildungen des Gegenstandes nach Patentanspruch 1.

II Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch Erfolg.

Der Anmeldungsgegenstand stellt in der Fassung der geltenden Patentansprüche eine patentfähige Erfindung i. S. d. § 1 bis § 5 PatG dar.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 7 sind zulässig. Ihre Merkmale sind ursprünglich offenbart. Die Merkmale des geltenden Anspruchs 1 sind aus dem ursprünglichen Anspruch 1 sowie der ursprünglichen Beschreibung (S. 2 Z. 19-30, S. 4 Z. 13-26 i. V. m. Fig. 1a) hervorgegangen. Die Merkmale der geltenden Patentansprüche 2 bis 7 gehen auf die ursprünglichen Patentansprüche 2 bis 4 und 7 bis 9 zurück.

2. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu. Keine der entgegengehaltenen Druckschriften offenbart ein Verfahren zur aktiven Geräuschreduzierung von hydraulischen Aggregaten eines Hydraulikkreises mit sämtlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1.

3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Als hier zuständiger Fachmann ist ein auf dem Fachgebiet der Hydraulik tätiger Ingenieur des Allgemeinen Maschinenbaus anzusehen, der mit akustischen Fragen bei Hydraulikanlagen befasst ist und bedarfsweise Rat bei einem Akustikfachmann einholt.

In der DE 197 06 635 A1 ist eine Vorrichtung und ein Verfahren zur aktiven Druckpulsationsdämpfung bei einer Pumpe, z. B. für die Ölversorgung eines Getriebes, beschrieben, durch die aufgabengemäß störende Pumpengeräusche ausgeschaltet und der Pumpe nachgeordnete Bauteile geringer mechanisch beansprucht werden sollen (S. 2 Z. 3 bis 13, 46 bis 48). Das Dämpfungssystem umfasst eine Druckmesseinrichtung, einen im Hochdruckbereich stromab der Pumpe angeordneten piezoelektrischen Aktuator (Piezo-Stellglied) und einen Regelkreis mit Druckregler (Anspruch 1 i. V. m. Fig. 1 und zugehörige Beschreibung). Der Aktuator wird vom Druckregler - abhängig von Pumpendrehzahl und Druckniveau - mit einer variablen elektrischen Spannung versorgt (Anspruch 8) und entsprechend gelängt oder verkürzt, mit der Folge, dass bei Druckspitzen Ölvolumen freigegeben und bei Druckeinbrüchen das Ölvolumen verkleinert wird. Auf diese Weise können aus Druckschwankungen resultierende diskrete Schwingungen mit bestimmten Frequenzen durch Aufbau kontrollierter Gegenschwingungen mit äquivalenten Frequenzen gedämpft werden (S. 3 Z. 58 bis S. 4 Z. 2). Damit sind die Merkmale des Oberbegriffs des geltenden Patentanspruchs 1 als im Wesentlichen bekannt anzusehen, was von der Anmelderin auch nicht bestritten ist.

Das Verfahren nach Patentanspruch 1 unterscheidet sich von dem bekannten im Wesentlichen noch dadurch, dass der Aktuator zur Erzeugung der Gegen- oder Kompensationsschwingung ein im Hydraulikkreis bereits vorhandenes Bauteil ist, das nicht ursprünglich als Schallgeber vorgesehen war. Gemeint ist, dass für den Aufbau einer Gegenschwingung kein ausschließlich für diesen Zweck in den Hydraulikkreis eingebautes, sondern ein für den Hydraulikkreis übliches Element, z. B. ein Ventil mit ansteuerbarem Stellelement, verwendet wird.

Die weiteren Entgegenhaltungen geben dem Fachmann hierzu weder Vorbild noch Anregung.

Zur Unterdrückung der von einer hydrostatischen Maschine (Pumpe) durch Pulsationen erzeugten Geräusche gemäß DE 43 02 977 A1 wird entsprechend der Lehre der DE 197 06 635 A1 vorgegangen. Der Druck auf der Hochdruckseite der Pumpe wird gemessen und einer Steuereinrichtung zugeführt, die einen hochdruckseitig angeordneten Volumenstrom-Kompensator VC ansteuert, der der durch die Pumpe erzeugten Druckschwingung eine Gegenschwingung überlagert (Anspruch 1). Der Volumenstrom-Kompensator ist ausschließlich zum Zwecke der Geräuschdämpfung in dem Hydraulikkreis vorgesehen.

Gleiches gilt für die aktiven Aktuatoren bzw. Schwingungsgeber nach DE 30 25 391 C2 (Anspruch 6 i. V. m. Fig. 4), die bei Anwendung für Hydraulikkreise ebenfalls keine zusätzlichen Funktionen für den Hydraulikkreis erfüllen.

Die US 5 162 709 befasst sich mit der Geräuschminderung durch Steuerung des Gebläsemotors von Klimaanlagen für Automobile unter Anwendung der Pulsweitenmodulation, die DT 24 01 523 A1 mit der aktiven Schallkompensation am menschlichen Ohr. Die dort beschriebenen Verfahren liegen weiter ab von der Lehre des geltenden Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung als die Verfahren der vorstehend gewürdigten Druckschriften.

Der Patentanspruch 1 ist nach alledem gewährbar.

Die Patentansprüche 2 bis 7 sind auf weitere Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 gerichtet. Sie sind in Verbindung mit dem Anspruch 1 ebenfalls gewährbar.






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Beschluss v. 05.07.2006
Az: 7 W (pat) 1/04


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