Verwaltungsgericht München:
Urteil vom 3. März 2010
Aktenzeichen: M 22 K 09.4793

(VG München: Urteil v. 03.03.2010, Az.: M 22 K 09.4793)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin, eine Handelsgesellschaft, wendet sich gegen eine Verfügung des Beklagten, mit der ihr untersagt wurde, öffentliches Glücksspiel i.S.v. § 3 GlüStV über das Internet in Bayern zu veranstalten oder zu vermitteln.

Die Klägerin bot erstmals ab dem 15. Juli 2009 über ihre Internetplattform www.s...online.de neben Sportberichterstattung auch Wetten auf den Ausgang von Fußballbundesligaspielen an (das Angebot wurde, nachdem es in Befolgung der streitgegenständlichen Verfügung längere Zeit eingestellt war, etwa Mitte Februar 2010 in leicht veränderter Form wieder aufgenommen). Dabei werden für jeden Spieltag auf der von der Klägerin betriebenen Internet-Seite "Tippscheine" angeboten, auf denen mindestens drei, maximal sechs Begegnungen des Spieltages aufgelistet sind. Der Teilnehmer trägt in den Tippschein online die von ihm vorausgesagten Endergebnisse der auf dem Tippschein verzeichneten Spielpaarungen ein, nach Abschluss einer Tippreihe, d.h. wenn für jede der aufgelisteten Spielbegegnungen ein Ergebnis eingetragen wurde, wird der abgegebene Tipp online in einen Zahlencode umgewandelt. Dieser Zahlencode ("Tippcode") ist dann an die Klägerin nicht online, sondern über einen mehrwertgebührenpflichtigen Telefonanruf zu übermitteln, und zwar über eine ebenfalls auf dem Online-Tippschein verzeichnete - "Tipp-Hotline". Pro Anruf kann dabei jeweils nur ein einziger Tippcode, also eine - in einen Tippcode verschlüsselte Reihe von Ergebnissen abgegeben werden. Bei der angebotenen 6-er Wette ist für einen Tipp mit sechs richtigen Ergebnissen der "Jackpot" von mindestens 100.000 Euro zu gewinnen; für weniger richtige Ergebnisse reduziert sich die Gewinnsumme entsprechend. Für drei richtige Ergebnisse sind 30 Euro zu gewinnen. Erzielt eine Mannschaft mehr als drei Tore, so gilt als richtiger Tipp die Vorhersage von mindestens drei erzielten Toren für eine der Mannschaften der Begegnung, unabhängig davon, wie viele Tore genau erzielt werden. In der derzeit wieder aufgenommenen Version des Spiels wird als Alternative zur Übermittlung der Wetten per Mehrwertdienst die Einsendung einer Postkarte, auf der maximal ein Tippcode verzeichnet sein darf, angeboten; nach Auskunft der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung wurde mit dem Angebot der Tippabgabe über Postkarte einer Forderung der Regierung der ... nachgekommen, nach deren rechtlicher Beurteilung das Spiel dann kein Glücksspiel i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages mehr darstelle.

Die Bevollmächtigten der Klägerin informierten den Beklagten (Regierung von ...) mit Schreiben vom 11. August 2009 von diesem Spielangebot. Sie teilten mit, dieses Angebot stelle ein Gewinnspiel i.S.v. § 8a RStV dar, da für die Teilnahme nur ein Entgelt bis zu 0,50 Euro verlangt werde. Das Spiel sei nicht auf eine Mehrfachteilnahme ausgerichtet, es sei kein Vorzählfaktor eingerichtet, vielmehr führe jeder Telefonanruf zur Registrierung. Die Klägerin schließe außerdem die Spielteilnahme Minderjähriger aus und halte auf ihrer Internetseite die allgemein verständlichen und transparenten Teilnahmebedingungen vor.

Der Beklagte teilte den Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 26. August 2009 mit, es handle sich bei dem angebotenen S...-Gewinnspiel um ein unerlaubtes Glücksspiel i.S.v. § 3 Abs. 1 GlüStV, da auch bei einem Einsatz von maximal 0,50 Euro ein Entgelt i.S.v. § 3 Abs. 1 GlüStV verlangt werde. Die Veranstaltung von öffentlichem Glücksspiel ohne die erforderliche Erlaubnis sei unerlaubtes Glücksspiel, das nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV verboten sei, zudem sei gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV die Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele im Internet generell verboten. Die Klägerin wurde zur beabsichtigten Untersagung der Vermittlung und Veranstaltung des Glücksspiels angehört.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 14. September 2009 sowie in einer gemeinsamen Besprechung mit Vertretern des Beklagten bekräftigte die Klägerseite die von ihr vertretene Rechtsansicht, dass es sich bei dem von der Klägerin auf der Internetseite www.s...online.de veranstalteten S...-Gewinnspiel mit der Teilnahmemöglichkeit allein über eine Mehrwertdienst-Rufnummer um kein Glücksspiel i.S.d. GlüStV, sondern um ein nach §§ 8a, 58 Abs. 4 RStV erlaubtes Gewinnspiel handle.

Mit dem streitgegenständlichenBescheid vom 30. September 2009untersagte der Beklagte - Regierung von ... - gegenüber der Klägerin, öffentliches Glücksspiel i.S.v. § 3 GlüStV über das Internet in Bayern zu veranstalten oder zu vermitteln (Ziffer 1 des Bescheids), drohte für den Fall, dass die Klägerin nach dem

2. Oktober 2009, 8.00 Uhr, der Untersagungsanordnung in Ziffer 1 des Bescheids zuwiderhandeln sollte, ein Zwangsgeld in Höhe von 50.000,-- Euro an (Ziffer 2 des Bescheids), legte die Kosten des Bescheids der Klägerin auf (Ziffer 3 des Bescheids) und erhob für den Bescheid eine Gebühr in Höhe von 1.500 Euro (Ziffer 4 des Bescheids).

Rechtsgrundlage für die Untersagungsanordnung sei § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV. Das Angebot auf der Internetseite www.s...online.de verstoße gegen eine nach dem Glücksspielstaatsvertrag bestehende öffentlich-rechtliche Verpflichtung i.S.v. § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV, namentlich gegen das Verbot der Veranstaltung und Vermittlung von öffentlichem Glücksspiel im Internet (§ 4 Abs. 4 GlüStV). Das auf der Internetseite angebotene Spiel sei ein öffentliches Glücksspiel i.S.v. § 3 GlüStV, da die Entscheidung über den Gewinn dann, wenn dafür der Ausgang eines zukünftigen Ereignisses maßgeblich sei, vom Zufall abhänge; gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV seien daher auch Wetten gegen Entgelt auf den Eintritt oder Ausgang eines zukünftigen Ereignisses Glücksspiele. Dass hier der Höchsteinsatz 0,50 Euro betrage, sei für die Einordnung als Glücksspiel belanglos, da der Glücksspielstaatsvertrag eine Mindestgrenze für den Spieleinsatz nicht vorsehe; verlangt werde lediglich, dass ein "Entgelt" für den Erwerb einer Gewinnchance zu leisten sei. Auf welche Weise die Klägerin die auf die Veranstaltung und Vermittlung von öffentlichem Glücksspiel in Bayern (i.S.v. § 3 Abs. 4 GlüStV) beschränkte Untersagungsverfügung erfülle, stehe in ihrem Ermessen; dies könne geschehen durch die vollständige Einstellung des Glücksspielangebots, durch den Einsatz eines zuverlässigen Internetgeolokalisationsverfahrens oder etwa durch Mobilfunkortung; es stünde der Klägerin auch frei, ein anderes Verfahren einzusetzen, um den Ausschluss bayerischer Spielteilnehmer sicherzustellen. Durch den Bescheid sollten die in § 1 GlüStV genannten Ziele gefördert werden; das Internetverbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV stelle einen wichtigen Baustein zur Verwirklichung der Grundkonzeption des Glücksspielstaatsvertrages dar; seine konsequente Durchsetzung entspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28.3.2006 (Az. 1 BvR 1054/01). Bei der Bemessung des Zwangsgeldes sei das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Veranstaltung und Vermittlung von öffentlichem Glücksspiel über das Internet in Bayern zu Grunde gelegt worden, das in Anbetracht der mit Internetglücksspiel erzielbaren sehr hohen Umsätze und Gewinne auf mehr als 50.000 Euro zu schätzen sei. Die Umsetzungsfrist sei ausreichend bemessen; die Unterlassungspflicht könne innerhalb kurzer Zeit realisiert werden. Außerdem müsse nach ständiger Rechtsprechung zur Durchsetzung einer Unterlassungspflicht grundsätzlich überhaupt keine Erfüllungsfrist gesetzt werden, da die Einräumung einer Erfüllungsfrist die Duldung rechtswidrigen Verhaltens bedeute.

Am 9. Oktober 2009 ließ die KlägerinKlageauf Aufhebung des Bescheids zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben.

Zur Begründung ihres Rechtsschutzbegehrens trug die Klägerin im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren im Wesentlichen vor: Weder die vom Beklagten herangezogene Ermächtigungsgrundlage des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV, noch eine andere Regelung des Glücksspielstaatsvertrages seien einschlägig. Das angebotene Spiel sei ein 50-Cent-Gewinnspiel i.S.d. §§ 8a, 58 Abs. 3 RStV, aber kein Glücksspiel i.S.d. § 3 Abs. 1 GlüStV. Das S...-Gewinnspiel sei kein Glücksspiel i.S.v. § 284 StGB. Rechtsprechung und herrschende Meinung verlangten hierfür nicht nur, dass der Spielausgang überwiegend zufallsabhängig sei, wodurch das Spiel zum Geschicklichkeitsspiel abgegrenzt werde, sondern auch, dass die Spieler "nicht nur unerhebliche Einsätze" leisteten, wodurch das Glücksspiel zum straflosen Unterhaltungsspiel abgegrenzt werde. Bei zufallsabhängigen Spielen, insbesondere Telefongewinnspielen, bei denen die Teilnehmer maximal 0,50 Euro pro Anruf leisten müssten, werde in Rechtsprechung und Literatur kein Glücksspiel, sondern ein strafloses Unterhaltungsspiel angenommen. Das angebotene S...-Gewinnspiel sei auch kein Glücksspiel i.S.v. § 3 Abs. 1 GlüStV. Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung sei die Legaldefinition in § 3 GlüStV mit dem Glücksspielbegriff des § 284 Abs. 1 StGB deckungsgleich. Dass auch der bayerische Landesgesetzgeber von einer Konformität beider Glücksspiel-Begriffe ausgehe, ergebe sich aus der Erläuterung des Glücksspielbegriffs in der Amtlichen Begründung, in der die Rechtsprechung zu § 284 StGB zitiert werde (LT-Drucks. 15/8486, S. 13). Die Gesetzesbegründung zum Glücksspielstaatsvertrag erwähne nicht, dass der Begriff des Glücksspiels i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV anders zu verstehen sei als der Glücksspiel-Begriff des § 284 StGB. Außerdem entspringe der Begriff des "Glücksspiels" dem StGB und damit einem Bundesgesetz, die Landesgesetzgeber seien nicht ohne Weiteres ermächtigt, einen Begriff aus einem Bundesgesetz zu übernehmen und dann anders zu definieren. Nach herrschender Meinung sei der Begriff "Gewinnspiele", wie ihn § 8a RStV verwende, der Oberbegriff für geschicklichkeitsabhängige und zufallsabhängige Spiele. Anlass für die Einführung des § 8a RStV sei die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die seit Jahren in den Medien existierenden sog. C...-Gewinnspiele gewesen, bei denen aus allen entgeltlich anrufenden, teilnahmewilligen Zuschauern einzelne wenige ausgelost würden und eine Gewinnfrage beantworten dürften. Diesbezüglich sei zwischenzeitlich unbestritten, dass einerseits der Spielausgang wesentlich zufallsabhängig sei, andererseits ein Entgelt/Einsatz fällig werde, da die Veranstalter an den Mehrwertgebühren in Höhe von 0,50 Euro beteiligt würden. Dennoch würden diese Spiele von den Landesgesetzgebern in § 8a RStV nicht als Glücksspiele, sondern als Gewinnspiele bezeichnet und sollten durch die 0,50 Euro-Einsatz-Obergrenze gerade von den Glücksspielen abgegrenzt werden. Das "Gewinnspiel" i.S.d. § 8a RStV sei somit als zufalls- oder geschicklichkeitsabhängiges Spiel zu definieren, bei dem nur (glücksspielrechtlich) unerhebliche Entgelte von maximal 0,50 Euro pro Teilnahme anfallen dürften. Auch die Entstehungsgeschichte des § 8a RStV belege, dass der Gesetzgeber gerade die zufallsabhängigen Spiele im Anwendungsbereich des § 8a RStV sehe, da nach dem Entwurf der Amtlichen Begründung zum Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag bei diesen Sendungen ein Glücksspiel i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages zu verneinen sei, da ein Entgelt von höchstens 0,50 Euro als unerheblich angesehen werde; dass dieser Satz in der Amtlichen Begründung gestrichen worden sei, ändere nichts daran, dass mit § 8a RStV eine Ermächtigungsgrundlage für zufallsabhängige entgeltliche Gewinnspiele im Rundfunk und - über § 58 Abs. 3 RStV - in Telemedien habe geschaffen werden sollen, für die ein Entgelt von bis zu 0,50 Euro pro Spiel verlangt werden könne. Die Rechtsaufassung des Beklagten werde nur von einer absoluten Mindermeinung vertreten; nach dieser Sichtweise würden namhafte Medienhäuser und sämtliche privaten Rundfunkanstalten seit Jahren verbotene Spiele veranstalten und sich strafbar machen, ohne dass bislang hiergegen eingeschritten worden wäre; die Landesmedienanstalten hätten dann mit ihrer Gewinnspielsatzung, die die Durchführung von 50-CentSpielen regelt, eine Ausführungsverordnung für die Vornahme illegalen Glücksspiels erlassen. Auch der BayVGH habe im Urteil vom 28.10.2009, Az. 7 N 09.1377, entschieden, dass die Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten insofern unwirksam sei, als sie die Teilnehmer vor einer wiederholten Teilnahme an Gewinnspielen schützen wolle; hieraus werde deutlich, dass 50-Cent-Gewinnspiele auch dann in den Anwendungsbereich des § 8a RStV fielen und damit kein Glücksspiel i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages darstellten, wenn die Teilnehmer mehrfach für 0,50 Euro teilnehmen könnten. Der BayVGH bestätige die gebotene Differenzierung zwischen einem nach dem Rundfunkstaatsvertrag ohne Genehmigung zulässigen, zufallsabhängigen Gewinnspiel für ein Entgelt von maximal 50 Cent und einem nur mit Genehmigung zulässigen, zufallsabhängigen Glücksspiel ohne Einsatzhöchstgrenze; er stelle klar, dass dort, wo die Norm des § 8a RStV einschlägig sei, kein Raum mehr sei für eine Anwendung des Glücksspielstaatsvertrages oder gar des § 284 StGB. Der BayVGH bestätige damit, dass § 8a RStV lex specialis bzw. Ausnahmetatbestand zum Glücksspielstaatsvertrag sei für zufallsabhängige, entgeltliche Telefon-Gewinnspiele von Medienanbietern mit einer Einsatzhöchstgrenze von 50 Cent und der Abwicklung über eine Telefon-Mehrwertdiensterufnummer. Von dieser Norm partizipiere auch die Klägerin über § 58 Abs. 3 RStV.

Das S...-Gewinnspiel bleibe auch dann ein "Gewinnspiel" i.S.d. § 8a RStV, wenn Teilnehmer mehrfach für die im Einzelspiel maximal fälligen 0,50 Euro teilnehmen könnten. Eine Sichtweise, nach der § 8a RStV ausschließlich auf solche Gewinnspiele anzuwenden sein sollte, bei denen die Teilnehmer nur einmalig mitspielen könnten, sei nicht in Einklang zu bringen mit der Intention des Gesetzgebers bei Schaffung des § 8a RStV, der gerade die in der Rundfunkpraxis üblichen C...-Gewinnspiele habe legalisieren wollen, bei denen eine Mehrfachteilnahme gerade nicht ausgeschlossen sei. Andernfalls wäre § 8a RStV sogar überflüssig, da Gewinnspiele, bei denen man sich mit einem einzelnen Anruf für 0,50 Euro zur Teilnahme registrieren lassen könne, seit Jahren in der Werbung und in Presseerzeugnissen übliche Praxis seien und sowohl glücksspielrechtlich, als auch wettbewerbsrechtlich als zulässig anerkannt seien. Auch der Wortlaut des § 8a RStV stehe einer Möglichkeit mehrfacher Teilnahme nicht entgegen, solange für 0,50 Euro tatsächlich eine Gewinnchance erlangt werden könne. Nach allem sei das S...-Gewinnspiel ein Gewinnspiel i.S.v. § 8a RStV, auch wenn eine mehrfache Teilnahme an dem Spiel nicht ausgeschlossen sei. § 8a RStV gelte über § 58 Abs. 3 RStV auch für Gewinnspiele in Telemedien-Angeboten wie dem S...-Online-Internetportal. Eine Internet-Plattform, auf der u.a. ein 50-Cent-Gewinnspiel angeboten und abgewickelt werde, sei grundsätzlich als Telemediendienst zu bewerten. Dies gelte auch, wenn die Spielteilnahme selbst über eine Mehrwertdienstrufnummer erfolge.

Hilfsweise wurde geltend gemacht, der Glücksspielstaatsvertrag sei europarechtswidrig, sodass eine Untersagungsanordnung nicht hierauf gestützt werden könne. Hierzu wurde auf das gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2007/4866 verwiesen. Es sei daher allein aufgrund der Europarechtswidrigkeit des Glücksspielstaatsvertrages geboten, den Ausgang des Vertragsverletzungsverfahrens sowie die Entscheidungen des EuGH zu den Vorlagebeschlüssen deutscher Verwaltungsgerichte abzuwarten.

Der Beklagte sei für den Erlass des Bescheids örtlich nicht zuständig, da der Bescheid faktisch weit über den Freistaat Bayern hinaus wirke. Aufgrund der technischen Unmöglichkeit von Geolokalisation und Mobilfunkortung und wegen der Kürze der der Klägerin zur Umsetzung gewährten Frist von lediglich zwei Arbeitstagen sei die einzige Möglichkeit zur Befolgung der Anordnung die vollständige Abschaltung des Internetangebots; diese wirke aber über Bayern hinaus. Die Verfügung sei auch nicht hinreichend bestimmt; auch die Begründung des Bescheids enthalte unklare Formulierungen zu dem, was mit der Anordnung gemeint sei. Die Anordnung sei auch unverhältnismäßig, da sie letztlich nur durch die vollständige Einstellung des Angebots erfüllt werden könne. Die vom Beklagten alternativ genannte Möglichkeit der Lokalisation mittels Mobilfunkortung sei rechtlich unzulässig, da sie in das Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 Abs. 1 GG eingreifen würde.

Die Zwangsgeldandrohung sei rechtswidrig, da die Frist zur Vornahme der geforderten Handlung viel zu kurz sei, außerdem das Zwangsgeld unverhältnismäßig hoch sei. Die Klägerin habe ihr gesamtes Internetangebot und somit eine wesentliche wirtschaftliche Grundlage innerhalb einer extrem kurzen Frist abschalten müssen. Bei Festsetzung des Zwangsgeldes habe der Beklagte grob fehlerhaft die mit dem S...-Gewinnspiel zu erzielenden Gewinne geschätzt, die Schätzung berücksichtige nicht die 50-Cent-Grenze der Gewinnspiele, mit denen die Klägerin arbeite, und die Geringwertigkeit der von den Teilnehmern zu leistenden Entgelte.

Der Beklagte hat zur Rechtfertigung des streitgegenständlichen Bescheids darauf hingewiesen, § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV enthalte bereits ausweislich seines klaren Wortlauts keine Erheblichkeitsschwelle, sondern lasse tatbestandlich jedes wie auch immer geartete Entgelt genügen. Dies werde auch dadurch belegt, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV der Vorgängervorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 1 LottStV entspreche, bei dem die Landesgesetzgeber auf die Aufnahme einer Erheblichkeitsschwelle, wie sie bereits für die Regelung durch § 3 Abs. 4 LottStV vorgeschlagen worden war, bewusst verzichtet hätten. Auch die Erläuterungen in der Amtlichen Begründung zu § 3 Abs. 1 GlüStV zur Abgrenzung zwischen Zufalls- und Geschicklichkeitsspielen bei sog. Telefongewinnspielen, an denen regelmäßig via Mehrwertdienst für 0,50 Euro teilgenommen werde, machten nur Sinn, wenn diese Telefongewinnspiele in den Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages fallen könnten; wäre bei den über Mehrwertdienst abgewickelten Telefongewinnspielen bereits das Merkmal der Entgeltlichkeit nicht gegeben, wäre die Prüfung, ob im Einzelfall die Zufallsabhängigkeit überwiege, von vornherein entbehrlich. Im Übrigen bezeichne die Amtliche Begründung die Teilnahmemöglichkeit via Mehrwertdienst ausdrücklich als entgeltliche Teilnahmemöglichkeit. Da nach der Amtlichen Begründung zu § 8a RStV die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages unberührt bleiben sollten, sei das Verhältnis zwischen Glücksspielstaatsvertrag und den neuen rundfunkstaatsvertraglichen Regelungen zu Gewinnspielen abschließend geklärt zu Gunsten einer unveränderten Geltung des Glücksspielrechts, was auch in § 1 Abs. 2 der zu § 8a RStV erlassenen Gewinnspielsatzung der Landesmedienanstalten wiederholt werde. Die Amtliche Erläuterung zu § 8a RStV unterstreiche, dass die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages unberührt bleiben sollten. Der im Entwurf der Amtlichen Begründung zu § 8a RStV vorgesehene Satz, dass ein Glücksspiel i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages bei diesen Sendungen zu verneinen sei, da ein Entgelt von höchstens 0,50 Euro als unerheblich angesehen werde, sei in der durch die Länder beschlossenen Fassung der Erläuterungen ersatzlos gestrichen worden; hieraus sei der Umkehrschluss zu ziehen, dass die uneingeschränkte Geltung des Glücksspielstaatsvertrages für Gewinnspiele via Mehrwertdienst festgeschrieben werden sollte. Falls die im ersten Schritt vorzunehmende Prüfung ergebe, dass ein Glücksspiel i.S.v. § 3 GlüStV vorliege, gelange § 8a RStV von vornherein nicht zur Anwendung; das rundfunkstaatsvertragliche Gewinnspielrecht erfülle im Kern eine bloße verbraucherschutzrechtliche Auffangfunktion für die Fälle, in denen kein Glücksspiel i.S.v. § 3 GlüStV gegeben sei. Bei Annahme einer Erheblichkeitsgrenze im Rahmen des Entgeltbegriffs des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV könnten sich Veranstalter von Lotterien und Glücksspielen, sogar von Sportwetten, durch Verlangen eines nur geringen Entgelts dem Regelungsregime des Glücksspielstaatsvertrages entziehen; gerade bei einer Veranstaltung über Internet könnten auch bei einem Höchsteinsatz von 0,50 Euro innerhalb kürzester Zeit beträchtliche Beträge eingesetzt werden. Die Ziele des Glücksspielstaatsvertrages, der die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem Sportwettenurteil vom 28.3.2006 umsetze, würden ad absurdum geführt. Es gebe keine konkurrierenden Glücksspielbegriffe in Verwaltungsrecht und Strafrecht. Es bestünde allein der verwaltungsrechtliche Glücksspielbegriff, der auf Ebene eines formellen Gesetzes in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV legaldefiniert sei. Eine bundesrechtliche gesetzliche Definition des Glücksspielbegriffs existiere nicht. Die Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Glücksspiels in § 284 StGB beruhe allein auf Rechtsfortbildung, die einer ständigen Weiterentwicklung unterliege und auch nicht den Besonderheiten der Bedingungen des Internets Rechnung trage. Dem Vorrang der Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages gegenüber § 8a RStV könne nicht das Urteil des BayVGH vom 29.10.2009 (Az. 7 N 09.1377, Tz. 31) entgegengehalten werden, da hierin der für Medienrecht zuständige Senat des BayVGH ersichtlich keine Grundsatzentscheidung zum Verhältnis von Glücksspiel- und Gewinnspielrecht getroffen habe, sondern im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit der Ermächtigungsgrundlage der Gewinnspielsatzung aus § 46 Abs. 1 RStV mit Verfassungsrecht im Kern ein bloßes obiter dictum formuliert habe, das sich in seiner Kürze insbesondere nicht mit der maßgeblichen Amtlichen Erläuterung zu § 8a RStV auseinandersetze.

In der mündlichen Verhandlung am 3. März 2010 erklärte die Klägerseite, sie sei trotz der zwischenzeitlichen Zulassung des Spiels mit der Teilnahmemöglichkeit per Postkarte weiterhin daran interessiert, das Spiel in der ursprünglichen Form (d.h. mit alleiniger Teilnahmemöglichkeit über Mehrwertdienst-Telefonanrufe) wieder aufnehmen zu können.

Abschließend stellte der Bevollmächtigte der Klägerin den schriftsätzlich vorbereitetenAntrag,

1. den Untersagungsbescheid des Beklagten vom 30. September 2009 aufzuheben,

2. die Zwangsgeldandrohung des Beklagten (Ziffer 2 des Bescheids vom 30. September 2009) aufzuheben,

3. die Gebührenfestsetzung des Beklagten (Ziffer 4 des Bescheids vom 30. September 2009) aufzuheben.

Der Vertreter des Beklagtenbeantragte,

die Klage abzuweisen.

Den mit Klageerhebung gestellten Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage (Az. M 22 S 09.4794) nahm die Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 3. März 2010 zurück.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des vorliegenden Klageverfahrens und des Verfahrens des vorläufigen Rechtschutzes (Az. M 22 S 09.4794) sowie auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Niederschrift hierüber verwiesen.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig. Zwar ist es der Klägerin zwischenzeitlich möglich geworden, das von ihr angebotene Spiel in einer leicht veränderten Form - bei gleichzeitiger Teilnahmemöglichkeit per Postkarte - über Internet zu veranstalten. Da sie das Spiel wieder in seiner ursprünglich angebotenen Form mit der ausschließlichen Teilnahmemöglichkeit via Mehrwertdienst veranstalten möchte, hat die Klägerin jedoch ein schutzwürdiges Interesse daran, die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids zu verlangen und dabei die Rechtmäßigkeit des Glücksspiels, das Anlass zum Erlass dieses Bescheids gegeben hat, einer rechtlichen Überprüfung zuzuführen.

II. Die Klage ist aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

1. Der Bescheid wurde von einer sachlich und örtlich zuständigen Behörde erlassen. Es geht im vorliegenden Fall um die Untersagung eines im Internet veranstalteten Glücksspiels (hierzu unten 2.1.); gemäß Art. 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV) vom 20.12.2007 (GVBl S. 922) können - unbeschadet der allgemeinen Regeln über die sachliche und örtliche Zuständigkeit - Maßnahmen im Rahmen der Glücksspielaufsicht im Hinblick auf Telemedien (§ 1 des Telemediengesetzes vom 26.2.2007) für das gesamte Staatsgebiet von der Regierung von ... getroffen werden.

2. Der Beklagte hat die Untersagungsverfügung in Ziffer 1 des Bescheids zutreffend auf § 9 Abs. 1 Satz 2 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (Glücksspielstaatsvertrag - GlüStV) - i.d.F. der Bek. vom 5.12.2007 (GVBl S. 906) gestützt. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV für ein solches Tätigwerden waren im vorliegenden Fall bei Erlass des streitgegenständlichen Bescheids erfüllt (unten 2.1.), die Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages war im vorliegenden Fall auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil das von der Klägerin angebotene Spiel als Gewinnspiel nach den §§ 8a, 58 Abs. 3 RStV legalisiert und damit dem Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages entzogen wäre (unten 2.2.); die Verfügung genügt auch im Übrigen den rechtlichen Anforderungen (unten 2.3.).

2.1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben; nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV kann die zuständige Behörde des jeweiligen Landes die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen, sie kann insbesondere die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür untersagen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV). Erforderlich ist hierfür in tatbestandlicher Hinsicht eine zumindest drohende Verletzung der öffentlich-rechtlichen Pflichten aus dem Glücksspielstaatsvertrag (BayVGH vom 22.7.2009, Az. 10 CS 09.1184, 10 CS 09.1185). Eine solche Verletzung war im vorliegenden Fall bereits eingetreten, da die Klägerin durch das - oben beschriebene - Angebot der von ihr entwickelten S...-Gewinnspiele gegen das Verbot der Veranstaltung unerlaubter Glücksspiele nach § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV sowie gegen das Verbot der Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele im Internet nach § 4 Abs. 4 GlüStV verstoßen hat.

(1) Bei dem Spiel, wie es die Klägerin im Jahr 2009 angeboten hat, handelt es sich um ein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV .

(a) Die Qualifizierung eines Spiels als Glücksspiel i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages erfolgt ausschließlich nach der in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV enthaltenen Legaldefinition. Da der Gesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrages eine solche Legaldefinition aufgenommen hat, hat er einen eigenen ordnungsrechtlichen Glücksspiel-Begriff eingeführt; der von der Strafgerichtsbarkeit zur Strafbarkeit eines Glücksspielanbieters nach § 284 StGB oder von der Zivilgerichtsbarkeit zur Frage des unlauteren Wettbewerbs durch ein Glücksspielangebot entwickelte strafrechtliche bzw. wettbewerbsrechtliche Glücksspiel-Begriff ist für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Glücksspielstaatsvertrages nicht von Bedeutung. Der im Bereich des Strafrechts entwickelte Glücksspiel-Begriff wäre allenfalls dann für den Bereich des Glücksspielstaatsvertrages von Bedeutung, wenn dies der Landesgesetzgeber im Glücksspielstaatsvertrag selbst ausdrücklich oder konkludent bestimmt hätte. Eine solche Verweisung ist jedoch gerade unterblieben. Hätte der Landesgesetzgeber für den Bereich des Glücksspielstaatsvertrages eine Orientierung an dem von der Rechtsprechung der Straf- und Zivilgerichte entwickelten Glücksspiel-Begriff für ausreichend gehalten, wäre die Legaldefinition des Begriffs des "Glücksspiels" im Glücksspielstaatsvertrag entbehrlich und sogar irreführend gewesen. Dies hätte auch nicht der sonstigen Praxis des Gesetzgebers entsprochen. Beispielsweise hat der Landesgesetzgeber auf eine Legaldefinition des Begriffs des "Gewinnspiels" bei Aufnahme des § 8a in den Rundfunkstaatsvertrag verzichtet, da es sich bei dem Begriff des "Gewinnspiels" um einen "seit langem eingeführten und durch vielfältige Judikatur konturierten Rechtsbegriff" handelt (BayVGH vom 28.10.2009 Az. 7 N 09.1377, Rn 47).

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV liegt ein Glücksspiel dann vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt.

Dass das genaue Endergebnis eines Fußballspiels auch bei größtmöglichem Sachverstand nicht exakt vorausgesagt werden kann, sondern überwiegend vom Zufall abhängt, was in § 3 Abs. 1 Satz 3 GlüStV nochmals klargestellt wird, bestreitet auch die Klägerseite nicht.

Auch die weitere von der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 GlüStV geforderte Voraussetzung für die Qualifizierung eines Spiels als Glücksspiel, dass "für den Erwerb einer Gewinnchance" ein " Entgelt " verlangt wird, ist bei der streitgegenständlichen Ausgestaltung des angebotenen Spiels erfüllt. Sofern die angebotenen Fußball-Wetten ausschließlich - wie in der streitgegenständlichen Spielausgestaltung - telefonisch über einen Mehrwertdienst für 0,50 Euro pro Anruf abgegeben werden können und von diesen 0,50 Euro ein bestimmter Anteil (nach Auskunft der Klägerin ca. 0,30 Euro) der Klägerin zufließt, liegt hierin die Entrichtung eines Entgelts im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV.

Dieses Ergebnis wird zunächst durch die Auslegung des § 3 Abs. 1 GlüStV nach der grammatikalischen und historischen Methode gestützt. Der Landesgesetzgeber hat im Glücksspielstaatsvertrag den Begriff des "Entgelts" nicht definiert. Es kann daher für den Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages von der allgemeinen Bedeutung dieses Begriffs ausgegangen werden. Danach ist unter einem "Entgelt" jede Gegenleistung zu verstehen, die ein Unternehmer für seine Waren oder Leistungen erhält. Der Begriff "Entgelt" ist somit völlig neutral hinsichtlich seiner Verwendung durch den Unternehmer; ein "Entgelt" fordert auch nicht eine bestimmte, für den Leistenden "spürbare" Mindesthöhe des Vermögenseinsatzes (so auch Dietlein in Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Rn 3 zu § 3 GlüStV). Ein Hinweis darauf, was unter "Entgelt" zu verstehen ist, ist der Amtlichen Begründung zu § 3 GlüStV zu entnehmen, wo die Teilnahmemöglichkeit via Mehrwertdienst ausdrücklich als "entgeltliche" Teilnahmemöglichkeit bezeichnet wird: Ein Verlangen nach einem Entgelt sei - so die Amtliche Begründung - dann nicht gegeben, "wenn neben einer entgeltlichen Teilnahmemöglichkeit (z.B. via Mehrwertdienst) eine gleichwertige, praktikable und unentgeltliche Alternative - z.B. durch Postkarte, E-Mail oder via Internet - zur Teilnahme an demselben Spiel angeboten wird" (LT-Drucks. 15/8486, S. 13). Bei der üblichen Gebühr von 0,50 Euro für eine Teilnahme via Mehrwertdienst beträgt das "Entgelt" i.S.d. § 3 Abs. 1 GlüStV danach weniger als 0,50 Euro, da nur der Teil der Gebühr, der dem Veranstalter zufließt - nach Aussage des Geschäftsführers der Klägerin im konkreten Fall ca. 0,30 Euro pro Anruf - "Entgelt" sein kann, nicht jedoch - wie etwa das Porto bei der Teilnahme mittels Postkarte - der Betrag, der an einen Dritten als Gegenleistung für die Beförderung der Postkarte oder die Vermittlung des Anrufs geleistet wird.

(b) Dass damit eine Diskrepanz zur strafgerichtlichen Rechtsprechung zu § 284 StGB entsteht, stellt keinen Systembruch dar, sondern dient der Erfüllung des ordnungsrechtlichen Zwecks des Glücksspielstaatsvertrages. Der Glücksspiel-Begriff, wie er sich aus der Legaldefinition des Glücksspielstaatsvertrages ergibt, stimmt nicht mit dem Glücksspiel-Begriff überein, wie er insbesondere von der strafgerichtlichen Rechtsprechung zu § 284 StGB entwickelt wurde. Eine Übereinstimmung beider Begriffe würde bedeuten, dass der von § 3 Abs. 1 GlüStV verwendete Begriff des "Entgelts" nicht wörtlich und im Sinne der Erläuterung in der Amtlichen Begründung verstanden werden dürfte, sondern eingeschränkt werden müsste, und zwar zum einen hinsichtlich der Zweckbestimmung des Entgelts, zum anderen hinsichtlich der Höhe des Entgelts.

Denn nach der Rechtsprechung der Strafgerichtsbarkeit liegt nur dann ein Glücksspiel i.S.v. § 284 StGB vor, wenn der Spieler, um an der Gewinnchance teilzuhaben, durch seinen "Einsatz" ein Vermögensopfer erbringt. Dies setzt voraus, dass es sich bei diesem Vermögensopfer nicht lediglich um die - vom eigentlichen Spiel unabhängige - Ermöglichung der Teilnahme daran handelt, sondern über eine solche Art von "Eintrittsgeld" hinaus aus dem Einsatz aller Mitspieler die Gewinnchance des Einzelnen erwächst (Schönke/Schröder, Rn 6 zu § 284 StGB unter Hinweis auf BGH vom 29.9.1986, BGHSt 34, 171; OLG München vom 28.7.2009, Az. 5 St RR 132/09); es muss sich also um eine Leistung handeln, "die erbracht wird in der Hoffnung, im Falle des Gewinnens eine gleiche oder höherwertige Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass sie im Fall des Verlierens dem Gegenspieler oder dem Veranstalter anheim fällt" (OLG Düsseldorf vom 23.9.2003, Az. I-20 U 39/03). Weiter kann nach der strafgerichtlichen Rechtsprechung zu § 284 StGB von einem "Einsatz" (als Voraussetzung dafür, dass ein Spiel überhaupt Glücksspiel i.S.v. § 284 StGB darstellt) nur dann gesprochen werden, wenn der gezahlte Betrag in den Gewinn einfließt, wenn also gerade aus diesem Betrag die Gewinnchance des Einzelnen erwächst, wenn der Betrag zumindest der Refinanzierung der Gewinne dient (vgl. OVG Koblenz vom 15.9.2009, ZfWG 2009, 413; OVG Berlin-Brandenburg vom 20.4.2009, ZfWG 2009, 190; OLG München vom 28.7.2009 Az. 5 St RR 132/09). Darüber hinaus muss der "Einsatz" wegen der Abgrenzung zum bloßen Unterhaltungsspiel - auch einen nicht ganz unbeträchtlichen Vermögenswert darstellen (OLG Düsseldorf vom 23.9.2003 a.a.O. unter Hinweis auf BGH vom 29.9.1986 a.a.O.; OVG Berlin-Brandenburg vom 20.4.2009 a.a.O.). Ob und wann von Teilnehmern gezahlte Geldbeträge, insbesondere Telefonentgelte, als "Einsatz" anzusehen sind, ist jedoch ebenso umstritten wie die Frage, welcher Betrag noch als "unerheblich" anzusehen ist (vgl. zum Meinungsstand OLG Düsseldorf vom 23.9.2003 a.a.O.).

Wenn der Landesgesetzgeber angesichts dieser strafgerichtlichen Rechtsprechung eine Identität des Glücksspiel-Begriffs des Glücksspielstaatsvertrages mit dem von der Rechtsprechung zu § 284 StGB entwickelten Glücksspiel-Begriffs gewollt hätte, so hätte er - wenn er auf eine Legaldefinition nicht überhaupt verzichtet hätte - in der Legaldefinition den Begriff des "Einsatzes" einschließlich des "verdeckten Einsatzes" verwendet, nicht aber den Begriff des "Entgelts". Dass er diese Konformität nicht gewollt hat, macht durchaus Sinn. Durch die Verwendung des Begriffs des "Entgelts" anstelle des Begriffs des "Einsatzes" in der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 GlüStV sollten Vollzugsprobleme auf Grund der oben beschriebenen schwierigen Prüfung hinsichtlich der Verwendung und der Höhe der Geldleistung (die gerade bei der Teilnahme über Mehrwertdienst nicht in voller Höhe dem Veranstalter zufließt) entfallen. Gerade die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg vom 20.4.2009 (ZfWG 2009, 190) zeigt die problematischen Folgen, wenn in den Begriff des "Entgelts" eine Konformität mit dem Begriffs des "Einsatzes", wie er von der strafgerichtlichen Rechtsprechung zum Glücksspiel-Begriff des § 284 StGB entwickelt wurde, hineingelesen wird: Die Glücksspielaufsicht müsste, bevor sie tätig werden könnte, die allein in der Sphäre des Veranstalters liegenden Umstände der Verwendung der von den Teilnehmern geforderten Entgelte prüfen, sie müsste die Höhe der Gewinne in Relation setzen zu dem geforderten Entgelt, sie müsste die Teilnahmebedingungen, die Möglichkeit des "Rebuy" überprüfen und dürfte eine Untersagungsverfügung erst erlassen, wenn sie den Nachweis unerlaubten Glücksspiels führen könnte (da die Glücksspielaufsicht diesen Nachweis nicht hatte führen können, hat das OVG Berlin-Brandenburg daher in der Entscheidung vom 20.4.2009, a.a.O., die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen eine Untersagungsverfügung wiederhergestellt). Der Glücksspielstaatsvertrag wäre damit seiner Effektivität zur Bekämpfung illegalen Glücksspiels teilweise beraubt.

(c) Die Landesgesetzgeber waren bei Erlass des Glücksspielstaatsvertrages auch nicht verpflichtet, sich an dem von der Rechtsprechung zu § 284 StGB entwickelten Begriff des "Glücksspiels" zu orientieren. Dass der Bundesgesetzgeber im Strafgesetzbuch die Veranstaltung unerlaubten "Glücksspiels" unter Strafe stellt, hindert die Landesgesetzgeber nicht, für den Bereich des - ihrer Gesetzgebungskompetenz unterfallenden - Sicherheitsrechts den Begriff des Glücksspiels selbstständig im Gesetz zu definieren. Eine hieraus resultierende unterschiedliche Begrifflichkeit beruht auf der Verteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischen Bund und Ländern und verstößt schon deshalb nicht gegen die "Einheit der Rechtsordnung", wie die Klägerseite meint. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass auch die Gestattung der Veranstaltung von Pferdewetten allein auf der hierfür vom Bundesgesetzgeber in Anspruch genommenen Gesetzgebungskompetenz beruht, die Landesgesetzgeber jedoch nicht gehindert waren, im Übrigen die Veranstaltung von Sportwetten durch Private gesetzlich zu verbieten.

(d) Es besteht auch keinerlei rechtliche Notwendigkeit für eine Konformität des strafrechtlichen und ordnungsrechtlichen Glücksspiel-Begriffs: Ein Spiel kann unerlaubtes Glücksspiel i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages sein, gleichwohl seine Veranstaltung aber straffrei bleiben, wenn die Strafverfolgungsbehörden durch die unerlaubte Veranstaltung des Glücksspiels i.S.d. § 3 Abs. 1 GlüStV den Tatbestand des § 284 StGB als nicht erfüllt ansehen. Es lässt sich sachlich rechtfertigen, an einen Straftatbestand höhere Anforderungen zu stellen als an ein ordnungsrechtliches Verbot. Abgesehen davon bestehen Anzeichen dafür, dass sich im Hinblick auf die aktuellen Möglichkeiten der Angebote über Telemedien und Mehrwertdienste die Rechtsprechung der Strafgerichtsbarkeit weiter entwickelt und von der Forderung einer Mindesthöhe für die Annahme eines Glücksspiels abrückt, so dass auch bei einem Spieleinsatz von 0,50 Euro für ein zufallsabhängiges Spiel die Glücksspieleigenschaft bejaht wird (so bereits die vom Beklagten zitierte Verfügung der Staatsanwaltschaft München I vom 25.11.2009, Az. 385 Js 43144/08).

(e) Der bisher vorliegenden Literatur und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung lassen sich keine Gesichtspunkte entnehmen, die eine andere Beurteilung rechtfertigen würden. Die Frage der Konformität des Glücksspiel-Begriffs im Glücksspielstaatsvertrag und in der strafgerichtlichen Rechtsprechung zu § 284 StGB ist sowohl in der Literatur, als auch in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung umstritten.

Dass die Klägerseite die - ihre Rechtsauffassung stützende - Meinung der Übereinstimmung der beiden Glücksspiel-Begriffe als "herrschende" Meinung in der Literatur bezeichnet, beruht wohl darauf, dass diese Meinung in den Aufsätzen von verschiedenen Rechtsanwälten (Bolay, MMR 2009, 669; Hambach/Münster, K & R 2009, 457; Liesching, ZfWG 2009, 320) vertreten wird; demgegenüber teilen Hüsken (ZfWG 2009, 153) und Dietlein/Hecker/Ruttig (Kommentar zum Glücksspielrecht) die vom erkennenden Gericht herausgearbeitete Rechtsauffassung einer Divergenz der Glücksspiel-Begriffe. Allein die Anzahl von Veröffentlichungen einer Rechtsmeinung durch Autoren, die sich auf Sportwett-/Glücksspielrecht spezialisiert haben und Medienunternehmen und -verbände vertreten und beraten, bedeutet noch nicht, dass diese Rechtsmeinung auch in Literatur und Rechtsprechung eine derart breite Zustimmung gefunden hätte, dass von ihr schlechterdings nicht mehr abgerückt werden könnte. In keiner der von der Klägerseite in Bezug genommenen Veröffentlichungen dieser Autoren wird die vom Gericht als tragendes Argument für seine Rechtsauffassung herangezogene Amtliche Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag, die eine Glücksspielteilnahme über Mehrwertdienst als "entgeltliche" Teilnahme bezeichnet, auch nur erwähnt, geschweige denn wird dieser Aussage in den Gesetzesmaterialien argumentativ entgegengetreten. Wenn Liesching (ZfWG 2009, S. 321, 322) ausführt, von der h.M. werde "zutreffend" darauf hingewiesen, "dass sich aus der Entstehungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür ergeben, dass § 3 Abs. 1 S. 1. GlüStV ein anderer, namentlich weiterer Glücksspielbegriff zugrunde liegt", lässt er die Amtliche Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag mit der ausdrücklichen Benennung der Mehrwertdienstteilnahme als entgeltliche Teilnahme außer Acht; das von ihm (unter Heranziehung der Amtlichen Begründung zum LottStV) herausgearbeitete Ergebnis, bei einer Wertgrenze von 0,50 Euro pro Einzelteilnahme sei "auch nach § 3 Abs. 1 S. 1 GlüStV von einem geringfügigen und damit unerheblichen Entgelt auszugehen, das keine Glücksspieleigenschaft begründen kann" (Liesching, ZfWG 2009, 322), ist daher nicht nachvollziehbar; darüber hinaus geht Liesching insoweit auch von der unzutreffenden Annahme aus, die Amtliche Begründung zum LottStV (LT-Drucks. 15/716, S. 9) verweise im Zusammenhang mit der Bestimmung des Begriffs des Glücksspiels unmittelbar auf die Rechtsprechung zum Glücksspielbegriff des § 284 StGB, während tatsächlich eine solche Verweisung lediglich bezüglich der Zufallsabhängigkeit und damit der Glücksspieleigenschaft von Wetten enthalten ist, völlig unabhängig vom hier entscheidenden Merkmal des "Einsatzes".

Eine herrschende Meinung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung hat sich zur Frage der Auslegung des Begriffs des "Entgelts" als "Einsatz" im Sinne der zu § 284 StGB entwickelten Rechtsprechung ebenfalls noch nicht herausgebildet. Während das OVG Lüneburg (vom 10.8.2009, GewArch 2009, 406) darauf hinweist, dass § 3 Abs. 1 GlüStV von "Entgelt" und nicht von "Einsatz" spricht, sind alle von der Klägerseite zur Stützung ihrer Rechtsansicht herangezogenen obergerichtlichen Entscheidungen (OVG Berlin-Brandenburg vom 20.4.2009, ZfWG 2009, 190; OVG Münster vom 10.6.2008, GewArch 2008, 407; OVG Koblenz vom 21.10.2008, ZfWG 2008, 396) zur Zulässigkeit von Pokerturnieren ergangen, von deren fortbestehender Zulässigkeit bei Leistung eines lediglich zur Deckung der Unkosten und nicht zur Refinanzierung der Gewinne verwendeten "Entgelts" die von der Klägerseite zitierten Entscheidungen ausgehen. Keine dieser Entscheidungen setzt sich mit der in der Amtlichen Begründung vorgenommenen Qualifizierung einer Mehrwertdienstgebühr als "Entgelt" auseinander, vielmehr gehen diese Entscheidungen bei der Begriffsbestimmung von der zu § 284 StGB verfassten Kommentarliteratur aus oder verweisen auf die Amtlichen Begründungen zum Lotteriestaatsvertrag (OVG Münster vom 10.6.2008 a.a.O. und OVG Koblenz vom 21.10.2008 a.a.O., jeweils unter Hinweis auf die Drucks. 13/5365 des Landtags NW, die jedoch den Lotteriestaatsvertrag erläutert). Obwohl auch nach der Entscheidung des OVG Koblenz vom 21.10.2008 (a.a.O.) die Wortwahl des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV ("Entgelt") und Formulierungen in den Erläuterungen zu § 3 GlüStV für eine Abweichung des Glücksspiel-Begriffs des Glücksspielstaatsvertrages von demjenigen des § 284 StGB in der Auslegung des BGH sprechen, wird dennoch angenommen, dass eine Abkehr von dem Glücksspiel-Begriff des § 284 StGB "mit dem GlüStV wohl nicht beabsichtigt" gewesen sei. Ebenso wenig wird in einer der übrigen o.g. Entscheidungen für die dort aufgestellte Vermutung, dass der Gesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrages trotz Verwendung des Begriffs des "Entgelts" den von der Rechtsprechung zu § 284 StGB entwickelten Glücksspiel-Begriff habe beibehalten wollen, ein Beleg in der - als Auslegungshilfe vorrangig heranzuziehenden - Amtlichen Begründung angeführt.

Soweit auf eine andernfalls eintretende Kollision des Glücksspielstaatsvertrages mit § 33d i.V.m. § 33h Nr. 3 GewO abgestellt wird (so das tragende Argument der Entscheidung des OVG Koblenz vom 15.9.2009, ZfWG 2009, 143, unter Bestätigung seiner Entscheidung vom 21.10.2008 a.a.O.) kann es zu dieser Kollision tatsächlich nicht kommen: Der Bundesgesetzgeber hat die Kompetenz lediglich für Wirtschaftsrecht, nicht jedoch für den Bereich des Sicherheitsrechts. Demzufolge finden gemäß § 33h Nr. 3 GewO die §§ 33c ff GewO keine Anwendung auf die Veranstaltung anderer Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO, die Glücksspiele i.S.d. § 284 StGB sind; dies muss auch für Glücksspiele im Sinn des Glücksspielstaatsvertrages gelten; die Grenze der Materie "Sicherheitsrecht" wird damit nicht überschritten. Der Landesgesetzgeber, dem für den Bereich des Sicherheitsrechts die Gesetzgebungskompetenz zukommt, war - wie oben ausgeführt wurde - nicht gehindert, insoweit den Begriff des Glücksspiels selbst zu definieren. Soweit ein Spiel diesem landesrechtlichen Glücksspiel-Begriff unterfällt, handelt es sich bei dem Spiel nicht um eine gewerbliche Betätigung. Die Regelung eines nach dem vorliegenden Landesrecht als Glücksspiel zu beurteilenden Spiels obliegt der Landesgesetzgebung, die für den Bereich des Sicherheitsrechts zuständig ist.

Nach allem bleibt das erkennende Gericht daher auch bei Würdigung der von der Klägerseite vorgetragenen Argumente und bei Überprüfung seiner Rechtsmeinung auf der Grundlage der eine gegenteilige Meinung vertretenen Literatur und Rechtsprechung bei seiner bereits bisher vertretenen Rechtsauffassung (Beschluss vom 9.2.2009, Az. M 22 S 09.300), dass der Begriff des "Entgelts" im Sinne von § 3 Abs. 1 GlüStV im Interesse einer einfachen Bestimmung des Anwendungsbereichs des Glücksspielstaatsvertrages und somit im Interesse der Effektivität des vom Glücksspielstaatsvertrag vorgesehenen präventiven Kontrollregimes nicht dahin ausgelegt werden kann, dass damit ein "Einsatz" im Sinne der von der strafrechtlichen Rechtsprechung zu § 284 StGB entwickelten Begriffsbestimmung gemeint wäre, der zudem eine gewisse - ohnehin nicht eindeutig bestimmbare Höhe aufweisen müsste. "Entgelt" ist vielmehr jede vom Teilnehmer an den Veranstalter zu erbringende Leistung, unabhängig von ihrer Höhe und von ihrer Verwendung durch den Veranstalter.

(2) Dass das von der Klägerin veranstaltete und im Internet angebotene Glücksspiel öffentlich ist, da für einen größeren, nicht geschlossenen Personenkreis eine Teilnahmemöglichkeit besteht (§ 3 Abs. 2 GlüStV), ist auch zwischen den Parteien nicht streitig; das Glücksspiel fällt somit unter den Erlaubnisvorbehalt des § 4 Abs. 1 GlüStV.

(3) Da der Klägerin eine Erlaubnis für dieses Spiel nicht erteilt wurde, ist es unerlaubt i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 Nr. 3 GlüStV. Nach § 4 Abs. 1 GlüStV dürfen öffentliche Glücksspiele nur mit einer Erlaubnis der zuständigen Behörde veranstaltet oder vermittelt werden; das Veranstalten und/oder Vermitteln ohne Erlaubnis ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 GlüStV ausdrücklich verboten. Abgesehen davon ist das angebotene Glücksspiel auch nach § 4 Abs. 4 GlüStV verboten, weil es im Internet veranstaltet und vermittelt wird. Nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 4 GlüStV wird ein Glücksspiel dort veranstaltet und vermittelt, wo dem Spieler die Möglichkeit der Teilnahme eröffnet wird. Da die Tippscheine für die Wetten nur auf der Internetseite der Klägerin angeboten werden und die Tipps insofern - jedenfalls zunächst - über Internet abgegeben werden müssen, da nur dann die erforderliche Codierung erfolgen kann, werden die Glücksspiele auch über Internet veranstaltet.

(4) Die Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages ist im vorliegenden Fall auch nicht etwa aus gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten ausgeschlossen. Gemeinschaftsrecht ist im vorliegenden Fall wohl gar nicht zu berücksichtigen, da ein Bezug ins EU-Ausland nicht besteht und auch nicht dargetan ist, dass das streitgegenständliche Angebot überhaupt Interesse im EU-Ausland gefunden hat und seine Untersagung daher einen Verstoß gegen die passive Dienstleistungsfreiheit begründen könnte. Abgesehen davon hat die ganz einhellige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, auch die des erkennenden Gerichts und des BayVGH, in einer Vielzahl von Entscheidungen bestätigt, dass der Glücksspielstaatsvertrag nicht gegen die gemeinschaftsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit verstößt (z.B. BayVGH, Urteil vom 18.12.2008, Az. 10 BV 07.558, ZfWG 2008, 472; BayVGH vom 22.7.2009, Az. 10 CS 09.1184, 10 CS 09.1185; VG München vom 27.7.2009, Az. M 22 S 09.1735). Auch der EuGH hat in seiner jüngsten Entscheidung (vom 8.9.2009, NJW 2009, 3221, "...") erneut bestätigt, dass die Regelung der Glücksspiele zu den von der Gemeinschaft nicht harmonisierten Bereichen gehört, so dass es Sache des einzelnen Mitgliedstaates ist, im Bereich des Glücksspielrechts im Einklang mit seiner eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (a.a.O. Rn 57).

2.2. Die Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages, insbesondere der Untersagungsbefugnis des § 9 Abs. 1 GlüStV, ist im vorliegenden Fall auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei dem von der Klägerin angebotenen Spiel um ein Gewinnspiel i.S.v. §§ 8a, 58 Abs. 3 RStV handeln würde und das Spiel dadurch, dass es dem Anwendungsbereich der §§ 8a, 58 Abs. 3 RStV unterfallen würde, dem Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages entzogen wäre.

(1) § 8a RStV, der durch den Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (vom 6.5.2008, GVBl S. 161) in den Rundfunkstaatsvertrag eingefügt wurde, erklärt in Abs. 1 Satz 1 "Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele" für zulässig und trifft in den Sätzen 2 bis 5 verbraucherschutzrechtliche Regelungen, z.B. bezüglich des Gebots der Transparenz, bezüglich Informationspflichten über Spielgestaltung u.a.; insbesondere darf nach § 8a Abs. 1 Satz 6 RStV "für die Teilnahme nur ein Entgelt bis zu 0,50 Euro verlangt werden". § 58 Abs. 3 RStV erklärt § 8a RStV für Gewinnspiele in vergleichbaren Telemedien für entsprechend anwendbar. Ein "Gewinnspiel" i.S.v. § 8a RStV ist ein Spiel, das den Nutzern im Fall der Teilnahme die Möglichkeit auf den Erhalt eines Vermögenswertes, insbesondere in Form von Geld, Waren oder Dienstleistungen, bietet (vgl. § 2 Nr. 1 der von den Landesmedienanstalten aufgrund von § 8a i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 und § 58 Abs. 4 RStV erlassenen Satzung über Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele Gewinnspielsatzung).

Es kann offen bleiben, ob das streitgegenständliche Spiel deshalb die Voraussetzung des § 8a Abs. 1 Satz 6 RStV nicht erfüllt, weil es auf die Abgabe mehrerer Spieltipps angelegt ist (der Online-Tippschein sieht eine Reihe von Spalten für die Eintragung verschiedener Ergebnisse vor; ein Anreiz zur Abgabe mehrerer Spieltipps wird durch die von der Klägerin angebotene "Schnelltipper-Runde" geboten sowie durch das Bonussystem) und ob der Begriff des Gewinnspiels i.S.d. § 8a RStV eine diesbezügliche Einschränkung enthält.

(2) Denn entgegen der Meinung der Klägerseite tritt § 8a RStV i.V.m. § 58 Abs. 3 RStV hinter die speziellen Verbotsnormen der § 4 Abs. 1, § 10 Abs. 5, Abs. 2 GlüStV (Verbot der Veranstaltung von Sportwetten durch private Veranstalter) und des § 4 Abs. 4 GlüStV (Verbot der Veranstaltung von öffentlichen Glücksspielen, insbesondere Sportwetten, im Internet) zurück; ein im Fernsehen oder über eine Internetplattform veranstaltetes Glücksspiel ist nicht etwa deshalb erlaubt, weil es unter den Anwendungsbereich des § 8a RStV, ggf. i.V.m. § 58 Abs. 3 RStV, fällt und dadurch dem Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages entzogen würde.

Nach dem Wortlaut des § 8a RStV, der den Begriff "Gewinnspiel" (und nicht den Begriff "Glücksspiel") verwendet, ist eine Legalisierung von in Fernsehen und Hörfunk veranstalteten "Glücksspielen" nicht erfolgt. Da ein Spiel - wie das von der Klägerin angebotene - zugleich vom Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages und des § 8a i.V.m. § 58 Abs. 3 RStV erfasst sein kann, besteht eine Konkurrenz zwischen beiden Vorschriften. Die jeweiligen Gesetze enthalten keine Regelungen dazu, in welchem Verhältnis zueinander ihre Anwendungsbereiche stehen. Dieses Verhältnis ist daher durch Auslegung der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften zu ermitteln. Die vorrangig heranzuziehenden Auslegungshilfen sind die Gesetzesmaterialien, insbesondere die Amtlichen Begründungen. Denn sie werden nicht im Nachhinein von der Verwaltung verfasst, sondern stehen bei der Beschlussfassung über das Gesetz den beschließenden Abgeordneten zur Verfügung, so dass davon ausgegangen werden kann, dass diese sich mit der Verabschiedung eines Gesetzes die dort niedergelegten Überlegungen zu eigen gemacht haben. Aus den Amtlichen Begründungen beider Staatsverträge ergibt sich, dass der Glücksspielstaatsvertrag gegenüber dem Rundfunkstaatsvertrag die vorrangig anzuwendende Vorschrift ist, d.h. dass ein Gewinnspiel i.S.v. § 8a RStV, das gleichzeitig die Merkmale eines Glücksspiels i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erfüllt, verboten bleibt und nicht etwa durch § 8a RStV legalisiert wird.

Der Landesgesetzgeber ist von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages auch auf Gewinnspiele in Fernsehen und Hörfunk ausgegangen. Die Amtliche Begründung zum Glücksspielstaatsvertrag (LT-Drucks. 15/8486, S. 13) befasst sich ausdrücklich mit "Telefongewinnspielen in Fernsehen und Hörfunk, bei denen zunächst ein Zufallsgenerator über die Weiterschaltung der Anrufe in das Studio entscheidet", in diesen Fällen soll die Frage, ob es sich bei dem Spiel um ein Glücksspiel i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages handelt, durch eine "wertende Gesamtbetrachtung", ob das Element des Zufalls oder das der Geschicklichkeit überwiegt, festgestellt werden; bei einem Überwiegen des Zufallselements sollten demnach diese Spiele vom Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages erfasst werden.

An dieser grundsätzlichen Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages auf Gewinnspiele in Fernsehen und Hörfunk sollte sich nach dem Willen des Landesgesetzgebers durch die Einfügung der §§ 8a, 58 Abs. 3 RStV in den Rundfunkstaatsvertrag nichts ändern. Denn die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages lassen die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages, die - wie ausgeführt - auch auf Telefongewinnspiele in Fernsehen und Hörfunk anwendbar sind, "unberührt" (so die Amtliche Begründung zum 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag, durch den § 8a in den Rundfunkstaatsvertrag eingefügt wurde, LT-Drucks. 15/9667, S. 15). Ein in Fernsehen oder Hörfunk veranstaltetes Telefongewinnspiel, an dem die Teilnahme über einen Mehrwertdienst erfolgt und bei dem das Zufallselement überwiegt, so dass es ein Glücksspiel i.S.d. § 3 GlüStV ist, verbleibt daher im Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages, ohne dass die Regelung des § 8a RStV für dieses Glücksspiel noch eine rechtliche Bedeutung hätte.

Dieses aus den Vorgaben der Amtlichen Begründungen zu § 3 Abs. 1 GlüStV und zu § 8a RStV gewonnene Verständnis des Vorrangs des Glücksspielstaatsvertrages gegenüber dem Rundfunkstaatsvertrag wird außerdem bestätigt durch die Amtliche Begründung zu Art. 4 AGGlüStV (LT-Drucks. 15/8601, S. 9). Danach lässt § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV den Glücksspielaufsichtsbehörden eine besondere Überwachungsaufgabe zukommen, "die als Spezialregelung nicht nur der sicherheitsrechtlichen Generalklausel (Art. 6, 7 LStVG) vorgeht, sondern auch durch sonstige spezialgesetzliche Vorschriften (beispielsweise den für Telemedien allgemein geltenden § 59 Abs. 2 bis 6 Rundfunkstaatsvertrag) nicht verdrängt wird". Auch der BayVGH hat in Zusammenhang mit der Frage der Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Werbe- und Veranstaltungsverbot von bzw. für Glücksspiele im Internet bestätigt, dass dieses Verbot, da es Anforderungen an den Inhalt von Telemediendiensten stelle, nicht dem Anwendungsbereich des Telemediengesetzes, sondern dem Rundfunkstaatsvertrag unterliege; es bleibe daher den Ländern unbenommen, im Glücksspielstaatsvertrag inhaltliche Sonderregelungen für den Bereich der Glücksspiele aufzunehmen (BayVGH vom 22.7.2009, Az. 10 CS 09.1184 und 10 CS 09.1185, Rn 48).

Dass allein diese Abgrenzung zwischen den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages und des Rundfunkstaatsvertrages bezüglich der Veranstaltung von Gewinnspielen dem Willen des Gesetzgebers entspricht, wird schließlich auch bestätigt durch die Entstehungsgeschichte der Amtlichen Begründung zum 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag: Der ursprünglich vorgesehene Satz, dass bei diesen Sendungen ein Glücksspiel i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages zu verneinen sei, weil ein Entgelt von maximal 0,50 Euro als unerheblich angesehen werde, wurde aus dem Entwurf der Amtlichen Begründung ersatzlos gestrichen. Daraus kann nur geschlossen werden, dass dieser im Entwurf vorgesehene Satz gerade nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprach, dass also der Gesetzgeber bei Einfügung des § 8a RStV gerade nicht wollte, dass alle in Rundfunk- und Fernsehsendungen veranstalteten Glücksspiele mit einem Entgelt von maximal 0,50 Euro nur noch dem Anwendungsbereich des § 8a RStV unterfallen sollten und dies über die Verweisungsvorschrift des § 58 Abs. 3 RStV auch für die in Telemedien veranstalteten Glücksspiele mit einem Teilnahmeentgelt von 0,50 Euro gelten sollte. Für die Streichung eines Satzes von derart grundsätzlicher Bedeutung aus einem Entwurf ist keine andere Erklärung ersichtlich als die, dass der Gesetzgeber die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus dem gestrichenen Satz ergeben hätten, gerade verhindern wollte. Dass diese Streichung - wie von der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde - speziell auf Intervention der für das Glücksspielrecht zuständigen Sachgebiete hin erfolgte, um die weitere Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages auf diejenigen Gewinnspiele sicherzustellen, die Glücksspiele i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sind, erscheint plausibel.

Da der Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages eröffnet ist, wenn bei einem Spiel die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängig ist und zusätzlich für den Erwerb der Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird, verbleiben für den Anwendungsbereich des § 8a RStV (nur noch) die Spiele, bei denen nicht das Zufalls- sondern das Geschicklichkeits- bzw. das Wissenselement überwiegt, sowie die Spiele mit unentgeltlicher Teilnahmemöglichkeit (so auch Hüsken, ZfWG 153, 159).

(3) Demgegenüber basiert die Argumentation der Klägerseite allein auf dem von den privaten Anbietern, insbesondere Fernsehsendern, vertretenen Gedanken einer mit der Einfügung des § 8a RStV verbundenen Legalisierung der faktisch in Fernsehen und Rundfunk veranstalteten Gewinnspiele i.S.d. § 8a RStV, unabhängig davon, ob es sich dabei um Glücksspiele oder Geschicklichkeits-/Wissensspiele oder um unentgeltliche, zufallsabhängige Spiele handelt. Der von der Klägerseite vertretenen Rechtsansicht zufolge habe § 8a RStV die in jüngster Zeit tatsächlich v.a. in Fernsehsendungen veranstalteten Telefongewinnspiele legalisieren wollen; aus diesem Grund sei der Glücksspielstaatsvertrag auf die in Fernsehen und Rundfunk veranstalteten Telefongewinnspiele, die sämtlich zufallsabhängig seien, nicht mehr anwendbar.

Zwar ist der Klägerseite zuzugeben, dass es sich bei dem gegenwärtigen Angebot an Gewinnspielsendungen, bei denen nicht alle, sondern nur nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Anrufer die Chance erhalten, an dem Wissensteil eines solchen Spiels überhaupt teilzunehmen, um zufallsabhängige Spiele handelt; wenn die Teilnahme wie üblicherweise - via Mehrwertdienst erfolgt, ist - nach der vom erkennenden Gericht vertretenen Rechtsansicht - auch die weitere Voraussetzung der Entgeltlichkeit erfüllt und es handelt sich um Glücksspiele i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV. Auch ist der Klägerseite zuzugeben, dass die Amtliche Begründung zu § 3 Abs. 1 GlüStV von künftigen Regelungen von Telefongewinnspielen in Fernsehen und Hörfunk ausgeht, deren Schwerpunkt bei der Regulierung im Verbraucherschutz liegen sollte, "wo das Problem in seiner Gesamtheit - unbeeinträchtigt von den Grenzen einer glücksspielrechtlichen Betrachtung -" gelöst werden könne. Diese bei Erlass des Glücksspielstaatsvertrages zum Ausdruck gebrachte Erwartung eines bestimmten Gehalts einer künftigen Regelung führt jedoch nicht dazu, dass ein bei Erlass dieser Regelung zum Ausdruck gekommener, anders lautender Wille des Gesetzgebers unbeachtlich wäre. Dass § 8a RStV verbraucherschutzrechtliche Regelungen zu Telefongewinnspielen aufgestellt hat, trifft zu. Die grundsätzliche Zulässigkeit solcher Spiele hat der Gesetzgeber bei Einfügung des § 8a RStV jedoch unter den Vorbehalt gestellt, dass es sich dabei nicht um unerlaubte Glücksspiele i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages handelt. Nur unter dieser Voraussetzung erklärt § 8a RStV Gewinnspielsendungen und Gewinnspiele im Fernsehen und im Hörfunk, an denen gegen ein Entgelt von bis zu 0,50 Euro teilgenommen werden kann, für zulässig. Dass damit der Anwendungsbereich des § 8a RStV hinter dem zurückbleibt, was die privaten Anbieter von einer ausdrücklichen Regelung der Telefongewinnspiele im Rundfunkstaatsvertrag erwartet haben, hindert nicht die o.g. Abgrenzung der Anwendungsbereiche, wie sie sich aus den jeweiligen Amtlichen Begründungen zwingend ergibt.

(4) In seiner Entscheidung vom 28.10.2009 (Az. 7 N 09.1377) hat der BayVGH im Rahmen eines Normenkontrollantrags die Bestimmungen der Gewinnspielsatzung überprüft; danach wird mit der erlaubnisfreien Zulassung von Gewinnspielsendungen und Gewinnspielen durch § 8a RStV zum Ausdruck gebracht, dass gegen derartige Programminhalte keine grundsätzlichen Bedenken bestehen (Rn 33); die darin liegende Erweiterung des programmlichen und wirtschaftlichen Betätigungsfeldes soll die Vielfalt des Informationsangebots erhöhen und damit die Rundfunkfreiheit sichern, bedarf jedoch der ergänzenden materiell- und verfahrensrechtlichen Vorgaben des § 8a Abs. 1 Sätze 2 bis 6 RStV (Rn 32). Weiter führt der BayVGH anlässlich dieser Überprüfung der Gewinnspielsatzung aus (Rn 31), dass § 8a RStV eine Grundsatzentscheidung enthalte, dass die im Rundfunk veranstalteten Gewinnspiele, selbst wenn es sich zum zufallsabhängige, entgeltliche Spiele und damit je nach Einsatzhöhe um Glücksspiele handle, keiner behördlichen Erlaubnis bedürften, so dass die Vorschriften des § 284 StGB, Art. 9 Abs. 1 Nr. 1 AGGlüStV keine Anwendung fänden, und dass der Rundfunkgesetzgeber mit dieser Entscheidung zugleich klargestellt habe, dass neben den zum Unterhaltungsprogramm gehörenden herkömmlichen Spielsendungen auch die erst in neuerer Zeit aufgekommenen Gewinnspiele ein zulässiger Programminhalt seien. Bei dieser Rechtsauffassung handelt es sich um ein die Entscheidung nicht tragendes obiter dictum, dem eine "belastbare" Aussage zum Vorrang des § 8a RStV für Gewinnspiele, die zugleich Glücksspiele i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sind, auch deshalb nicht entnommen werden kann, weil es sowohl die Amtliche Begründung zu § 3 GlüStV (wonach der Glücksspielstaatsvertrag auch auf Telefongewinnspiele in Fernsehen und Rundfunk anwendbar sein sollte), als auch zu § 8a RStV (wonach § 8a RStV die Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages unberührt lassen sollte) unberücksichtigt lässt.

(5) Gerade der streitgegenständliche Fall zeigt die Notwendigkeit des Vorrangs des Glücksspielstaatsvertrages gegenüber dem Rundfunkstaatsvertrag: Der Glücksspielstaatsvertrag stellt entscheidend ab auf ein Verbot des Angebots von Glücksspielen im Internet, da sich dieser Vertriebsweg als besonders suchtgefährdend herausgestellt hat; die Veranstaltung von Sportwetten ist mit besonderen Suchtgefahren verbunden, die insbesondere daraus resultieren, dass die Sportwette gegenüber den Interessenten als sog. "Kompetenzspiel" dargestellt wird, bei dem infolge von Sachverstand die richtigen Ergebnisse vorhergesagt werden könnten. Würde das von der Klägerin angebotene "Gewinnspiel" tatsächlich deshalb aus dem Anwendungsbereich des Glücksspielstaatsvertrages herausfallen, weil die Regelungen des Rundfunkstaatsvertrages als spezialgesetzliche Regelungen vorgehen würden, dann würde damit ein Sportwettangebot im Internet legalisiert. Dass der Gesetzgeber des Glücksspielstaatsvertrages die grundlegenden Vorgaben des Glücksspielstaatsvertrages zur Suchtprävention, das dem Glücksspielstaatsvertrag zugrunde liegende Regelungskonzept mit dem Verbot eines Glücksspielangebots im Internet und dem Grundsatz des Staatsmonopols für Glücksspiele, insbesondere Sportwetten (§ 10 Abs. 5, Abs. 2 GlüStV), nicht dadurch aufgeben wollte, dass er in den Rundfunkstaatsvertrag Verbraucherschutzregelungen zur Regulierung von Telefongewinnspielen in Fernsehen und Hörfunk eingeführt hat, liegt auf der Hand.

Das streitgegenständliche Spiel verbleibt somit im Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 GlüStV.

2.3. Die in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids angeordnete, räumlich auf das Gebiet des Freistaats Bayern beschränkte Untersagung berücksichtigt, dass die Glücksspielaufsichtsbehörde jedes Landes grundsätzlich nur mit Wirkung für das eigene Bundesland tätig werden kann und entspricht insoweit den vom Glücksspielstaatsvertrag gezogenen Grenzen der Befugnis der Glücksspielaufsicht sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BayVGH (vgl. BayVGH vom 22.7.2009, Az. 10 CS 09.1184 und 10 CS 09.1185).

Der Tenor der streitgegenständlichen Unterlassungsverfügung ist auch bestimmt genug (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Hierfür genügt, dass der Adressat und die für den Vollzug zuständigen Behörden den Entscheidungsinhalt aufgrund der Gesamtumstände des Einzelfalls zutreffend erfassen und ihr künftiges Verhalten danach ausrichten können, wobei nicht entscheidend ist, ob die getroffene Regelung für "jedermann" verständlich ist, sondern vielmehr auf das besondere Verständnis eines mit dem Glücksspielsektor vertrauten Adressaten abgestellt werden darf (vgl. OVG Münster vom 9.11.2009, Az. 13 B 991/09). Die Begründung der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung nimmt Bezug auf die Definition des Glücksspielbegriffs in § 3 Abs. 1 GlüStV und subsumiert unter diese Definition das von der Klägerin veranstaltete S...-Gewinnspiel; abgesehen davon hat der Beklagte die von ihm vertretene Rechtsauffassung, dass es sich bei dem von der Klägerin veranstalteten S...-Gewinnspiel um eine Sportwette und damit ein Glücksspiel i.S.d. Glücksspielstaatsvertrages sowie bei der für die Teilnahme geforderten Mehrwertdienstgebühr um ein Entgelt i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV handelt, auch in dem dem Bescheid vorangegangenen Schriftwechsel mit der Klägerseite erläutert. Demgegenüber kommt den vom Beklagten in der Begründung des Bescheids beispielhaft angeführten Möglichkeiten, auf welche Weise der Anordnung Folge geleistet werden könnte, keine Rechtserheblichkeit zu. Der Beklagte hat damit lediglich eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Erfüllung der verfügten Untersagung ausgeschlossen, um damit die Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der getroffenen Maßnahme zu erläutern, ohne jedoch von der Klägerin gerade diese Maßnahmen zu fordern (vgl. hierzu auch OVG Münster vom 9.11.2009, Az. 13 B 991/09). Ob die beispielhaft als Möglichkeit zur Erfüllung genannte Ortung der Spielteilnehmer mittels Mobilfunks tatsächlich auch dann - wie von der Klägerseite geltend gemacht - das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen würde, wenn der Spielteilnehmer hierauf vor der Teilnahme am Spiel hingewiesen würde, kann daher offen bleiben. Denn wenn eine Behörde das Unterlassen einer Handlung anordnet, muss sie dem Betroffenen grundsätzlich nicht aufzeigen, auf welche Weise er dem Verbot Rechnung tragen kann (BayVGH vom 22.7.2009, Az. 10 CS 09.1184, 10 CS 09.1185 unter Hinweis auf BVerwG vom 5.11.1968, BVerwGE 31, 15/18, unter Bestätigung der Rechtmäßigkeit einer der streitgegenständlichen Anordnung vergleichbaren Verfügung). Die Untersagungsverfügung verstößt auch nicht gegen das Übermaßverbot, da sie von der Klägerin gerade nicht die völlige Entfernung des S...-Gewinnspiels für das gesamte Gebiet der Bundesrepublik Deutschland fordert.

2.4. Ermessensfehler bei Erlass der streitgegenständlichen Untersagungsverfügung sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, dass durch Erlass des streitgegenständlichen Bescheids die in § 1 GlüStV genannten Ziele gefördert werden sollen; der Beklagte hat auch ermessensfehlerfrei - im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit des Glücksspielangebots im Internet - auf die besondere Bedeutung der Einhaltung des Internetverbots nach § 4 Abs. 4 GlüStV als wichtigen Baustein zur Verwirklichung der Grundkonzeption des Glücksspielstaatsvertrags in Erfüllung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Grundsatzurteil vom 28.3.2006 (a.a.O.) hingewiesen.

3. Auch die Androhung eines Zwangsgeldes (Art. 31 VwZVG) in Höhe von 50.000,- Euro als Zwangsmittel ist rechtsfehlerfrei erfolgt. Gemäß Art. 36 Abs. 1 VwZVG sind die Zwangsmittel schriftlich anzudrohen, wobei die Androhung mit dem zu vollstreckenden Verwaltungsakt verbunden werden soll, wenn den Rechtsbehelfen wie hier im Hinblick auf § 9 Abs. 2 GlüStV - keine aufschiebende Wirkung zukommt. Das Zwangsgeld soll das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen am Unterbleiben der Handlung erreichen (Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG); das für das Zwangsgeld gesetzlich vorgesehene Höchstmaß von 50.000,-- Euro (Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG), kann aber erforderlichenfalls auch überschritten werden (Art. 31 Abs. 2 Satz 3 VwZVG). Das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen (Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG). Dabei kann sie sich an der Gewinnerwartung des Glücksspielveranstalters orientieren. Aus einer Vielzahl von Verfahren im Bereich des Glücksspielrechts und insbesondere hinsichtlich der Vermittlung von Sportwetten - um solche handelt es sich bei dem streitgegenständlichen Spiel - haben die Behörden und die Gerichte die Erfahrung gewonnen, dass in diesem Glücksspielsektor sehr hohe Gewinne zu erzielen sind; dies wird bei der Streitwertfestsetzung dadurch berücksichtigt, dass für die Untersagung der (lediglich) terrestrischen Sportwettvermittlung der für eine Gewerbeuntersagung vorgesehene Streitwert erhöht und für jedes von der Verfügung betroffene Wettbüro ein Streitwert von 20.000,-- Euro festgesetzt wird. Die im Vertriebsweg des Internets zu erwartenden Gewinne liegen noch darüber. Eine Reduzierung der Gewinnerwartung durch eine Begrenzung der für jede Wette möglichen Spieleinsätze ist jedenfalls dann, wenn die Zahl der Teilnahmemöglichkeiten nicht begrenzt wurde, auch bislang nicht angenommen worden (vgl. z.B. BayVGH vom 4.8.2005, Az. 24 CS 05.1045, wonach von der gefestigten Rechtsprechung der pauschalierten Festsetzung von 20.000 Euro für das Hauptsacheverfahren im konkreten Fall, der in der Höhe begrenzte Wetteinsätze betraf, nicht abgewichen werden sollte).

Die Gerichte haben daher Zwangsgelder, die für den Fall eines Verstoßes gegen eine Untersagungsverfügung betreffend die unerlaubte Veranstaltung von Glücksspielen oder Sportwetten angedroht worden waren und deren Höhe dem streitgegenständlichen vergleichbar war, nicht beanstandet (z.B. VG München vom 9.2.2009, Az. M 22 S 09.300 zur Androhung eines Zwangsgeldes von 50.000,-- Euro; BayVGH vom 22.7.2009 Az. 10 CS 09.1184 und 10 CS 09.1185 zur Androhung eines Zwangsgeldes von 150.000,-- Euro jeweils bezüglich einer auf das Gebiet des Freistaats Bayern beschränkten Untersagung der Veranstaltung von Glücksspiel im Internet).

Dem Beklagten wurden keinerlei Kalkulationen vorgelegt, aus denen sich eine konkrete, nur geringe Gewinnerwartung der Klägerin ergeben hätte. Außerdem hat die Klägerin an der Fortsetzung des untersagten Spiels bereits im Hinblick auf die von ihr geleisteten Investitionen und Entwicklungskosten ein vom angestrebten Gewinn unabhängiges wirtschaftliches Interesse. Schließlich hat die Klägerseite selbst im Schriftsatz vom 27. November 2009 den schweren wirtschaftlichen Schaden beklagt, den die Klägerin infolge der - mit der streitgegenständlichen Untersagung faktisch verbundenen - vollständigen Abschaltung ihres Internetangebots erlitten habe. Angesichts dessen erscheint es nicht als ermessensfehlerhaft, wenn der Beklagte geschätzt hat, dass ein Zwangsgeld von 50.000,-- Euro erforderlich wäre, um die Klägerin zur Einhaltung der streitgegenständlichen Verpflichtung anzuhalten.

Die der Klägerin zur Umsetzung der Untersagungsverfügung gesetzte Frist war auch nicht unangemessen kurz. Die Frist zur Erfüllung der Verpflichtung ist so zu bestimmen, dass dem Pflichtigen der Vollzug innerhalb der Frist billigerweise zugemutet werden kann (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG). Es entspricht ebenfalls der ständigen Praxis der Behörden und der ständigen Spruchpraxis der Gerichte, dass bei der Festsetzung einer Frist, innerhalb derer eine nicht erlaubte und vom Gesetzgeber als sozial unerwünscht eingeschätzte Tätigkeit eingestellt werden muss, etwaige Vertrauensschutzgesichtspunkte nicht zu berücksichtigen sind; der Veranstalter hat die Tätigkeit auf eigenes Risiko aufgenommen, ohne die Rechtmäßigkeit vorher mit der zuständigen Aufsichtsbehörde abzuklären; abgesehen davon war die Klägerin bereits vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids, mit Schreiben des Beklagten vom 26. August 2009, darauf hingewiesen worden, dass es sich bei dem von ihr angebotenen Spiel um ein unerlaubtes Glücksspiel im Internet handle, dessen Untersagung beabsichtigt sei.

4. Auch die in Ziffer 4. des Bescheids vorgenommene, von der Klägerin angefochtene Festsetzung einer Gebühr von 1.500,-- Euro für den Bescheid ist rechtmäßig. Sie orientiert sich an der im Kostenverzeichnis (KVz) für Lotterien, Sportwetten und andere Glücksspiele vorgesehenen Lfd. Nr. 2.IV.1.; die Tarif-Stelle

3.2. sieht für Anordnungen zur Beseitigung oder Beendigung rechtswidriger Zustände sowie sonstige Anordnungen der Glücksspielaufsicht einen Gebührenrahmen von 500,-- Euro bis 50.000,-- Euro vor. Die streitgegenständliche Gebühr schöpft diesen Rahmen nicht annähernd aus und ist insbesondere im Hinblick auf die Schwierigkeit des Streitgegenstandes nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH vom 22.7.2009 a.a.O. zur Bestätigung einer Gebühr i.H.v. 10.150,-- Euro für einen Bescheid, durch den die Veranstaltung und Vermittlung von öffentlichem Glücksspiel im Internet untersagt wurde).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).






VG München:
Urteil v. 03.03.2010
Az: M 22 K 09.4793


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/65c81760ff0e/VG-Muenchen_Urteil_vom_3-Maerz-2010_Az_M-22-K-094793




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