Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 29. Januar 2016
Aktenzeichen: 27 K 181.13
(VG Berlin: Urteil v. 29.01.2016, Az.: 27 K 181.13)
Tenor
Das Verfahren gegen die Beklagte zu 1) wird eingestellt. Das Verfahren gegen die Beklagte zu 2) wird eingestellt, soweit der Kläger mehr als 17.909,96 Euro nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit eingeklagt hat.
Die Beklagte wird verurteilt, 17.909,96 Euro an den Kläger zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Juli 2013.
Der Kläger trägt 2/3 und die Beklagte zu 2) 1/3 der Gerichtskosten. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 1/2 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2); die Beklagte zu 2) trägt 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages und für die Beklagten zu 1) und 2) hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht als Unterhaltspflichtiger für eine Straße Kostenerstattungsansprüche nach dem Telekommunikationsgesetz geltend gegen die Beklagte zu 2) als Eigentümerin von Telekommunikationslinien, die unter der Straße verlaufen.
Der Kläger, das Land Berlin, ist Straßenbaulastträger des Kirchhainer Damms in Berlin-Lichtenrade, der Teil der Bundesstraße B 96 ist. In Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses vom 24. September 2008 führte der Kläger zwischen Januar 2010 und Juli 2013 Baumaßnahmen durch, bei denen die Fahrbahn erneuert und die Straße auf zwei Fahrspuren je Richtung ausgebaut wurde. Die Beklagte zu 2) ist Eigentümerin von unter der Straße verlaufenden Telekommunikationslinien. Im Zuge der Änderungsmaßnahmen des Kirchhainer Damms nahm die Beklagte zu 2) umfangreiche Arbeiten an ihren Telekommunikationslinien vor. Die Bauausführung des Klägers und der verschiedenen Sondernutzer und Nutzungsberechtigten der Straße erfolgte koordiniert.
Am 31. Juli 2008 fand ein Informationsgespräch der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung über die Kostentragungspflicht von Telekommunikationsunternehmen für Aufwendungen des Straßenbaulastträgers bei koordinierter Ausführung von Bauleistungen statt, an der auch die D... teilnahm. Dort erläuterte der Kläger, dass Sondernutzer nach Berliner Straßengesetz (BrlStrG) und Nutzungsberechtigte nach Telekommunikationsgesetz (TKG) anteilig nach dem Grad der verursachten Erschwerung Kosten zu tragen hätten, die dem Straßenbaulastträger in Folge der gemeinsam auszuführenden Leistungen aller an der Gesamtmaßnahme Beteiligten entstünden. Dazu gehören insbesondere Leistungen der Projektsteuerung und Ingenieurleistungen der Planung und Bauausführung (u.a. bei Abstimmung der Entwurfsplanung, Raumverteilungsplanung, Bauoberleitung) sowie indirekte Baukosten u.a. für gemeinsam erforderliche Bauprovisorien und die Verkehrsführung. Die Verhältnissetzung erfolge anhand der Nettobausummen, d.h. der reinen Tiefbaukosten der Beteiligten. Die Telekommunikationsunternehmen sagten ohne Anerkenntnis einer Zahlungsverpflichtung zu, ihre Baukosten dem Kläger zu melden.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2009 teilte der Kläger in Bezug auf die streitbefangenen Straßenausbaumaßnahme der D...mit, dass er beabsichtige, Kosten für Koordinierungs- und Projektsteuerungsleistungen erstattet zu verlangen und bat um Mitteilung der Schätzung der Baukosten.
Die D... erklärte mit Schreiben vom 24. Februar 2010, dass sie darauf bestehe, dass aus einer etwaigen Erschwerung erwachsende Kosten zunächst dem Grund und der Höhe nach darzulegen und im Bestreitensfalle nachzuweisen seien.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 2012 forderte der Kläger von der D... Kostenerstattung in Höhe von 24.515,60 Euro für eine ihr zuzurechnende zusätzliche Bauzeit. Dem Schreiben lag eine Berechnung bei, nach der sich die Bauzeit des Straßenbaulastträgers von 143 Wochen wegen der Bauarbeiten der Sondernutzer und Nutzungsberechtigten um 30 Wochen verzögert habe, von denen der D... ein Prozentsatz von knapp 4,4 % zugerechnet wurde. Darüber hinaus forderte der Kläger für zusätzliche Ingenieur- und Verwaltungsleistungen 2.987,19 Euro sowie für eine längere Projektsteuerung 3.790,78 Euro.
Die Beklagte zu 1) lehnte die Forderung mit Schreiben vom 16. November 2012 mit der Begründung ab, die Rechnung sei weder rechtlich noch inhaltlich nachvollziehbar. Sie sei weder Gestattungsnehmer noch Sondernutzer nach Berliner Straßengesetz, sondern leite das Recht zur unentgeltlichen Benutzung der öffentlichen Wege aus §§ 68 ff. TKG ab, das insoweit abschließend sei. Die Vergütung von Koordinierungsleistungen der Wegebaulastträger sei dort nicht vorgesehen.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 antwortete der Kläger, die geltend gemachten Kosten seien ihm gemäß § 71 Abs. 2 TKG als Erschwerniskosten zu erstatten. Die Erschwernis bestehe in den zusätzlichen Baukosten für Verkehrs- und Baustellensicherung, die im Auftrag des Straßenbaulastträgers entstünden, aber von Sondernutzern und Wegeberechtigten anteilig für die von diesen beanspruchte Bauzeit im Verlauf der Baumaßnahme zu tragen seien. Hinzu komme ein zusätzlicher Koordinierungsaufwand.
Mit Schreiben vom 17. Januar 2103 lehnte die Beklagte zu 1) die Forderung erneut mit der Begründung ab, § 71 Abs. 2 TKG verlange einen Nachweis, dass die geltend gemachten Kosten gerade aus der Erschwerung erwachsen seien. Eine Pauschalierung erfülle diesen Nachweis nicht.
Der Kläger hat am 13. Juli 2013 Leistungsklage gegen die Beklagte zu 1) auf Zahlung von 23.470,18 Euro erhoben. Nachdem diese ausgeführt hat, dass die Beklagte zu 2) Eigentümerin der betroffenen Telekommunikationslinien sei, hat der Kläger zunächst die Klage auf die Beklagte zu 2) erweitert und später die Klage gegen die Beklagte zu 1) zurückgenommen. Mit der Schlussforderung vom 9. Oktober 2014 hat der Kläger von der Beklagten zu 2) die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 37.283,14 Euro nebst Zinsen verlangt. Mit Schriftsatz vom 16. November 2015 hat er die Forderung auf nunmehr 17.909,96 Euro beschränkt.
Der Kläger behauptet, dass der Ausbau des Kirchhainer Damms die Neuverlegung von Anlagen der Versorgungsbetriebe notwendig gemacht habe. Anderenfalls wäre die Herstellung der neuen Fahrbahn nicht möglich gewesen, da sich die Telekommunikationsleitungen etwa 50 cm unter dem alten Gehweg und damit unter der neuen linken Fahrbahn befunden hätten. Für den Aufbau der neuen Straße sei aber ein Aushub von 80 cm Tiefe erforderlich gewesen. Die Beklagte zu 2) habe nicht nur auf der Westseite der B 96 Bauarbeiten durchgeführt, sondern auch auf der Ostseite auf ca. 2/3 der Baustellenlänge Leerrohre unterhalb des Gehwegs eingebaut.
Die Bauarbeiten am Kirchhainer Damm hätten sich um mehrere Monate verzögert, weil zunächst Rohrleitungen und Leitungsanlagen hätten verlegt werden müssen. In dieser Zeit seien bereits die Verkehrssicherung und Bauprovisorien errichtet worden. Erst nach Fertigstellung der Leitungen der Beklagten zu 2) habe der eigentliche Straßenbau fortgesetzt werden können. Die Baufreiheiten und die benötigte Baustellenabsperrung seien mit der Beklagten zu 2) abgestimmt worden. Diese habe an 43 von 124 Baubesprechungen auf der Baustelle B 96 Kirchhainer Damm teilgenommen.
Der Kläger ist nunmehr der Ansicht, er könne seinen Erstattungsanspruch aus § 72 Abs. 3 TKG ableiten. Die Planfeststellung habe eine Verlegung des Verkehrsweges erfordert. Die Telekommunikationslinien der Beklagten zu 2) unterhalb des Kirchhainer Damms hätten dem Ausbau der Straße entgegengestanden. Die Verlegung der Leitungen erfolge auf Kosten des Nutzungsberechtigten. Zu diesen Kosten zählten auch die vom Kläger verlangten Kosten. Der Kläger habe die Verlegung der Leitungen der Beklagten zu 2) nicht selbst vorgenommen, sondern mache lediglich Folgekosten geltend, die bei ihm entstanden seien. Es handle sich um anteilige Erschwerniskosten. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Frage der Erstattung von Erschwerniskosten bei Änderung einer Straße in seinem Beschluss vom 19. Dezember 2012 nicht entschieden. Hilfsweise ergebe sich der Anspruch des Klägers aus den Grundsätzen der öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag. Dadurch, dass der Kläger die Baustelle länger gesichert und die Projektsteuerung länger vorgehalten habe, als dies für seine eigene Bautätigkeit notwendig gewesen wäre, habe er ein € auch € fremdes Geschäft geführt. Die Beklagte zu 2) habe sogar konkludent einen entsprechenden Auftrag erteilt, indem sie selbstverständlich gewünscht habe, dass die Baustelleneinrichtung, die Baustellensicherung und die Projektsteuerung fortgesetzt würden, um ihre eigenen Arbeiten umsetzen zu können.
Die vom Kläger vorgenommene pauschalierte Betrachtung sei zulässig und praktisch nicht anders leistbar. Auch § 173 VwGO i.V.m. § 287 ZPO erlaubten eine Schadensschätzung. Wenn es erforderlich wäre, für jede einzelne Position einen Erschwernisnachweis zu erbringen, müsse die Beklagte zu 2) damit rechnen, dass sie künftig ihre Arbeiten isoliert durchführen müsse, was für sie zu höheren Kosten führen würde.
Der Kläger hat den Anteil der von der Beklagten zu 2) verlangten Kosten zunächst anhand des Verhältnisses der Bauzeiten sämtlicher Nutzungsberechtigter und Sondernutzer zur Gesamtbauzeit sowie zwischen den Nutzungsberechtigten und Sondernutzern anhand von deren jeweiligen Bauzeiten errechnet.
Nach einem rechtlichen Hinweis des Gerichts hat der Kläger die nunmehr zugrunde gelegte Berechnung anhand des Verhältnisses der Höhe der Baukosten der Beklagten zu 2) im Verhältnis zur Höhe der Gesamtkosten des Bauvorhabens vorgenommen. Er hat dazu ausgeführt, dass dies auch in Ziffer 7 Abs. 3 der Ausführungsvorschriften zu § 12 BrlStG als ein möglicher Maßstab genannt werde.
Die Gesamtinvestitionskosten aller Beteiligten (ohne Provisorien und Verkehrsführung) habe 4.683.296,15 Euro netto betragen. Diese Summe setze sich zusammen aus den Kosten des Klägers für Straßenbau und Regenwasserentwässerung in Höhe von 3.304.242,88 Euro und den € teilweise geschätzten € Kosten der verschiedenen Sondernutzer und Nutzungsberechtigten einschließlich der Baukosten der Beklagten zu 2). Deren Baukosten (nur Tiefbauanteil) hätten nach ihren Angaben 105.264,15 Euro netto betragen. Die Gesamtkosten der Provisorien und der Verkehrsführung beliefen sich auf 593.666,53 Euro netto. Der Anteil der Beklagten zu 2) an den Gesamtbaukosten habe 2,248 % betragen. Dies entspreche einem Anteil von 13.343,55 Euro an den Kosten der Verkehrsführung und der Bauprovisorien.
Für erhöhte Planungs- und Steuerungskosten würden 14,5 % des von der Beklagten zu 2) zu tragenden Anteils an den Kosten der Verkehrssicherung und der Bauprovisorien, also 1.934,81 Euro geltend gemacht. Dieser Wert gehe auf die Regelungen in § 12 Abs. 8 BrlStrG, Punkt 7 der Ausführungsvorschriften zu § 12 BrlStrG und die Aussagen in III 160 (3) der Allgemeinen Anweisung Bau (ABau) zurück. Danach könnten bei Tiefbaumaßnahmen etwa von Sondernutzern bis zu 15 % der Kosten der Maßnahme zur Abgeltung der Verwaltungsleistungen verlangt werden. Der Prozentsatz von 14,5 % setze sich zusammen aus 0,5 % für die Grundlagenermittlung, 2,0 % für die Vergabevorbereitung und 12 % für die Bauoberleitung. Die ABau sei bei allen Baumaßnahmen und Bauerhaltungsmaßnahmen des Landes Berlin verbindlich anzuwenden. Sie bewähre sich seit mehr als 35 Jahren als wesentliches Instrument, um ein nachhaltiges, kostengünstiges und rechtssicheres Planen und Bauen sicherzustellen. Die darin aufgestellten Maßstäbe seien auch in diesem Verfahren heranzuziehen. Für die Projektsteuerung werde ein Anteil von 2,5 % der Baukosten der Beklagten zu 2) in Höhe von 2.631,60 Euro in Rechnung gestellt. Dieser Rechnungsposten beruhe auf Punkt 7 Satz 2 der Ausführungsvorschriften zu § 12 Abs. 8 BrlStrG.
Die Planungs- und Steuerungsleistungen des Klägers seien auch dem Bauvorhaben der Beklagten zu 2) zugutegekommen. Die gesamte Detailplanung des Bauvorhabens durch den Kläger sei nicht nur nach den Wünschen der Straßenbauer, sondern auch nach den Wünschen der Beklagten zu 2) und der sonstigen Sondernutzer und Gestattungsnehmer erfolgt. Es sei ein koordinierter Leistungsplan erstellt worden. Sodann seien Bauflächen definiert worden, die nicht nur auf den Straßenbau, sondern auch auf die Bauarbeiten der Beklagten zu 2) abgestellt worden seien. Auch die Vorabstimmung mit der Straßenverkehrsbehörde sei zu dem Gesamtvorhaben geführt und die Verkehrsführung während der Bauzeit geplant worden. Die Gesamtleistungen zur Verkehrsführung seien vom Kläger technisch geprüft, dokumentiert, geplant, ausgeschrieben, beauftragt, kontrolliert und abgerechnet worden. Im Übrigen habe der Kläger als Kommunikator für das Gesamtvorhaben dieses u.a. mit den Anliegern und den Berliner Verkehrsbetrieben abgestimmt. Der Kläger habe für das Gesamtvorhaben die Aufgabe übernommen, die technischen Abläufe auf der Baustelle abzustimmen und fortzuschreiben. Die Beklagte zu 2) habe an zahlreichen Besprechungen und Terminen zur Vorabstimmung teilgenommen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu 2) zu verurteilen, an ihn 17.909,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte zu 2) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte zu 2) erklärt sich mit der Klagerücknahme einverstanden, die die Reduzierung der Klageforderung impliziert. Sie ist der Ansicht, für die geltend gemachte Kostenerstattung fehle es an einer Anspruchsgrundlage. Der Kläger habe sie fälschlicherweise wie einen Sondernutzer i.S.d. § 11 BrlStrG behandelt. Da die T... die Umverlegung ihrer Leitungsanlagen selbst und auf eigene Kosten durchgeführt habe, könnten ihr nicht zusätzlich Erschwerniskosten auferlegt werden (so das Urteil des OVG Koblenz vom 2. Juli 2013 € 6 A 10310/13 €). Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 2012 (€ 6 B 21/12 €) festgestellt, dass eine Maßnahme nach § 72 Abs. 1 TKG, die eine Pflicht des Telekommunikationsunternehmens zur Verlegung der Leitung begründe, einen Anspruch nach § 71 TKG wegen Erschwerniskosten ausschließe. Beim Ausbau zu einer vierspurigen Straße handle es sich um eine Änderung im Sinne von § 72 TKG und nicht um eine Unterhaltungsmaßnahme im Sinne von § 71 TKG. § 72 Abs. 3 TKG benenne abschließend die notwendigen, vom Eigentümer der Telekommunikationslinie vorzunehmenden Maßnahmen. Es sei eine gewollte Milde des Gesetzes, dass eventuelle Zusatzkosten, die durch die gleichzeitige Durchführung der gebotenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verlegung von Telekommunikationslinien und dem Straßenbau erforderlich würden, vom Wegebaulastträger zu tragen seien. Dies erscheine auch nicht unbillig, da das Gesetz dem Nutzungsberechtigten die Kostenübernahme für Arbeiten auferlege, an denen dieser kein eigenes wirtschaftliches Interesse habe. Die Systematik beider Vorschriften sei abschließend.
Es werde bestritten, dass die Arbeiten an den Kabelanlagen der Beklagten zu 2) zu einer Verlängerung der Bauzeit und damit zu einer Erschwernis seitens des Wegebaulastträgers geführt habe könnte. An keinem Tag, an dem die Beklagte zu 2) ihre Bauarbeiten durchgeführt habe, seien die Bauarbeiten am Straßenbau ausgesetzt worden. Die zu verlegenden Leitungsanlagen der Beklagten zu 2) hätten sich lediglich im Gehwegsbereich der südlichen Fahrbahnseite befunden. Die Beklagte 2) hätte nicht die Fahrbahn absperren müssen, um ihre Leitungen unterhalb des neuen Gehwegs der südlichen Fahrbahnseite zu verlegen. Allenfalls hätte der Fußgängerverkehr für die Beklagte zu 2) geregelt werden müssen. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern die Rohrverlegungs- und Leitungsarbeiten dazu geführt haben sollten, dass der Kläger in den ersten Wochen des Bauvorhabens keine eigenen Bauarbeiten habe durchführen können. Zudem komme es nicht auf die €Sondernutzer€ in ihrer Allgemeinheit an, sondern allein auf die Tätigkeit der Beklagten zu 2).
Dem Kläger sei es nicht gelungen, eine tatsächlich entstandene Vermögenseinbuße im Sinne der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches schlüssig darzulegen. Als Erschwerniskosten dürften keine Kosten geltend gemacht werden, die dem Kläger ohnehin entstanden wären (sog. €Sowieso€-Kosten). Bei den Kosten für die Sicherung des Verkehrsweges im Rahmen der gebotenen Nutzungsänderung handle es sich um Kosten, die beim Wegebaulastträger immer anfielen, unabhängig davon, ob der Nutzungsberechtigte ebenfalls Verkehrssicherung hätte betreiben müssen. Die Berechnungsmethode des Klägers sei nicht tragfähig, da sie sich allem Anschein nach auf § 27 Abs. 3 BrlStrG und die dazu erlassene Verwaltungsvorschrift beziehe. Die Kostenbeteiligungen nach dem Berliner Straßengesetz und seinen Ausführungsvorschriften stellten sich als Umlagen für Sondernutzer dar. Die Beklagte zu 2) sei aber kein Sondernutzer. Die pauschale Bezugnahme auf Kosten der Gesamtbaumaßnahmen sei logisch kein tragfähiger Ansatz. Nach Ziffer 1.4. der vom Kläger vorgelegten Allgemeinen Beschreibung der Bauleistung würden Erschwernisse bei der Zusammenarbeit mit Unternehmen anderer, gleichzeitig laufender Baumaßnahmen nicht besonders vergütet.
Die Höhe der Gesamtkosten der Maßnahmen der Verkehrssicherung und der Bauprovisorien werde bestritten. Der Kläger habe nicht dargetan, woraus sich die von ihm behaupteten anrechenbaren Kosten in Höhe von 564.958,99 Euro ergäben. Die pauschalierten höheren Projektsteuerungs- und Planungskosten stützten sich auf § 12 BrlStG, der nach § 71 Abs. 2 TKG keine Anwendung finde.
Hätte die Beklagte zu 2) die Verkehrssicherung für ihre Maßnahme selbst durchgeführt, so hätte sie dies nach eigener Schätzung maximal 12.563,20 Euro gekostet. Im Rahmen des § 72 Abs. 1 TKG spiele es aber keine Rolle, ob die Beklagte zu 2) Aufwendungen erspart und einen Nutzen aus der Tätigkeit des Klägers gezogen habe. Es sei im Übrigen nicht ersichtlich, welcher Vorteil der Beklagten zu 2) aus der Projektsteuerung des Straßenbauvorhabens und den Ingenieurleistungen erwachsen sein solle. Die Ingenieurleistungen würden im eigenen Interesse des Klägers erbracht und zählten zu den €Sowieso€-Kosten. Die Verlegung ihrer Leitungen habe die Beklagte zu 2) allein geplant.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte verwiesen.
Gründe
Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren durch den Berichterstatter, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 87a Abs. 2, § 101 Abs. 2 VwGO).
Soweit der Kläger die Klage gegen die Beklagte zu 1) vollständig und gegen die Beklagte zu 2) nach Stellung der Anträge im Termin am 4. Mai 2015 mit Zustimmung der Beklagten zu 2) teilweise zurückgenommen hat, ist das Verfahren insoweit gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
32Im Übrigen ist die als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage zulässig und begründet. Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Die Nutzungsberechtigung des Eigentümers von Telekommunikationslinien an öffentlichen Wegen gemäß §§ 68 ff. des Telekommunikationsgesetzes (TKG) begründet zwischen Nutzungsberechtigtem und dem Unterhaltspflichtigen der öffentlichen Straße ein öffentlich-rechtliches gesetzliches Schuldverhältnis (vgl. Schütz in: Arndt/Fetzer/Scherer (Hrsg.), TKG, 1. Aufl. 2008, § 71 Rn. 1; Dörr in: Säcker (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2013, § 69 Rn. 33), das auch den geltend gemachten Erstattungsansprüchen zugrunde liegt. Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Berlin ergibt sich aus § 52 Nr. 1 VwGO, da die betroffene Straße und die darin verlegten Telekommunikationslinien in Berlin belegen sind.
33Entgegen der Ansicht des Klägers steht ihm allerdings kein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 72 Abs. 3 TKG zu. Zwar betrifft diese Regelung die Änderung von Verkehrswegen. Sie begründet aber keinen Kostenerstattungsanspruch des für den Verkehrsweg Unterhaltungspflichtigen.
Nach § 72 Abs. 1 TKG ist eine Telekommunikationslinie, soweit erforderlich, abzuändern oder zu beseitigen, soweit sie der Ausführung einer von dem Unterhaltspflichtigen beabsichtigten Änderung des Verkehrsweges entgegensteht. In diesem Fall hat der Nutzungsberechtigte nach § 71 Abs. 3 TKG die gebotenen Maßnahmen an der Telekommunikationslinie auf seine Kosten zu bewirken.
Eine "Änderung des Verkehrsweges" liegt immer dann vor, wenn in den Bestand des Verkehrsweges baulich eingegriffen wird (BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1999 € 4 A 27/98 €, juris Leitsatz 2).Insoweit stellt der Ausbau des Kirchhainer Damms zu einer vierspurigen Straße eine Änderung des Verkehrsweges dar, die eine Verlegung der Telekommunikationslinie der Beklagten zu 2) notwendig gemacht hat.
§ 72 Abs. 3 TKG begründet aber lediglich eine Handlungspflicht des Nutzungsberechtigten und keinen Kostenerstattungsanspruch des für den Verkehrsweg Unterhaltspflichtigen. Der Nutzungsberechtigte muss die notwendigen Maßnahmen selbst und auf eigene Kosten durchführen. Deshalb kann der Unterhaltspflichtige die notwendigen Maßnahmen auch nicht anstelle des Nutzungsberechtigten durchführen und sodann vom Nutzungsberechtigten Kostenersatz verlangen. Denn wegen der größeren Sachnähe und Sachkompetenz sollen die entsprechenden Maßnahmen dem Nutzungsberechtigten vorbehalten bleiben. Die Regelung des § 72 Abs. 3 TKG ist insoweit auch abschließend (BVerwG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 € 6 B 21/12 €, juris Rn. 4 f.; zustimmend OVG Koblenz, Urteil vom 2. Juli 2013 € 6 A 10310/13 €, juris Rn. 13).
Anspruchsgrundlage ist § 71 Abs. 2 TKG in einer weiten oder in entsprechender Anwendung. Danach hat der Nutzungsberechtigte dem Unterhaltspflichtigen die aus der Erschwerung der Unterhaltung des Verkehrsweges erwachsenden Kosten zu ersetzen. Die Regelung des § 71 Abs. 2 TKG wird durch § 72 Abs. 3 TKG nur insoweit verdrängt, als es um die Verlegung der Leitung selbst geht. Inwieweit der Begriff der Unterhaltung des Verkehrsweges weit auszulegen ist und der Unterhaltspflichtige auch bei einer grundhaften Erneuerung eines Verkehrsweges Erschwerniskosten geltend machen kann, hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen (Beschluss vom 19. Dezember 2012, a.a.O., Rn. 8).
Jedenfalls ist eine entsprechende Anwendung des § 71 Abs. 2 TKG in Fällen geboten, in denen bei Änderung eines Verkehrsweges die Verlegung von Leitungen und die eigentlichen Straßenbauarbeiten gleichzeitig und koordiniert durchgeführt werden und dem Unterhaltspflichtigen dadurch insbesondere für Maßnahmen der vorläufigen Verkehrsführung, der Verkehrssicherung und der Bauprovisorien sowie den Koordinierungsaufwand zusätzliche Kosten entstehen. Dieser Fall ist in den §§ 68 ff. TKG € anders als beispielsweise in § 12 Abs. 8 BrlStrG € nicht geregelt. Die Regelung des Telekommunikationsgesetzes geht davon aus, dass die Nutzungsberechtigten die öffentlichen Wege kostenlos für ihre Telekommunikationsleitungen nutzen dürfen. Gleichwohl besteht ein Vorrang der Verkehrsnutzung: Es ist die Telekommunikationslinie, die den Verkehrsweg benutzt, nicht umgekehrt. Im Fall eines Konflikts zwischen den Interessen an der Nutzung des Verkehrsweges durch eine Telekommunikationslinie und den von dem Wegeunterhaltungspflichtigen repräsentierten Interessen an einer der Widmung entsprechenden Nutzung des Verkehrsweges kommt dem zuletzt genannten Belangen das größere Gewicht zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987 € 7 C 78.85 €, juris Rn. 14). Der Nutzungsberechtigte schuldet Ersatz der Kosten der Erschwernis der Unterhaltung des Verkehrsweges und muss bei einer Änderung der Straße eine erforderliche Verlegung der Telekommunikationslinie auf eigene Kosten vornehmen. Dem Wegeunterhaltspflichtigen sollen damit keine zusätzlichen Kosten durch die Nutzung des Weges für eine Telekommunikationslinie entstehen. Es ist entgegen der Ansicht der Beklagte zu 2) keine Gnade des Gesetzgebers, dass bei einer koordinierten Bauausführung dem Wegeunterhaltspflichtigen kein ausdrücklicher Anspruch auf Erstattung etwaiger Mehrkosten zugesprochen wird, sondern Folge einer planwidrigen Lücke. Der Gesetzgeber hat den Fall nicht bedacht, dass die Änderung des Verkehrsweges und die erforderliche Verlegung von Versorgungsleitungen im Rahmen einer einheitlichen und koordinierten Baumaßnahme durchgeführt werden und dem Wegeunterhaltspflichtigen gemeinsame Kosten für das Gesamtvorhaben (Overhead-Kosten) insbesondere zur vorläufigen Verkehrsführung, Verkehrssicherung und für Bauprovisorien entstehen, die höher sind als sie bei einer isolierten Straßenbaumaßnahme wären und von denen die verschiedenen Sondernutzer und Nutzungsberechtigten von Versorgungsleitungen profitieren. Ein solches koordiniertes Vorgehen ist regelmäßig im Interesse einer möglichst kurzen Störung des Straßenverkehrs durch Baumaßnahmen sachgerecht und geboten, insbesondere auch um zu verhindern, dass neu angelegte Straßen sogleich wieder zur Verlegung von Versorgungsleitungen aufgerissen werden. Eine abgestimmte und gemeinsame Bauausführung entspricht damit dem wechselseitigen Rücksichtnahmegebot von Nutzungsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem (vgl. Reichert, in: Scheuerle/Mayen, TKG, 2. Aufl. 2008, Vor §§ 68-77, Rn. 34; Schütz in: Arndt/Fetzer/Scherer (Hrsg.), a.a.O., § 71 Rn. 2). Würden die verschiedenen Baumaßnahmen unabhängig voneinander durchgeführt werden, würden den Nutzungsberechtigten der Telekommunikationsleitungen ebenfalls Kosten für die vorläufige Verkehrsführung, Verkehrssicherung und Bauprovisorien entstehen, wie die Beklagte zu 2) selbst eingeräumt hat. Es widerspräche Sinn und Zweck der Regelung zur Nutzung öffentlicher Wege durch Telekommunikationsleitungen, wenn der Wegeunterhaltsverpflichtete die entstehenden Mehrkosten zugunsten der Nutzungsberechtigten selbst tragen müsste.
In entsprechender Anwendung des § 71 Abs. 2 TKG kann der Kläger als Unterhaltsverpflichteter des Kirchhainer Damms Ersatz der Kosten verlangen, die durch die Erschwernis der Änderung der Straße infolge des Nutzungsrechts der Beklagten zu 2) entstanden sind.
Dabei ist er berechtigt, die entstehenden Mehrkosten pauschal zu berechnen (vgl. Reichert in: Scheuerle/Mayen (Hrsg.), a.a.O., § 71 Rn. 6 sowie Dörr in: Säcker (Hrsg.), TKG, 3. Aufl. 2013, § 71 Rn. 9; a.A. Schütz in: Arndt/Fetzer/Scherer (Hrsg.), a.a.O., § 71 Rn. 8). Es entspricht allgemeinen Grundsätzen, dass die Höhe eines Schadens oder zu ersetzenden Interesses geschätzt werden darf. Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse beläuft, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung (§ 173 VwGO i.V.m. § 287 ZPO; vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Januar 2005 € 3 C 15/04 €, juris Rn. 26). Die Norm stellt eine Beweiserleichterung dar; sie berechtigt das Tatsachengericht aber nicht dazu, von einer möglichen und nicht aussichtslosen Beweiserhebung zur möglichst genauen Ermittlung der konkreten Schadenshöhe abzusehen und stattdessen den Weg der Schadensschätzung zu beschreiten (BVerwG, Urteil vom 07. Mai 1981 € 2 C 25/80 €, juris Rn. 13).
Im vorliegenden Fall ist eine pauschalierende Schätzung geboten, weil eine trennscharfe Abgrenzung des Mehraufwandes nicht möglich ist. Es wäre mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden, wenn eine genaue zeitliche und räumliche Zuordnung der verschiedenen Maßnahmen der vorläufigen Verkehrsführung, Verkehrssicherung und der Bauprovisorien verlangt würde. Die ursprünglich vom Kläger vorgenommene Zuordnung nach den Wochen der Bauzeit ist bereits zu grob, um eine genaue Zuordnung zu den jeweiligen Sondernutzern und Nutzungsberechtigten vorzunehmen. Eine solche genaue Zuordnung scheitert auch daran, dass die Maßnahmen bei gleichzeitiger Bauausführung mehreren Beteiligten gleichermaßen zugutekommen. Auch eine trennscharfe Zuordnung von so genannten €Sowieso€-Kosten, die dem Wegeunterhaltspflichtigen ohnehin entstanden wären, ist nicht möglich. Es ist aber offensichtlich, dass das Zusammenspiel verschiedener Gewerke zu einem erhöhten Koordinierungsaufwand und regelmäßig zu einer Verlängerung der Dauer der Gesamtbaumaßnahme führt. Im vorliegenden Fall zeigt sich der Koordinierungsaufwand beispielhaft darin, dass die Beklagte zu 2) an 43 von 124 Baubesprechungen teilgenommen hat. Dass sich die Bauzeit wegen der verschiedenen Leitungs- und Rohranlagen gerade im vorliegenden Fall zu Beginn um mehrere Monate verzögert hat, haben die Mitarbeiter des Klägers im Erörterungstermin glaubhaft geschildert, ohne dass die Beklagte zu 2) dem substantiiert entgegengetreten wäre. Allerdings lässt sich auch insoweit nicht genau zuordnen, durch welche Rohr- und Leitungsanlagen diese erhebliche Verzögerung der Baumaßnahme eingetreten ist. Der Umstand, dass eine genaue Erfassung und Zuordnung der Mehrkosten nicht möglich ist, darf aber nach Sinn und Zweck der Regelungen in §§ 68 ff. TKG nicht dem Nutzungsberechtigten der Telekommunikationslinie zugutekommen.
Entsprechend einem Vorschlag des Gerichts hat der Kläger eine Zuordnung der Kosten für die vorläufigen Verkehrsführung, Verkehrssicherung und die Bauprovisorien nach dem Verhältnis der Netto-Baukosten der Beklagten zu 2) für die Tiefbaumaßnahmen € also ohne die Kosten der eigentlichen Leitungsverlegung € zu den Netto-Gesamtkosten der Straßenbaumaßnahme vorgenommen, wobei die Kosten der Verkehrssicherung und der Bauprovisorien, die ja gerade aufgeteilt werden sollen, bei der Berechnung der Netto-Gesamtkosten außer Ansatz geblieben sind. Eine derartige Aufteilung dieser Kosten im Verhältnis der jeweiligen Baukosten zueinander pauschaliert das wirtschaftliche Interesse des Wegeunterhaltspflichtigen und der verschiedenen Sondernutzer und Nutzungsberechtigten an den im Interesse aller vorgenommenen Maßnahmen der vorläufigen Verkehrsführung, Verkehrssicherung und der Bauprovisorien und gibt einen gerechten Maßstab für die Zuordnung der dem Kläger entstehenden Mehrkosten vor. Dieser Maßstab ist auch einer der Maßstäbe, die der Kläger nach den Ausführungsvorschriften zu § 12 Abs. 8 BrlStrG zur Kostenaufteilung bei Sondernutzern zum Zwecke der öffentlichen Versorgung anwendet. Dies führt zu einer Gleichbehandlung der Beklagten zu 2) mit anderen Sondernutzungen zum Zwecke der öffentlichen Versorgung. Zwar macht die Beklagte zu 2) zu Recht geltend, dass sie kein Sondernutzer nach Berliner Straßenrecht ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. März 2005 € 6 C 8/04 €, juris Rn. 29) und dass daher die dafür vom Kläger erlassenen Ausführungsvorschriften für sie keine unmittelbare Geltung beanspruchen können. Die Beklagte zu 2) befindet sich damit aber keineswegs in einer privilegierten Position gegenüber Sondernutzern zum Zwecke der öffentlichen Versorgung im Sinne von § 12 BrlStrG. Die Privilegierung bezieht sich lediglich darauf, dass der Nutzungsberechtigte den öffentlichen Weg ohne Genehmigung nutzen darf und keine Sondernutzungsgebühren schuldet. Aber auch für Sondernutzer zum Zwecke der öffentlichen Versorgung, die eine öffentliche Aufgabe erfüllen, bestehen hinsichtlich der Sondernutzungsgebühr Sonderregelungen im Vergleich zu gewöhnlichen Sondernutzern (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Sondernutzungsgebührenverordnung vom 12. Juni 2006, GVBl. S. 689). Die Rechtslage für Nutzungsberechtigte und Sondernutzer zum Zwecke der öffentlichen Versorgung ist bei Änderungen der Straße vergleichbar. Auch diese Sondernutzer müssen € wie die Nutzungsberechtigten von Telekommunikationsleitungen € ihre Leitungen bei einer Änderung oder Verlegung der Straße soweit erforderlich auf eigene Kosten anpassen (vgl. § 12 Abs. 5 BrlStrG). Es ist durchaus sachgerecht, trotz Anerkennung der Unterschiedlichkeit der Rechtsgrundlagen die Pauschalierung der zu erstattenden Mehrkosten hinsichtlich der Nutzungsberechtigten und der Sondernutzer zum Zwecke der öffentlichen Versorgung möglichst einheitlich zu praktizieren.
Bei Anwendung dieses Pauschalierungsmaßstabes kann der Kläger für die Kosten der Verkehrsführung während der Bauzeit, der Verkehrssicherung und der Bauprovisorien einen Betrag in Höhe von 13.343,55 Euro verlangen.
Die Gesamtinvestitionskosten aller Beteiligten (ohne Provisorien und Verkehrsführung) haben nach Angaben des Klägers, die die Beklagte zu 2) nicht in Frage gestellt hat, 4.683.296,15 Euro netto betragen. Diese Summe setze sich zusammen aus den Kosten des Klägers für Straßenbau und Regenwasserentwässerung in Höhe von 3.304.242,88 Euro und den € teilweise geschätzten € Kosten der verschiedenen Sondernutzer und Nutzungsberechtigten einschließlich der Baukosten der Beklagten zu 2). Deren Baukosten (nur Tiefbauanteil) betrugen nach ihren eigenen Angaben 105.264,15 Euro netto. Der Anteil der Beklagten zu 2) an den Gesamtbaukosten liegt danach bei 2,248 %, wobei die letzte Ziffer aufgerundet ist.
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2014 hatte der Kläger die Gesamtkosten für die vorläufige Verkehrsführung, die Verkehrssicherung und die Bauprovisorien auf 687.995,85 Euro brutto beziffert (Bl. 283 der Streitakte). Dieser Betrag setzte sich zusammen aus dem Auftrag Verkehrssicherung und Verkehrsführung während der Bauzeit an die M... zu dem ... der Kläger das Angebot der ausführenden Firma vom 10. August 2009 (Anlage K 29) sowie den Auftrag vom 1. September 2009 mit Prüfvermerken (Anlage K 22) vorgelegt hat. Hinzu kommen 7 Nachtragsangebote (Anlagen K 15) sowie die Nachtragsvereinbarungen 1) bis 4) (Anlagen K 12, K 15 bis 20, K 23 und K 24), die in Kopie vorgelegt wurden. Die gesamte Auftragssumme belief sich auf 668.026,17 Euro brutto bzw. 581.366,53 Euro netto, während sich die Schlussrechnungssumme auf 655.695,84 Euro brutto reduzierte. Diesen belegten Kosten ist die Beklagte zu 2) nicht substantiiert entgegengetreten. Hinzu kamen die Kosten der Bauprovisorien für die verschiedenen Leitungen in Höhe von zusätzlich 32.300,00 Euro netto bzw. 38.437,00 Euro brutto, die der Kläger in einer Tabelle mit Angabe der Maßnahme, der Ausführungsweise, der betroffenen Leitungsfirma, Fläche, Einzelpreis und Gesamtkosten zusammengestellt hat (Anlage K 13, Bl. 215 d.A.). Die Beklagte zu 2) ist auch dieser Aufstellung nicht substantiiert entgegengetreten.
Während der Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten im Sommer 2015 und mit Schriftsatz 16. November 2015 hat der Kläger nunmehr für besagte Arbeiten einen Bruttobetrag in Höhe von 706.462,96 Euro und einen Nettobetrag in Höhe von 593.666,53 Euro zugrunde gelegt. Zur Erläuterung hat er angegeben, die vorherige Rechnung habe verschiedene Schlussrechnungen noch nicht berücksichtigt. Auf Anforderung des Gerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2015 eine tabellarische Zahlungsaufstellung vorgelegt (Anlage K 37, Bl. 540 d.A.). Der geforderten Summe ist die Beklagte zu 2) weder während der Vergleichsverhandlungen noch im abschließenden Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 substantiiert entgegengetreten.
2,248 % von 593.66,53 Euro sind 13.345,62 Euro. Dass dieser Betrag die Forderung des Klägers um 2,17 Euro übersteigt, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass der Kläger die oben genannte Aufrundung des Prozentsatzes an der 3. Stelle hinter dem Komma bei seiner Berechnung letztendlich wohl doch nicht vorgenommen hat. Die Frage, ob der Kläger als Anteil an den Mehrkosten nicht auch die Bruttokosten, also die Baukosten zuzüglich der Mehrwertsteuer von 19 % hätte verlangen können, kann dahin gestellt bleiben, weil das Gericht in seinem Ausspruch nicht über den Antrag des Klägers hinausgehen darf.
Zusätzlich hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von 1.934,81 Euro für Ingenieurleistungen. Dies entspricht 14,5 % des Anteils der Beklagten zu 2) in Höhe von 13.345,62 Euro an den Kosten der vorläufigen Verkehrsführung, der Verkehrssicherung und der Bauprovisorien.
Dieser pauschalierte Betrag rechtfertigt sich daraus, dass die Mehrkosten für die vorläufige Verkehrsführung sich nicht in den reinen Baukosten der beauftragten Baufirma erschöpfen, sondern diese Baumaßnahmen vom Kläger geplant, ausgeschrieben und beaufsichtigt werden müssen. Derartige Kosten für die Ausschreibung und die Beaufsichtigung durch Straßenbauingenieure fallen regelmäßig bei Tiefbauvorhaben an. Die Pauschalierung mit 14,5 % der Nettokosten der Maßnahme, soweit sie der Beklagten zu 2) zuzurechnen ist, erscheint sachgerecht. Diese Verwaltungsleistungen hat der Kläger für die Grundlagenermittlung mit 0,5 % der Nettokosten der Maßnahme, für die Vergabe mit 2 % sowie für die Bauoberleitung mit 12 % in Ansatz gebracht. Diese Werte ergeben sich aus der Allgemeinen Anweisung Bau des Klägers in III 160 (3) und werden auch den Sondernutzern zum Zwecke der öffentlichen Versorgung in Rechnung gestellt. Diese Regelung gilt zwar nicht unmittelbar für die Beklagte zu 2). Ihre Anwendung führt aber zu einer in der Sache gerechtfertigten Gleichbehandlung mit den Sondernutzern zum Zwecke der öffentlichen Versorgung. Ein Prozentsatz von 14,5 % entspricht im Übrigen in etwa den Prozentsätzen, die auch Bauingenieure und Architekten für Vergabe und Bauaufsicht in Rechnung stellen.
Darüber hinaus kann der Kläger für die Projektsteuerung des Gesamtvorhabens einen pauschalierten Anteil in Höhe von 2.631,60 Euro verlangen. Dies entspricht 2,5 % der Netto-Baukosten der Beklagten zu 2). Auch insoweit finden zwar die Ausführungsvorschriften des Klägers zu § 12 Abs. 8 BrlStrG keine direkte Anwendung. Gleichwohl ist aber eine Gleichbehandlung mit den anderen Sondernutzern zum Zwecke der öffentlichen Versorgung sachgerecht und geboten. Die Höhe des verlangten Anteils erscheint nicht unangemessen.
Die gemeinsame Ausführung des Straßenbauvorhabens und der Verlegung der verschiedenen Rohr- und Leitungsanlagen führt zu einem erhöhten Planungs- und Koordinierungsaufwand beim Kläger. Die Berücksichtigung der Wünsche der Nutzungsberechtigten, Sondernutzer und Gestattungsnehmer bei der Detailplanung des Bauvorhabens und die Erstellung eines koordinierten Leistungsplans durch den Kläger kommt auch der Beklagten zu 2) zugute. Der Kläger hat für das Gesamtvorhaben die Aufgabe übernommen, die technischen Abläufe auf der Baustelle abzustimmen und fortzuschreiben. Insoweit handelt es sich um einen zusätzlichen Aufwand, der mit einer anteiligen Vergütung der Ingenieurleistungen für die vorläufige Verkehrsführung nicht mit abgegolten ist. Zwar würden derartige Kosten bei einer isolierten Ausführung der Verlegung der Telekommunikationsleitungen durch die Beklagte zu 2) nicht anfallen. Die gemeinsame Bauausführung entspricht aber dem wechselseitigen Gebot der Rücksichtnahme zwischen Nutzungsberechtigtem und Unterhaltsverpflichtetem und ist zwingend geboten, um die Störung der Leichtigkeit des Verkehrs durch Baustellen auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.
Der geschuldete Gesamtbetrag in Höhe von 17.909,96 Euro ist gemäß § 173 VwGO i.V.m. §§ 291 Satz 1, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ab Rechtshängigkeit mit fünf Prozent über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 und 2 VwGO und berücksichtigt die wechselseitige Kostentragungspflicht im Verhältnis des Klägers € jeweils gesondert € zur Beklagten zu 1) und zur Beklagten zu 2). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO, wobei § 167 Abs. 2 VwGO keine Anwendung auf allgemeine Leistungsklagen findet.
Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil der bislang obergerichtlich nicht geklärten Frage, ob der Unterhaltspflichtige auch bei einer grundhaften Erneuerung eines Verkehrsweges Erschwerniskosten gemäß oder entsprechend § 71 Abs. 2 TKG geltend machen kann, grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 37.283,14 Euro festgesetzt. Die ursprünglich gegen die Beklagten zu 1) erhobene Leistungsklage wirkt nicht streitwerterhöhend, da die Beklagten zu 1) und 2) insoweit als Gesamtschuldnerinnen in Anspruch genommen worden sind.
VG Berlin:
Urteil v. 29.01.2016
Az: 27 K 181.13
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