Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 7. Februar 2003
Aktenzeichen: 16 Wx 9/03
(OLG Köln: Beschluss v. 07.02.2003, Az.: 16 Wx 9/03)
Tenor
Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5. wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 04.11.2002 - 1 T 332/02 - abgeändert und der Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 28.06.2002 - 53 XVII St 66/92 - insoweit aufgehoben, als festgestellt wird, dass die Bestellung des Beteiligten zu 3. (Rechtsanwalt T zum Verfahrenspfleger im Rahmen seiner Berufsausübung erfolgt.
Im übrigen wird die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5., soweit sie sich gegen die Beschlüsse des Landgerichts Köln vom 04.11.2002 - 1 T 326/02 und 1 T 331/02 - richtet, zurückgewiesen. Insoweit hat der Beteiligte zu 5) den Beteiligten zu 3) und 4) die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu erstatten.
Gründe
Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 5. ist als - einfache - weitere Beschwerde statthaft (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.01.2003 - 16 Wx 11/03 - und vom 11.05.2001 - 16 Wx 77/01 -) und auch im übrigen zulässig.
In der Sache hat sie nur insoweit Erfolg, als die Aufhebung der Statusentscheidung des Amtsgerichts vom 28.06.2002 begehrt wird.
Der Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass die Beschwerden des Beteiligten zu 5. unzulässig sind, soweit die Statusentscheidungen des Amtsgerichts vom 02.04.2001 und 03.05.2001 angegriffen werden. Die Feststellung des Amtsgerichts vom 28.06.2002, dass der Beteiligte zu 3. im Rahmen seiner Berufsausübung für das Verfahren über die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts als anwaltlicher Verfahrenspfleger bestellt wird, ist rechtzeitig angefochten und in der Sache nicht gerechtfertigt. Insoweit halten die Ausführungen des Landgerichts der rechtlichen Überprüfung nicht stand (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Die angefochtenen Statusentscheidungen des Amtsgerichts beruhen auf der Anregung des Bundesverfassungsgerichts an die Fachgerichte in dem Beschluss vom 07.06.2000 - 1 BvR 23/00 - (FamRZ 2000, 1280). Hiernach ist es im Hinblick auf schwierige Abgrenzungsfragen im konkreten Einzelfall geboten, bereits bei der Bestellung eines Rechtsanwaltes als Verfahrenspfleger einen Hinweis darauf zu geben, ob im konkreten Fall davon auszugehen ist, dass rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten anfallen werden. Denn erst dann stehen dem Rechtsanwalt alle Tatsachen zur Verfügung, die für seinen Entschluss zur Übernahme der Verfahrenspflegschaft von Bedeutung sind und er kann die Verfahrenspflegschaften ablehnen, bei denen eine Abrechnung nach der BRAGO nicht in Frage kommt (vgl. BVerfG a.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht hat in Fortführung dieser Rechtsprechung in seiner Entscheidung vom 23.07.2002 - 1 BvR 1069/02 - desweiteren darauf hingewiesen, dass es unter dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit auch geboten sei, das vom ihm mit Beschluss vom 07.06.2000 angeregte Verfahren so zu gestalten, dass die Statusentscheidung darüber, ob rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten durch den Verfahrenspfleger zu erwarten sind, möglichst abschließend getroffen wird, bevor ein Rechtsanwalt seine Tätigkeit als Verfahrenspfleger aufnimmt. Ob in der Praxis eine solche abschließende Statusentscheidung bereits vor Tätigwerden des anwaltlichen Verfahrenspflegers in der Mehrheit der Fälle möglich ist, erscheint - insbesondere im Hinblick auf die Verfahren über Unterbringungsmaßnahmen mit besonders kurzer Verfahrensdauer - fraglich. Mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Rechtsklarheit und auch der Rechtssicherheit ist es aber jedenfalls - wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht vereinbar, wenn die Statusentscheidung des Gerichts unbegrenzt für den Bezirksrevisor mit dem nicht fristgebundenen Rechtsmittel der einfachen Beschwerde - die alleine statthaft ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20.01.2003 - 16 Wx 11/03 und vom 11.05.2001 - 16 Wx 77/01) - anfechtbar ist. Es würde dem schutzwürdigen Vertrauen des bestellten Verfahrenspflegers zuwider laufen, wenn noch lange Zeit nach Abschluss des Verfahrens und bereits erfolgter Auszahlung der Verfahrenspflegervergütung diese auf die spät eingelegte Beschwerde des Bezirksrevisors reduziert werden könnte und teilweise - obwohl im Vertrauen auf die ordnungsgemäße Abrechnung bereits verbraucht - zurückzuzahlen wäre. Eine die Interessenlage aller Beteiligten berücksichtigende Lösung des Problems zeigt das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung vom 23.07.2002 auf, in dem es auf die für eine vergleichbare Fallkonstellation vom Gesetzgeber geschaffenen verfahrensrechtlichen Vorgaben bei der Anfechtung der Entscheidung über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch die Staatskasse verweist, die nur binnen einer Ausschlussfrist von drei Monaten möglich ist (§ 127 Abs. 3 Satz 4 ZPO n.F.). Diese Ausschlussfrist für die nunmehr nach der neuen Fassung der ZPO fristgebundene Beschwerde der Staatskasse galt gleichermaßen für die nach der ZPO a.F. statthafte einfache Beschwerde der Staatskasse (§ 127 Abs. 3 Satz 3 ZPO a.F.), so dass keine Bedenken bestehen, die Regelung über die Ausschlussfrist des § 127 Abs. 3 Satz 4 ZPO analog auf die einfache Beschwerde der Staatskasse gegen die Entscheidung über den Status des Verfahrenspflegers anzuwenden.
Dies hat zur Folge, dass die Beschwerden des Beteiligten zu 5. unzulässig sind, soweit sie sich gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts vom 02.04. und 03.05.2001 richten.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 28.06.2002 ist demgegenüber innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist eingelegt und auch im übrigen zulässig. Entgegen den Ausführungen des Landgerichts hat sie auch in der Sache Erfolg.
Maßgeblich für die Frage, ob die Verfahrenspflegschaft besondere rechtliche Fähigkeiten erfordert und sich daher für den anwaltlichen Verfahrenspfleger als berufsspezifische Tätigkeit darstellt, ist die Situation zum Zeitpunkt der Bestellung des Beteiligten zu 3.. Bei der Beurteilung ist jeweils vom Einzelfall auszugehen und darauf abzustellen, ob Aufgaben zu bewältigen sind, für die ein Laie vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzugezogen hätte (BVerfG FamRZ 2000, 1280 ff., 1282). Der Rechtsanwalt, der zu entscheiden hat, ob er eine Verfahrenspflegschaft übernehmen möchte, muss deshalb anhand der ihm bekannten Umstände eine Prognose stellen, ob im konkreten Fall davon auszugehen ist, dass rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten anfallen werden. Wenn es - wie ausgeführt - im Sinne der Rechtsklarheit geboten ist, ihm deshalb bereits bei der Bestellung einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis zu geben und wenn - wie vorliegend - insoweit eine Zwischenentscheidung des Vormundschaftsgerichts getroffen worden ist, so bildet diese Entscheidung des Gerichts die sachliche Grundlage für den Entschluss des Rechtsanwaltes, die Verfahrenspflegschaft zu übernehmen. Auch in diesem Fall darf er aber nur dann darauf vertrauen, dass er die von ihm zu entfaltende Tätigkeit in jedem Fall nach den Regeln der BRAGO abrechnen kann, wenn ihm das Gericht hinreichend konkrete fallbezogene Tatsachen mitteilt, die den Schluss auf das Erfordernis künftiger anwaltsspezifischer Leistungen rechtfertigen (vgl. BayObLG FamRZ 2002, 1201 ff., 1202). Denn nur dann ist der Rechtsanwalt zu einer zuverlässigen Prüfung in der Lage, ob die zu bewältigende Aufgabe besondere rechtliche Fähigkeiten erfordert. Teilt das Gericht hingegen keine auf den Einzelfall bezogene Tatsachen mit, ist der Rechtsanwalt mangels ausreichender Grundlage für die von ihm vorzunehmende Prognose nicht schützenswert und trägt das Risiko, dass sich seine Einschätzung des Falles als unzutreffend erweist (vgl. BayObLG a.a.O.).
Vorliegend war objektiv die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes nicht erforderlich und allein aufgrund der Begründung der Statusentscheidungen des Amtsgerichts durfte der Beteiligte zu 3. nicht davon ausgehen, dass eine anwaltsspezifische Tätigkeit erforderlich werden würde.
Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts enthält lediglich die Begründung, dass der Beteiligte zu 3. deswegen im Rahmen seiner Berufsausübung für das Verfahren über die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts bestellt werde, weil es sich um einen starken Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handele und ein Verfahrenspfleger ohne juristische Kenntnisse anwaltlichen Rat in Anspruch nehmen würde. Aufgrund dieser allgemeinen Formulierung war die Prognose, dass anwaltsspezifische Tätigkeiten zu erwarten seien, nicht gerechtfertigt.
Zwar stellt die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtssphäre des Betroffenen dar. Solche Eingriffe implizieren jedoch nicht zwingend anwaltlichen Rat. Es ist vielmehr stets auf die besonderen Umstände des Einzelfalles abzustellen und zu fragen, ob diese auf besondere rechtliche Schwierigkeiten der Sache hindeuten und deshalb die fachspezifische Vertretung durch einen Rechtsanwalt erfordern. Dies ist vorliegend zu verneinen. Auch wenn eine diesbezügliche Beurteilung primär auf tatrichterlichem Gebiet liegt, kann der Senat diese selbst treffen, da das Landgericht bei seiner Entscheidung nicht alle entscheidungserheblichen Umstände des vorliegenden Falles berücksichtigt hat. Der Betroffene, der an einer schwerstverlaufenden schizophrenen Psychose hebephrener Art leidet, befindet sich seit Juli 1983 fast ununterbrochen in stationärer psychiatrischer Behandlung und ist mit kurzen Unterbrechungen seit Mai 1987 geschlossen untergebracht. Nach dem psychiatrischen Gutachten vom 17.06.2002, das zur Zeit des angefochtenen Beschlusses bereits vorlag, ist die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes für finanzielle Angelegenheiten aus psychiatrischer Sicht dringend erforderlich, da der Betroffene phasenweise aufgrund seiner krankheitsbedingten Kritikminderung und der Unfähigkeit planvoll zu handeln dazu neigt, unüberlegte Einkäufe zu tätigen. So gelang es ihm am 30.03.2002 von einem Mitpatienten die Euroscheckkarte zu erhalten und die Geheimzahl zu erfahren. Dies führte dazu, dass er aus dem stundenweise gewährten Einzelausgang im Klinikgelände nicht zurückkehrte und gemeinsam mit einer Freundin 800,00 EUR vom Konto des Mitpatienten abhob und vollständig für unkontrollierte und sinnlose Einkäufe ausgab. Die Notwendigkeit für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehaltes lag im Hinblick auf die schwere Erkrankung des Betroffenen nach diesem Vorfall und den Ausführungen des Sachverständigen nach Auffassung des Senates auch für einen Laien auf der Hand. Der Betroffene, der nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht als geschäftsunfähig angesehen werden kann, hat offensichtlich nach wie vor den Wunsch, weiterhin - wenn möglich - am Rechtsverkehr teilzunehmen und es besteht daher die Gefahr, dass er sich durch die Abgabe von unvernünftigen Willenserklärungen selbst schädigt. Dieser Gefahr konnte nur durch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts begegnet werden. Weniger einschneidende Maßnahmen sind nicht ersichtlich und standen nicht zur Diskussion. Dass der Betroffen sich - wie seine Anhörung vom 03.07.2002 gezeigt hat - der Auswirkungen des Grundrechtseingriffs nicht in jeder Hinsicht bewusst war, vermag die Notwendigkeit der Inanspruchnahme gerade von anwaltlicher Beratung nicht zu begründen.
Die Statusentscheidung des Amtsgerichts vom 28.06.2002 war deshalb aufzuheben.
Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beteiligten zu 3) und 4) beruht auf § 13 Abs. 1 S. 2 FGG. Im übrigen ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.
Beschwerdewert: bis 1.000,- EUR
OLG Köln:
Beschluss v. 07.02.2003
Az: 16 Wx 9/03
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