Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Dezember 2007
Aktenzeichen: 21 W (pat) 58/05

(BPatG: Beschluss v. 06.12.2007, Az.: 21 W (pat) 58/05)

Tenor

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 N des Patentamts vom 3. Mai 2005 wird aufgehoben.

2. Das Verfahren wird zur Prüfung an das Patentamt auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung vom 6. Dezember 2007 überreichten Anspruchs 1 gemäß neuen Hauptantrags zurückverwiesen.

Gründe

I Die Patentanmeldung wurde am 10. Mai 2002 unter der Bezeichnung "Applikator für die Tiefenhyperthermie" beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht. Die Offenlegung erfolgte am 27. November 2003.

Die Prüfungsstelle für Klasse A 61 N hat mit Beschluss vom 3. Mai 2005 die Anmeldung zurückgewiesen. Zur Begründung ist in dem Beschluss ausgeführt, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 im Hinblick auf den Stand der Technik nach der Druckschrift D2: Kanai, Y. u. a.: Analysis of a Hyperthermic Treatment in a Resonant Cavity Applicator by Solving Time - Dependent Electromagnetic - Heat Transfer Equations. In: IEEE Transactions on Magnetics, 1996, Vol. 32, No. 3, S. 1661 - 1664 wegen mangelnder Neuheit nicht patentfähig ist.

Im Prüfungsverfahren sind außerdem noch die Druckschriften D1: DE 40 20 714 A1 D3: JP 02 065 876 A (Abstract)

D4: JP 02 063 479 A (Abstract)

in Betracht gezogen worden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelder.

Der Vertreter der Anmelder stellt den Antrag:

1. Den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A 61 N vom 3. Mai 2005 aufzuheben, 2. das Verfahren zur Prüfung an das Patentamt auf der Basis des in der mündlichen Verhandlung überreichten Anspruchs 1 gemäß neuen Hauptantrags zurückzuverweisen.

Der mit Gliederungspunkten versehene ansonsten wörtlich wiedergegebene Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:

M1 Applikator für die Tiefenhyperthermie angeregt durch Hochfrequenzdadurch gekennzeichnet, M2 dass er aus einem zylindrischen Hohlraum-Resonator besteht, der in seiner H111 - Grundresonanz angeregt wird, M3 dass der Durchmesser des zylindrischen Hohlraums zur eindeutigen Ausbildung der H111 - Grundresonanz groß gegenüber dem Behandlungsquerschnitt ist und damit auch die zum Einschieben und zur Lagerung des zu erwärmenden Objektes erforderlichen Öffnungen bzw. Rohre in den Endplatten im Durchmesser klein gegenüber dem Resonator - Durchmesser bleiben (Fig. 2), M4 dass in die Öffnungen der Endplatten des Resonators Rohre eingeschoben werden, die sowohl den hierin behandelten Patienten gegen unerwünschte Hochfrequenzbelastung abschirmen, als auch verhindern, dass nennenswerte Hochfrequenzenergie in den Behandlungsraum dringt (das sind Rohre mit deutlich höherer Grenzfrequenz für eine ungedämpfte Wellenausbreitung, als die benutzte Frequenz für die Anregung der H111 - Grundresonanz; die Feldausbreitung unterliegt darin einer aperiodischen Dämpfung), M5 dass in seinem Feld keine sogenannten Hot-Spots auftreten, die z. B. durch die Anwendung von Wasserkissen kompensiert werden müssen.

Der Antrag auf Teilung der Patentanmeldung aus dem Schriftsatz vom 3. Dezember 2007 wird zurückgenommen.

II Die zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg als sie nach Vorlage eines neuen Hauptanspruchs zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an das Patentamt führt.

Gemäß der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Beschreibung gemäß Hauptantrag Seite 1, erster und zweiter Absatz, ist es bekannt, dass die Übererwärmung von malignem Körpergewebe dazu führt, dass dadurch Krebszellen geschädigt werden und absterben. So hat Manfred von Ardenne die GanzkörperÜbererwärmung angewendet, andere Autoren beschreiben unterschiedliche Verfahren und Geräte, welche hochfrequente Felder (HF) einsetzen.

Bisherige Anwendung von hochfrequenten Feldern zur Übererwärmung sind entweder invasiv (Nadelapplikator) oder haben wegen Nebeneffekten aufwendige Maßnahmen zu treffen. Hier zum Beispiel die aufwendige Raumabschirmung gegen unzulässiger HF-Störstrahlung, die Vermeidung erhöhter punktueller Überhitzung am Körper (sog. Hot Spots) durch Wasserkissen (Boluse), so wie die stark einschränkende Fixierung des Patienten während der Behandlung. Gemeinsam ist allen Verfahren, dass die Belastung des Kopfes - auch punktuell z. B. der Augen - mit einer HF-Spitzenleistung unterhalb 10 mW/g liegen muss.

Dem Anmeldungsgegenstand liegt somit gemäß Beschreibung Seite 1, dritter Absatz, die Aufgabe zugrunde, die oben genannten Probleme dadurch lösen, dass ein mit der H111 - Grundresonanz angeregter Hohlraum - auch mit Öffnungen zum Einschieben und Positionierung des Patienten - keine unzulässige HF-Strahlung abstrahlt, dass das HF-Feld nicht durch am Körper anliegende Elektroden oder Antennen (Streifenleitungen) erzeugt wird, um sog. "Hot Spots" zu vermeiden, also keine Wasserkissen (Boluse) benötigt, womit eine starre Fixierung des Patienten während der Behandlung verbunden ist.

Der hier zuständige Fachmann ist ein mit der Entwicklung therapeutischer Vorrichtungen befasster berufserfahrener Diplom-Ingenieur oder Diplom-Physiker der in ständigem Kontakt mit praktizierenden Ärzten steht.

Der Senat stimmt der Auffassung der Prüfungsstelle im Zurückweisungsbeschluss vom 3. Mai 2005 zu, wonach der der Zurückweisung zugrundeliegende Gegenstand des Patentanspruchs 1 als nicht neu gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D2 beurteilt wurde.

Der geltende Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag weist als neue Merkmale demgegenüber nunmehr eine H111 - Grundresonanz (Merkmal M2) auf und dass in die Öffnungen der Endplatten des Resonators Rohre eingeschoben werden (Merkmal M4) die der Beschreibung entstammen (vgl. Beschreibung Absatz [0009] der Offenlegungsschrift).

Diese Merkmale sind aus dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik nicht bekannt und auch nicht nahegelegt. So ist aus der als nächstkommender Stand der Technik anzusehenden Druckschrift D2 ein Applikator (resonant cavity applicator, vgl. Abschnitt I, zweiter Absatz) für die Tiefenhyperthermie angeregt durch Hochfrequenz (vgl. Abschnitt I, erster Absatz, radio frequenzy hyperthermia, und die Frequenzangaben 50 bis 100 MHz sowie 65,6 MHz in den Abschnitten III und IV) bekannt, der aus einem zylindrischen Hohlraum - Resonator besteht (vgl. die Figur 1, Reentrant Resonant Cavity Applicator).

Die Verwendung der H111-Resonanz ist in der Druckschrift D2 nicht angesprochen, und es sind auch keine Rohre in die Endplatten des Resonators eingeschoben.

Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen noch weiter ab.

Somit lässt sich mit dem bisher in Betracht gezogenen Stand der Technik eine Zurückweisung der Anmeldung nicht begründen.

Das Verfahren ist jedoch noch nicht zur Entscheidung reif und die Anmeldung mit dem geltenden Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag zur weiteren Prüfung an das Patentamt zurückzuverweisen. § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG bestimmt, dass das Patentgericht die angefochtene Entscheidung aufheben kann, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Gründe, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, beseitigt werden und eine neue Sachprüfung erforderlich ist. Danach kann die Anmeldung an das Patentamt zurückverwiesen werden, wenn die Patentfähigkeit noch nicht oder nicht ausreichend Gegenstand der Prüfung war (vgl. Busse PatG, 6. Auflage § 79 Rdn. 64 und 65, Schulte PatG, 7. Auflage § 79 Rdn. 19 bis 21 - jeweils mit weiteren Hinweisen). Dies ist vorliegend offensichtlich der Fall, da die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in den nunmehr geltenden Patenanspruch 1 gemäß Hauptantrag zusätzlich aufgenommenen Merkmale ersichtlich im bisherigen Prüfungsverfahren noch keine Rolle gespielt haben und dementsprechend auch nicht recherchiert wurden. Da die Recherche insoweit lediglich als vorläufig anzusehen ist, ist nicht auszuschließen, dass bei einer somit erforderlichen Nachrecherche bezüglich der erwähnten neuen Merkmale noch entscheidungserheblicher Stand der Technik ermittelt wird.

Angesichts der Notwendigkeit einer weiteren Prüfung auf Patentfähigkeit hat der Senat von einer noch notwendigen Überarbeitung des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag und der übrigen Unterlagen abgesehen.

Dr. Winterfeldt Karcher Dr. Morawek Dr. Müller Pü






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Beschluss v. 06.12.2007
Az: 21 W (pat) 58/05


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