Landgericht Köln:
Urteil vom 23. November 2005
Aktenzeichen: 28 O 268/05
(LG Köln: Urteil v. 23.11.2005, Az.: 28 O 268/05)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, unerlaubte Nachbildungen (Plagiate) urheberrechtlich geschützter M-Möbelmodelle, und zwar des Sessels M2 und des zweisitzigen Sofas M2, in der Bundesrepublik Deutschland zu verwerten, insbesondere in der Zigarren-Lounge in der Bundeskunsthalle in Bonn, aufzustellen und gewerblich zu nutzen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt. Die Kosten der Nebenintervention trägt die Streithelferin selbst.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Gründe
Die Parteien streiten über das Recht der Beklagten, in Italien hergestellte und erworbene - und dort dem Urheberrechtsschutz nicht unterliegende - Nachahmungen von M Möbelmodellen in der Zigarrenlounge der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn aufzustellen.
Die Klägerin ist ein weltweit führendes Unternehmen auf dem Gebiet der Polstermöbel. Ihre Kollektion D umfasst herausragende Möbelmodelle des 20. Jahrhunderts der Meister der modernen Architektur wie M, S, N, B und X, die sich zugleich mit Einrichtungsobjekten befasst haben und die in die Geschichte des Designs eingegangen sind. Grundlage für die Herstellung und den Vertrieb derartiger Reeditionen sind zwischen der Klägerin und den betreffenden Designern oder deren Erben bzw. Nachlassverwaltern abgeschlossene Exklusivverträge, in denen Rechte und Pflichten der Vertragspartner eingehend geregelt sind. Hinsichtlich der M Möbelmodelle bestehen zwischen der Klägerin und der G M in Paris urheberrechtliche Exklusivverträge, beginnend mit dem Jahr 1965. Der gegenwärtige Vertrag vom 20.11.2002 hat eine Laufdauer bis 31.12.2007 (Anlage K 1, Bl. 10 ff. d.A.).
Die Beklagte schloss nach ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung einen Kooperationsvertrag mit der L-GmbH ab, in dessen Rahmen ein Vertragsgastronom eingeschaltet werden sollte, der wiederum mit der Beklagten weitere Vereinbarungen hinsichtlich der Möblierung und der Ausstattung treffen sollte. In Ausführung dieses Vertrages richtete die Beklagte die erwähnte Zigarren-Lounge ein, in der sie mehrere Nachbildungen von M-Möbelmodellen aufstellte, nämlich 17 Sessel M 2 und drei zweisitzige Sofas M 2, beides mit verchromten Stahlgestellen und schwarzen Kissen (vgl. Lichtbilder Anlagen K 2 bis K 6 zur Klageschrift, Bl. 18 ff. d.A.). Diese Möbel hatte sie bei der Streithelferin, die ihren Sitz in Bologna, Italien, hat, erworben. Gegen das Aufstellen dieser Plagiate wandte sich die Klägerin erfolglos mit Abmahnschreiben vom 20.12.2004.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin unter Berufung auf eine Vielzahl von Gerichtsentscheidungen, wonach die streitgegenständlichen Möbelmodelle Urheberrechtsschutz genießen, Unterlassung der Verwertung der Nachbildungen der Möbel geltend, insbesondere im Hinblick auf das Aufstellen in der Zigarren-Lounge der Bundeskunsthalle. Sie stützt sich für den von ihr geltend gemachten Anspruch aus §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 17, 97 UrhG insbesondere auf drei von ihr erstrittene Entscheidungen, wonach ihr Verbreitungsrecht durch Aufstellung von Nachbildungen in Hotelräumen (KG, Urteil vom 30.04.1993, GRUR 1996, 968 ff.), in Verkaufsräumen eines Kaufhauses (OLG Frankfurt, Urteil vom 11.11.2003, Az. 11 U 55/02, Bl. 76 ff. d.A.) und in einer Parfümerie (OLG Frankfurt, Urteil vom 21.11.2001, Az.: 11 U 13/01) verletzt werde und beruft sich darauf, dass der Urheber möglichst umfassend an jedem neuen Verwertungsvorgang teilhaben solle, der eine gewerbliche Ausbeutung mit sich bringe. Gegenüber dem Einwand der Beklagten und der Streithelferin, wonach die Entscheidung des Kammergerichts durch das dritte Urheberrechts-Änderungsgesetz und die hierin geregelte Neufassung von § 17 Abs. 2 und 3 UrhG obsolet geworden sei, macht die Klägerin geltend, dass § 17 Abs. 2 und 3 UrhG nicht die Verkehrsfähigkeit von Plagiaten sicherstellen solle. Vielmehr beträfen die genannten Regelungen nur Originale und Vervielfältigungsstücke, nicht aber - wie hier - Plagiate. Im übrigen sei es bedenklich, für den Umgang mit Plagiaten §§ 15 ff. UrhG heranzuziehen. Immerhin führe die Rechtsprechung für Urheberrechtsverletzungen durch Plagiate immer nur § 97 UrhG, nicht aber auch § 17 UrhG an. Das von der Beklagten vorprozessual herangezogene - nicht rechtskräftige - Urteil des OLG Hamburg vom 07.07.2004 (GRUR-RR 2005, 41 ff.) sei insofern unzutreffend, wonach im Hinblick auf einen in Italien abgeschlossenen - und dort urheberrechtlich unbedenklichen - Erwerbsvorgang das deutsche Urheberrecht nicht berührt sei und das Anbieten der Ware in Deutschland keine Urheberrechtsverletzung sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, bei Vermeidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen, unerlaubte Nachbildungen (Plagiate) urheberrechtlich geschützter M Möbelmodelle, und zwar des Sessels M 2 und des zweisitzigen Sofas M 2, in der Bundesrepublik Deutschland zu verwerten, insbesondere in der Zigarren-Lounge in der Bundeskunsthalle in Bonn, aufzustellen und gewerblich zu benutzen.
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte macht geltend, dass nach der durch das dritte Urheberrechts-Änderungsgesetz eingetretenen Rechtslage die Weiterverbreitung zulässig sei, wenn - wie hier - Originale oder Vervielfältigungsstücke rechtmäßig im Gebiet der EU in Verkehr gebracht worden sei. Zwar gelte das nicht für die Vermietung, jedoch sei nach § 17 Abs. 3 UrhG Vermietung gerade nicht die Überlassung von Original- oder Vervielfältigungsstücken der angewandten Kunst, um die es sich vorliegend handele. Daher sei - entgegen der noch nach altem Recht ergangenen Entscheidung des Kammergerichts - das Aufstellen von Möbelnachbildungen kein Vermieten und kein Verbreitungsakt im urheberrechtlichen Sinne.
Die Streithelferin beruft sich darauf, dass nach den Entscheidungen des OLG Frankfurt § 17 UrhG auch auf Plagiate angewandt würden, also in gleicher Weise dem Verbreitungsrecht unterlägen, hier also nicht zwischen berechtigt und unberechtigt hergestellten Werkstücken unterschieden würde. Die Streithelferin verweist auf Jacobs, Der neue urheberrechtliche Vermietbegriff, GRUR 1998, 246, 250 und Dreier-Schulze, § 17 Rn. 48, wonach durch die erwähnte Gesetzesänderung die Entscheidung des Kammergerichts überholt sei. Im Einklang mit der Entscheidung des OLG Hamburg könne es schon europarechtlich nicht angehen, dass in Italien Möbelstücke, die dort keinem urheberrechtlichen Schutz unterliegen, erworben werden können, deren Verbreitung, ja sogar Ingebrauchnahme in Deutschland unzulässig sei. Wenn dies richtig wäre, liege ein Verstoß gegen Art 28 EU-Vertrag vor.
Die Streithelferin beantragt insoweit hilfsweise, die Vorlage der Frage einer Vereinbarkeit derartiger Auslegung und
Anwendung deutschen Urheberrechts mit Artikel 28 EU-Vertrag an den
Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EU-Vertrag, sowie die Aussetzung des Verfahrens bis zum Erlass der Vorabentscheidung durch
den Europäischen Gerichtshof.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze und auf die von ihnen eingereichten Urkunden, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
E N T S C H E I D U N G S G R Ü N D E :
Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 97 UrhG zu, weil das Ausstellen der nach deutschem Recht urheberrechtswidrig hergestellten Möbelmodelle ungeachtet ihres in Italien zulässigen Erwerbs einen selbständigen Verbreitungsakt darstellt, der nicht von dem Erschöpfungstatbestand des § 17 Abs. 2 UrhG erfasst und damit zulässig geworden ist. Es kann daher dahin stehen, ob es sich hierbei um eine nach § 17 Abs. 3 UrhG - privilegierte - Vermietung von Originalen oder Vervielfältigungsstücken der angewandten Kunst handelt. Darüber hinaus geht die Kammer nicht davon aus, dass in dieser Bewertung ein Verstoß gegen Art. 28 EU-Vertrag liegt, so dass sich eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof erübrigt.
Im Einzelnen gilt Folgendes:
I.
Die streitgegenständlichen Möbelmodelle, hinsichtlich derer die Klägerin das exklusive Herstellungs- und Vertriebsrecht hat, genießen gegenüber den von der Beklagten erworbenen und in der Bundeskunsthalle aufgestellten Exemplaren als Werke der angewandten Kunst Urheberrechtsschutz, § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG. Ungeachtet der Tatsache, dass die Möbel in Italien rechtmäßig hergestellt und in Verkehr gebracht worden sind, kann die Klägerin, die hinsichtlich der Nachbildungen keine Erlaubnis erteilt hat, deren Verbreitung in Deutschland untersagen lassen.
Die Kammer geht davon aus, dass die streitgegenständlichen M Möbel als Werke der bildenden Kunst in Deutschland urheberrechtlich geschützt sind. Hierüber besteht zwischen den Parteien auch kein Streit. In den Möbeln offenbart sich, wie bereits durch das Kammergericht (GRUR 1996,968), entschieden worden ist, eine Gestaltungshöhe, die es rechtfertigt, die Erzeugnisse unter die Werke der bildenden Künste einzuordnen. Die verwendeten Formgestaltungselemente fügen sich zu einem Ganzen von herausragend eigentümlicher, ästhetischer Wirkung, die zu erzielen eine künstlerische Leistung darstellt. Dies ist in der Rechtsprechung einhellig so entschieden worden. Insoweit ist auf die von der Klägerin zitierten Entscheidungen zu verweisen, denen sich die Kammer anschließt.
Diese Möbel genießen in Deutschland als Werke der angewandten Kunst ungeachtet der Tatsache urheberrechtlichen Schutz, dass sie in Italien erlaubtermaßen hergestellt und in Verkehr gebracht worden sind. Auch wenn die Herstellung eines Werkstückes in einem Land erfolgt, in dem der Urheber keinen Schutz genießt, kann die Verbreitung im Inland (Schutzland) unzulässig sein. Soweit es um den Schutz im Inland geht, kommt es alleine darauf an, ob ein inländischer Begehungsort gegeben ist (Schricker/Katzenberger, Urheberrechtsgesetz, vor §§ 120 ff., Rz. 130 ff).
II.
Durch das Aufstellen von Nachbildungen der M Möbel in der Bundeskunsthalle hat die Beklagte die ausschließlich der Klägerin zustehenden Rechte zur Verbreitung der betreffenden Möbelkunstwerke verletzt. Die Ausstattung der in der Lobby befindlichen Räumlichkeiten mit den Plagiaten stellt sich als Inverkehrbringen der geschützten Werke unter Missachtung des alleinigen Verbreitungsrechts der Klägerin dar, das dieser als der ausschließlichen Lizenznehmerin für die Werknutzung zusteht (§17 UrhG).
Die Kammer schließt sich der Rechtsansicht der Klägerin nicht an, dass die Möbelnachbildungen, weil es sich um Plagiate handelt, deshalb nicht den Vorschriften der §§ 15 ff. UrhG unterliegen könnten. Die Rechtsprechung geht stets davon aus, dass die Vorschriften über die Verwertungsrechte an urheberrechtlich geschützten Exemplaren, nämlich die §§ 15 ff. UrhG, auch den Rahmen der Zulässigkeit des Inverkehrbringens von Nachahmungsstücken regeln. Denn deren Nutzung durch die in §§ 15 ff. UrhG beschriebenen Handlungen stellt zugleich die gegenüber dem Urheber oder dem Nutzungsberechtigten verletzende Handlung dar, die - wie dies dort vorausgesetzt ist - von dessen Zustimmung gedeckt sein müssten. Insoweit ist auf die von der Klägerin zitierten Urteile des Kammergerichts und auch des Oberlandesgerichts Frankfurt zu verweisen, die sich allesamt mit Nachbildungen von M Möbeln befassen und die Zulässigkeit des Inverkehrbringens am Maßstab von § 17 Urheberrechtsgesetz messen.
Die Ausstattung der Museumslounge für die Museumsbesucher und die sich im Vorraum des Museums befindlichen sonstigen Personen mit den Nachbildungen führt zu einer Gebrauchsüberlassung an die Allgemeinheit, die sich als unerlaubte Werkverbreitung darstellt. Die Ausstattung dieser Räumlichkeiten mit den Nachbildungen stellt sich als Inverkehrbringen der geschützten Werke unter Missachtung des alleinigen Verbreitungsrechts der Klägerin dar, das diese als ausschließliche Lizenznehmerin für die Werknutzung in der hat (§ 17 UrhG). Inverkehrbringen ist jede Handlung, durch die Werkstücke aus der internen Betriebssphäre der allgemeinen Öffentlichkeit zugeführt werden (vgl. Löwenheim in Schricker, Urheberrecht, §17 Randnummer 6). Ausreichend ist in diesem Falle die Überlassung an Dritte, mit denen keine persönliche Verbundenheit besteht, wobei eine Veräußerung nicht erforderlich ist. Jede Besitzüberlassung, insbesondere das Vermieten oder Verleihen von Werkstücken, aber auch jedes sonstige Zurverfügungstellen reicht aus; eine dauerhafte Besitzübertragung bzw. Besitzerlangung im Sinne von §§ 854 ff. BGB ist nicht zwingend Voraussetzung für ein Inverkehrbringen im Sinne von § 17 Absatz 1 UrhG (vgl. Schricker/Löwenheim, Urheberrecht, §17, Rn. 12, Möhring/Nicolini/Kroitzsch, Urheberrecht, § 17 Rn. 21, Fromm/Nordemann/Vinck, Urheberrechtsgesetz, § 17, Rn. 3). Ein Inverkehrbringen von Werkstücken, das einen Eingriff in das Verwertungsrecht darstellt, liegt beispielsweise vor, wenn von einem Konzertveranstalter an die Musiker Noten verteilt und nach dem Konzert wieder eingesammelt werden (BGH GRUR1972,141 - Konzertveranstalter), bei unberechtigter Verwendung von Bildreproduktionen als Dekoration oder bei der Ausstattung von Hotelzimmern oder sonstigen Räumlichkeiten, wie zum Beispiel Kaufhäusern, die der gemeinschaftlichen Nutzung durch Gäste dienen mit Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Möbel.
Dabei ist, wie das Kammergericht und das OLG Frankfurt (jeweils a.a.O.) zutreffend ausgeführt haben, der Begriff der zum Inverkehrbringen gehörenden Überlassung oder Zurverfügungstellung von Werkstücken nicht eng auszulegen, weil dieser Begriff entsprechend dem Schutzziel des Urheberrechts auszulegen ist. Entscheidend ist hier der urheberrechtliche Grundgedanke, der auch bei der Ausgestaltung der Verwertungsrechte maßgeblich ist, nämlich der Grundsatz der tunlichst angemessenen Beteiligung des Urhebers an dem wirtschaftlichen Nutzen, der aus seinem Werk gezogen wird (Schrickervon Ungern-Sternberg, a.a.O. §158 Rn. 6.). Der Urheber soll demgemäß möglichst umfassend an jedem neuen Verwertungsvorgang teilhaben, der eine neue gewerbliche Auswertung mit sich bringt. Dem entspricht auch der Grundsatz, dass auch bei mehrfach aufeinander folgenden Nutzungen grundsätzlich jeder einzelne Nutzungsvorgang unter die Verwertungsrechte fällt.
Folgt man diesen Grundsatz, ist es unerheblich, ob den Museumsbesuchern der Besitz an den Möbelnachbildungen im bürgerlichrechtlichen Sinne überlassen wird oder ob es sich um eine rein tatsächliche Besitzüberlassung handelt, indem die Sitzmöbel von den Besuchern genutzt werden können. Eine körperliche Verwertung liegt nämlich schon darin, dass ein Dritter das Werk für seine eigenen (gewerblichen) Zwecke nutzt und dabei aus der Sphäre des Privaten in die Öffentlichkeit bringt, indem er es ihr zum kurzfristigen Gebrauch überlässt. Denn es liefe dem Schutzzweck der §§ 15 ff. UrhG zuwider, wenn über den Kopf des Berechtigten hinweg ohne dessen Beteiligung die schöpferische Leistung durch Gebrauchsüberlassung der Nachbildungen an die Allgemeinheit ausgenutzt werden dürfte, wenn damit zugleich ein Gewinn an Prestige und - beispielsweise - die Möglichkeit gehobener Preisgestaltung einhergeht (KG, a.a.O, S. 970, OLG Frankfurt, 11 U 13/01, Seite 8, 9). Für die Bewertung der Handlungen der Beklagten im Rahmen des Begriffs "Inverkehrbringen" ist es daher unerheblich, ob über diese Gebrauchsüberlassung hinaus beispielsweise im Verhältnis zur Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland oder im Verhältnis zu dem eingeschalteten Gastronomen seitens der Beklagten ein mietvertragliches oder ein ähnliches Rechtsverhältnis begründet worden ist. Maßgeblich für die Bewertung als Inverkehrbringen ist das Aufstellen der Plagiate in Räumlichkeiten, die dem allgemeinen Verkehr zugänglich sind. Damit wurden die Werkstücke aus der internen Betriebssphäre der Beklagten der Öffentlichkeit zugeführt. Ersichtlich nutzt die Beklagte die Stücke, um in der Zigarren-Lounge eine besondere Atmosphäre der Exklusivität zu erzeugen. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass sie sich der im Inland als Werke der angewandten Kunst anerkannten und geschützten Möbelmodelle bedient, statt preiswerte Allerweltsmöbel aufzustellen. Statt dessen greift sie auf die im Original der gehobenen Preisgruppe angehörenden Möbelmodelle zurück, deren Prestige sie zugleich für die eigene Darstellung nutzt. Diese Nutzung stellt einen Eingriff in das Verwertungsrecht des Urhebers dar, und zwar in gleicher Weise wie z.B. bei dem Austeilen von Noten für die Dauer eines Konzerts oder aber der Ausstattung von Gästen zugänglichen Räumlichkeiten eines Hotels mit Nachbildungen urheberrechtlich geschützter Möbelmodelle.
III.
Die von der Beklagten und der Streithelferin vertretene Rechtsansicht, im Hinblick auf den erlaubtermaßen in Italien erfolgten Erwerb der Möbel sei im Hinblick auf den durch das dritte Urheberrechtsänderungsgesetz eingefügten § 17 Abs. 3 UrhG nunmehr von einer erlaubten Nutzung auszugehen, teilt die Kammer nicht. §17 Abs. 3 UrhG definiert den Begriff der Vermietung, die wiederum von dem in § 17 Abs. 2 UrhG geregelten Erschöpfungstatbestand ausgenommen worden ist, dies wiederum mit Ausnahme der in § 17 Abs. 3 Satz 2 geregelten Überlassung von Originalen oder Vervielfältigungstücken u.a. von Werken der angewandten Kunst. § 17 Abs. 3 UrhG bezieht sich auf die in § 17 Abs. 2 geregelte Erschöpfung des Verbreitungsrechts, von der die Weiterverbreitung durch Vermietung ausgenommen ist. Da indes davon auszugehen ist, dass durch den Erwerb von urheberrechtlich geschützten Werkstücken durch die Beklagte der in § 17 Abs. 2 UrhG geregelte Erschöpfungstatbestand - wie nachfolgend ausgeführt - gar nicht erst erfüllt werden kann, kommt es auch nicht darauf an, ob der darin erwähnte Ausnahmetatbestand der Vermietung vorliegen könnte. Die Kammer schließt sich ausdrücklich der Rechtsansicht des OLG Frankfurt an, das die von der Klägerin herangezogenen Entscheidungen auch nach In-Kraft-Treten des dritten Urheberrechtsänderungsgesetzes - und dem Erscheinen des Aufsatzes von Jacobs in der Zeitschrift GRUR im Jahr 1998 - so gefasst hat.
Voraussetzung dafür, dass Erschöpfung eintreten kann, ist stets, dass das Original oder das Vervielfältigungstück des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten veräußert worden sein muss. War die betreffende Person nicht berechtigt, die Zustimmung zu erteilen oder lag überhaupt keine Zustimmung vor, kann keine Erschöpfung eintreten (vgl. Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, § 17 Rn. 31). Die Zustimmung kann inhaltlich oder auch räumlich beschränkt erteilt werden. Dies ist allgemeine Ansicht. Ohne jeden Zweifel hat die Klägerin, die die urheberrechtlichen Exklusivrechte inne hat, ihre Zustimmung zur Verbreitung der streitgegenständlichen Nachahmungen nicht erteilt. Dass diese Werkstücke im Hinblick auf einen nicht so weit gefassten Urheberrechtsschutz in Italien dort erlaubtermaßen hergestellt und verbreitet werden können, kommt der Beklagten im Hinblick auf das Inverkehrbringen in Deutschland nicht zugute.
Richtig ist allerdings, dass die räumliche Beschränkbarkeit des Verbreitungsrechts mit der Regelung des freien Warenverkehrs in der EU kollidieren kann, wonach nach Art. 28 EG-Vertrag mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen mit gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten sind. Nach Art. 30 EG-Vertrag bleiben zwar die nationalen Urheberrechte in ihrem Bestand gewährleistet, jedoch darf ihre Ausübung dem freien Warenverkehr im Binnenmarkt nicht im Wege stehen. Eine derartige Verletzung wäre beispielsweise dann anzunehmen, wenn sich das Verbreitungsrecht auf einen einzelnen Mitgliedstaat wirksam beschränken ließe (vgl. Schulze in Dreier/Schulze a.a.O. Randnummer 35). Deshalb gilt eine Zustimmung zur Verbreitung des Werkes in einem Mitgliedstaat der EU oder des europäischen Wirtschaftsraums gleichzeitig auch für die anderen Mitgliedstaaten. Dies bedeutet jedoch nur, dass, wenn zum Beispiel der Rechteinhaber den Vertrieb in einem Mitgliedsland zustimmt, die Vervielfältigungstücke von dort auch in die anderen Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums verbreitet werden dürfen (Schulze, a.a.O., Rn. 35; EuGH GRUR Int. 1971, 450, 454 - Polydor; EuGH GRUR Int. 1981, 229, 231 - Gebührendifferenz II; BGH GRUR 1986, 668, 669 - Gebührendifferenz IV). Dies bedeutet, dass innerhalb der Mitgliedstaaten der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums somit eine europaweite Erschöpfung gilt, wenn das Vervielfältigungstück in einem der Mitgliedstaaten mit Zustimmung des Berechtigten veräußert worden ist (vgl. Schulze a.a.O.).
Der Umstand, dass die streitgegenständlichen Möbelmodelle als Nachbildungen in Italien nicht dem Urheberrechtsschutz unterliegen, kann jedoch nicht mit einer "Zustimmung" des Berechtigten im Sinne von § 17 Absatz 2 UrhG gleichgesetzt werden mit der Folge, dass ihr Inverkehrbringen in Deutschland nunmehr zulässig würde. Unberührt bleiben nämlich Unterschiede, wie sie die Rechtslage im jeweiligen Mitgliedstaat mit sich bringt. Ist das Werk beispielsweise in England urheberrechtlich geschützt, weil dort die Anforderungen an hinreichende Individualität verhältnismäßig gering sind, genießt es aber in Deutschland keinen Urheberrechtsschutz, weil die dortigen strengeren Schutzvoraussetzungen nicht erfüllt werden, dann dürfen die in Deutschland verbreiteten Vervielfältigungstücke in England nicht weiter verbreitet werden; denn in Deutschland trat gar keine Erschöpfung ein, weil die Vervielfältigungstücke dort auch ohne Zustimmung des Berechtigten verbreitet werden durften. Dieses von Schulze (in Dreier/Schulze a.a.O. Randnummer 37) gebrachte Beispiel zeigt plastisch, dass die unterschiedliche Schutzfähigkeit von Werken der angewandten Kunst in Italien und Deutschland es im vorliegenden Fall nicht mit sich bringt, dass in Italien eine Erschöpfung eingetreten sein kann.
Soweit sich die Beklagte auf Jacobs, GRUR 1998, 246, 250 und - ihm insoweit folgend - Schulze in Dreier/Schulze, a.a.O., Rn. 48 beruft, wo die Rechtsansicht vertreten wird, dass sich die Rechtsprechung des Kammergerichts durch die neue Gesetzeslage überholt habe, folgt die Kammer dem nicht. Soweit Jacobs das Aufstellen von Nachbildungen von Möbeln und Ausstattungsgegenständen, die Werke der angewandten Kunst sind, (insoweit zutreffend) nicht als Vermieten und daher nicht als ein Akt des Verbreitens im urheberrechtlichen Sinne ansieht, weil er das Aufstellen von autorisierten Vervielfältigungstücken und von Werken der angewandten Kunst dem Aufstellen von Imitaten gleichsetzt, berücksichtigt diese Sichtweise nicht, dass das Aufstellen von Imitaten gerade nicht von der Zustimmung des Berechtigten gedeckt ist.
Die von der Kammer vorgenommene Bewertung widerspricht auch nicht der Sichtweise des OLG Hamburg in der von den Parteien zitierten Entscheidung (GRUR-RR 2005, 41 ff.). Das OLG Hamburg geht davon aus, dass bei einem insgesamt in Italien abgeschlossenen Erwerbsvorgang auch das Anbieten von Verletzerstücken durch den italienischen Hersteller oder Verkäufer über das Internet im Hinblick auf Art.28 EU-Vertrag nicht unzulässig sein kann. Es mag dahinstehen, ob dieser Entscheidung, die eine im Hinblick auf die europäische Rechtslage getroffene Bewertung enthält, zu folgen sein wird. Die vorliegend zu entscheidenden Rechtsfrage berührt indes diese Problematik nicht. Sie wird offenbar vom OLG Hamburg genauso gesehen wie von der Kammer, da hiernach das Anbieten nur dann privilegiert sein soll, wenn der Erwerbsvorgang insgesamt in Italien abgeschlossen wird, nicht aber auch dann, wenn es sich unabhängig davon auf ein Inverkehrbringen im Inland bezieht. Das von der Beklagten vorgenommene gewerbliche Inverkehrbringen der Möbelnachbildungen stellt eine eigene Rechtsverletzung durch einen Dritten dar und berührt nicht die Frage, ob der in Italien Berechtigte in seinen Vertriebsrechten durch die deutsche Urheberrechtslage beeinflusst werden könnte, wenn ihm untersagt wird, die Nachahmungen - quasi als Annex zu ihrer Herstellung - über das Internet zu bewerben. Die Frage, ob die Beklagte nach dem Erwerb der Plagiate diese hier durch einen neuen gewerblichen Verbreitungsakt in Verkehr bringen darf, kann keinen möglichen Eingriff in den freien Warenverkehr darstellen. Die Kammer geht daher auch nicht davon aus, dass der Rechtsstreit auszusetzen und die Rechtsfrage dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen ist.
IV
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 101, 709 ZPO.
Streitwert: € 80.000,-
LG Köln:
Urteil v. 23.11.2005
Az: 28 O 268/05
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/661a631ec41b/LG-Koeln_Urteil_vom_23-November-2005_Az_28-O-268-05