Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. November 2000
Aktenzeichen: 25 W (pat) 85/00
(BPatG: Beschluss v. 09.11.2000, Az.: 25 W (pat) 85/00)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung Salinoxist unter der Nummer 397 39 271 als Marke für "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tieren; Fungizide, Herbizide" in das Markenregister eingetragen worden. Nach der Veröffentlichung der Eintragung am 17. Oktober 1997 ist Widerspruch erhoben worden von der Inhaberin der älteren, seit dem 20. November 1984 für "pharmazeutische Produkte" eingetragenen Marke 1 070 587 Stilnox.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Ausgehend von identischen und auch sehr ähnlichen Waren sei ein deutlicher Markenabstand zu fordern. Diesen halte die angegriffene Marke gegenüber der Widerspruchsmarke, die über eine normale Kennzeichnungskraft verfügt, ein. Die Markenwörter seien an den stärker beachteten Wortanfängen sowohl klanglich als auch schriftbildlich so deutlich verschieden, daß keine Verwechslungsgefahr bestehe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angegriffene Marke im Register zu löschen.
Bei den im Warenverzeichnis der Vergleichsmarken enthaltenen "pharmazeutischen Produkten" handele es sich um in jeder Hinsicht identische Waren, so daß an den Abstand der Marken deutlich erhöhte Anforderungen zu stellen seien. Bei übereinstimmender Endsilbe "NOX" stimmten die Vergleichsbezeichnungen in der Vokalfolge nahezu identisch überein. Hierdurch entstünden identische Klangbilder bzw ein identischer Sprachrhythmus. Hinzu komme, daß auch die Mehrzahl der Konsonanten identisch sei. Schriftbildlich seien die Marken wegen der identischen Endsilbe "NOX" verwechselbar. Auch hinsichtlich der Anfangssilben "SALI" und "STIL" könne eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden. Die Marken hätten den gleichen Wortumriß und die Verteilung der Ober- und Unterlängen sei de facto gleich.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Es sei keine Verwechslungsgefahr gegeben. In klanglicher Hinsicht hätten die Markenwörter zwar die Endsilbe "nox" gemeinsam. Die Wortanfänge unterschieden sich aber deutlich. Außerdem wiesen die Vergleichsbezeichnungen bei abweichender Vokalfolge eine unterschiedliche Silbenzahl auf, was zu einem völlig unterschiedlichen Sprech- und Betonungsrhythmus und auch entsprechend unterschiedlichen klanglichen Gesamteindruck führe. Die übereinstimmende Endsilbe "nox" nehme im Hinblick auf ihre Stellung am Wortende eine untergeordnete Stellung ein und sei überdies wegen ihrer Kennzeichnungsschwäche nicht kollisionsbegründend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren keine Rolle spielen, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach können die Marken sich in weitem Umfang auf gleichen Waren begegnen, soweit sich die Warenoberbegriffe "pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" einerseits und "pharmazeutische Produkte" andererseits gegenüberstehen.
Verwechslungsfördernd kommt hinzu, daß es sich dabei auch um solche Waren handeln kann, die von den allgemeinen Verkehrskreisen typischerweise im Wege der Selbstmedikation und nicht selten in Drogerie- oder Supermärkten auch ohne fachkundige Beratung erworben werden. Andererseits ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit allerdings je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl EuGH WRP 1999, 806, 809 Tz 26 - Lloyd/Loint's; BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ/TISSERAND), wobei der Verkehr verwechslungsmindernd erfahrungsgemäß gerade bei Waren, die den Gesundheitssektor betreffen, eine gesteigerte Aufmerksamkeit aufbringt (vgl dazu BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal).
Zwischen den weiteren Waren der angegriffenen Marke und den Widerspruchswaren ist - soweit nicht die Warenähnlichkeit teilweise überhaupt zu verneinen ist - jedenfalls ein Warenabstand gegeben.
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus. Die Bestandteile "Stil" und "nox", die als Bedeutungsanklänge im Sinne einer sedierenden Wirkung in der Nacht (lat. "nox") verstanden werden können, erscheinen hinreichend phantasievoll zusammengefügt, so daß jedenfalls keine Kennzeichnungsschwäche der Gesamtbezeichnung angenommen werden kann, zumal im Bereich der pharmazeutischen Erzeugnisse Markenbildungen üblich sind, welche die Art, Zusammensetzung, Wirkung, Indikation und dergleichen des zu kennzeichnenden Präparats jedenfalls für den Fachmann erkennen lassen.
Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der Warenlage und der sonstigen maßgeblichen Faktoren die Gefahr von Verwechslungen iSd § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. Auch soweit im Bereich möglicher Warenidentität strenge Maßstäbe anzulegen sind, ist ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand eingehalten.
Zunächst ergibt sich aus der Übereinstimmung der Markenwörter allein in der Schlußsilbe "NOX" keine Verwechslungsgefahr. Auch wenn der übereinstimmende Schlußkonsonant "X" klangstark sein und im Schriftbild auffällig erscheinen mag, werden die Markenwörter nicht ausschließlich durch diesen Bestandteil geprägt. Zum einen steht er am Wortende, das im Vergleich zum Wortanfang erfahrungsgemäß regelmäßig weniger stark beachtet wird (so ständige Rechtsprechung, vgl hierzu zB BGH GRUR 1995, 50 ff, 53 - Indorektal/Indohexal). Hinzu kommt, daß diese Übereinstimmung bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr aus Rechtsgründen nicht so stark ins Gewicht fällt, wie dies bei einem originelleren Bestandteil der Fall wäre. Dieses Markenelement ist als Schlußsilbe im einschlägigen Warenbereich der Klasse 5 recht beliebt und in zahlreichen Marken (jedenfalls weit mehr als 70) von verschiedenen Herstellern enthalten. Selbst wenn von den eingetragenen Marken tatsächlich nur ein Teil benutzt wird, kann die Drittzeichenlage schon für sich genommen nicht unbeachtet bleiben (vgl BGH GRUR 1967, 246, 250 reSp aE "Vitapur"; MarkenR 1999, 57 - Lions). Im übrigen sind auch entsprechend gebildete Marken anderer Hersteller in der Roten Liste 2000 oder der Lauer-Taxe (Stand Oktober 2000) eingetragen (siehe dazu zB die Marken Annox, Baldrinox, Certinox, Dentinox, Fortinox, Sporanox, Timunox und Vivinox), was ein gewisses Indiz für eine tatsächliche Verwendung darstellt. Der Schlußsilbe "nox" muß bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks zwar berücksichtigt werden, ihr kennzeichnendes Gewicht ist aber reduziert. Die Aufmerksamkeit des Verkehrs wird sich vergleichsweise noch stärker auf die Anfangsbestandteile richten. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden kann einem derart verbrauchten Bestandteil innerhalb einer Gesamtbezeichnung regelmäßig - so auch hier bei den beiden Kollisionsmarken, die jeweils noch über eine bzw zwei weitere Silben verfügen, welche mit der Schlußsilbe eine geschlossene Gesamtbezeichnung bilden - keine das Gesamtzeichen so dominierende Wirkung zuerkannt werden, daß sich allein aus dieser Übereinstimmung der Marken eine unmittelbar Verwechslungsgefahr ergeben könnte.
In klanglicher Hinsicht stimmen die Markenwörter zwar bei gleichem konsonantischen Anlaut "S" in der Endsilbe "nox" überein und weisen darüber hinaus auch noch jeweils die Laute "i" und "l" auf. Demgegenüber unterscheiden sie sich in den Anfangsbestandteilen "Sali" und Stil" - und zwar insbesondere aufgrund des allein in der jüngeren Marke vorhandenen klangtragenden Vokals "a" - markant. Bei unterschiedlicher Sprechsilbenzahl heben sich die zu vergleichenden Gesamtbezeichnungen ferner im Sprech- und Betonungsrhythmus deutlich voneinander ab, wozu auch die unterschiedliche Konsonanten-/Vokalstruktur der Markenwörter beiträgt. Während bei der angegriffenen Marke aufgrund des kontinuierlichen Wechsels zwischen Konsonanten und Vokalen ein eher fließenden Klangeindruck entsteht, führt die unmittelbare Abfolge der Konsonanten "L" und "N" an der Silbenschnittstelle in der Wortmitte der Widerspruchsmarke zu einer deutlichen Zäsur bei der mündlichen Markenwiedergabe. Diese Abweichungen führen insgesamt zu einem klar unterschiedlichen klanglichen Gesamteindruck der Marken.
Schriftbildlich sind die Annäherungen zwischen den Markenwörtern zwar etwas stärker ausgeprägt als in klanglicher Hinsicht. Aber auch insoweit heben sie sich in allen verkehrsüblichen Wiedergabeformen ausreichend voneinander ab, wobei die in den jeweiligen Gegenmarken nicht enthaltenen abweichenden Buchstaben "A" und "T" bzw "a" und "t", aber auch die unterschiedliche Stellung der Buchstaben "L/l" und "I/i" innerhalb der Marken einen ausreichenden Markenabstand bewirken. Bei der Beurteilung der schriftbildlichen Verwechslungsgefahr ist zudem zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.
Nach alledem konnte die Beschwerde der Widersprechenden keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
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BPatG:
Beschluss v. 09.11.2000
Az: 25 W (pat) 85/00
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