Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Februar 2006
Aktenzeichen: 8 W (pat) 350/03
(BPatG: Beschluss v. 21.02.2006, Az.: 8 W (pat) 350/03)
Tenor
1. Dem Antrag auf Schriftsatzfristgewährung wird nicht stattgegeben.
2. Das Patent 198 40 738 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung und 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 bis 3, wie Patentschrift.
Gründe
I.
Die Patentinhaberin hat das Patent 198 40 738 mit der Bezeichnung:
"Verfahren zur Semifinish- oder Finishbearbeitung von Oberflächen rotationssymmetrischer Abschnitte von Werkstücken aus hartem oder gehärtetem Werkstoff und Drehwerkzeug zur Durchführung des Verfahrens"
am 7. September 1998 beim Patentamt angemeldet. Die Patenterteilung wurde am 28. Mai 2003 veröffentlicht.
Gegen das Patent hat die Firma A... AG B...Straße in C...
am 23. August 2003 Einspruch erhoben.
Die Einsprechende hat ihren Einspruch auf folgende Druckschriften gestützt:
1. "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron". In: Sumitomo Electric Technical Review, No. 30, June 1990 S. 161 bis 168;
2. "Spanende Fertigungsverfahren Teil 1: Drehen". In: "Weiterbildung Technik - Z. ind. Fertig." 70, 1980, Nr. 11, Springer Verlag S. 733 - 735;
3. Katalog der Firma Sumitomo Electric "Hartmetallwerkzeuge";
4. "Hart im Nehmen". In Sonderdruck aus NC-Fertigung, Heft 5, September 1990, (8 Seiten).
Hinsichtlich des Veröffentlichungszeitpunktes der Druckschrift 3 hat die Einsprechende Zeugenbeweis angeboten.
Die Einsprechende führt in der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2006 aus, dass der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe, da nunmehr beansprucht werde, dass die Schneidkante eine der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasste Form mit einem "nicht geraden" Bereich aufweise, wohingegen in den ursprünglichen Unterlagen nur offenbart sei, dass diese Schneidkante eine der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasste runde oder gerade Form aufweise. Darüber hinaus sei der Gegenstand der Patents gemäß §§ 1 und 4 nicht patentfähig, da er durch den Stand der Technik, insbesondere durch den Inhalt des Zeitschriftenartikels "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" in Verbindung mit dem Inhalt des Zeitschriftenartikels "Spanende Fertigungsverfahren Teil 1: Drehen", dem Fachmann nahe gelegt sei.
Die Einsprechende beantragt, das Patent 198 40 738 in vollem Umfang nach Haupt- und Hilfsanträgen zu widerrufen, hilfsweise eine Schriftsatzfrist zu gewähren.
Die Patentinhaberin widerspricht den Ausführungen der Einsprechenden und führt aus, dass die geänderte Fassung der Patentansprüche in den ursprünglichen Unterlagen offenbart sei, da das Beanspruchte lediglich eine Einschränkung gegenüber dem ursprünglich Offenbartem darstelle. Ferner bestreitet sie die öffentliche Zugänglichkeit des Katalogs der Firma Sumitomo Electric "Hartmetallwerkzeuge" und vertritt die Auffassung, dass der bekannte Stand der Technik, sofern er das Hartdrehen betrifft, lediglich Schneidkanten zeige, die ausschließlich einen geraden Bereich aufweisen. Das aus dem Zeitschriftenartikel "Spanende Fertigungsverfahren Teil 1: Drehen" bekannte Schneidwerkzeug, sei aufgrund seiner komplexen Kontur in keinster Weise für das Hartdrehen von Werkstücken aus hartem oder gehärtetem Werkstoff geeignet und könne daher auch keine Anregung geben, profilierte Schneidkanten zum Hartdrehen einzusetzen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent 198 40 738 mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag, überreicht in der mündlichen Verhandlung, hilfsweise Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag, eingegangen am 20. Februar 2006, weiter hilfsweise gemäß Hilfsantrag 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, jeweils im Übrigen wie Patentschrift.
Im Prüfungsverfahren sind noch folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
5. DE 195 46 863 A1 6. DE 44 32 514 A1 7. DE 196 29 456 C1 8. "Hartdrehen statt Feinschleifen" In: Industrieanzeiger, 34 - 35/97 (1997), S. 48 9. EP 0 330 111 A1.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Ziff. 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und auch im Übrigen zulässig. Er ist jedoch nur insoweit begründet, als er zur Aufrechterhaltung des Patents in beschränktem Umfang führt.
3. Nach dem in der mündlichen Verhandlung zum Hauptantrag überreichten Patentanspruch 1 betrifft der Gegenstand des Patents ein Verfahren zur Semifinish- oder Finishbearbeitung von Oberflächen rotationssymmetrischer Abschnitte von Werkstücken aus hartem oder gehärtetem Werkstoff mittels Hartdrehen, dadurch gekennzeichnet, dass das Hartdrehen mit mindestens einem Werkzeug, dessen Schneidkante eine der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasste Form mit einem nicht geraden Bereich aufweist und aus einem hochharten Schneidstoff besteht, und die Bearbeitung mit einem Vorschub des Werkzeuges in Richtung auf die jeweilige Bearbeitungsfläche des Werkstücks erfolgt.
Der nebengeordnete Patentanspruch 2 betrifft ein Drehwerkzeug mit einem Schneidplättchen zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass seine Schneidkante eine der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche (2, 4, 5, 7) des Werkstücks (1) angepasste Form mit einem nicht geraden Bereich aufweist und aus einem hochharten Schneidstoff besteht.
Dem Patentgegenstand liegt gemäß Absatz 18 der Beschreibung die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren sowie ein Drehwerkzeug zur Durchführung dieses Verfahrens anzugeben, bei dem sich bei verringerten Bearbeitungszeiten hochwertige Oberflächenqualitäten erreichen lassen.
Wegen des Wortlauts der geltenden Patentansprüche 3 bis 7 gemäß Hauptantrag wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
4. Die in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hauptantrag sind zulässig.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ist auf Grundlage des erteilten Anspruchs 1 sowie des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 formuliert.
Das eingefügte und von der Einsprechenden hinsichtlich § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG beanstandete Merkmal, wonach die Schneidkante des Werkzeugs einen nicht geraden Bereich aufweist, ist gegenüber der erteilten Fassung eine echte Beschränkung.
Denn der Anspruch 1 enthielt in seiner ursprünglichen sowie in der erteilten Fassung in Verbindung mit den restlichen Merkmalen des Patentanspruchs 1 jeweils das allgemein formulierte Merkmal, wonach die Schneidkante des Werkzeugs eine der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasste Form aufweist. Hierunter fallen entgegen der Auffassung der Einsprechenden in der Eingabe vom 14. Februar 2006 auf Seite 3 nicht nur die im Ausführungsbeispiel gemäß Figur 1 dargestellten runden oder nur geraden Formen von Schneidkanten, sondern beliebige, nämlich alle diejenigen Formen von Schneidkanten, die exakt einer beliebig gestalteten Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasst sind, wozu in der Beschreibung insbesondere auf filigrane rotationssymmetrische Strukturen hingewiesen wird (Spalte 4, Zeile 6 f der Patentschrift bzw. entsprechende Stellen in der Offenlegungsschrift), wie sie beispielsweise bei Dichtflächen insbesondere von Wälzlagen oder bei Walzwerkzeugen vorkommen.
Durch Einfügung des Merkmals "mit einem nicht geraden Bereich" reduziert sich somit der Schutzbereich des Patents von Schneidkanten mit beliebigen, der Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepassten Formen, auf Schneidkanten, die zwar auch der Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasst sind minus derjenigen Schneidkanten, die ausschließlich nur einen geraden Bereich aufweisen.
Somit ist der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag von dem Offenbarungsgehalt der ursprünglich bzw. erteilten Fassung getragen.
Gleiches gilt sinngemäß für den Patentanspruch 2 gemäß Hauptantrag, der auf den erteilten bzw. ursprünglichen Patentanspruch 2 zurückgeht und auch dieses Merkmal aufweist.
Die Patentansprüche 3 bis 7 sind mit den erteilten sowie den ursprünglichen Ansprüchen 3 bis 7 hinsichtlich ihrer Merkmale identisch.
5. Das aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbare Verfahren nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist gegenüber den im Verfahren befindlichen Druckschriften neu.
Die im Verfahren befindlichen Druckschriften zeigen entweder nur Verfahren zur Bearbeitung von üblichen Werkstoffen und betreffen somit nicht das Hartdrehen von harten oder gehärteten Werkstoffen oder aber das Hartdrehen erfolgt mit einem Werkzeug, dessen Schneidkante lediglich einen geraden Bereich aufweist bzw. nur Punktkontakt mit dem Werkstück hat.
6. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Nach den Ausführungen der Patentinhaberin in dem Schriftsatz vom 20. Februar 2006, ist unter dem Merkmal, dass die Schneidkante eine der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasste Form mit einem nicht geraden Bereich aufweist, etwas völlig anderes zu verstehen, als die sonst üblichen, technisch notwendigen Rundungen in Form von kleinen Radien an der Schneidkante des Werkzeugs, wie sie beispielsweise bei Einstechwerkzeugen an den Enden der Schneidkante zwangsläufig angebracht sind, um ein Verklemmen des Werkzeugs in einer Nut oder um Werkzeugbruch zu vermeiden. Vielmehr soll durch diesen "nicht geraden Bereich" an der Schneidkante des bei dem patentgemäßen Verfahren verwendeten Werkzeugs ein gewolltes, nicht nur einen geraden Bereich aufweisendes Profil am Werkstück erzeugt werden. Somit erfolgt der linienförmige Eingriff der Schneide mit dem Werkstück beim patentgemäßen Verfahren an unterschiedlichen Werkstückradien bei folglich unterschiedlichen örtlichen Umfangsgeschwindigkeiten.
Der Zeitschriftenartikel "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" zeigt insbesondere in Figur 11e ganz offensichtlich einen so genannten Stechdrehmeißel zum Hartdrehen, der zum Einstechdrehen einer Nut in ein gehärtetes, mit Längsnuten versehenes Werkstück verwendet wird und eine Schneidkante aufweist, die aus einem hochharten Schneidstoff besteht. Beim Einstechdrehen erfolgt die Bearbeitung bekanntlich mit einem Vorschub des Werkzeugs in Richtung auf die jeweilige Bearbeitungsfläche des Werkstücks. Der Stechdrehmeißel kommt dabei im Wesentlichen nur mit dem vorderen, geraden Ende der parallel zur Werkstückachse verlaufenden Schneidkante in linienförmigen Kontakt mit dem Werkstück, wodurch unter Wirkung des Vorschubs eine Nut in dem Werkstück erzeugt wird.
Zur Vermeidung von Verklemmungen, die in der Folge zu Werkzeugbruch führen können, weisen derartige Stechdrehmeißel üblicherweise an den Endbereichen der geraden Schneidkanten die vorstehend beschriebenen, nicht in den Schutzbereich des Streitpatents fallenden, kleinen Rundungen auf, die den Übergang zu den seitlichen Flanken des Stechdrehmeißels bilden. Auch die seitlichen Flanken kommen nicht in Kontakt mit dem Werkstück, zumal sie üblicherweise einen Winkel von weniger als 90 Grad mit der am vorderen Ende des Stechdrehmeißels angeordneten Schneidkante einschließen.
Somit erkennt ein Durchschnittsfachmann, hier ein Entwicklungsingenieur der Fachrichtung Maschinenbau, der auf dem Gebiet der Werkzeugherstellung tätig ist, dass der bekannte Stechdrehmeißel nach der Figur 11e des Zeitschriftenartikels "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" lediglich mit seiner vorderen, geraden Schneidkante eine 2 mm tiefe Nut in dem längsgenuteten Werkstück erzeugt, wobei die Umfangsgeschwindigkeit im Schneidbereich der bekannten Schneidkante an allen Stellen weitgehend einheitlich ist.
Das Merkmal, wonach die Schneidkante des Werkzeugs eine der zu erzeugende Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche angepasste Form mit einem nicht geraden Bereich aufweist zeigt diese Druckschrift eindeutig nicht. Somit erhält der o. g. Durchschnittsfachmann durch den Zeitschriftenartikel "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" keinerlei Anregung, die Schneidkante beim Hartdrehen mit einem nicht geraden Bereich zu versehen, um so an dem Werkstück ein (beliebig gestaltetes) Profil zu erzeugen.
Der Zeitschriftenartikel "Spanende Fertigungsverfahren Teil 1: Drehen" in der Druckschrift "Weiterbildung Technik - Z. ind. Fertig." zeigt verschiedene Drehverfahren. Insbesondere das Bild 6 zeigt ein Drehverfahren, das so genannte Querprofildrehen, bei dem das Werkzeug eine Schneidkante aufweist, die der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasst ist und ersichtlich einen nicht geraden Bereich aufweist und wobei die Bearbeitung mit einem Vorschub des Werkzeuges in Richtung auf die jeweilige Bearbeitungsfläche des Werkstücks erfolgt.
Allerdings handelt es sich hierbei ausschließlich um das herkömmliche Drehen von nicht gehärteten Werkstücken. Eine Anregung diese Werkzeuge auch beim Hartdrehen von harten oder gehärteten Werkstoffen zu verwenden, ist dieser Druckschrift nicht zu entnehmen.
Bei dem Katalog der Firma Sumitomo Electric handelt es sich um die Auszüge aus einem Werkzeugkatalog, den der Vertreter der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung im Original vorgelegt hat.
Auf der Seite 18 sind Werkzeuge für das Einstechen von gehärtetem Stahl abgebildet. Unter der Überschrift "Wendeschneidplatten" ist ein Stechdrehmeißel erkennbar, dessen im Bild oben rechts erkennbare Schneidkante (Schneidbereich mit der Breite a) lediglich einen geraden Schneidbereich aufweist. Erkennbar sind auch die mit R (0,4 mm) bemaßten Rundungen an den Ecken der Schneidkante, bei denen es sich um die bereits eingangs erläuterten und vom Schutzbereich des Patents nicht umfassten, funktionsbedingten Rundungen handelt, sowie die seitlichen Flanken des Stechdrehmeißels, die einen um 30 Minuten (30') reduzierten rechten Winkel (somit 89¡ und 30') mit der am vorderen Ende des Stechdrehmeißels angeordneten Schneidkante einschließen, um nicht in Kontakt mit dem Werkstück zu kommen.
Somit geht der Katalog der Firma Sumitomo Electric ersichtlich nicht über das hinaus, was sich bereits durch den Zeitschriftenartikel "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" dem Fachmann erschließt. Es kann folglich dahingestellt bleiben ob dieser Katalog, der kein Veröffentlichungsdatum aufweist, entsprechend der Behauptung der Einsprechenden zwischen 1980 und 1990 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, so dass es auch nicht mehr auf das Beweisangebot der Einsprechenden ankam.
Die Zeitschriftenartikel "Hart im Nehmen" zeigt, wie die Einsprechende in ihrer Eingabe vom 16. Februar 2006 auf Seite 6 selbst angibt, dieselben Inhalte in deutscher Sprache wie der Zeitschriftenartikel "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron". Somit geht auch diese Druckschrift nicht über das hinaus, was bereits aus dem Zeitschriftenartikel "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" bekannt ist.
Auch eine Zusammenschau der Inhalte des Zeitschriftenartikels "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" und des Zeitschriftenartikels "Spanende Fertigungsverfahren Teil 1: Drehen" kann nach Ansicht des Senats das patentgemäße Verfahren nach Patentanspruch 1 des Streitpatents nicht nahe legen.
Denn das konventionelle Querprofildrehen von nicht gehärteten Werkstücken, bei dem das Werkzeug eine Schneidkante aufweist, die der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasst ist, ist bereits seit Jahrzehnten bekannt. Auch das Hartdrehen an sich ist seit vielen Jahren bekannt, wobei wie der im Verfahren befindliche Zeitschriftenartikel "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" (bzw. die weitgehend inhaltsgleiche Zeitschriftenartikel "Hart im Nehmen") und auch die Zeitschriftenartikel "Spanende Fertigungsverfahren Teil 1: Drehen" auf Seite 1 oben deutlich erkennen lassen, seit Jahren intensive Bemühungen stattfinden die Werkzeuge sowie die Verfahren ständig weiter zu entwickeln. Gleichwohl ist seit dem Erscheinen des Zeitschriftenartikels "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" im Jahre 1990, durch den es spätestens bekannt geworden ist, dass sich das Einstechdrehen auch für gehärtete Werkstoffe eignet, mit Ausnahme der Patentinhaberin im Jahre 1998, offenbar niemand auf den Gedanken gekommen, das beim herkömmlichen Querprofildrehen von nicht gehärteten Werkstücken an sich bekannte Merkmal, wonach die Schneidkante der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasst ist und einen nicht geraden Bereich aufweist, auch beim Hartdrehen von harten oder gehärteten Werkstücken anzuwenden.
Für den Senat war dies das entscheidende Indiz, eine einfache Übertragung des aus dem konventionelle Querprofildrehen bekannte Schneidenform, beispielsweise nach der Zeitschriftenartikel "Spanende Fertigungsverfahren Teil 1: Drehen", auf das an sich bekannte Hartdrehen für den Fachmann als nicht nahe liegend anzusehen. Denn gerade auch der Zeitschriftenartikel "Interrupted Cutting of Hardened Steel with Sumiboron" offenbart, welche erheblichen Auswirkungen selbst geringe Änderungen am Verfahren, am Werkzeug oder auch am Werkstück auf die Haltbarkeit des Werkzeugs und somit auf die Durchführbarkeit des Verfahrens haben. Insofern hat der Senat dem patentgemäßen Verfahren, bei dem offenbar erstmalig beim Hartdrehen die linienförmige Schneidkante im Schneidbereich nicht nur mit einer weitgehend einheitlichen Umfangsgeschwindigkeit in Kontakt mit dem Werkstück steht, sondern der Profil erzeugende Schneidbereich (mit dem nicht geraden Bereich) mit unterschiedlichen Umfangsgeschwindigkeiten über seine gesamte Länge in Kontakt mit dem Werkstück steht, das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit nicht absprechen können.
Der entgegengehaltene Stand der Technik konnte weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau betrachtet einem Fachmann das anmeldungsgemäße Verfahren nach Patentanspruch 1 nahe legen.
Nach alledem hat der Patentanspruch 1 in seiner beschränkten Fassung gemäß Hauptantrag Bestand.
7. Der Gegenstand des Patentanspruchs 2 gemäß Hauptantrag, der aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbar ist, hat als neu zu gelten, da keine Druckschrift seine Merkmale in ihrer Gesamtheit zeigt. Er beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wie bereits bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt ist, sind aus dem Stand der Technik keine Drehwerkzeuge mit Schneidplättchen zur Durchführung einer Semifinish- oder Finishbearbeitung von Oberflächen rotationssymmetrischer Abschnitte von Werkstücken aus hartem oder gehärtetem Werkstoff mittels Hartdrehen beschrieben oder nahe gelegt, deren Schneidkante eine der zu erzeugenden Geometrie der jeweiligen Bearbeitungsfläche des Werkstücks angepasste Form mit einem nicht geraden Bereich aufweist und aus einem hochharten Schneidstoff besteht. Da der auf ein Drehwerkzeug mit Schneidplättchen zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 gerichtete Patentanspruch 2 im Wesentlichen diejenigen Merkmale aufweist, die in dem Verfahren nach Patentanspruch 1 aufgeführt sind, ist das Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen.
Mithin hat der Patentanspruch 2 gemäß Hauptantrag Bestand.
Die Unteransprüche 3 bis 7 betreffen zweckmäßige Ausgestaltungen des Gegenstands des Patentanspruchs 2, die über Selbstverständlichkeiten hinausreichen. Die Unteransprüche 3 bis 7 sind daher ebenfalls bestandsfähig.
Die Übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften sind in der mündlichen Verhandlung von der Einsprechenden nicht mehr aufgegriffen worden. Die Überprüfung durch den Senat hat ergeben, dass sie weiter ab liegen und dem Streitpatent nicht patenthindernd im Weg stehen.
Nachdem dem Hauptantrag stattgegeben wurde, sind die Hilfsanträge hinfällig.
8. Die von der Einsprechenden beantragte Frist nach § 283 ZPO i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG für eine Nachrecherche und Erklärung in einem nachzubringenden Schriftsatz zum Merkmal "nicht gerade" anstelle von "ungerade" in den Patentansprüchen war nach pflichtgemäßem Ermessen vom Senat nicht einzuräumen.
Denn Voraussetzung für die Gewährung einer Frist wäre, dass die Einsprechende durch neues Vorbringen der Patentinhaberin überrascht und deshalb nicht in der Lage war, im Termin hierauf zu erwidern. Nachdem die Einsprechende aber seit der Zustellung der Eingabe der Patentinhaberin am 19. März 2004 von der Beschränkung der Patentansprüche auf eine Schneidkantenform mit einem "ungeraden Bereich" Kenntnis hatte und es sich bei der Ersetzung durch eine Form mit einem "nicht geraden Bereich" lediglich um eine klarstellende Präzisierung handelt, dass "gerade" Schneidkantenformen nicht beansprucht werden, hatte sie ausreichend Zeit und Gelegenheit, sich mit der Fassung "ungerade" auch auf "nicht gerade" Formbereiche einzustellen.
BPatG:
Beschluss v. 21.02.2006
Az: 8 W (pat) 350/03
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