Oberlandesgericht Hamburg:
Urteil vom 26. August 2010
Aktenzeichen: 3 U 158/09
(OLG Hamburg: Urteil v. 26.08.2010, Az.: 3 U 158/09)
Tenor
Auf die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 15.10.2009 (Geschäfts-Nr. 315 O 364/09) wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen die einstweilige Verfügung vom 14.8.2009 hinsichtlich der Ziffer I.1.c) aufgehoben und insoweit der auf ihren Erlass gerichtete Antrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt: Die Kosten des Erlassverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Von den Kosten des Widerspruchs- und Berufungsverfahrens haben die Antragstellerin 1/3 und die Antragsgegnerin 2/3 zu tragen.
Gründe
I.
Die Antragstellerin, ein pharmazeutisches Unternehmen, beanstandet im Eilverfahren werbliche Angaben der Antragsgegnerin, die ebenfalls Arzneimittel herstellt und vertreibt.
Die Parteien vertreiben Thrombozytenaggregationshemmer. Die Antragstellerin vertreibt das Produkt €P. 75 mg Filmtabletten€ mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Clopidogrelhydrogensulfat (Fachinformation Anlage K 2). Die Antragsgegnerin vertreibt das Produkt €Clopidogrel r. 75 mg Filmtabletten€ mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Clopidogrelbesilat (Fachinformation Anlage K 3). Die zugelassenen Anwendungsgebiete beider Arzneimittel lauten € hinsichtlich des Produkts der Antragsgegnerin aufgrund erweiterter Zulassung vom 29.7.2009 € identisch wie folgt (siehe jeweilige Fachinformation unter Ziff. 4.1):
€Clopidogrel ist bei Erwachsenen indiziert zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse bei:
- Patienten mit Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend), mit ischämischem Schlaganfall (7 Tage bis 6 Monate zurückliegend) oder mit nachgewiesener peripherer arterieller Verschlusskrankheit.
- Patienten mit akutem Koronarsyndrom:
- akutes Koronarsyndrom ohne ST-Strecken-Hebung (instabile Angina Pectoris oder Non-Q-Wave Myokardinfarkt), einschließlich Patienten, denen bei einer perkutanen Koronarintervention ein Stent implantiert wurde, in Kombination mit Acetylsalicylsäure (ASS).
- Myokardinfarkt mit ST-Strecken-Hebung in Kombination mit ASS bei medizinisch behandelten Patienten, für die eine thrombolytische Therapie in Frage kommt.€
Zuvor war das Produkt der Antragsgegnerin lediglich für die erste der vorstehend genannten Indikationen zugelassen gewesen. Anlässlich der Zulassungserweiterung hat die Antragsgegnerin für ihr Produkt gegenüber Ärzten mit einem zweiseitigen Abgabefolder (Anlage K 1) geworben, welcher die von der Antragstellerin beanstandeten Angaben enthält.
Die Antragstellerin hat geltend gemacht, die Werbung der Antragsgegnerin verstoße gegen die §§ 3, 3a 4 Abs. 1, 10 HWG in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11, 5, 6, 8 UWG und hierzu (soweit in der Berufung noch relevant) wie folgt vorbereitet:
Antrag zu I.1.a) (€Original und Alternative: Die Salzform spielt keine Rolle!€): Die Aussage suggeriere den angesprochenen Ärzten, dass die Salzform bei der Gabe von Clopidogrelhaltigen Präparaten bedeutungslos sei. Diese Angabe sei irreführend, weil sie nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspreche; sie sei auch nicht durch die im zweiten Satz genannte Bioverfügbarkeitsstudie belegt. Zur Wirksamkeit der vorliegend betroffenen Salzformen Hydrogensulfat und Besilat bestünden mangels vergleichender klinischer Studien keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse.
Antrag zu I.1.b) (€Somit spielt die Salzform von Clopidogrel bezüglich der Pharmakodynamik und Wirksamkeit keine Rolle. Die durchgeführte Bioverfügbarkeitsstudie zeigt dies eindrücklich.€): Der von der Antragsgegnerin im zweiten Satz dargestellte Rückschluss aus einer Bioverfügbarkeitsstudie auf die Pharmakodynamik, welcher in den Worten €...zeigt dies eindrücklich€ zum Ausdruck gebracht werde, sei irreführend, weil sich aus einer solchen Studie keine Rückschlüsse auf die Pharmakodynamik und Wirksamkeit eines Arzneimittels folgern ließen. Die Aussage sei im ersten Satz irreführend, weil € wie zum Antrag zu 1.a) ausgeführt € sie nicht gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entspreche.
Antrag zu I.1.c) (€Clopidogrel r.® 75 mg Filmtabletten ist dokumentiert bioäquivalent* zu P.®.€): Die Angabe verstünden die angesprochenen Ärzte dahingehend, dass auf eine wissenschaftliche Veröffentlichung Bezug genommen werde, deren Fundstelle bei dem Sternchenhinweis angegeben werde. Ein relevanter Teil der Ärzteschaft erwarte ferner, dass diese Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift erfolgt sei und dass die Daten zur behaupteten Bioäquivalenz einer Überprüfung zugänglich seien; in Wahrheit seien diese Daten nicht in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Die Angabe suggeriere ferner in irreführender Weise, dass das Präparat der Antragsgegnerin ebenso gut dokumentiert sei wie P.®.
Die Antragstellerin hat (soweit in der Berufung noch relevant) beantragt,
I. es der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) zu verbieten,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Arzneimittel Clopidogrel-r.® 75 mg Filmtabletten (Wirkstoff: Clopidogrel als Besilat)
1. mit den Angaben
a) €Original und Alternative: Die Salzform spielt keine Rolle!€
und/oder
b) €Somit spielt die Salzform von Clopidogrel bezüglich der Pharmakodynamik und Wirksamkeit keine Rolle. Die durchgeführte Bioverfügbarkeitsstudie zeigt dies eindrücklich.€
und/oder
c) €Clopidogrel r.® 75 mg Filmtabletten ist dokumentiert bioäquivalent* zu P.®.€
(...)
zu bewerben, jeweils wie in dem als Anlage K 1 beigefügten Abgabefolder geschehen.
Das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 15, Az. 315 O 364/09, hat am 13.8.2009 antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen.
Die Antragsgegnerin hat Widerspruch eingelegt und vorgetragen: Hinsichtlich sämtlicher Anträge fehle es an der Dringlichkeit. Sie, die Antragstellerin, habe ihr Produkt seit Produkteinführung im August 2008 durch diverse Werbemittel stets mit dem Hinweis auf die dokumentierte Äquivalenz zu P.® beworben (Anlagen B 2 bis B 8). Sie, die Antragsgegnerin, sei seit Produkteinführung unter enger Marktbeobachtung u.a. durch die Antragstellerin, wie die vielen von dieser eingeleiteten Verbotsverfahren zeigten.
Antrag zu I.1.a) und Antrag zu I.1.b) : Diese Angaben seien nicht irreführend, sondern zutreffend. Mit der genannten €Alternative€ sei ausschließlich ihr, der Antragsgegnerin, Produkt gemeint, nicht etwa jegliches andere clopidogrelhaltiges Arzneimittel. Die Salzform spiele in der Tat keine Rolle, wie sich schon aus dem gleichen Anwendungsbereich der Produkte und den Fachinformationen ergebe. Dass die Salzform für die Pharmakodynamik und die Wirksamkeit keine Rolle spiele, ergebe sich auch daraus, dass Clopidogrel nicht die Wirkform sei, sondern aus der Clopidogrel-Muttersubstanz nach Dissoziation des Salzes erst in der Leber das aktive Clopidogrel-Thiolderivat gebildet und das Salz wieder ausgeschieden werde. Aus § 24 b AMG ergebe sich, dass bei Existenz einer Äquivalenzstudie die unterschiedlichen Salze in dem clopidogrelhaltigen Arzneimittel nicht zu unterschiedlichen Wirkungen führten. Die angegriffene Angabe werde schließlich wissenschaftlich belegt durch die Studien Neubauer et al. (Anlage B 9) und Kim et al. (Anlage B 10).
Antrag zu I.1.c) (€Clopidogrel r.® 75 mg Filmtabletten ist dokumentiert bioäquivalent* zu P.®.€): Für die Annahme, die angesprochenen Ärzte gingen von einer Veröffentlichung über die behauptete Bioäquivalenz in Fachzeitschriften aus, gebe es keine Veranlassung. Es sei vielmehr üblich, für Generika in dieser Weise auf ihre Bioäquivalenz hinzuweisen. Zu der Annahme der Antragstellerin, Ärzten würde suggeriert, Clopidogrel r.® sei ebenso gut dokumentiert wie P.®, bestehe keine Veranlassung. Die Ärzte wüssten vielmehr, dass die bei einem Generikum zu dokumentierende Bioäquivalenz nichts mit dem Umfang der Dokumentation des Originalprodukts zu tun habe.
Das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 15, hat mit Urteil vom 15.10.2009, Az. 315 O 364/09, die einstweilige Verfügung bestätigt. Auf das Urteil des Landgerichts wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ergänzt ihren Vortrag wie folgt: Zu Unrecht habe das Landgericht auch unter Berücksichtigung der unstreitig über ein Jahr alten Vorveröffentlichungen der streitgegenständlichen Angaben die Dringlichkeitsvermutung als nicht widerlegt angesehen.
Antrag zu I.1.a) : Der angegriffene Werbefolder sei nicht in der durch das Landgericht angenommenen generalisierenden Form aufzufassen. Es handele sich um Werbung für ein bestimmtes, darin genanntes Produkt, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang und auch den jeweiligen Einzelangaben ergebe. Für die Bewerbung allgemein gültiger Aussagen für konkurrierende Produkte mit gleichem Wirkstoff habe sie, die Antragsgegnerin, keinerlei Veranlassung.
Antrag zu I.1.b) : Das Landgericht lege hier einen unzutreffenden Sachzusammenhang zugrunde, weil es aus einem Gesamtabsatz lediglich den letzten Satz beachte und sodann € ohne Berücksichtigung der durch den Absatz vermittelten Trennung € den ersten Satz des nächsten Absatzes hinzuziehe. Dies entspreche aber nicht der Darstellung in dem streitgegenständlichen Werbefolder. Im Übrigen treffe die Bioverfügbarkeitsstudie eine Aussage darüber, wie schnell und in welchem Umfang der Stoff resorbiert werde und am Wirkort zur Verfügung stehe. Spielte die Salzform eine Rolle, so käme es zu einer unterschiedlichen Bioverfügbarkeit.
Antrag zu I.1.c) : Diese Aussage sei seit Jahrzehnten eine typische Werbeaussage für Generika. Von einer Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift gingen die angesprochenen Ärzte bei diesem Hinweis nicht aus.
Die Antragsgegnerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 15.10.2009, Az. 315 O 364/09, abzuändern, die einstweilige Verfügung vom 14.8.2009 hinsichtlich der Ziffern I. 1. a) bis c) aufzuheben und den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt das landgerichtliche Urteil, wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ergänzt ihren Vortrag wie folgt:
Antrag zu I.1.a) : Es treffe zwar zu, dass die Antragsgegnerin ihr eigenes Produkt bewerbe. Jedoch wolle sie mit der Betonung einer generellen Aussage über die Bedeutungslosigkeit der Salzform gerade unterstreichen, dass ihr Präparat in therapeutischer Hinsicht keine Unterschiede zum Originalpräparat aufweise.
Antrag zu I.1.b) : Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin zögen die ärztlichen Betrachter die beiden Absätze trotz des räumlichen Abstands zusammen. Dies folge aus der Bezugnahme durch die Formulierung €zeigt dies€. Die von der Antragsgegnerin vorgelegten Bioverfügbarkeitsstudien bestätigten ihre, der Antragstellerin, Auffassung: Aussagen über die Unterschiede zweier Salzformen bezüglich Pharmakodynamik und Wirksamkeit bei Patienten könnten ihnen gerade nicht entnommen werden.
Antrag zu I.1.c) : Dass in dem Folder selbst keine Fundstelle angegeben sei, stehe dem Verständnis der Ärzte, es handele sich um die Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift, nicht entgegen. Vielmehr gingen diese davon aus, dass die Angabe der Fundstelle lediglich versehentlich unterblieben sei. Im Übrigen bewerbe die Antragsgegnerin hier eine Selbstverständlichkeit, weil der Nachweis der Bioäquivalenz eine Zulassungsvoraussetzung für Generika sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die angefochtene Entscheidung sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist hinsichtlich des Antrags zu 1.c) begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.
1. Antrag zu I.1.a)
a) Gegenstand des Antrags ist das Verbot,
- im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs- das Arzneimittel Clopidogrel-r.® 75 mg Filmtabletten (Wirkstoff: Clopidogrel als Besilat)- mit der Angabe €Original und Alternative: Die Salzform spielt keine Rolle!€- zu bewerben- wie in dem als Anlage K 1 beigefügten Abgabefolder geschehen.Dieser Antrag beinhaltet ein auf die konkrete Verletzungsform bezogenes Verbot.
b) Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt. Die Antragsgegnerin hat nicht substantiiert dazu vorgetragen, dass die Antragstellerin in dringlichkeitsschädlicher Zeit Kenntnis von den seit August 2008 von der Antragsgegnerin veröffentlichten Werbeaussagen gehabt oder sich einer solchen Kenntnis bewusst verschlossen hätte. Insbesondere hat die Antragsgegnerin nicht spezifiziert dargelegt, dass die Antragstellerin diese gerichtlich oder außergerichtlich angegriffen hätte. Allein aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin die von ihr vorgelegten Werbematerialien im Zusammenhang mit der Markteinführung ihres seinerzeit nur für die Monotherapie zugelassenen Präparats in der Zeit von August bis Oktober 2008 veröffentlich hat, folgt eine solche Kenntnis nicht mit hinreichender Sicherheit. Eine Marktbeobachtungspflicht oblag der Antragstellerin nicht.
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Irreführung gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 S. 1 HWG liegen vor.
aa) Zum Verkehrsverständnis hat die Antragstellerin zutreffend vorgetragen, die Aussage suggeriere den angesprochenen Ärzten, dass die Salzform bei der Gabe von Clopidogrel-haltigen Präparaten erwiesenermaßen generell € also nicht nur, aber auch bezogen auf das beworbene Präparat mit dem Inhaltsstoff Clopidogrel-Besilat € bedeutungslos sei. Dieser Vortrag ist im Hinblick auf die klinische Perspektive der ärztlichen Adressaten dahingehend auszulegen, dass eine Aussage jedenfalls über die Wirksamkeit der Clopidogrel-haltigen Präparate getroffen werden soll.
Das Verkehrsverständnis des situationsadäquat aufmerksamen, durchschnittlich informierten und vernünftigen Arztes vermögen die Mitglieder des Senats, die sich hierbei auf ihre eigene Sachkunde und Lebenserfahrung stützen können, selbst zu beurteilen. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist die Beurteilung des Verkehrsverständnisses von Ärzten durch die Mitglieder des Gerichts jedenfalls dann möglich, wenn der Erkenntnisstand der Wissenschaft im Hinblick auf den maßgebenden Sachverhalt vorgetragen wurde und außerdem € wie hier € keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass ein Arzt die deutsche Sprache anders verstehen könnte als jemand, der ebenfalls ein wissenschaftliches Studium absolviert hat (st. Rspr. des Senats, siehe nur Urteil v. 2.7.2009, Az. 3 U 221/08, GRUR-RR 2010, 63; Urteil v. 21.12.2006, Az. 3 U 77/06, PharmaR 2007, 204).
Der streitgegenständliche Werbefolder trägt die Überschrift €Die Wirkweise von Clopidogrel-haltigen Präparaten€ und zeigt darunter die Grafik eines menschlichen Körpers, welche in sechs Schritten von €1. Einnahme Clopidogrel-Salz€ bis €6. Thrombozytenaggregations-hemmung€ das Wirkprinzip der genannten Präparate darstellt. In den der Grafik beigeordneten sechs Erläuterungskästen ist stets von €Salz€ in nicht näher spezifizierter Form die Rede. In der Grafik selbst erscheint im Bereich des Mundes die Abkürzung €C.H.A€, welche in der kleingedruckten Legende mit €Clopidogrel-Salz€ erläutert wird. Links unter der Grafik befindet sich die angegriffene Angabe €Original und Alternative: Die Salzform spielt keine Rolle!€. Im Fließtext folgt sodann die (unstreitig) zutreffende Erläuterung, dass nicht Clopidogrel die Wirkform sei, sondern nach der Dissoziation des Salzes erst in der Leber das aktive Clopidogrel-Thiolderivat gebildet werde. Es folgen weiter die den Gegenstand des Antrags zu 1.b) bildende Sätze €Somit spielt die Salzform von Clopidogrel bezüglich der Pharmakodynamik und Wirksamkeit keine Rolle. Die durchgeführte Bioverfügbarkeitsstudie zeigt dies eindrücklich€.
Die angegriffene Angabe stellt nach der allgemein gehaltenen Erläuterung der Wirkweise Clopidogrel-haltiger Präparate einem namentlich nicht genannten, aber nach dem werblichen Kontext (Namensnennung auf der Rückseite) wohl als P.® erkennbaren Original eine Alternative gegenüber, welche nach dem Kontext des auf ein Produkt bezogenen Werbemittels als das Clopidogrel-Präparat der Antragsgegnerin erkennbar ist und verknüpft dies mit der hervorgehobenen, im nachfolgenden Fließtext erläuterten Aussage €Die Salzform spielt keine Rolle€. Aufgrund der aus der Überschrift hervorgehenden thematischen Erstreckung auf eine nicht eingegrenzte Mehrzahl von €Clopidogrel-haltigen Präparaten€ sowie der hinsichtlich der Salzform nicht spezifizierten Darstellung in Grafik und Fließtext ergibt sich für den ärztlichen Betrachter, dessen Augenmerk sich in erster Linie auf die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels in der klinischen Praxis richtet, die Aussage, die Salzform Clopidogrel-haltiger Präparate sei (zumindest) für die Wirksamkeit des Clopidogrels irrelevant, und zwar auf der Grundlage des allgemein geäußerten Postulats auch im Falle des hier konkret beworbenen Produkts der Antragsgegnerin. Der ärztliche Betrachter geht ferner davon aus, dass die hier getroffene Aussage über die Wirksamkeit der genannten Präparate wissenschaftlich belegt sei.
bb) Das vorstehend beschriebene, durch die beanstandete Angabe hervorgerufene Verkehrsverständnis entspricht nicht den Tatsachen .
Die Werbung für Arzneimittel unterliegt den strengen Voraussetzungen der gesundheitsbezogenen Werbung, wonach wegen des hohen Schutzgutes der Gesundheit des Einzelnen und der Bevölkerung an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Aussagen besonders strenge Anforderungen zu stellen sind (st. Rspr. des Senats, siehe nur Urteil v. 2.7.2009, Az. 3 U 221/08, GRUR-RR 2010, 63; Urteil v. 21.12.2006, Az. 3 U 77/06, PharmaR 2007, 204). Gegenüber der substantiierten Behauptung des Antragstellers, einer von ihm als irreführend angegriffenen gesundheitsbezogenen Werbung fehle die wissenschaftliche Grundlage bzw. die Aussage sei wissenschaftlich umstritten, obliegt es dem Antragsgegner, die wissenschaftliche Absicherung der Werbeaussage zu beweisen (siehe nur Harte/Henning/Weidert, UWG, 2. Aufl. 2009, § 5 Kap. C. Rz. 175).
(1) Die Antragstellerin hat zunächst unter Hinweis auf den Artikel €Changing the salt, changing the drug€ des Pharmakologen Davies (Anlage K 8) geltend gemacht, dass im Allgemeinen der Salzform in der Pharmakologie eine erhebliche Bedeutung zukomme. Sie hat ferner unwidersprochen darauf hingewiesen, dass die EMEA den Zulassungsantrag eines Generika-Herstellers für Clopidogrel-Hydrobromid mangels hinreichenden Nachweises der Bioäquivalenz für nicht erfolgversprechend gehalten habe (Anlage K 7), woraufhin der Zulassungsantrag zurückgenommen worden sei. Schließlich hat die Antragstellerin geltend gemacht, dass gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich des klinischen Wirksamkeitsvergleichs von Clopidogrel-haltigen Präparaten mit unterschiedlichen Salzformen € also auch für den Vergleich von Clopidgrel-Hydrogensulfat und -Besilat € nicht vorlägen.
(2) Dem ist die Antragsgegnerin nicht hinreichend entgegengetreten. Die von ihr vorgelegten Studien tragen die werbliche Behauptung nicht. Die Studie von Neubauer et al. (Anlage B 9) ist eine auf die Wirksamkeit von Clopidogrel-Hydrogensulfat bzw. Clopidogrel-Besilat bezogene Vergleichsstudie (Methode: Messung der Thrombozytenaggregationshemmung durch Impedanzaggregometrie und Durchflusszytometrie) und wurde an 20 gesunden Probanden durchgeführt. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass der einer Anlagerung von Blutplättchen entgegenwirkende Effekt (€antiplatelet effect€) beider Präparate insgesamt nicht signifikant unterschiedlich ist, dass jedoch sowohl interindividuell € also bezogen auf unterschiedliche Patienten € als auch intraindividuell € also bezogen auf ein und denselben Patienten € eine hohe Variabilität zwischen den Wirkungen beider Salzformen besteht (siehe Anlage B 9, dort €Conclusion€):
€We observed both: subjects responding less to besylate salt, but better to hydrogensulfate salt, and vice versa.€
Ferner schränken die Verfasser der Studie in der €Discussion€ die klinische Verallgemeinerbarkeit ihrer Ergebnisse erheblich ein. Dort heißt es unter der Überschrift €Limitations€ u.a.:
€The present study included healthy volunteers. It is likely that patients with atherosclerotic disease have an even higher degree of variability in their response to clopidogrel due to comorbidities and multiple comedications. Therefore the differences between the two formulas of clopidogrel could be even more pronounced. A further evaluation of patients with an intake of both clopidogrel formulas would be desirable.€
Auf diese Feststellungen lässt sich nach dem hier anzuwendenden strengen Maßstab der gesundheitsbezogenen Werbung die vollmundige Aussage, die Salzform Clopidogrel-haltiger Präparate bzw. diejenige der konkret angesprochenen Präparate spielten erwiesenermaßen für die klinische Wirksamkeit keine Rolle, nicht stützen.
(3) Die von der Antragsgegnerin als Anlage B 10 vorgelegte Studie von Kim et al. ist eine zwecks Erlangung der Vermarktungserlaubnis für Clopidogrel-Besilat im Vergleich mit Clopidogrel-Bisulfat durchgeführte Untersuchung der Bioäquivalenz (Methode: Untersuchung der Plasmakonzentration des Wirkstoffs Clopidogrel sowie des daraus verstoffwechselten Produkts [€primary metabolite€] SR26334). Zwar gelangt die Studie zu dem Ergebnis, dass pharmakokinetische und pharmakodynamische Unterschiede der Salzformen nicht statistisch signifikant waren und das Besilat die regulatorischen Kriterien der Bioäquivalenz erfüllte. Jedoch wurde die Studie an 44 gesunden Probanden durchgeführt. Aus einer solchen Studie lassen sich Feststellungen hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit nicht mit hinreichender Sicherheit ableiten, wie auch die Verfasser ausführen (€Discussion€, S. 802):
€The present study had several limitations for generalization to patient populations, including small sample size, short duration of follow-up, open-label design and the inclusion of only healthy male subjects, based on specific inclusion and exclusion criteria. The pharmacokinetic and pharmacodynamic profiles of clopidogrel in female subjects may be different from those in male subjects. (...) The pharmacokinetic and pharmacodynamic characteristics of clopidogrel might be different in the present study from those in patients in clinical practice, although recent studies have reported similar pharmacodynamic profiles of clopidogrel in groups of patients and healthy volunteers. Further study is required to confirm the efficiacy and tolerability of clopidogrel besylate in patient populations and both sexes.€
Auch diese Studie ist mithin nicht geeignet, die generelle Behauptung wissenschaftlich zu belegen, die Salzform eines Clopidogrel-haltigen Präparats spiele hinsichtlich der klinischen Wirksamkeit keine Rolle.
(4) Aus § 24b Abs. 2 S. 1 AMG ergibt sich keine Rechtfertigung der von der Antragsgegnerin getroffenen werblichen Aussage, die Salzform Clopidogrel-haltiger Produkte spiele klinisch erwiesenermaßen keine Rolle. Nach dieser auf Art. 10 Abs. 2 lit. b) der RL 2003/63/EG (Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel) basierenden Vorschrift gelten u.a. Salze eines Wirkstoffs als ein und derselbe Wirkstoff, es sei denn, ihre Eigenschaften unterscheiden sich erheblich hinsichtlich der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit; es besteht also die gesetzliche Vermutung der wesentlichen Gleichartigkeit (Rehmann, AMG, 3. Aufl. 2008, § 24b Rz. 5). Es handelt sich um die gesetzgeberische Gleichsetzung von Original und Generikum, die den Hersteller des letzteren gemäß § 24b Abs. 1 S. 1 AMG von der Pflicht zur Vorlage der in § 22 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AMG genannten Nachweise € Ergebnisse der pharmakologischen und toxikologischen Versuche sowie Ergebnisse der klinischen Prüfungen € entbindet. Selbst wenn also auf dieser gesetzlichen Grundlage Clopidogrel-Hydrogensulfat und Clopidogrel-Besilat als ein und derselbe Wirkstoff gelten, folgt hieraus nicht der wissenschaftliche Nachweis, die Salzform Clopidogrel-haltiger Präparate sei im Allgemeinen oder im hier betroffenen speziellen Fall bezogen auf die klinische Wirksamkeit irrelevant. Die Tatbestandswirkung der Zulassung bezieht sich insoweit (nur) auf die Verkehrsfähigkeit, deren Zubilligung auf der wissenschaftlich anerkannten Annahme basiert, dass im Falle der Bioäquivalenz Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Generikums derjenigen des Originals entsprächen. Die werbliche Anpreisung, das Generikum stimme in seiner Wirksamkeit klinisch nachweislich mit dem Original überein, ist durch sie nicht legitimiert.
2. Antrag zu I.1.b)
a) Gegenstand des Antrags ist das Verbot,
- im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs- das Arzneimittel Clopidogrel-r.® 75 mg Filmtabletten (Wirkstoff: Clopidogrel als Besilat)- mit der Angabe €Somit spielt die Salzform von Clopidogrel bezüglich der Pharmakodynamik und Wirksamkeit keine Rolle. Die durchgeführte Bioverfügbarkeitsstudie zeigt dies eindrücklich.€- zu bewerben- wie in dem als Anlage K 1 beigefügten Abgabefolder geschehen.mithin ebenfalls die beanstandete Angabe im Kontext der konkreten Verletzungsform.
b) Die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG ist nicht widerlegt (siehe oben 1.b]).
c) Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Irreführung gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 S. 1 HWG liegen vor.
aa) Zum Verkehrsverständnis hat die Antragstellerin zutreffend vorgetragen, diese Aussage verstünden die angesprochenen Ärzte dahingehend, dass die Salzform bei der Gabe von Clopidogrel-haltigen Präparaten für die Pharmakodynamik und klinische Wirksamkeit erwiesenermaßen generell € also nicht nur, aber auch bezogen auf das beworbene Präparat mit dem Inhaltsstoff Clopidogrel-Besilat € bedeutungslos sei, wie aus der durchgeführten Bioverfügbarkeitsstudie folge.
Pharmakodynamik ist die Lehre von der Beeinflussung biologischer Funktionen oder Strukturen durch Pharmaka, befasst sich also mit der Art der Wirkung, dem Wirkungsmechanismus, dem Ort der Wirkung, der Wirkstärke und der Wirksamkeit (Def. nach Mutschler, Arzneimittelwirkungen, 8. Aufl. 2001, Anlage K 3). Bioverfügbarkeit ist die Geschwindigkeit und das Ausmaß, in denen der therapeutisch wirksame Anteil eines Arzneimittels freigesetzt und resorbiert bzw. am Wirkort verfügbar wird (Def. nach Pschyrembel, Anlage BB 7). Ist bei gleicher Dosis die Bioverfügbarkeit € gemessen anhand der Plasmakonzentrations-Zeit-Profile € zweier Präparate so ähnlich, dass hinsichtlich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit keine klinisch relevanten Unterschiede zu erwarten sind, so spricht man von Bioäquivalenz (Def. nach Bauer/Frömming/Führer, Anlage BB 9). Nach der €Note for Guidance on the Investigation of Bioavailability and Bioequivalence€ des Committee for Proprietary Medicinal Products (CPMP) der EMEA vom 14.12.2000 ist Bioäquivalenz gegeben, wenn hinsichtlich bestimmter pharmakokinetischer Parameter das 90 %ige Konfidenzintervall innerhalb eines Akzeptanzintervalls von 0,8 bis 1,25 des Referenzwirkstoffs liegt (siehe S. 9 der Guidance). Bioäquivalenz bezeichnet also einen nach wissenschaftlich anerkannten Kriterien bestehenden statistischen Zusammenhang zwischen zwei Medikamenten (Senat, Urteil vom 31.10.2002, Az. 3 U 371/01; Magazindienst 2003, 170, juris-Rz. 20).
Soweit die Antragsgegnerin geltend macht, der Betrachter beziehe die Aussage über die Bioverfügbarkeitsstudie im zweiten Satz infolge der räumlichen Trennung durch einen Absatz nicht zurück auf den ersten Satz, so ist dies nicht richtig. Denn auch unter Berücksichtigung des durch den Absatz geschaffenen Zwischenraums stellt der Betrachter eine inhaltliche Verbindung zwischen beiden Sätzen her, heißt es doch im zweiten Satz, die durchgeführte Bioverfügbarkeitsstudie zeige €dies€ € also die zuvor genannte Irrelevanz der Salzform für Pharmakodynamik und Wirksamkeit. Über den unmittelbar vorstehenden Satz hinaus hat der gesamte Inhalt des voranstehenden Fließtextes allein diese Aussage, so dass anderweitige inhaltliche Bezugspunkte für den angeblich durch die Bioverfügbarkeitsstudie erbrachten Nachweis nicht bestehen.
bb) Das vorstehend beschriebene, durch die beanstandete Angabe hervorgerufene Verkehrsverständnis entspricht nicht den Tatsachen.
Es fehlt am wissenschaftlichen Nachweis der angegriffenen Behauptung. Die Angabe ist schon in sich unzutreffend, weil die genannte Bioverfügbarkeitsstudie als Nachweis klinischer Wirksamkeit nicht geeignet ist. Denn sie beinhaltet eben keinen Nachweis der klinischen Wirksamkeit, sondern denjenigen der Zulassungsvoraussetzung €Bioäquivalenz€. Dass aus dem Nachweis der Bioäquivalenz wissenschaftlich anerkanntermaßen die Schlussfolgerung gezogen wird, das Präparat werde hinsichtlich Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht wesentlich von dem Originalpräparat abweichen, rechtfertigt nicht die werbliche Behauptung, die unterschiedliche Salzform sei für die Wirksamkeit klinisch erwiesenermaßen irrelevant. Auch darüber hinaus fehlt es am wissenschaftlichen Beleg der Angabe; die unter 1.c) bb) vorstehenden Ausführungen gelten entsprechend.
3. Antrag zu I.1.c)
a) Gegenstand des Antrags ist das Verbot,
- im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs- das Arzneimittel Clopidogrel-r.® 75 mg Filmtabletten (Wirkstoff: Clopidogrel als Besilat)- mit der Angabe Clopidogrel r.® 75 mg Filmtabletten ist dokumentiert bioäquivalent* zu P.®.€- zu bewerben- wie in dem als Anlage K 1 beigefügten Abgabefolder geschehen,mithin ebenfalls die beanstandete Angabe im Kontext der konkreten Verletzungsform.
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Irreführung gemäß § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 S. 1 HWG liegen nicht vor.
Zum Verkehrsverständnis hat die Antragstellerin vorgetragen, die Aussage verstünden die angesprochenen Ärzte dahingehend, dass auf eine wissenschaftliche Veröffentlichung Bezug genommen werde, deren Fundstelle bei dem Sternchenhinweis angegeben werde. Ein relevanter Teil der Ärzteschaft erwarte ferner, dass diese Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift erfolgt sei und dass die Daten zur behaupteten Bioäquivalenz einer Überprüfung zugänglich seien. Die Angabe suggeriere schließlich, dass das Präparat der Antragsgegnerin ebenso gut dokumentiert sei wie P.®.
Das erstgenannte Verkehrsverständnis dürfte insofern zutreffen, als der angesprochene Arzt bei Anbringung eines Sternchens hinter einer Werbeangabe die Nennung einer Erläuterung erwartet, die in Sachangaben oder der Belegstelle einer wissenschaftlichen Veröffentlichung bestehen kann. Diese Erwartung einer erläuternden Angabe besteht also auch im Falle der hier angegriffenen Werbeangabe €dokumentiert bioäquivalent*€. Dass ein relevanter Teil der Ärzteschaft angesichts der vorliegenden Angabe zwingend eine Veröffentlichung € zumal in einer Fachzeitschrift € erwartet, erscheint hingegen nicht als überwiegend wahrscheinlich. Denn üblicherweise beinhalten Sternchenhinweise nicht ausschließlich die Nennung von Fundstellen in Fachzeitschriften, sondern können gleichermaßen anderweitige Informationen enthalten, etwa darüber, dass der maßgebliche Datenbestand bei dem werbenden Unternehmer verfügbar € also gerade nicht veröffentlicht € sei (€data on file€) oder dass sich näherer Aufschluss über die Daten aus der Fachinformation gewinnen lasse. Denkbar sind auch sonstige Erläuterungen, etwa zur Dosierung oder zum Anwendungsbereich.
Dass die Angabe suggeriere, das Präparat der Antragsgegnerin sei ebenso gut dokumentiert wie P.®, trifft ebenfalls nicht zu. Der Angabe ist eine Bezugnahme auf den Stand der Dokumentation von P.® nicht zu entnehmen. Gesagt wird vielmehr nur, dass das beworbene, als Generikum erkennbare Präparat dokumentiert bioäquivalent zu dem Original P.® sei. Die Annahme, es gebe einen dem Original vergleichbaren Dokumentationsaufwand, liegt zudem eher fern, weil Ärzten bekannt sein dürfte, dass der Studienaufwand für die Zulassung von Generika eben gerade nicht mit dem für die Zulassung des Originals verbundenen Aufwand vergleichbar ist.
Es fehlt jedenfalls an einer Irrtumserregung . Allein der Umstand, dass ein Sternchen angebracht, aber € wohl infolge eines Redaktionsversehens € nicht durch einen Hinweis aufgelöst wird, begründet in der vorliegenden Konstellation den Vorwurf der Irreführung noch nicht, weil lediglich eine durch das Sternchen geweckte Informationserwartung enttäuscht, nicht aber in die Irre geführt wird. Dass das Präparat der Antragsgegnerin dokumentiert € also im Zuge einer aufgezeichneten Studie € bioäquivalent zu P.® ist, hat auch die Antragstellerin nicht bestritten.
Soweit sich die Antragstellerin erstmals zweitinstanzlich auf das Verkehrsverständnis beruft, die Antragsgegnerin werbe hinsichtlich der €dokumentierten Bioäquivalenz€ in irreführender Weise mit einer Selbstverständlichkeit, weil es sich um eine in § 24b AMG geregelte Zulassungsvoraussetzung für ein Generikum handele, so ist dieser Vortrag im Eilverfahren nicht berücksichtigungsfähig, da in dringlichkeitsschädlicher Zeit erfolgt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
OLG Hamburg:
Urteil v. 26.08.2010
Az: 3 U 158/09
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