Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. August 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 2/10

(BPatG: Beschluss v. 04.08.2010, Az.: 35 W (pat) 2/10)

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts vom 20. November 2009 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin war Inhaberin des am 4. April 2007 angemeldeten und am 6. Juni 2007 eingetragenen Gebrauchsmusters ... mit der Bezeichnung "...", das die Antragstellerinmit Löschungsantrag vom 16. Dezember 2008 angegriffen hat.

Die Vertreter der Antragsgegnerin, der der Löschungsantrag am 14. Februar 2009 zugestellt wurde, haben mit Schreiben vom 5. März 2009 namens ihrer Mandantin auf das Gebrauchsmuster verzichtet. Daraufhin hat die Gebrauchsmusterabteilung das Gebrauchsmuster gelöscht, weil dem Löschungsantrag nicht widersprochen worden ist.

Mit Beschluss vom 18. August 2009 hat die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt, da der Verzicht auf das Gebrauchsmuster mit einem sofortigen Anerkenntnis gleichzusetzen sei.

Nach Rechtskraft dieses Beschlusses hat der Vertreter der Löschungsantragsgegnerin eine Kostenrechnung in Höhe von 1.780 € eingereicht, die von einem Gegenstandswert von 100.000 € und dem 1,3-fachen Satz der Verfahrensgebühr ausgeht.

Diesem Antrag hat die Beschwerdeführerin widersprochen. Da das Gebrauchsmuster nur ein Scheinschutzrecht gewesen sei, sei der Gegenstandswert 0 oder jedenfalls weit niedriger als 100.000 €. Auch seien die Kosten für den Vertreter der Antragsgegnerin nicht erstattungsfähig, weil der ex nunc wirkende Verzicht auf das Schutzrecht sofort nach Zustellung des Löschungsantrags kein Tätigwerden innerhalb des Löschungsverfahrens gewesen sei.

Mit Beschluss vom 20. November 2009 hat die Gebrauchsmusterabteilung I die von der Löschungsantragsstellerin an die frühere Gebrauchsmusterinhaberin zu erstattenden Kosten ausgehend von einem Gegenstandswert von 100.000 € und dem einfachen Satz der Verfahrensgebühr (RVG VVNr. 2300) auf insgesamt 1.374 € festgesetzt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, mit der eine Festsetzung des Gegenstandswertes auf 30.000 € und die Nichterhebung der Verfahrensgebühr angestrebt wird.

Der Gegenstandswert richte sich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Gebrauchsmusters. Da vorliegend aufgrund des klaren, übersichtlichen Sachverhalt und der klaren und eindeutigen Offenbarung im Stand der Technik auch für die Antragsgegnerin und Laien leicht erkennbar gewesen sei, dass das Streitgebrauchsmuster keinen Rechtsbestand haben könne, sei eine Abweichung vom Regelbzw. Standardgegenstandswert geboten. Denn ein möglicher Unterlassungsanspruch sei offensichtlich nicht durchsetzbar gewesen. Aus diesen Gründen sei ein Gegenstandswert von höchstens 30.000 € angemessen.

Kosten für einen Patentoder Rechtsanwalt seien nur dann zu erstatten, wenn dieser im betreffenden Verfahren tätig geworden sei. Dies sei hier aber nicht der Fall gewesen, weil die Vertreter der Antragsgegnerin zum Löschungsantrag geschwiegen und auch keinen Widerspruch eingelegt hätten. Sie seien nur insoweit tätig geworden seien, als sie den Verzicht auf das Schutzrecht erklärt hätten.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß), den Beschluss des Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Makrenamts vom 20. November 2009 aufzuheben und von einer Festsetzung der Verfahrensgebühr abzusehen, hilfsweise die Kosten nur unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes in Höhe von höchstens 30.000 € festzusetzen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin trägt vor, eine Reduzierung des Gegenstandswertes sei nicht angemessen. Es habe sich bei dem angegriffenen Gebrauchsmuster nicht nur um ein Scheinrecht gehandelt. Dies folge aus den Ausführungen der Antragstellerin, im Löschungsantrag, die auf Recherchen zum Stand der Technik Bezug nehme. Außerdem habe die Antragstellerin in Bezug auf die Kostenauferlegung ausgeführt, dass das Gebrauchsmuster von großer wettbewerblicher Relevanz gewesen sei. Hinzu komme die große Restlaufzeit.

Im angefochtenen Beschluss sei zu Recht eine Verfahrensgebühr angesetzt worden. Die Vertreter der Antragsgegnerin seien im Löschungsverfahren tätig geworden, weil der Verzicht eine mögliche, zulässige und auch kostenrechtlich sinnvolle Reaktion auf den Löschungsantrag gewesen sei. Denn die Kostenfolge nach § 93 ZPO hätte nicht herbeigeführt werden können, wenn dem Löschungsantrag widersprochen und sachlich entgegengetreten worden wäre.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist formund fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

1. Die Annahme eines Gegenstandswerts von 100.000 € durch die Gebrauchsmusterabteilung ist nicht zu beanstanden.

Nach allgemeiner Ansicht hängt der Wert eines Gebrauchsmusters vom Einzelfall ab. Die Bemessung des Gegenstandswertes erfolgt gemäß §§ 23, 33 RVG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO grundsätzlich nach freiem Ermessen. Sie richtet sich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Gebrauchsmusters. Ausgangspunkt für die Bemessung des Werts ist der gemeine Wert des Gebrauchsmusters, wie er sich zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags für die restliche Laufzeit darstellt und für dessen Höhe die noch zu erwartenden Erträge des Schutzrechts, insbesondere durch Eigennutzung und Lizenzvergabe, aber auch aus Verletzungshandlungen, bis zum Ablauf seiner Schutzdauer und die bis zum Beginn des Verfahrens entstandenen Schadensersatzforderungen aus Verletzungshandlungen einen Anhalt geben. Dabei ist die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters zu unterstellen (vgl. Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 7. Auflage, § 17 Rn. 105 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Anders als die Beschwerdeführerin meint, ist daher die Frage, ob ein Scheingebrauchsmuster vorlag, für die Höhe des Gegenstandswerts nicht entscheidend. Allerdings sind für die Einschätzung des Interesses der Allgemeinheit an der Löschung des Gebrauchsmusters der Schutzumfang und damit das mögliche Störpotential des Schutzrechts sowie dessen Restlaufzeit zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags zu berücksichtigen.

Da vorliegend keine konkreten Zahlen hinsichtlich Umsatz, Lizenzgebühren, Schadensersatzforderungen etc. vorgetragen worden sind, ist bei der Bemessung zunächst vom regelmäßigen durchschnittlichen Gegenstandswert auszugehen, der bei etwa 100.000 bis 125.000 € liegt (vgl. Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 17 GebrMG Rn. 33; vgl. auch Bühring, a. a. O., § 17 Rn. 154), und zu prüfen, welche Gesichtspunkte für eine Abweichung im konkreten Fall sprechen. Wie oben ausgeführt, ist die Frage der Rechtsbeständigkeit des angegriffenen Schutzrechts unerheblich. Dagegen ist zu berücksichtigen, dass die Laufzeit des Streitgebrauchsmusters zum Zeitpunkt des Löschungsantrag noch etwa achteinalb Jahre betrug. Weiterhin beinhaltete das Gebrauchsmuster wegen der sehr allgemeinen Fassung der Schutzansprüche ein erhebliches Störpotential und damit ein großes wirtschaftliches Interesse der Allgemeinheit an dessen Beseitigung. Dies ergibt sich auch aus dem Vortrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin vor dem Deutschen Patentund Markenamt zur Frage der Kostenauferlegung. Dort hat die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 21. April 2009 nämlich ausgeführt, das Streitgebrauchsmuster habe zu erheblichen Verwirrungen auf dem Markt der Spieluhrdosen geführt. Wegen des intensiven Wettbewerbs zwischen den Verfahrensbeteiligten habe keine Aussicht auf Entgegenkommen durch die Gebrauchsmusterinhaberin bestanden, sodass es für die Antragstellerin erforderlich gewesen sei, ohne vorherige Abmahnung im Rahmen eines Löschungsantrags Rechtssicherheit über den Bestand des Schutzrechts erlangen wollen.

Es sind darum keine Gründe ersichtlich, die eine Herabsetzung des der Kostenberechnung zu Grunde gelegte Gegenstandswerts von 100.000 € rechtfertigen.

2. Auch der Ansatz einer Vergütung des Vertreters der Antragsgegnerin mit einem 1,0-fachen Gebührensatz ist vorliegend nicht zu beanstanden.

Bei dem Löschungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patentund Markenamt handelt es sich trotz seiner gerichtsähnlichen Ausgestaltung um ein Verwaltungsverfahren (vgl. BVerfG GRUR 2003, 723 -Rechtsprechungstätigkeit; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 26 Rn. 4, 5). Die für die Vertretung im Verwaltungsverfahren verdiente Geschäftsgebühr richtet sich darum nach Nr. 2300 VV RVG. Danach fällt gem. Nr. 2300 VV RVG eine Geschäftsgebühr in Höhe des 0,5-fachen bis 2,5-fachen Satzes an. Nach § 14 Abs. 1 RVG erfolgt die Festsetzung der Gebühr nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommensund Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen.

Eine solche Geschäftsgebühr ist vorliegend angefallen.

Zwar trifft es zu, dass eine Gebühr nach dem RVG nur dann anfällt, wenn der Vertreter in der betreffenden Angelegenheit tätig geworden ist (§ 15 RVG, Teil 2 Nr. 2300 VV RVG). Zu dem Rechtszug oder dem Verfahren in einer Angelegenheit gehören aber auch alle Vorbereitungs-, Nebenund Abwicklungstätigkeiten und solche Verfahren, die mit dem Rechtszug oder Verfahren zusammenhängen (§ 19 Abs. 1 RVG). Diese Voraussetzung erfüllt der vom Vertreter der Patentinhaberin erklärte Verzicht auf das Streitgebrauchsmuster. Nach Teil 2 Abschnitt 3 Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV RVG entsteht die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Wie die Gebrauchsmusterabteilung in ihrer Kostenentscheidung aufgezeigt und die Antragstellerin nicht bestritten hat, ist es als sofortiges Anerkenntnis i. S.

v. § 93 ZPO anzusehen, wenn der Gebrauchsmusterinhaber dem Löschungsantrag nicht widerspricht. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob bei einem bloßen Unterlassen des Widerspruchs eine Geschäftsgebühr entsteht. Vorliegend hat der Vertreter der Beschwerdegegnerin jedenfalls sofort nach Zustellung des Löschungsantrags den Verzicht erklärt und damit explizit zu erkennen gegeben, dass er den Löschungsantrag für begründet hält und das Recht am angegriffenen Schutzrecht aufgibt, wobei es auf die genaue Formulierung hierbei nicht ankommt (vgl. zu allem etwa Bühring, a. a. O., § 17 Rn. 60 ff., 62), so dass das Streitgebrauchsmuster ohne weiteres gelöscht und das Löschungsverfahren nur noch hinsichtlich der Kosten weitergeführt wird. Diese Verzichtserklärung beruht auf einer wertenden Betrachtung der Sachund Rechtslage und stellt eine mögliche, zulässige und auch kostenrechtlich sinnvolle Reaktion auf den Löschungsantrag dar. Es handelt sich damit um eine Erklärung, die unter den Begriff der Vorbereitungs-, Nebenund Abwicklungstätigkeiten im Sinne von § 19 Abs. 1 RVG fällt. Es gibt deshalb keinen Anlass, diese das Verfahren beendende Erklärung als eine nicht unter Nr. 2300 VV RVG fallende Handlung außerhalb des Geschäfts bzw. außerhalb der Angelegenheit anzusehen (Teil 2 Abschnitt 3 Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV RVG).

Auch die Berechnung der Vergütung mit einem gegenüber dem Normalfall reduzierten Gebührensatz von 1,0 ist angemessen. Wegen des sofortigen Anerkenntnisses waren kein umfangreicher Schriftwechsel oder umfangreichere Nachrecherchen erforderlich, wie sie in durchschnittlichen Fällen häufig notwendig sind.

Die Beschwerde der Antragstellerin war deshalb zurückzuweisen.

3. Die Beschwerdeführerin hat als Unterlegene die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen (§ 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG, § 84 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

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BPatG:
Beschluss v. 04.08.2010
Az: 35 W (pat) 2/10


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