Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. August 2003
Aktenzeichen: 25 W (pat) 150/02
(BPatG: Beschluss v. 05.08.2003, Az.: 25 W (pat) 150/02)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung VITADAY ist am 2. Februar 1999 für die Waren "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Parfümerien, ätherische Öle, Seifen, Zahnputzmittel; Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege, diätetische Lebensmittel für medizinische Zwecke, Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke, Pflaster und Verbandmaterial" in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 4. März 1999.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 9. Januar 1997 für die Waren "Pharmazeutische Erzeugnisse; Stärkungsmittel für medizinische Zwecke; medizinische Nahrungsergänzungsmittel, nämlich Lecithin, Weizenkeimöl, Carotin, Hefe, Gelatine, Aminosäuren, Fettsäuren sowie deren Ester, sowohl gesättigte als auch ungesättigte Vitamine und Mineralstoffe; chemische Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; veterinärmedizinische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke; Pflaster und Verbandmaterial, medizinische Bräunungsmittel oral; von allen vorgenannten Waren sind Präparate für die äußerliche bzw topische Anwendung ausgeschlossen" eingetragenen Marke 2 102 770 VI DAY.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluss vom 26. März 2002 einer Beamtin des höheren Dienstes ausgehend von der nach der Registerlage möglichen Warenidentität, einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und strengen Anforderungen an den von der angegriffenen Marke einzuhaltenden Markenabstand eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die zweite Silbe "ta" der angegriffenen Marke finde in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung. Auch in klanglicher Hinsicht unterschieden sich die Marken deutlich durch den Sprenglaut "t" und den dunklen Vokal "a". Der Verkehr werde der gleichlautenden Endung "day" als Hinweis auf den Begriff "Tag" kaum Beachtung schenken und sich daher eher an den Anfangssilben orientieren. Verwechslungsmindernd sei auch zu berücksichtigen, dass dem Begriff "VITA" mit dem Hinweis auf den Begriff "Leben" eine Bedeutung zukomme, während der Bestandteil "VI" der Widerspruchsmarke als Phantasiewort wahrgenommen werde. Auch bestehe keine schriftbildliche oder begriffliche Verwechslungsgefahr.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem sinngemäßen Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die klangliche und schriftbildliche Übereinstimmung der beiden Wörter sei sehr hoch. Die Silbe "VI" sei bereits rein optisch eindeutig als Abkürzung der Begriffe "VIT" bzw "VITA" zu erkennen. Diese visuelle Ähnlichkeit werde durch die angemeldeten Warenverzeichnisse deutlich verstärkt. Da das Warenverzeichnis der Widersprechenden ausschließlich medizinische bzw kosmetische Waren enthalte, müsse die Silbe "VI" zwangsläufig als Abkürzung für die in der Medizin bzw Kosmetik relevanten und häufig benutzten Begriffe "VITAMIN" oder "VITAL" angesehen werden. De facto werde das Zeichen für ein Vitaminpräparat benutzt. Mit der Verknüpfung von "VI" und "DAY" werde ein eindeutiger Hinweis auf die Anwendungshäufigkeit des Produktes gegeben. Die mit der Markenanmeldung "VITA-DAY" verknüpfte Vorstellung sei vollkommen identisch. Wie bei der Marke "VI DAY" werde der Verbraucher auch bei der angegriffenen Marke "VITADAY" unweigerlich assoziieren, dass ein so benanntes Produkt ein Vitamin oder einen Vitalstoff enthalte, den er - um einen Erfolg zu erzielen - täglich (DAY) einnehmen sollte. Eine Verwechslungsgefahr sei in hohem Maße gegeben, da die beiden ersten Wortbestandteile begrifflich identisch, die beiden Endsilben sogar wörtlich identisch seien.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.
Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus, auch wenn das Wort "DAY" als beschreibender Hinweis auf "Tag" bzw "täglich" in Bezug auf die für die Widerspruchsmarke geschützten Waren kennzeichnungsschwach ist. Aus der Kennzeichnungsschwäche eines Bestandteils kann jedoch nicht ohne weiteres auf die allein maßgebende Kennzeichnungskraft der Gesamtbezeichnung geschlossen werden.
Ausgehend von der Registerlage können sich die Marken auch auf identischen Waren begegnen, welche sich uneingeschränkt an allgemeine Verkehrskreise richten. Das gilt auch für die sich gegenüberstehenden Arzneimittel und pharmazeutischen Erzeugnisse, da eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist und auch in tatsächlicher Hinsicht keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung besteht (vgl hierzu und zur Bedeutung der Rezeptpflicht - auch zur einseitigen Rezeptpflicht - BPatGE 44, 33, 36-37 - ORBENIN; BPatG Pharma Recht 2000, 217, 218 -Taxanil; BGH MarkenR 2000, 138, 139 Ketof/ETOP). Auch insoweit ist allerdings davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSE-RAND; vgl auch zum geänderten Verbraucherleitbild BGH MarkenR 2002, 124, 127 - Warsteiner III - mit weiteren Hinweisen; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, sogar eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal / Indohexal).
Wenn unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG auch strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand zu stellen sind, so ist die Ähnlichkeit der Marken nach Auffassung des Senats dennoch in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen wäre. Dies gilt auch hinsichtlich einer klanglichen oder begrifflichen Verwechslungsgefahr, auf welche die Widersprechende sich insbesondere beruft und welche wegen der unverkennbaren optischen Unterschiede der Marke auch nur ernsthaft in Betracht gezogen werden kann.
Die Markenwörter "VITADAY" und "VI DAY" unterscheiden sich nicht nur optisch deutlich voneinander, sondern auch in klanglicher Hinsicht. Wie bereits die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, weist die jüngere Marke, wegen der zusätzlichen, auch im Gesamtklangbild deutlich hervortretenden zusätzlichen Silbe "TA", welche in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung findet, einen von der Widerspruchsmarke abweichenden Gesamteindruck auf.
Hinzu kommt, dass auch der identische Endbestandteil "DAY" wegen seines beschreibenden Gehalts sich eher als kennzeichnungsschwach erweist und von den angesprochenen Verkehrskreisen insbesondere nicht als kennzeichnender Schwerpunkt der Marken gesehen wird. Die angesprochenen Verkehrskreise werden sich deshalb hinsichtlich der Widerspruchsmarke stärker an dem weiteren, von dem Wortbestandteil "VITA" der angegriffenen Marke abweichenden Bestandteil "VI" orientieren, zumal dieser als Anfangsbestandteil ehrfahrungsgemäß stärker beachtet wird als die übrigen Markenteile (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 184) und im Gegensatz zu "DAY" als Phantasiewort (vgl auch PA-VIS PROMA, Knoll, BPatG 24 W (pat) 204/98 DAYVITAL # VI DAY) keine Kennzeichnungsschwäche aufweist.
Auch sieht der Senat keine Umstände, weshalb der Verkehr den Bestandteil "VI" begrifflich mit dem Wort "VITAL" gleichstellen sollte (ebenso PAVIS PROMA, Knoll, BPatG 24 W (pat) 204/98 DAYVITAL # VI DAY). Denn "VI" stellt insbesondere keine Abkürzung für das Wort "VITAL" dar. Eine synonyme Verwendung oder ein derartiges Verkehrsverständnis entspricht auch nicht aus anderen Gründen den üblichen Bezeichnungsgewohnheiten auf dem hier maßgeblichen Warensektor (vgl hierzu EuGH, MarkenR 2001, 400 - Babydry; BGH MarkenR 2001, 465 469, - Bit/Bud - mwH). Die Markenstelle hat deshalb zutreffend darauf abgestellt, dass der in der angegriffenen Marke mit "VITA" bestehende Hinweis auf "Leben" zusätzlich verwechslungsmindernd wirkt, da dieser in der Widerspruchsmarke begrifflich keine Entsprechung findet (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 227; zur Bedeutung von "VITA" vgl zB auch PAVIS PROMA, Bender, HABM R 855/00-1 - VITAFRUIT # VITAFIT; PAVIS PROMA, Kliems BPatG 28 W (pat) 286/96 - vitaform # VITAFIT; BPatG PAVIS PROMA, Kliems, 25 W (pat) 163/98 - VITAFIT # VIVIVIT). Selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden unterstellt, dass der Verkehr in erheblichem Umfang den Bestandteil "VI" in Bezug auf die geschützten Waren der Widerspruchsmarke als Hinweis auf "Vitamin" erkennen würde, so fehlte es dennoch an einer begrifflichen Entsprechung des auf "Leben" hinweisenden Bestandteils der jüngeren Marke "VITA". Anhaltspunkte dafür, dass der Verkehr hierin den Hinweis auf "Vitamin" sieht, hat weder die Widersprechende vorgetragen noch sind diese ersichtlich, zumal bei natürlicher, nicht analysierender Betrachtung der jüngeren Marke (vgl hierzu Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 152) die natürliche Silbengliederung und der sich ohne weiteres erschließende Sinngehalt von "VITA" und "DAY" auch keine Veranlassung zu einer Ergänzung im Sinne von "VITAMINDAY" bietet.
Im Ergebnis ist deshalb auch aus Sicht des Senats eine klangliche Verwechslungsgefahr zu verneinen. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass die Verkehrsauffassung erfahrungsgemäß eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt wird (st Rspr, vgl EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints) und auch kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen und nicht vorneherein unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl hierzu Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl § 9 Rdn 331 mwN).
Der Senat sieht unter Berücksichtigung dieser Umstände auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Marken begrifflich oder durch gedankliche Verbindung miteinander verwechselt werden könnten, da der Markenbestandteil "DAY" wegen seines beschreibenden Charakters nicht geeignet ist, eine begriffliche Übereinstimmung der Gesamtzeichen zu erzeugen und als Stammbestandteil einer von der Widersprechenden gebildeten Serienmarke aufgefasst zu werden (vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 484), zumal hierfür auch weitere Anhaltspunkte fehlen. Auch sind keine Gründe für die Annahme ersichtlicht, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Marken in sonstiger Weise gedanklich miteinander in Verbindung bringen und deshalb verwechseln (vgl zu den Voraussetzungen BGH GRUR 2000, 608, 609 - ARD 1; BGH MarkenR 2001, 459, 464 Marlboro-Dach; BPatG GRUR 2002, 345, 346 - ASTRO BOY/Astro; BPatG GRUR 2002, 438, 440 - WISCHMAX/Max), da die Marken mit Ausnahme des kennzeichnungsschwachen Bestandteils "DAY" keine strukturellen oder sonstigen Gemeinsamkeiten aufweisen, welche den Verkehr zu einer gemeinsamen betrieblichen Zuordnung der Marken veranlassen oder eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne begründen könnten (vgl hierzu auch Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdn 504).
Nach alledem erweist sich die Beschwerde der Widersprechenden als unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.
Sredl Bayer Engels Pü
BPatG:
Beschluss v. 05.08.2003
Az: 25 W (pat) 150/02
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