Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Mai 2011
Aktenzeichen: 27 W (pat) 267/09
(BPatG: Beschluss v. 17.05.2011, Az.: 27 W (pat) 267/09)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 11. Juli 2006 angemeldete und am 28. September 2006 für die Waren und Dienstleistungen
"Waschund Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungsund Schleifmittel; Seifen, alle vorgenannten Waren ausschließlich für die Textilpflege; Parfümeriewaren, ätherische Öle, Mittel zur Körperund Schönheitspflege, Haarwässer; Zahnputzmittel; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke; diätische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Desinfektionsmittel; Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Leder und Lederimitationen sowie Waren daraus, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Häute und Felle; Reiseund Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Peitschen, Pferdegeschirre und Sattlerwaren; Bettzeug, soweit es nicht in anderen Klassen enthalten ist; Spiegel für die Innenausstattung und Toilettenspiegel; Kämme und Schwämme; Bürsten, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Geräte für die Körperund Schönheitspflege, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Garne und Fäden für textile Zwecke; Webstoffe und Textilwaren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Bettund Tischwäsche und -decken (nicht aus Papier); Bekleidungsstücke, Kopfbedeckungen; Spitzen und Stickereien, Bänder und Schnürbänder; Knöpfe, Haken und Ösen, Nadeln; künstliche Blumen; Sportgeräte, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Turnund Sportartikel, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Spiele, Spielzeug; Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffeeersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Soßen (Gewürzmittel); Gewürze; Kühleis; Biere, Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken; alkoholische Getränke (ausgenommen Biere); Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Einzelhandelsdienstleistungen für Produkte der Klassen 3, 5, 14, 18, 20, 21, 23, 24, 25, 26, 28, 29, 30, 32, 33; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Transportwesen; Veranstaltungen von Reisen; Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen; Gesundheitsund Schönheitspflege für Menschen und Tiere"
eingetragene Wortmarke 306 42 984 Hess Nature-Free Human Natureist Widerspruch erhoben worden aus der IR-Wort-/Bildmarke IR 679 841 (Priorität aus Benelux vom 12. März 1997)
geschützt für die Waren und Dienstleistungen 3 Preparations pour blanchir et autres substances pour lessiver; preparations pour nettoyer, polir, degraisser et abraser; savons; parfumerie, huiles essentielles, cosmetiques, lotions pour les cheveux; dentifrices.
9 Appareils et instruments scientifiques, nautiques, geodesiques, electriques non compris dans d'autres classes, photographiques, cinematographiques, optiques, de pesage, de mesurage, de signalisation, de contrle (inspection), de secours (sauvetage) et d'enseignement; appareils pour l'enregistrement, la transmission, la reproduction du son ou des images; supports d'enregistrement magnetiques, disques acoustiques; distributeurs automatiques et mecanismes pour appareils à prepaiement; caisses enregistreuses, machines à calculer, equipement pour le traitement de l'information et ordinateurs; extincteurs.
18 Cuir et imitations du cuir, produits en ces matières non compris dans d'autres classes; peaux d'animaux; malles et valises; parapluies, parasols et cannes; fouets et sellerie.
25 Vêtements, chaussures, chapellerie.
29 Viande, poisson, volaille et gibier; extraits de viande; fruits et legumes conserves, seches et cuits; gelees, confitures, compotes; oeufs, lait et produits laitiers; huiles et graisses comestibles.
30 Cafe, the, cacao, sucre, riz, tapioca, sagou, succedanes du cafe; farines et preparations faites de cereales, pain, ptisserie et confiserie, glaces comestibles; miel, sirop de melasse; levure, poudre pour faire lever; sel, moutarde; vinaigre, sauces (condiments); epices; glace à rafraîchir.
32 Bières; eaux minerales et gazeuses et autres boissons non alcooliques; boissons de fruits et jus de fruits; sirops et autres preparations pour faire des boissons.
33 Boissons alcooliques (à l'exception des bières).
35 Publicite; gestion des affaires commerciales; administration commerciale; travaux de bureau.
36 Assurances; affaires financières; affaires monetaires; affaires immobilières.
37 Construction; reparation; services d'installation.
38 Telecommunications.
39 Transport; emballage et entreposage de marchandises; organisation de voyages.
42 Restauration (alimentation); hebergement temporaire; soins medicaux, d'hygiène et de beaute; services veterinaires et d'agriculture; services juridiques; recherche scientifique et industrielle; programmation pour ordinateurs.
Der Widerspruch wird auf alle Waren/Dienstleistungen der Widerspruchsmarke gestützt und richtet sich gegen alle Waren/Dienstleistungen der angegriffenen Marke.
Die Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patentund Markenamts hat den Widerspruch mit zwei Beschlüssen vom 4. Dezember 2007 und vom 2. September 2009, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr könne nicht deshalb angenommen werden, weil beide Marken die Wortfolge "Human Nature" enthielten.
Bei der Wortkombination "Human Nature" handle es sich um eine auch im deutschen Sprachgebrauch häufig verwendete Wortkombination, in der die inländischen Durchschnittsverbraucher ohne weiteres einen Hinweis auf die "menschliche Natur" verstünden. So sei das Wort "Human" im Sinn von "menschlich" Teil des deutschen Sprachgebrauchs. "Nature" werde wegen seiner Ähnlichkeit zu dem deutschen Wort "Natur" ohne weiteres als solches verstanden. "Human Nature" sei nach alldem eine allgemein geläufige Begriffskombination, die im Hinblick auf die maßgeblichen Waren und Dienstleistungen beschreibende Anklänge im Sinn einer Bestimmungsangabe besitze. Sie sei deshalb als eher kennzeichnungsschwach einzustufen und reihe sich in die übrigen ebenfalls nicht selbständig kennzeichnend hervorgetretenen Wörter "Nature-Free" bzw. "Hess Nature-Free" ein.
Ein Teil des Publkums werde "Nature-Free" wegen des Bindestrichs entsprechend dem bekannten Wort "dutyfree" als Wortkombination auffassen und zwanglos mit "naturfrei" übersetzen. Dieser Begriff sei für die Durchschnittsverbraucher im Sinn von "frei von Natur" verständlich. Das gelte auch, wenn er sich im Hinblick auf die bezweckte Werbebotschaft nicht ganz im Klaren sein werde, zumal regelmäßig damit geworben werde, dass die Natur bei der Herstellung von Waren oder dem Angebot von Dienstleistungen besonders beachtet werde. Im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen trete die Wortkombination demnach nicht selbständig kennzeichnend hervor.
Auch wenn sich im Hinblick auf die maßgeblichen Waren und Dienstleistungen der beschreibende Begriffsinhalt von "Free" (frei) nicht ohne weiteres erschließe, trete der den inländischen Verbrauchern ohne weiteres geläufige Begriff nicht selbständig kennzeichnend hervor.
In den weiteren Bestandteilen "Hess" oder auch "Hess Nature" sei der Firmenname der Inhaberin der jüngeren Marke für den Verbraucher erkennbar. Vorliegend könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Firmenname hinter den anderen Bestandteilen zurücktrete, da diesen nur eine geringe Kennzeichnungskraft zukomme. Darüber hinaus sei für die Waren "Kleidung" und "Schuhe" aufgrund der Branchenübung davon auszugehen, dass auch der Firmenname den Gesamteindruck der jüngeren Marke "Hess Nature-Free Human Nature" mitbestimme.
Nach alldem hätten die Verbraucher keine Veranlassung, die angegriffene Marke mit dem Bestandteil "Human Nature" zu bezeichnen und die übrigen Bestandteile zu vernachlässigen. Aufgrund seiner schwachen Kennzeichnungskraft komme "Human Nature" innerhalb der jüngeren Marke auch keine selbständig kennzeichnende Stellung zu. Die angegriffene Marke gewinne ihre Herkunftsfunktion vielmehr gerade aus der Summe ihrer Bestandteile, die gleichwertig nebeneinander stünden.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie hält die Marken für verwechselbar. Die einander gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen seien teilweise identisch und im Übrigen hochgradig ähnlich. Die von Haus aus zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei deutlich gesteigert, da der ADAC aufgrund einer Alleinvertriebsvereinbarung seit 1997 mit der Widerspruchsmarke gekennzeichnete Bekleidungsstücke in seinem ADAC-Online-Shop und seinen rund 2 000 Geschäftsstellen vertreibe. Den danach erforderlichen Abstand halte die angegriffene Marke nicht ein. Für einen nicht zu vernachlässigenden Teil der beteiligten Verkehrskreise werde die angegriffene Marke durch die Zeichenfolge "Human Nature" geprägt. Die Bestandteile "Hess Nature" erkenne das Publikum als nicht zu berücksichtigenden Firmennamen. Im Amtsverfahren hat die Widersprechende die Auffassung vertreten, der Bestandteil "Free" sei für sämtliche Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke beschreibend.
Die Widersprechende beantragt (sinngemäß), die Beschlüsse der Markenstelle vom 4. Dezember 2007 und vom 2. September 2009 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Marken nicht für verwechselbar. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei nur schwach. Der angesprochene Verbraucher würde sie mit "menschliche Natur" übersetzen und darin einen allgemein beschreibenden Begriff sehen. Aus dem Vertrieb von Produkten durch den ADAC könne nicht auf eine Bekanntheit der Widerspruchsmarke geschlossen werden.
Die Markenstelle habe zutreffend festgestellt, dass zwischen den Marken wegen ihrer unterschiedlichen Länge keine die Verwechslungsgefahr begründende Zeichenähnlichkeit bestehe. Die angegriffene Marke bestehe aus einer Kombination von gleichwertigen nebeneinanderstehenden Elementen und verbinde sich erst in ihrer Kombination zu einem festen Begriff, der durch sämtliche Bestandteile insgesamt geprägt werde. Der Markenbestandteil "Hess Nature-Free" der angegriffenen Marke trete entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht derart zurück, dass die Gesamtmarke nur von den Bestandteilen "Human" und "Nature" geprägt würde.
II.
1.
Nachdem die Widersprechende ihren zunächst gestellten Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und der Senat diese auch nicht für geboten hält, kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
2.
Die statthafte und zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg; es besteht auch nach Auffassung des Senats keine markenrechtlich relevante Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2, Nr. 1, § 112, § 114 MarkenG.
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus sind die Kennzeichnungskraft der älteren Marke und -davon abhängig -der dieser zukommende Schutzumfang in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei besteht eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl. EuGH GRUR 2006, 237, 238, Nr. 18 f. -PICASSO; BGH GRUR 2007, 321, 322 -Cohiba). Nach diesen Grundsätzen kann eine Verwechslungsgefahr im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden.
a) Die Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke sind mit den zugunsten der Widerspruchsmarke eingetragenen Waren und Dienstleistungen teilweise identisch und teilweise ähnlich. Keine Ähnlichkeit besteht zwischen den Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke in den Klassen 14, 28 und 41 einerseits und den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke andererseits, so dass insoweit eine Verwechslungsgefahr bereits an der fehlenden Waren-/Dienstleistungsähnlichkeit scheitert.
b) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält der Senat für durchschnittlich. Die von den Waren und Dienstleistungen angesprochenen breiten Verkehrskreise werden die englischsprachige Wortfolge ohne weiteres mit "menschliche Natur" übersetzen. Einen die Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke beschreibenden Begriffsinhalt vermag der Senat dieser Wortfolge nicht zu entnehmen, so dass entgegen der Auffassung der Markeninhaberin nicht von einer geschwächten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen ist.
Dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund intensiver Benutzung gesteigert wäre, lässt sich dem Vortrag der Widersprechenden nicht entnehmen. Allein der Vertrieb von so gekennzeichneten Bekleidungsstücken durch den ADAC führt noch nicht zu einer Steigerung der Kennzeichnungskraft, da daraus noch nicht zwangsläufig auf eine Bekanntheit der Widerspruchsmarke geschlossen werden kann.
c) Schriftbildlich unterscheiden sich die Marken durch die graphische Ausgestaltung der als Wort-/Bildmarke eingetragenen Widerspruchsmarke und die unterschiedliche Länge der Marken ausreichend voneinander.
Eine klangliche und begriffliche Ähnlichkeit würde hier nur dann vorliegen, wenn die angegriffene Marke von den gemeinsamen Bestandteilen "Human Nature" geprägt würde. Dies ist entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht der Fall. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der der angegriffenen Marke vorangestellte Firmenname "Hess Nature" diese Marke mitprägt, wie dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts innerhalb bestimmter Branchen der Fall ist (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9 Rn. 321 m. w. Nachw.). Eine klangliche Verwechslungsgefahr scheitert hier nämlich bereits an dem nur in der angegriffenen Marke vorhandenen weiteren Bestandteil "Free", der die Marke mitprägt. Dass dieses zum Grundwortschatz der englischen Sprache gehörende Wort mit seiner Bedeutung "frei" ein die Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke beschreibender Begriff sein soll, wie die Widersprechende im Amtsverfahren behauptet hat, vermag der Senat nicht zu erkennen. Das Wort "Free" ist in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke zumindest gleichgewichtig mit den weiteren Bestandteilen "Human Nature".
3. Für die Auferlegung von Verfahrenskosten gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG besteht kein Anlass.
Dr. Albrecht Kruppa Wernerbr/Pr
BPatG:
Beschluss v. 17.05.2011
Az: 27 W (pat) 267/09
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