Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 20. Mai 2005
Aktenzeichen: 1 ZU 110/04
(AGH des Landes Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 20.05.2005, Az.: 1 ZU 110/04)
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.
Der Geschäftswert wird auf € 60.000,00 festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller ist durch Urkunde vom 23.10.1975 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amts- und Landgericht Köln zugelassen worden. Die Zulassungsurkunde ist am 12.11.1975 ausgehändigt worden; die Eintragung in die Listen bei den genannten Gerichten erfolgte am 17.11.1975 und 18.11.1975.
Der Antragsteller hat seinen Hauptwohnsitz am 25.10.1996 nach Warschau verlegt, wo er als Geschäftsführer einer polnischen Firma tätig ist. Seit der Verfügung vom 21.05.1990 ist der Antragsteller von der Residenzpflicht gemäß § 27 Abs. 1 BRAO, a. F. (Wohnsitz und Kanzlei) befreit worden. Ihm wurde gemäß § 29 Abs. 1 BRAO gestattet, seinen Wohnsitz in Warschau zu nehmen. Diese Verfügung ist letztmalig durch Verfügung vom 01.02.1993 erfolgt. Der Antragsteller ist weiterhin als Anwalt zugelassen. Im Jahre 1996 ist es bereits zu Streitigkeiten und einer Widerrufsverfügung wegen der fehlenden Berufshaftpflichtversicherung gekommen. Die Rücknahmeerklärung ist jedoch damals zurückgenommen worden.
Die Antragsgegnerin hat sodann im Jahre 2004 festgestellt, dass für den Antragsteller eine Vermögenshaftpflichtversicherung nicht bestand und zwar bereits seit Oktober 2001 mangels Zahlung. Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller daraufhin unter dem 25.10.2004 aufgefordert, den Abschluss eines entsprechenden Versicherungsvertrages, der die Voraussetzungen des § 51 BRAO erfüllt, nachzuweisen. Da der Antragsteller hierauf nicht reagierte, forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 04.11.2004, zugestellt am 05.11.2004, letztmalig auf, den Nachweis der Versicherung beizubringen. In diesem Schreiben wurde dem Antragsteller der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft und die Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Verfügung angedroht. Da auch dieses Schreiben nicht beantwortet wurde, hat die Antragsgegnerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft des Antragstellers widerrufen und gleichzeitig gemäß § 16 Abs. VI Satz 2 und 3 BRAO die sofortige Vollziehung dieser Verfügung angeordnet.
Diese Widerrufsverfügung vom 25.11.2002 gemäß § 14 Abs. II Zif. 9 BRAO wurde dem Antragsteller am 27.11.2004 zugestellt.
Hiergegen richtet sich der am 01.12.2004 bei dem Oberlandesgericht / Anwaltsgerichtshof per Fax eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Der Antragsteller beantragt,
gemäß § 16 Abs. V BRAO, eine gerichtliche Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes in Sachen Bescheid der Rechtsanwaltskammer Köln vom 25.11.2004, mithin Aufhebung des Bescheides.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
Der Antragsteller ist der Auffassung, dass sein im Grundgesetz verankertes Recht auf Berufsfreiheit verletzt werde. Die Entscheidung verletze europäisches Recht, insbesondere das Recht der freien Niederlassung und der Freizügigkeit. Er behauptet, er betreibe seit dem Wechsel des Hauptwohnsitzes am 25.10.1996 keine Rechtsanwaltspraxis mehr. Dem Schriftwechsel über den Dispens von der Residenzpflicht ist jedoch zu entnehmen, dass der Antragsteller auf die Stellung als deutscher Rechtsanwalt Wert legt und diese auf keinen Fall verlieren wollte und verlieren will. Andererseits behauptet er, seit seinem Umzug seien keine rechtsanwaltschaftlichen (deutschen) Praxistätigkeiten oder ähnliche anwaltliche Dienste in Deutschland zu Einkommenszwecken von ihm gegenüber dritten Personen ausgeübt worden. Er beabsichtige auch nicht, so lange er seinen Hauptwohnsitz und seine Haupttätigkeit als Geschäftsführer einer polnischen Firma im Ausland habe, eine derartige Einkommenstätigkeit in Deutschland auszuüben. Demgegenüber ist die Antragsgegnerin der Auffassung, dass kein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass die fehlende Berufshaftpflichtversicherung ausnahmsweise keine Gefährdung der Mandanten bedeutet. Der Antragsteller kann jederzeit im Ausland Deutschen oder auch in Deutschland Deutschen oder Ausländern in Polen oder in Deutschland Rechtsrat gewähren. Dies kann die Antragsgegnerin weder durchschauen noch verhindern. Die Versicherung, dass dies nicht geschehe, ist in diesem Falle völlig wertlos. Entscheidend ist, dass § 51 Abs. 1 BRAO die Verpflichtung zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung der Berufshaftpflichtversicherung an die Zulassung knüpft.
Gerade die Zulassung hat der Antragsteller jedoch erhalten und verteidigt. Er hat selbst darauf hingewiesen, dass die Innehabung des deutschen Anwaltstitels seine Stellung verstärke.
Der Antragteller meint wörtlich: "Wer keine Mandanten in Deutschland hat und auch nicht haben will, kann sie auch nicht gefährden.
Hierzu bleibt festzustellen, dass jederzeit auch spontan ein anderer Entschluss zur Beratung möglich ist, die auf der Autorität als Rechtsanwalt beruht. Entsprechend dem Zweck des § 51 BRAO muss daher auch der im Ausland lebende Antragsteller eine Haftpflichtversicherung abschließen. Wenn er den Beruf in Deutschland überhaupt nicht ausübt, bleibt es ihm unbenommen, auf die Zulassung zu verzichten. In keinem Fall wird jedoch das Recht auf Berufsfreiheit verletzt. Es handelt sich um eine Ausführungsbestimmung, die für alle zugelassenen Anwälte gleich gilt, was der Antragsteller nicht einsehen will.
Auch die Verletzung europäischen Rechtes, die der Antragsteller vorträgt, insbesondere des Rechtes der freien Niederlassung und Freizügigkeit, wird nicht dadurch verletzt, dass es im Interesse der Rechtsuchenden Auflagen zum Abschluss von Versicherungen gibt, die für alle zugelassenen Anwälte gelten.
Ob im Übrigen der Anwaltsberuf zu Einkommenszwecken oder sonstigen Zwecken ausgeübt wird, ist gleichgültig, weil in allen Fällen die Haftung des Anwaltes eintritt. Die Versicherung des Antragstellers, für die Zukunft keine Tätigkeit in Deutschland auszuüben, so lange er Geschäftsführer in Polen sei, ist, weil nicht überprüfbar, gegenstandslos. Es müssen im Ergebnis generelle Sicherheitsvorschriften in einzelnen Berufen bestehen. Die Frage der Haftpflichtversicherungen ist im Ausland wie auch für die freien Berufe in Deutschland - Wirtschaftsprüfer, Steuerberater — gleich geregelt. Soweit der Antragsteller die Berechtigung des Kammerbeitrages bestreitet, ist dies nicht Sache des Verfahrens.
Durch die Anordnung der Versicherungshaftpflicht für zugelassene Anwälte wird auch der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt, weil bei jedem der die Zulassung hat, die Tätigkeit und damit auch der Haftungsfall voll möglich ist.
Der Antragsteller ist im Übrigen ohne weiteres in der Lage und aufgrund seines deutschen Anwaltstitels auch prädestiniert, auch in Polen grenzüberschreitende Beratung über deutsche Rechtsverhältnisse oder auch in Deutschland angesiedelte Beratungen vorzunehmen. Er kann im Übrigen auch jederzeit in Deutschland tätig sein. Der jetzt geäußerte Wille des Antragstellers, dies nicht zu tun, ist ohne Bedeutung, da er täglich anders handeln kann und die Antragsgegnerin dies Mitnichten kontrollieren kann.
Im Ergebnis hat die Antragsgegnerin daher zu Recht die Zulassung entzogen und die sofortige Vollziehung angeordnet.
Die Vorgehensweise steht im Übrigen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichteshofes. Die Entscheidung in der amtlichen Sammlung vom 24.11.1997, Bad 133, 5. 200 ff., bestätigt, die hier vorliegende Praxis. Der Leitsatz lautet:
"Einen deutschen Rechtsanwalt, der die in § 51 BRAO vorgeschriebene Haftpflichtversicherung nicht unterhält, ist die Zulassung auch dann zu entziehen, wenn er von der Residenzpflicht befreit ist und eine Kanzlei nur im Ausland eingerichtet hat."
Es handelt sich praktisch um den gleichen Fall. Der Bundesgerichtshof weist zutreffend darauf hin, dass die Vorschriften des § 51 BRAO dem Schutz des rechtsuchenden Publikums gelten, das darauf muss vertrauen können, dass eventuelle Schadenersatzansprüche gegen den Rechtsanwalt im Rahmen des vorgeschriebenen Versicherungsschutzes ohne weiteres durchsetzbar sind. Demgemäß muss auch der im Ausland ansässige deutsche Anwalt, der alle Rechte eines Anwaltes hat, die Haftpflichtversicherung unterhalten.
Nach alledem muss es bei der Verfügung der Antragsgegnerin verbleiben.
Im Hinblick auf den Zweck der Vorschrift des § 52 BRAO i. V. m. § 4 Abs. II Zif. 9 BRAO ist auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt, § 16 Abs. 6 Satz 3 BRAO bestimmt dies für die Anordnung nach § 14 Abs. 11 Nr. 9 BRAO ausdrücklich. Es ist auch nicht zu erkennen, dass im vorliegenden Fall durch die fehlende Berufshaftpflichtversicherung ausnahmsweise keine Gefährdung der Rechtsuchenden eintritt. Die sofortige Vollziehung ist daher auch erforderlich, weil der rechtswidrige Zustand bereits seit vier Jahren anhält. Nach alledem ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 BRAO i. V. m. § 14 FGG, die Entscheidung über den Geschäftswert entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senates für den Fall, dass neben dem Widerruf die sofortige Vollziehung angeordnet ist.
AGH des Landes Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 20.05.2005
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