Verwaltungsgericht Berlin:
Beschluss vom 4. Januar 2012
Aktenzeichen: 35 KE 41.11, (23 A 109.08)
(VG Berlin: Beschluss v. 04.01.2012, Az.: 35 KE 41.11, (23 A 109.08))
Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können die in § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO vorgesehene Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV RVG für das Gerichtsverfahren und das vorangegangene Widerspruchsverfahren insgesamt nur einmal beanspruchen (Anschluss an VG Sigmaringen, Beschluss vom 8. Oktober 2004 - 2 K 1923/03 -, und VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. November 2008 - 2 K 332/07 -; entgegen VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. Oktober 2007 - 11 K 2937/06 -).
Tenor
Auf die Erinnerung des Erinnerungsführers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 1. Dezember 2011 aufgehoben, soweit die danach von dem Erinnerungsführer an den Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten 20,00 Euro nebst anteiliger Zinsen übersteigen. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens tragen der Erinnerungsführer und der Erinnerungsgegner je zur Hälfte.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 40,00 Euro festgesetzt.
Gründe
Die nach § 165 i.V.m. § 151 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässige Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen war die Erinnerung zurückzuweisen.
Die Erinnerung ist begründet, soweit die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. Dezember 2011 die Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in Höhe von 20,00 Euro doppelt berücksichtigt hat.
Nach § 162 Abs. 1 VwGO umfassen die Kosten des Verfahrens neben den Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können anstelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nr. 7002 des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern (§ 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Dieser beträgt derzeit 20,00 Euro. Ein Kostenausspruch des Gerichts, wie er nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren zu treffen ist, ist nicht Voraussetzung für die Erstattung.
Nach Ansicht der Kammer ist § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO dahingehend zu verstehen, dass die Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, die im Vorverfahren und im gerichtlichen Verfahren entstanden sind, mit dem Ansatz einer einmaligen Höchstpauschale abgegolten sind. Eine (doppelte) Pauschale für das Vorverfahren und das gerichtliche Verfahren kann nicht beansprucht werden. Die Kammer folgt insoweit der Auffassung des VG Sigmaringen (Beschluss vom 8. Oktober 2004 - 2 K 1923/03 -; ebenso VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 27. November 2008 - 2 K 332/07 -; a.A.: VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 12. Oktober 2007 - 11 K 2937/06 -; alle zit. nach juris). Dieses hat hierzu wie folgt ausgeführt (a.a.O., Rn. 11 f.):
€Ein doppelter Ansatz des Pauschsatzes gemäß § 26 Satz 2 BRAGO (= Nr. 7002 RVG-VV) für das Klageverfahren und das Vorverfahren ist (€) nicht möglich. Dagegen spricht bereits der Wortlaut des § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO, wonach juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden anstelle ihrer tatsächlichen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsleistungen den in § 26 Satz 2 BRAGO bestimmten Pauschsatz fordern können. Die Regelung soll es den genannten Stellen ermöglichen, Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen im Kostenfestsetzungsverfahren pauschal geltend zu machen, ohne umfangreiche Aufzeichnungen und aufwändige Berechnungen durchführen zu müssen (vgl. BT-Drucks. 14/6856, S. 14). Daraus ergibt sich, dass die Regelung sich nicht nur auf das in § 162 Abs. 2 Satz 2 angesprochene Vorverfahren bezieht, sondern auf alle in § 162 Abs. 1 VwGO genannten notwendigen Aufwendungen dieser Stellen im Gerichtsverfahren einschließlich des Vorverfahrens. Dem Beklagten hätte es freigestanden, den tatsächlichen Aufwand des Landratsamts für Post und Telekommunikation im gerichtlichen Verfahren und im Vorverfahren zu ermitteln und geltend zu machen. Wenn aber von der Pauschalierungsmöglichkeit des § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO Gebrauch gemacht wird, sind damit alle im Gerichtsverfahren und im Vorverfahren angefallenen Aufwendungen abgedeckt.
Auch wenn § 162 Abs. 2 Satz 3 VwGO so ausgelegt wird, dass die dort genannten Stellen hinsichtlich ihrer Auslagen für Post- und Telekommunikationsleistungen genauso zu behandeln sind wie Rechtsanwälte (vgl. VG Wiesbaden, Beschluss vom 18.02.2003 - 4 J 240/03 -, NVwZ-RR 2003, 704 f.), führt das nicht zu einem doppelten Ansatz des Pauschsatzes für Vorverfahren und Gerichtsverfahren. Dass neben den Gebühren des Rechtsanwalts für das gerichtliche Verfahren gemäß §§ 114, 31 BRAGO und der Auslagenpauschale gemäß § 26 Satz 2 BRAGO gesondert Gebühren für das Vorverfahren gemäß § 118 BRAGO einschließlich einer weiteren Auslagenpauschale anfallen, folgt allein aus § 37 Nr. 1 BRAGO (= § 19 Abs. 1 Nr. 1 RVG), wonach das Vorverfahren für den Rechtsanwalt nicht Bestandteil des Rechtszugs, sondern eine gesonderte Angelegenheit ist. Diese Trennung kann ohne ausdrückliche gesetzliche Anordnung nicht auf juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden übertragen werden. Deshalb bleibt es gemäß § 162 Abs. 2 Satz 3 beim einmaligen Ansatz der Auslagenpauschale aus § 26 Satz 2 BRAGO.€
Im Übrigen muss sich der Erinnerungsgegner hier auch daran festhalten lassen, dass er im Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2008 ausdrücklich erklärt hat, es würden keine Kosten für das Widerspruchsverfahren erhoben.
Darüber hinaus begegnet der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 1. Dezember 2011 indes keinen Bedenken. Auch dem Vorbringen des Erinnerungsführers lassen sich keine weiteren Gründe entnehmen, die die Richtigkeit des Beschlusses sonst in Zweifel ziehen würden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und berücksichtigt, dass der Erinnerungsführer mit der Erinnerung teilweise erfolgreich gewesen ist. Insoweit waren die Kosten des Erinnerungsverfahrens zwischen den Beteiligten aufzuteilen.
Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 39 f., 52 ff. GKG.
VG Berlin:
Beschluss v. 04.01.2012
Az: 35 KE 41.11, (23 A 109.08)
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