Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 24. Oktober 1996
Aktenzeichen: 12 U 81/96
(OLG Köln: Urteil v. 24.10.1996, Az.: 12 U 81/96)
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20. März 1996 -23 O 75/95- wird zurückgewiesen. Die im Berufungsrechtszug erhobene Widerklage wird abgewiesen. Die Revision wird zugelassen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 24.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor entsprechende Sicherheit leistet. Als Sicherheitsleistungen werden auch selbstschuldnerische, unbefristete und unbedingte Bürgschaften einer deutschen Großbank, Genossenschaftsbank oder öffentlichen Sparkasse zugelassen
Tatbestand
Der Kläger war bis zum 31. März 1993
als A-Vertragshändler für die Beklagte tätig. Der von den Parteien
im Dezember 1985 geschlossene Händlervertrag enthält unter der
Óberschrift "Kündigungsabwicklung und Vertragsbeendigung" u.a.
folgende Bestimmungen:
16.03. Händler entfernt und
übergibt innerhalb von 30 Tagen nach Beendigung des Vertrags auf
eigene Kosten alle Schilder und sonstigen Hinweise, die auf C. oder
das bisherige Vertragsverhältnis hindeuten. Das gleiche gilt für
alle C.-Unterlagen und C.-Werbematerial. Zurückbehaltungsrechte
stehen dem Händler nicht zu. Mit fruchtlosem Ablauf kann C. die
Entfernung auf Kosten von Händler vornehmen lassen.
16.04. Händler unterläßt nach
Beendigung des Vertrags jeden Gebrauch des Namens, der
Warenzeichen, der Marke C. und sonstiger Hinweise auf C. oder auf
das Bestehen vertraglicher Beziehungen mit C..
16.05. Erfüllt Händler die
nachvertraglichen Unterlassungs- und Herausgabepflichten nicht
innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach Vertragsende, zahlt Händler
eine Vertragsstrafe von DM 5.000 und von jeweils 100 DM für jeden
zusätzlichen Tag der fruchtlosen Fristüberschreitung.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug
einen Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB analog geltend gemacht. Die
Beklagte hat demgegenüber eingewandt, dem Kläger stehe ein solcher
Anspruch nicht zu, zumindest nicht in der beanspruchten Höhe,
hilfsweise hat sie die Aufrechnung mit einer behaupteten
Gegenforderung aus dem Vertragsstrafeversprechen gem. Nr. 16.05 des
Händlervertrags erklärt. Das Landgericht hat dem Kläger einen
Ausgleichsanspruch in Höhe von 15.528,49 DM nebst Zinsen zuerkannt;
die Aufrechnung der Beklagten hat es nicht durchgreifen lassen mit
der Begründung, es fehle an der gem. § 339 S. 1 BGB erforderlichen
Inverzugsetzung des Klägers durch die Beklagte. Wegen weiterer
Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird
auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen, das der
Beklagten am 3. April 1996 zugestellt worden ist. Die Beklagte hat
gegen dieses Urteil am 3. Mai 1996 Berufung eingelegt und ihr
Rechtsmittel am 3. Juni 1996 begründet.
Streitgegenstand des
Berufungsverfahrens ist nur noch der Anspruch der Beklagten auf
Zahlung einer Vertragsstrafe. Sie trägt dazu vor, der Kläger habe
gegen seine Verpflichtungen gem. 16.03 und 04 des Händlervertrags
verstoßen. So habe ihr Außendienstmitarbeiter bei Besuchen am
26.5., 8.10. und 2.12.1993 festgestellt, daß der Kläger noch
Markenzeichen der Beklagten verwendet habe. Auf dem Betriebsgelände
seien die rotweißen C.fahnen aufgezogen gewesen, auf einer
Reklametafel und neben der Werkstatteinfahrt sei noch der rote
C.-Doppelwinkel angebracht und schließlich sei das Betriebsgebäude
noch groß mit der Aufschrift "C." versehen gewesen. Bereits am
26.5.1993 sei der Kläger zur Entfernung der Werbeträger
aufgefordert worden, er habe das aber abgelehnt. Die Beklagte macht
einen Vertragsstrafenanspruch geltend in Höhe von insgesamt 26.100
DM, der sich zusammensetzt aus dem "Grundbetrag" von 5.000 DM für
die ersten 30 Tage der Nichterfüllung der Abwicklungspflichten
zuzüglich 100 DM/Tag für die Zeit vom 1.5. bis 2.12.1993. Soweit
die Beklagte vom Landgericht zur Zahlung eines Ausgleichsanspruchs
verurteilt worden ist, erklärt sie mit ihrem Gegenanspruch die
(Haupt-)Aufrechnung, wegen des überschießenden Betrags erhebt sie
Widerklage.
Die Klägerin beantragt,
1. das angefochtene Urteil abzuändern
und die Klage insgesamt abzuweisen;
2. den Kläger zu verurteilen, an sie
10.571,51 DM nebst 4 % Zinsen ab Zustellung der Berufungsbegründung
(= 5.6.1996) zu zahlen.
Der Beklagte, der um Zurückweisung der
Berufung einschließlich der Widerklage bittet räumt ein, daß die
genannten Werbeträger noch bis zum 2.11.1993 vorhanden gewesen
sind. Er macht geltend, vor dem Schreiben der Beklagten vom
28.10.1993, mit dem er unter Fristsetzung bis 2.11.1993 zur
Entfernung aufgefordert wurde, sei er aber nie gemahnt worden; auch
habe er die Entfernung nicht abgelehnt. Aufgrund des Schreibens vom
28.10.1993 habe er die Werbeträger innerhalb der gesetzten Frist
entfernt.
Wegen weiterer Einzelheiten des
Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Gründe
Die unbedenklich zulässige Berufung der
Beklagten ist nicht begründet, da ihr ein Vertragsstrafenanspruch
gegen den Kläger wegen Unwirksamkeit der Vertragsstrafenklausel (§
9 AGBG) nicht zusteht.
1. Soweit die Beklagte in der
Berufungsinstanz mit ihrer Gegenforderung die Hauptaufrechnung
erklärt, ist dies prozessual unbedenklich. Die Vorschrift des § 530
Abs. 2 ZPO ist nicht einschlägig, da die Forderung auch schon im
ersten Rechtszug Gegenstand einer Aufrechnungserklärung war
(Zöller-Gummer, ZPO, 19. Aufl., § 530 RN 9, 18). Der bloße Óbergang
von der Hilfs- zur Hauptaufrechnung ist insoweit belanglos, da sich
das Landgericht mit der Gegenforderung bereits befassen mußte und
auch befaßt hat.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers
ist auch die im 2. Rechtszug erstmals erhobene Widerklage als
sachdienlich zuzulassen, § 530 Abs. 1 ZPO. Dies folgt ohne weiteres
daraus, daß es sich hier um denselben Streitgegenstand handelt wie
bei der unbedenklich zulässigen Aufrechnung. Eine Aufspaltung der
einheitlichen Forderung in einen Teil, der prozessual zulässig im
Wege der Aufrechnung geltend gemacht werden kann und einen Teil,
der nicht daneben im Wege der Widerklage verfolgt werden darf,
kommt offenkundig nicht in Betracht.
3. Der Vertragsstrafenanspruch kann der
Beklagten allerdings nicht aus den Gründen aberkannt werden, auf
die das Landgericht abgestellt hat.
Die Beklagte stützt ihren Anspruch in
erster Linie darauf, der Kläger habe gegen die ihm gem. Ziffer
16.04 des Händlervertrags obliegende Unterlassungsverpflichtung
verstoßen. Sie weist zutreffend darauf hin, daß bei einem Verstoß
gegen eine Unterlassungspflicht die Vertragsstrafe gem. § 339 S. 2
BGB sofort verwirkt ist, es also keiner Inverzugsetzung bedarf (die
das LG vermißt hat).
Durch 16.04 Händlervertrag wird dem
Kläger unzweifelhaft eine Unterlassungspflicht auferlegt, denn es
wird ihm untersagt, den Namen und das Warenzeichen der Beklagten zu
verwenden. Ein Verstoß gegen diese Unterlassungspflicht konnte
sowohl durch positives Tun (etwa durch Schaltung von
Zeitungsinseraten unter Verwendung der Markenzeichen der Beklagten)
als auch durch bloße Untätigkeit begangen werden. Ein Verstoß gegen
die Unterlassungspflicht durch Untätigkeit liegt dann vor, wenn bei
Beendigung des Vertrags vorhandene Werbeträger nicht beseitigt
werden. Der Umstand, daß ein positives Tun (Demontage der
Schriftzüge pp) erforderlich ist, um die Unterlassungspflicht zu
erfüllen, ändert nichts an der Qualifikation als
Unterlassungspflicht. Derartige Konstellationen sind insbesondere
im Vollstreckungsrecht (Abgrenzung §§ 887 f gegen § 890 ZPO)
wiederholt Gegenstand der Erörterung gewesen und anerkannt (vgl.
BGHZ 120, 73 = NJW 1993, 1076 f; OLG Koblenz MDR 1965, 51; OLG
Bamberg JurBüro 1991, 1706). Wenn einem Unterlassungsgebot nur
durch positives Tun genügt werden kann, weil nur so ein
Störungszustand beseitigt werden kann, so erstreckt sich die
Unterlassungspflicht auch hierauf. Um einen derartigen Fall handelt
es sich vorliegend, da der Kläger dem Unterlassungsgebot gem.
Ziffer 16.04 Händlervertrag (gegen das als solches
Rechtmäßigkeitsbedenken nicht bestehen, da es auch ohne
ausdrückliche Formulierung im Vertrag zwingende Folge der
Beendigung der Zugehörigkeit zur Vertriebsorganisation der
Beklagten ist) nur nachkommen konnte durch Entfernung der
Werbeträger. Da er dies unstreitig jedenfalls nicht vor dem
2.11.1993 getan und auch keine Umstände vorgetragen hat, die dafür
sprechen könnten, daß er die Nichterfüllung nicht zu vertreten hat
(§ 285 BGB), wäre eine entsprechende Vertragsstrafe verwirkt. Eine
Beweisaufnahme wäre nur noch erforderlich zu der Frage, ob der
Kläger auch in der Zeit vom 3.11. bis 2.12.1993 gegen die
Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat.
4. Der von der Beklagten verfolgte
Anspruch scheitert jedoch daran, daß die Vertragsstrafenklausel in
Ziffer 16.05 einer Inhaltskontrolle gem. § 9 AGBG nicht
standhält.
a) Zwischen den Parteien steht außer
Streit, daß es sich bei der in dem Händlervertrag von Dezember 1985
enthaltenen Vertragsstrafenklausel um AGB i.S.d. § 1 Abs. 1 AGBG
handelt. Der Kläger hat in seiner Berufungserwiderung geltend
gemacht, die Klausel in Ziffer 16.05 sei wegen Verstoß gegen § 9
AGBG unwirksam, was inzidenter die Behauptung enthält, es handele
sich hierbei um AGB. Letzterem ist die Beklagte nicht
entgegengetreten, hat sich vielmehr in ihrer Replik vom 15.8.1996,
im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage im
Verhandlungstermin vom 16.9.1996 sowie in ihrem Schriftsatz vom
27.9.1996 hierauf eingelassen und zur Frage der Inhaltskontrolle
nach § 9 AGBG sachlich Stellung genommen, ohne die Anwendbarkeit
dieser Vorschrift als solche wegen Nichtvorliegens von AGB geltend
zu machen. Im Rahmen der Erörterung im Verhandlungstermin, die auch
die Frage einer vergleichsweisen Erledigung des Rechtsstreits zum
Gegenstand hatte, haben die Vertreter der Beklagten zudem geäußert,
die Neigung zum Abschluß eines Vergleichs sei bei der Beklagten
nicht sehr groß, weil sie eine grundsätzliche Klärung der Frage der
Zulässigkeit der Vertragsstrafenklausel anstrebe im Hinblick
darauf, daß diese in ihren Händlerverträgen allgemein enthalten
sei. Das prozessuale Verhalten der Beklagten kann insgesamt nur
dahin verstanden werden, daß sie die AGB-Qualität der
Vertragsstrafenklausel zugestanden hat.
b) Nach § 9 Abs. 1 AGBG sind
Bestimmungen in AGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des
Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen.
Unter Zugrundelegung der in der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Anwendung des § 9 AGBG zur
Inhaltskontrolle von Vertragsstrafenabreden entwickelten Grundsätze
ist die fragliche Klausel im Vertrag der Parteien als unwirksam
anzusehen, da sie den Vertragshändler entgegen den den Geboten von
Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
In Bauleistungsverträgen sind häufig
Vertragsstrafenklauseln enthalten, durch die dem Werkunternehmer
für jeden Tag der Óberschreitung von vereinbarten
Fertigstellungsfristen eine (meist nach Prozent- oder
Promillesätzen des Werklohns bemessene) Vertragsstrafe abverlangt
wird. Beginnend mit dem Urteil NJW 1981, 1509 = BB 1981, 874 hat
der BGH derartige Klauseln zunehmend kritisch gewürdigt. Er hat es
als mit den Geboten von Treu und Glauben unvereinbar bezeichnet,
eine Vertragsstrafe völlig unabhängig von den Verzugsauswirkungen
im Einzelfall und ohne jede Begrenzung nach oben so hoch
festzulegen, daß der Auftragnehmer bereits bei verhältnismäßig
kurzer Verzugsdauer nicht nur seinen gesamten Werklohn verliert,
sondern auch noch zusätzliche Zahlungen an den Auftraggeber
erbringen muß. Diese Auslegung des § 9 AGBG hatte zuerst zur Folge,
daß Vertragsstrafeversprechen deshalb als unwirksam bewertet
wurden, weil die pro Tag der Fristüberschreitung vorgesehene
Vertragsstrafe unangemessen hoch war (BGH a.a.O.: 1,5 % des
Werklohn pro Tag). Nachfolgend wurden aber auch deutlich niedrigere
Prozentsätze beanstandet (BGHZ 85, 305 = NJW 1983, 385: 0,5 % pro
Tag), jedenfalls dann, wenn die Auftragssumme hoch war und eine
zeitliche Befristung der Zahlungspflicht nicht vorgesehen war.
Letzterer Gesichtspunkt gewann in der weiteren Entwicklung der
Rechtsprechung zunehmend Gewicht. So wird in der Entscheidung BGH
NJW-RR 1988, 146 = ZIP 1988, 169 in Fortentwicklung dieses Ansatzes
die Vereinbarung einer Vertragsstrafe, deren Höhe sich nach einem
bestimmten Prozentsatz der Auftragssumme je Tag der
Fristüberschreitung richtet, auch dann für unwirksam erklärt, wenn
der Prozentsatz relativ niedrig ist (0,15 %), es aber an einer
Begrenzung der Vertragsstrafe nach oben hin fehlt. Zu der in dieser
Entscheidung enthaltenen Formulierung, dies müsse "zumindest bei
größeren Bauaufträgen" gelten (die zum Teil als ausdrückliche
Beschränkung auf derartige Aufträge verstanden worden war), hat der
BGH nachfolgend klargestellt, daß eine unterschiedliche Behandlung
von großen und kleinen Bauaufträgen in dieser Hinsicht nicht
gerechtfertigt ist (BGH NJW-RR 1989, 527 = ZIP 1989, 243 = BGHR
AGBG § 9 Vertragsstrafe 2/Begrenzung; kleinere Aufträge u. NJW-RR
1989, 916 = ZIP 1989, 1066). Als Endpunkt dieser Entwicklung der
Rechtsprechung ist festzuhalten, daß eine angemessene Begrenzung
der Vertragsstrafe nach oben in den AGB als schlechthin
unverzichtbare Voraussetzung ihrer Zulässigkeit anzusehen ist, um
der Gefahr vorzubeugen, daß ein nicht überschaubarer Teil des
Werklohns - in welchem Zeitraum auch immer - durch eine
Vertragsstrafe aufgezehrt werden könne; nur mit einer solchen
Begrenzung benachteiligt eine Vertragsstrafenvereinbarung den
Vertragspartner des Verwenders nicht unangemessen. Diese Rspr. hat
bei den Instanzgerichten und in der Literatur überwiegend
Zustimmung erfahren (vgl. nur OLG Hamm NJW-RR 1992, 1206; OLG
Zweibrücken NJW-RR 1994, 1363; Graf von Westphalen in Vertragsrecht
und AGB-Klauselwerke, "Vertragsstrafe", RN 9 f; Wolf in
Lindacher/Horn, AGBG, 3. Aufl., § 11 Nr. 6 RN 37; Werner/Pastor,
Der Bauprozeß, 8.Aufl., RN 2072 ff; Ingenstau/Korbion, VOB, 12.
Aufl., A § 12 RN 22).
c) Diese Grundsätze sind nach
Auffassung des Senats auf die vorliegende Vertragsstrafenabrede zu
übertragen mit der Folge, daß ihre Unwirksamkeit auszusprechen
ist.
Es liegt eine vergleichbare
Ausgangssituation vor. In beiden Fällen wird die Lage des
Vertragspartners des Klauselverwenders dadurch geprägt, daß ihm zur
Erfüllung einer vertraglich übernommenen Pflicht eine Frist gesetzt
wird und er bei Nichteinhaltung dieser Frist eine Vertragsstrafe
zahlen muß. Deren Höhe ist nicht abschließend fixiert, vielmehr
wird an jedem Tag, der nach Ablauf der Frist ergebnislos
verstreicht, eine weitere Vertragsstrafe fällig. Die Verwirkung
weiterer Vertragsstrafen setzt positive Verletzungshandlungen
nicht voraus, die Vertragsstrafe erhöht sich vielmehr bei bloßer
Untätigkeit des Leistungspflichtigen stetig weiter.
Diese Art der Ausgestaltung einer
Vertragsstrafenabrede birgt die Gefahr in sich, daß der
Vertragspartner des Klauselverwenders mit unangemessen hohen
Vertragsstrafen belastet wird. Dabei kann es dahinstehen, ob die
vorliegende Vereinbarung einer Vertragsstrafe von 5.000 DM für die
- ggfls. nur kurzfristige - Óberschreitung der zur Beseitigung der
Werbeträger eingeräumten Frist von 30 Tagen sowie von 100 DM für
jeden weiteren Tag der Óberschreitung bereits als solche
unangemessen hoch ist. Es fehlt jedenfalls an der zur Wahrung der
Angemessenheit erforderlichen Begrenzung der Vertragsstrafe nach
oben hin. Ohne eine derartige Begrenzung ist zu besorgen, daß der
Vertragshändler bei längerer Óberschreitung der ihm zur Beseitigung
der Werbeträger bewilligten Frist mit einer
Vertragsstrafenforderung überzogen wird, die nicht mehr in
vertretbarer Relation zu den wirtschaftlichen Vorteilen steht, die
er aus dem aufgekündigten Vertragshändlervertrag mit der Beklagten
gezogen hat bzw. in Form des Ausgleichsanspruchs noch zieht.
Ohne Bedeutung ist in diesem
Zusammenhang, daß die Vertragsstrafe nicht nach einem Prozent- oder
Promillesatz des früheren Umsatzes des Händlers, seines
Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB analog oder ähnlichen Größen
bemessen wird. Die vorstehend skizzierten Grundsätze zur
Óberprüfung von Vertragsstrafeversprechen in Bauleistungsverträgen
stellen hierauf nicht entscheidend ab. Die durch eine fehlende
zeitliche oder betragsmäßige Begrenzung der Vertragsstrafe nach
oben begründete Unangemessenheit ist nicht abhängig davon, ob die
im Einzelfall verwirkte Strafe rechnerisch aus einer Quote einer
Vergütung o.ä. zu ermitteln oder betragsmäßig in der Klausel
bereits festgelegt ist.
Der Umstand, daß bei
Bauleistungsverträgen die Óberschreitung von
Fertigstellungsterminen häufig auf einem möglicherweise nur als
gering zu bewertenden Verschulden des Werkunternehmers beruhen
wird, ist nach Auffassung des Senats kein ausreichender Grund, die
im Baurecht entwickelten Grundsätze auf Fälle der vorliegenden Art
(in denen das Verschulden des Vertragshändlers an der
Fristüberschreitung zumeist nicht im Bereich der Fahrlässigkeit,
sondern des Vorsatzes anzusiedeln sein dürfte) nicht zu übertragen.
Wie die forensische Erfahrung lehrt, kommt es auch bei Aufträgen im
Hoch- und Tiefbau nicht selten zu Verzögerungen in der
Fertigstellung, die auf einem gravierenden Verschulden des
Unternehmers beruhen, etwa weil er einen Teil des zur
fristgerechten Erfüllung seines Auftrags erforderlichen Personals
und Maschinenparks auf einer anderen Baustelle einsetzt, sei es,
weil die Tätigkeit dort für ihn lukrativer ist oder es ihm aus
anderen Gründen zweckmäßig erscheint, dort termingerecht zu
arbeiten (z.B. um einen Groß- oder Dauerkunden nicht zu verärgern).
Auch in diesen Fällen eines zweifellos nicht gering zu
veranschlagenden Verschuldens gelten die Grundsätze über die
erforderliche Begrenzung der Vertragsstrafe nach oben hin. Es
erscheint dem Senat deshalb konsequent, diese Grundsätze auch auf
Fälle der vorliegenden Art zu übertragen. Die maßgebliche
Sachverhaltskonstellation ist nach Auffassung des Senats nämlich
durchaus vergleichbar. Auch hier ist es so, daß dem Vertragspartner
des Klauselverwenders zur Erfüllung einer ihm obliegenden
(nach-)vertraglichen Pflicht eine Frist gesetzt wird, bei deren
Óberschreitung eine Vertragsstrafe pro Zeiteinheit der
Fristüberschreitung verwirkt sein soll. Es besteht auch hier die
Gefahr, daß es aufgrund bloßer Untätigkeit des früheren
Vertragshändlers zu einer langandauernden Óberschreitung der ihm
zur Erfüllung seiner Beseitigungspflicht gesetzten Frist kommt und
hierdurch eine Vertragsstrafe von beachtlicher Höhe auflaufen
kann.
Soweit die Beklagte in ihrem
Schriftsatz vom 27.9.1996 die Auffassung vertritt, vorliegend sei
eine andere Situation gegeben als im Bausektor, weil
Fristüberschreitungen dort "häufig nicht einmal im
Verantwortungsbereich des Auftragnehmers liegen, sondern von
Dritten oder von außerhalb des Verantwortungsbereichs liegenden
Gesichtspunkten abhängig sind", kann ihr im Ansatz nicht gefolgt
werden. Die von ihr angesprochenen Konstellationen sind solche, in
denen den Unternehmer kein Verschulden an der Fristüberschreitung
trifft. Eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafenklausel ist in
AGB für den Bereich des Werkvertragsrechts aber bereits wegen
Unvereinbarkeit mit einem wesentlichen Grundgedanken der
gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird (§ 339 BGB),
unzulässig, ohne daß es auf die Frage der Höhe der Vertragsstrafe
überhaupt ankommt. Die vorstehend dargestellte Rechtsprechung zur
Inhaltskontrolle bezieht sich ausnahmslos auf Fälle, in denen eine
Vertragsstrafe für den Fall der schuldhaften Fristüberschreitung in
den AGB vorgesehen wurde.
Eine abweichende Beurteilung erscheint
dem Senat auch nicht deshalb geboten, weil die Beklagte etwa in
stärkerem Maße auf die Vereinbarung einer (notfalls drastischen)
Vertragsstrafe zur Durchsetzung ihrer Rechte angewiesen wäre als
ein Bauherr gegenüber dem Werkunternehmer. Bei einem derartigen
Vergleich dürfte vielmehr eher der Bauherr als in diesem Sinne
schutzbedürftiger anzusehen sein, jedenfalls aber nicht die
Beklagte. Verzögert sich nämlich die Fertigstellung eines Bauwerks
über den projektierten Termin hinaus, drohen dem Bauherrn
finanzielle Nachteile unterschiedlichster Art und von oft
erheblicher Dimension (fortlaufende Kreditbelastung bei
Nichterzielung von Mieteinnahmen usw). Neben der Vertragsstrafe als
Druckmittel gegenüber dem Unternehmer steht ihm zwar ein Anspruch
auf Ersatz des durch den Verzug verursachten Schadens zu. Dessen
Durchsetzung gegenüber einem sich sträubenden Unternehmer erfordert
jedoch häufig langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen mit
nicht unerheblichen Prozeß- und Kostenrisiken sowie letztlich der
Gefahr, daß ein obsiegendes Urteil mangels Zahlungsfähigkeit des
Unternehmers nicht durchgesetzt werden kann. Weitere Mittel als die
Ankündigung von Vertragsstrafen- und Schadensersatzansprüchen
stehen dem Bauherrn gegenüber dem Unternehmer jedoch nicht zur
Verfügung, um diesen zur fristgerechten Erfüllung seiner
Leistungspflicht anzuhalten. Gleichwohl wird die Möglichkeit der
Vereinbarung von Vertragsstrafen in AGB durch die vorstehend
dargelegte Rechtsprechung nicht unerheblich eingeschränkt. Die
Möglichkeiten der Beklagten, den ausgeschiedenen Vertragshändler
zur Erfüllung der Abwicklungspflichten anzuhalten, sind
demgegenüber jedoch keineswegs geringer als die des Bauherrn. So
kann die Beklagte nicht nur Schadensersatzansprüche gegen den
früheren Vertragshändler wegen Verletzung seiner Pflichten geltend
machen, sondern ihn auch unmittelbar auf Erfüllung der Pflicht
gerichtlich in Anspruch nehmen. Da der frühere Vertragshändler bei
Weiterverwendung der Markenzeichen der Beklagten wettbewerbswidrig
i.S.d. § 1 UWG handelt, kann er auch gem. §§ 13 Abs. 2 Nr. 1, 25
UWG im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in
Anspruch genommen werden, so daß eine zügige Unterbindung des
rechtswidrigen Zustands gewährleistet ist. Schließlich kann die
Beklagte ihre Ansprüche aus den Ziffern 16.03 und 04 des Vertrags
den "Abwicklungsansprüchen" des ausgeschiedenen Händlers
(Ausgleichsanspruch gem. § 89b HGB, Anspruch auf Rücknahme
vorhandener Fahrzeuge, Ersatzteile usw) als Zurückbehaltungsrecht
einredeweise entgegenhalten und so wirkungsvoll auf ihn einwirken
mit dem Ziel, ihn zur Erfüllung seiner Pflichten anzuhalten.
Eine abweichende Beurteilung hält der
Senat auch nicht im Hinblick darauf für gerechtfertigt, daß ein
früherer Vertragshändler dadurch, daß er nach Vertragsbeendigung
durch Weiterverwendung von Schildern, Fahnen und Namen der
Beklagten - nun unberechtigt - als Vertragshändler in der
Àffentlichkeit auftritt, typischerweise - Tag für Tag - nicht
unerhebliche wirtschaftliche Vorteile erlangt, etwa weil
Kraftfahrer, die nicht irgendeine, sondern die Werkstatt eines
Vertragshändlers aufsuchen wollen, mit dem Unternehmen, das sich
fälschlich noch als Vertragshändler geriert, Verträge
schließen.
Eine Reduzierung der Vertragsstrafe auf
ein nach § 9 AGBG noch zulässiges Maß kommt nach gefestigter
Rechtsprechung nicht in Betracht, so daß das Begehren der Beklagten
insgesamt unbegründet ist.
5. Der Senat hat die Revision gem. §
546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, da er der Frage, ob die zur
Klauselkontrolle in Bauleistungsverträgen entwickelten Grundsätze
auch auf Fälle der vorliegenden Art übertragen werden können,
grundsätzliche Bedeutung beimißt.
6. Die prozessualen Nebenentscheidungen
beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Streitwert des Berufungsverfahrens und
Beschwer der Beklagten: 26.100 DM
OLG Köln:
Urteil v. 24.10.1996
Az: 12 U 81/96
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