Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Dezember 2003
Aktenzeichen: 8 W (pat) 10/01
(BPatG: Beschluss v. 04.12.2003, Az.: 8 W (pat) 10/01)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 16 H des Patentamts vom 11. Oktober 2000 aufgehoben und das nachgesuchte Patent erteilt.
B e z e i c h n u n g : Stufenwechselgetriebe mit Zwangsumlaufschmierung A n m e l d e t a g : 2. Mai 1992 Die Priorität der Anmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 6. Mai 1991 ist in Anspruch genommen. Aktenzeichen der Erstanmeldung P 41 14 687.5.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentansprüche 1 - 4, eingegangen am 2. Mai 1992, Beschreibung Seiten 1, 1a, überreicht in der mündlichen Verhandlung, und Seiten 2 - 4, eingegangen am 2. Mai 1992, 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 - 3, eingegangen am 2. Mai 1992.
Gründe
I Die Patentanmeldung P 42 1 619.4-12 mit der Bezeichnung "Stufenwechselgetriebe mit Zwangsumlaufschmierung" ist am 2. Mai 1992 beim Patentamt eingegangen (die Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 6. Mai 1991 war in Anspruch genommen worden) und von dessen Prüfungsstelle für Klasse F 16 H mit Beschluß vom 11. Oktober 2000 zurückgewiesen worden, weil ihr Gegenstand angesichts des Standes der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zum Stand der Technik waren die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden.
DE 22 19 242 C2 DE 22 56 150 B2 DE 28 40 545 C2 DE 33 20 494 A1 DE 34 28 451 A1 Gegen den Zurückweisungsbeschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung eine neugefaßte Beschreibungseinleitung (Seiten 1, 1a) überreicht, während die ursprünglichen Ansprüche 1 bis 4 und die verbleibenden ursprünglichen Beschreibungsteile weiterhin aufrecht erhalten wurden.
Der Patentanspruch 1 lautet:
"Stufenwechselgetriebe, insbesondere für ein Kraftfahrzeug mit Brennkraftmaschine, mit mindestens einer Getriebeeingangswelle und einer Getriebeausgangswelle sowie hierauf angeordneten Paaren von Gangzahnrädern und mit einem zu der Getriebeeingangswelle und Getriebeausgangswelle achsparallel angeordneten und ständig mit einem Rückwärts-Gangzahnrad auf der Getriebeeingangswelle in Eingriff stehenden Zwischenrad zur Verbindung mit einem entsprechenden Rückwärts-Gangzahnrad auf der Getriebeausgangswelle, sowie mit einer Zwangsumlaufschmierung über eine mechanisch angetriebene Pumpe, dadurch gekennzeichnet, daß die Pumpe (30) dem Zwischenrad (23) zugeordnet und durch dieses antreibbar ist."
Wegen des Wortlauts der Unteransprüche 2 bis 4 wird auf die Akten Bezug genommen.
Die Anmelderin vertritt die Auffassung, es habe einer erfinderischen Tätigkeit bedurft, um zum Anmeldungsgegenstand nach dem Patentanspruch 1 zu gelangen. Sie führt aus, dass das Zahnrad (28 c) gemäß Fig 2 der entgegengehaltenen DE 34 28 451 A1 kein Zwischenrad im Sinne des Anmeldungsgegenstandes darstelle, sondern ein separat angetriebenes Zahnrad zum Pumpenantrieb sei. Der Fachmann habe, um zur anmeldungsgemäßen Lösung zu gelangen, die dahin geht, ein Zwischenrad gleichzeitig für den Pumpenantrieb zu verwenden, zwei Hindernisse zu überwinden. Das eine bestehe darin, dass sich Zwischenräder für die Rückwärtsgangstufe nicht in allen Fällen permanent in Eingriff mit einem Rad der Getriebeeingangswelle befinden und sich daher nicht ständig drehen. Das weitere Hindernis bestehe darin, dass Zwischenräder meist nicht an Gehäusewandungen angeordnet seien, wo Druckräume für die Pumpe und Bauräume für die erforderlichen Leitungen zur Verfügung stehen könnten.
Die Anmelderin beantragt, das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
- Patentansprüche 1 - 4, eingegangen am 2. Mai 1992
- Beschreibung Seiten 1, 1a, übergeben in der mündlichen Verhandlung; Seiten 2 - 4, eingegangen am 2. Mai 1992
- 1 Blatt Zeichnungen, Figuren 1 - 3, eingegangen am 2. Mai 1992.
II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet.
Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung iSd PatG § 1 bis § 5 dar.
1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist in den ursprünglichen Unterlagen als zum Anmeldungsgegenstand gehörend offenbart, denn Gegenstand des Erteilungsantrags ist der urspüngliche Anspruch 1.
2. Die nachgeordneten ursprünglichen Unteransprüche 2 bis 4 sind ebenfalls zulässig.
3. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu, denn keine der entgegengehaltenen Druckschriften offenbart ein Stufenwechselgetriebe mit allen Merkmalen dieses Anspruchs.
Durch die DE 22 19 242 C2 ist ein Stufenwechselgetriebe mit einem als Zwischenrad wirkenden Umkehrzahnrad für die Rückwärtsgangstufe bekannt geworden, wobei dieses Zahnrad in permanentem Eingriff mit einem Zahnrad der Getriebeeingangswelle steht. Eine Zwangsumlaufschmierung wird jedoch nicht beschrieben, demgemäß auch nicht im Zusammenhang mit dem Zwischenrad, so dass sich der Anmeldungsgegenstand nach Anspruch 1 hierin von diesem Stand der Technik unterscheidet.
Eine durch eine Pumpe betriebene Zwangsumlaufschmierung wird auch durch die DE 22 56 150 B 2, die DE 28 40 545 C2 und die DE 33 20 494 1 nicht vorbeschrieben. Die als Zwischenräder wirkenden Umkehrzahnräder sind bei diesem Stand der Technik entweder als Schieberad (DE 22 56 150 b2) oder als Paar von Losrädern (DE 33 20 494 A1) oder als drehfest miteinander verbundenes Zahnradpaar (DE 28 40 545 C2) ausgeführt, so dass die Stufenwechselgetriebe nach diesen Entgegenhaltungen vom Anmeldungsgegenstand weiter abliegen.
Vom Stand der Technik nach der DE 34 28 451 A1 unterscheidet sich der Anmeldungsgegenstand nach Anspruch 1 durch sein ständig mit einem Rückwärts-Gangzahnrad auf der Getriebeeingangswelle in Eingriff stehendes Zahnrad, sowie dadurch, dass die Pumpe für die Zwangsumlaufschmierung dem Zwischenrad zugeordnet und durch dieses antreibbar ist.
4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Um die aufgabengemäße kurze und kompakte Bauweise bei Stufenwechselgetrieben mit Zwangsumlaufschmierung zu erreichen, wird bei der anmeldungsgemäßen Lösung einem ohnehin im Getriebe vorhandenen Zahnrad, nämlich dem Zwischenrad, welches die Drehrichtungsumkehr für den Rückwärtsgang bewirkt, zusätzlich der Antrieb der Pumpe für die Schmierung zugedacht. Das Zwischenrad ist dabei derart im Getriebe positioniert, dass es in ständigem Eingriff mit einem Rückwärts-Gangzahnrad der Getriebeeingangswelle steht, so dass es sich jedenfalls immer dann dreht, wenn die Getriebeeingangswelle sich in Drehung befindet, unabhängig davon, ob der Rückwärtsgang eingelegt ist oder nicht. Somit entsteht ein Getriebe, bei dem die Zwangsumlaufschmierung bei laufender Getriebeeingangswelle in Gang ist, wobei dieses Getriebe aber kein weiteres außen angesetztes Zusatzaggregat wie eine Pumpe zur Zwangsumlaufschmierung aufweist, welches den erforderlichen Bauraum vergrößern würde.
Zu einer derartigen technischen Maßnahme vermochte der entgegengehaltene Stand der Technik einem Fachmann, einem Fachhochschulingenieur der Fachrichtung "Allgemeiner Maschinenbau" mit mehrjähriger Erfahrung in der konstruktiven Ausgestaltung von Stufenwechselgetrieben, keinerlei Anregungen zu vermitteln.
Das Stufenwechselgetriebe nach der DE 22 19 242 C2 läßt zwar ein Umkehrzahnrad (13) erkennen, welches in ständigem Eingriff mit einem (Rückwärts)-Gangzahnrad (8) der Getriebeeingangswelle (2) steht (vgl die einzige Fig; Sp 4, Z 29 -34). Zur Einlegung der Rückwärtsgangstufe wird der Kraftfluß über das Umkehrzahnrad (13) auf ein Rückwärts-Gangzahnrad (14) weitergeleitet, welches seinerseits durch die Wirkung einer Doppelschaltklaue (15) drehfest mit der Vorlegewelle (11) verbunden wird (vgl die Fig und Sp 4, Z 35 - 39). Somit kommt dem Umkehrzahnrad (13) bei diesem vorbekannten Stufenwechselgetriebe die Funktion und Wirkungsweise eines Zwischenrades im Sinne des Anmeldungsgegenstandes zu. Eine Schmierung des Getriebes indes ist nicht Gegenstand der DE 22 19 242 C2. Somit konnte diese Entgegenhaltung einem Fachmann für sich genommen keine Hinweise dazu vermitteln, eine Zwangsumlaufschmierung vorzusehen und die hierzu erforderliche Pumpe dem Zwischenrad zuzuordnen und durch dieses antreiben zu lassen.
Durch die DE 34 28 451 A1 sind Ausgestaltungsformen eines Stufenwechselgeriebes bekannt geworden (Fig 2, 6), bei denen eine Ölpumpe (28, 128) vorgesehen ist, die einerseits den Druck für eine hydraulische Kupplung (17) zu liefern hat (vgl S 13 (handschriftliche Numerierung), 2. Abs) und zum anderen auch zur Aufrechterhaltung einer Zwangsumlaufschmierung Verwendung finden kann (S 14, 3. Abs). Die Ölpumpe (28, Fig 2) bzw (128, Fig 6) ist dabei jeweils endständig und nahe dem Getriebegehäuse angeordnet. Bei beiden Ausgestaltungsformen verfügt die Pumpe (28, 128) über einen separaten Antrieb, der seinerseits keine andere Aufgabe innerhalb des bekannten Getriebes wahrnimmt. So ist im Falle der Ausführungsform nach Fig 2 der Entgegenhaltung ein ständig mit der Getriebeeingangswelle (3a) über das Zahnrad (22) in Eingriff stehendes Zahnrad (28e) vorgesehen, welches ausschließlich dem Antrieb der Pumpe (28) dient, die diesem Zahnrad (28e) zugeordnet ist. Im Falle der Ausführungsform nach Fig. 6 ist eine eigene, innerhalb der hohl ausgestalteten Getriebeeingangswelle (3a) gelegene Welle (51) vorgesehen, welche ausschließlich dem Zweck dient, die Ölpumpe (128) anzutreiben.
Das Getriebe nach der DE 34 28 451 A1 verfügt darüber hinaus auch über ein Rückwärtsgetriebe (GR), das durch ein Zwischen- und Schaltzahnrad (GR c) betätigt und in Gang gesetzt werden kann (Fig 1, 3). Das Zwischenrad GR c) ist hier als Schaltzahnrad ausgeführt, welches erst durch Verschiebung in Eingriff mit einem auf der Getriebeeingangswelle befindlichen Zahnrad (GR a) und einem weiteren Rückwärts-Gangszahnrad (GR b) gebracht wird. Wie die Darstellungen gemäß Fig 1 und 3 erkennen lassen, befindet sich das Zwischenrad (GR c) an ganz anderer Stelle als die Pumpe, die gemäß Ausführungsbeispiel nach Fig 2 ihre Kraftableitung aus dem Zahnrad (22) (rechtes Ende der Übersichtsdarstellung nach Fig 1 und 3 oben) bezieht und gemäß Ausführungsbeispiel nach Fig 6 am Ende der Getriebeeingangswelle (3a) (rechts neben Zahnrad 2 in Fig 1 und 3) angeordnet ist.
Nach alledem vermag die entgegengehaltene DE 34 28 451 A1 einem Durchschnittsfachmann lediglich die Lehre zu vermitteln, für eine Pumpe zur Zwangsumlaufschmierung eigenständige Antriebsmittel vorzusehen, welche keine andere Aufgabe als diese innerhalb des Getriebes wahrnehmen. Eine Koppelung des Pumpenantriebs mit anderen Bauteilen des Getriebes, die ihrerseits bereits andere und weitere Aufgaben innerhalb des Getriebes wie zB die Funktion eines Zwischenrades erfüllen, ist nicht Gegenstand der DE 34 28 451 A1. Somit konnte diese Druckschrift einem Fachmann weder für sich genommen, noch in einer Zusammenschau mit dem vorher abgehandelten Stand der Technik nach der DE 22 19 242 C2 Hinweise zum Auffinden der anmeldungsgemäßen Lehre nach Anspruch 1 vermitteln.
Auch die verbleibenden im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen, die - wie bereits aus dem Neuheitsvergleich ersichtlich - dem Anmeldungsgegenstand ferner liegen und keine Zwangsumlaufschmierung zum Gegenstand haben, konnten einem Fachmann keinerlei Anregungen vermitteln, den anmeldungsgemäßen Lösungsweg zu beschreiten.
Nachdem der im Verfahren befindliche Stand der Technik einem Fachmann auch unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens den Anmeldungsgegenstand nach Anspruch 1 nicht nahelegen konnte, bedurfte es einer erfinderischen Tätigkeit um zur anmeldungsgemäßen Lehre zu gelangen.
Nach alldem ist der Gegenstand nach Anspruch 1 patentfähig und der Anspruch 1 somit gewährbar.
Mit diesem zusammen sind auch die Unteransprüche 2 bis 4 gewährbar, die auf vorteilhafte Ausgestaltungen eines Stufenwechselgetriebes nach Anspruch 1 gerichtet sind.
Kowalski Dr. Huber Kuhn Hübner Hu
BPatG:
Beschluss v. 04.12.2003
Az: 8 W (pat) 10/01
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