Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. September 2007
Aktenzeichen: 33 W (pat) 84/05
(BPatG: Beschluss v. 04.09.2007, Az.: 33 W (pat) 84/05)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 vom 23. September 2003 und 3. Mai 2005 aufgehoben.
2. Aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 397 56 700 wird die Löschung der angegriffenen Marke für folgende Dienstleistungen angeordnet:
"Zeitarbeit (gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung), Personalvermittlung, Personalberatung; Personal- und Stellenvermittlung, Personalanwerbung, Personalmanagement und -beratung, Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten".
3. Aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 397 30 186 wird die Löschung der angegriffenen Marke für folgende Dienstleistungen angeordnet:
"Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen".
Gründe
I Gegen die Eintragung der Wortmarke 300 26 653 PRO ERGO für Zeitarbeit (gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung), Personalvermittlung, Personalberatung; Personal- und Stellenvermittlung, Personalanwerbung, Personalmanagement und -beratung, Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesenist Widerspruch erhoben worden aus den Wortmarken 397 30 186 ERGO für Klasse 36: Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesenund 397 56 700 ERGO für Klasse 35 Werbung; Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten;
Klasse 42: ärztliche Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege; Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und der Landwirtschaft; Rechtsberatung und -vertretung; wissenschaftliche und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung.
Mit Beschlüssen vom 23. September 2003 und vom 3. Mai 2005, letzterer davon im Erinnerungsverfahren, hat die Markenstelle für Klasse 35 die Widersprüche zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den Marken keine Gefahr von Verwechslungen. Die Widerspruchsmarken wiesen eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft auf. Zwar seien sie einerseits an das griechische Wort "ergon" für "Arbeit" angelehnt und würden im Deutschen auch für "also, folglich" verwendet, in Alleinstellung vermittle dieses Wort jedoch einen eher mehrdeutigen, schwammigen Begriffsinhalt. Da nicht sämtliche tatsächlichen Umstände, aus denen sich eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ergeben könnten, liquide seien, und insbesondere offen bleibe, ob die von der Widersprechenden vorgetragenen an sich nicht unbeträchtlichen Umsätze in Höhe von ... € auch im Zeitraum vor der Anmeldung der angegriffenen Marke erzielt worden seien, könne keine erhöhte Kennzeichnungskraft zu Grunde gelegt werden. Im Hinblick auf die langjährige umfangreiche Benutzung der Widerspruchsmarken werde von einem im oberen Bereich der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft angesiedelten Schutzumfang ausgegangen.
Zwischen den beiderseitigen Dienstleistungen bestehe ein hoher Ähnlichkeitsgrad bis hin zur Identität, soweit es die Dienstleistungen "Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen" auf Seiten der Widerspruchsmarke 397 30 186 und die Dienstleistungen "Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten" auf Seiten der Widerspruchsmarke 397 56 700 betreffe. Den insoweit strengen Anforderungen an den Markenabstand werde die jüngere Marke gerecht. Der Bestandteil "ERGO" der angegriffenen Marke besitze in ihr keine selbstständig kennzeichnende und somit kollisionsbegründende Stellung, weil er nur eine gegenüber dem weiteren Bestandteil "PRO" gleichwertige Kennzeichnungskraft besitze. Zwar bedeute "pro" im Deutschen u. a. "für, dafür, je, per". "Pro" stelle jedoch auch die Kurzform von "Profi, professionell" dar, wobei die Markenstelle auf verschiedene Entscheidungen des Bundespatentgerichts und des Harmonisierungsamts verweist. Da kein Bestandteil in seiner Kennzeichnungskraft überwiege, seien die Marken in ihrer Gesamtheit einander gegenüberzustellen, so dass - so die Markenstelle sinngemäß - eine unmittelbare Verwechslungsgefahr wegen des abweichenden Bestandteils "PRO" auszuschließen sei.
Es bestehe auch nicht die Gefahr assoziativer Verwechslungen. Die jüngere Marke füge sich nach der Art ihrer Zeichenbildung nicht in die Zeichenserie der Widersprechenden ein. Zwar verfüge die Widersprechende über eine beachtliche Anzahl von Marken mit dem Bestandteil "ERGO", darin sei dieser jedoch ganz überwiegend vorangestellt. Hingegen handele es sich bei den Marken, bei denen ein weiterer Bestandteil dem Wort "ERGO" vorangestellt sei, um zusammengeschriebene Wortbildungen wie "SYNERGO, DATERGO, ISERGO, ITERGO, DISERGO, NETERGO". Darin trete "ERGO" wegen der Voranstellung eines Konsonanten in der Silbentrennung nicht eigenständig hervor. Zudem werde "ERGO" in einigen Drittzeichen verwendet. Er komme daher nicht ernsthaft als Stammbestandteil einer Zeichenserie in Betracht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Nach ihrer Auffassung besteht zwischen den Marken die Gefahr von Verwechslungen. Im Ansatz zutreffend sei die Markenstelle von einer von Haus aus durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Markenworts "ERGO" ausgegangen, das als mehrdeutiger und schwammiger Begriff keine beschreibende Bedeutung für die maßgeblichen Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 habe. Zu Unrecht habe die Markenstelle allerdings verkannt, dass die Widerspruchsmarken mittlerweile, insbesondere bereits zum Zeitpunkt der Anmeldung der angegriffenen Marke, eine gesteigerte Kennzeichnungskraft aufwiesen. Die Widersprechende sei im Jahr 1997 durch eine Zusammenführung der deutschen Versicherungen V..., H..., D... und D1... gegründet worden, wobei der Zusammenschluss und die Einführung der Marke "ERGO" mit einer bedeutenden Werbekampagne begleitet worden seien. Die vier Gründungsgesellschaften seien in der Werbung sehr präsent, wobei die Marke "ERGO" prominent erscheine. Zur näheren Darlegung hat die Widersprechende u. a. Auszüge aus ihren Geschäftsberichten von 1999 und 2000 vorgelegt und dabei insbesondere auf Jahresumsätze in Höhe von etwa ... DM hingewiesen. Die Zahl der Mitarbeiter habe in dieser Zeit rund 25.000, die der hauptberuflichen Vertreter rund 17.000 bis 24.000 betragen. Die Widersprechende sei bereits 1999 die "Nummer 2" im deutschen Erstversicherungsmarkt gewesen. Diese Zahlen stammten aus dem Zeitraum vor der Anmeldung der angegriffenen Marke und hätten sich in den Folgejahren bestätigt. Zudem sei die Widersprechende an mehr als 500 Unternehmen beteiligt, so dass es sich bei ihr um eine der größten Gesellschaften in Deutschland handele. Daraus ergebe sich, dass die Widerspruchsmarken äußerst bekannt seien und ihnen deshalb eine stark gesteigerte Kennzeichnungskraft zukäme.
Auch wenn die in der ERGO-Gruppe zusammengeschlossenen Versicherungsunternehmen auf der Weiterverwendung ihrer Traditionsmarken Wert legten, so handele es sich bei den Widerspruchsmarken keineswegs um die bloße Firmen- bzw. Unternehmenskennzeichnung einer Holding. Abgesehen davon dass sich in der ERGO-Unternehmensgruppe auch viele (insbesondere ausländische) Tochterunternehmen mit dem Firmenkern "ERGO" befänden (z. B. "IT-ERGO"), habe die Widersprechende nicht nur Holdingfunktionen. So würden etwa ERGO-Fonds angeboten und die Werbung für die Produkte der Tochterunternehmen stelle die Marke "ERGO" heraus. In der Produktkennzeichnung trete "ERGO" zumindest als Zweitmarke hervor.
Die beiderseitigen Dienstleistungen seien völlig identisch. Neben den Dienstleistungsbegriffen, für die bereits die Markenstelle eine Identität anerkannt habe, seien nach dem Grundsatz der theoretischen Vollständigkeit der Klasseneinteilung auch die weiteren Dienstleistungen wie Zeitarbeit, Personalvermittlung, Personalberatung, Personal- und Stellenvermittlung, Personalanwerbung, Personalmanagement und Personalberatung der angegriffenen Marke durch die für die Widerspruchsmarke 397 56 700 eingetragen Oberbegriffe der Klasse 35 vollständig abgedeckt.
Im Übrigen bestünden zwischen den beiderseitigen Marken keine dominanten Unterschiede. Die Widersprechende verweist auf verschiedene Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundespatentgerichts zu Fällen, in denen eine Verwechslungsgefahr trotz Abweichungen der Markenwörter an den Wortanfängen bejaht worden sei, etwa bei Marken wie "SANA/SCHOSANA, ESSO/ADESSO, HABIBA/BIBA, INTECTA/TECTA, MOVITAN/VITANA". Vorliegend sei der Bestandteil "PRO" jedoch sogar von "ERGO" getrennt, so dass der Verkehr die in der Anmeldemarke enthaltene Widerspruchsmarke erkennen werde und damit schon deshalb Verwechslungen unterliege. Der Bestandteil "ERGO" verfüge in der angegriffenen Marke "PRO ERGO" über eine prägende Wirkung. "PRO" habe eine beschreibende Bedeutung im Sinne von "für", was auch die Inhaberin der angegriffenen Marke anerkannt habe, wenn sie ihre Marke in früheren Eingaben als "für Arbeit" interpretierte habe. Es möge durchaus sein, dass "PRO" auch als Kurzform von "professionell" verstanden werde, die Bedeutung von "PRO" im Sinne von "für" sei dem Verkehr jedoch aus Begriffen wie z. B. "Pro Natura ", "Pro Musica" oder "pro und contra" allgemein geläufig, so dass er in "PRO" den beschreibenden Bestandteil der angegriffenen Marke erkenne und sich daher am Bestandteil "ERGO" orientieren werde.
Ergänzend weist die Widersprechende auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE und BGH GRUR 2006, 513 - Malteserkreuz hin, nach denen es ausreiche, wenn der übereinstimmende Bestandteil eine selbstständig kennzeichnende Stellung in einem zusammengesetzten Zeichen behalten habe, auch wenn ihm in dieser Marke keine dominierende Rolle zukomme. In der Entscheidung BGH, a. a. O. - Malteserkreuz sei der Bundesgerichtshof zudem weit über die Grundsätze hinausgegangen, die der Europäische Gerichtshof in dem speziellen Fall seiner "THOMSON LIFE"-Entscheidung aufgestellt habe. Dass "ERGO" in "PRO ERGO" eine selbstständig kennzeichnende Stellung besitze, sei völlig unbestreitbar, so dass bereits eine unmittelbare Verwechslungsgefahr vorliege.
Im Übrigen bestehe zwischen den Marken auch eine assoziative Verwechslungsgefahr. Die Widersprechende verfüge über eine Vielzahl von Kombinationsmarken mit dem Bestandteil "ERGO", der häufig mit beschreibenden Bestandteilen kombiniert werde. Dieser weitere Bestandteil werde zwar in einer Reihe von Zeichen nachgestellt, die Widersprechende verfüge aber auch über weitere Marken, in denen der Bestandteil "ERGO" nachgestellt erscheine, während - wie bei der angegriffenen Marke - eine weitere Silbe vorangestellt werde, etwa "SYNERGO", "DATERGO", "ISERGO" oder "ITERGO". Hierbei spiele es keine Rolle, dass diese kombinierten Marken zumeist zusammen geschrieben würden, da diese Schreibweise klanglich nicht bemerkt werde. Dem Verkehr, der die Marken nicht gleichzeitig wahrnehme, sei geläufig, dass ihm im Bereich der Klassen 35 und 36 häufig Marken der Widersprechenden mit dem Bestandteil "ERGO" begegneten, der in den Marken mal vorangestellt, mal nachgestellt sei. Der Verkehr werde also davon ausgehen, dass es sich bei der jüngeren Marke um eine weitere Marke aus dem Bestand der Widersprechenden handele. Dabei füge sich die jüngere Marke trotz ihrer Zusammenschreibung nahtlos in die Serie der Widersprechenden ein, denn würde man sie zusammen schreiben, so müsste der Verkehr sie, wie auch die Markeninhaberin selbst vorgetragen habe, als "PRÖRGO" lesen. Die Wirkung der angegriffenen Marke als "PRO ERGO" werde also nur durch die getrennte Schreibweise erzielt.
Damit sei die angegriffene Marke zu löschen, was auch Entscheidungen des Bundespatentgerichts, des Deutschen Patent- und Markenamts und des Harmonisierungsamts in ähnlich gelagerten Fällen entspreche, in denen die Verwechslungsgefahr zwischen "ERGO" und Marken wie "ERGO PLAN", "ERGO INVEST", "ERGO:TELESALES", "ERGO BANK", "ERGOSAVER" und "ERGOMAT" bejaht worden sei.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 vom 23. September 2003 und 3. Mai 2005 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie bestreitet das Vorliegen einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken. Die Widersprechende sei Kapitalhalterin verschiedener Versicherungs- und Immobilienunternehmen (H..., D..., D1..., M...), was auch aus den von ihr vorgelegten Geschäftsberichten hervorgehe. Die von den Widerspruchsmarken umfassten Dienstleistungen würden von diesen Unternehmen, nicht aber von der Widersprechenden angeboten. Diese einzelnen Versicherungsunternehmen böten ihre Leistungen aber nicht unter dem Zeichen "ERGO", sondern unter ihren eigenen Marken und geschäftlichen Bezeichnungen an, während "ERGO" von ihnen lediglich als Name der Unternehmensgruppe genannt würde, etwa in der Formulierung "ein Unternehmen der ERGO Versicherungsgruppe". Die von der Widersprechenden behauptete große Bekanntheit ihres Unternehmens beziehe sich damit jedenfalls nicht auf die für sie eingetragenen Dienstleistungen. Die Benutzung als geschäftliche Bezeichnung gegenüber dem Verkehr sei außerdem kaum nennenswert, denn das Zeichen werde nur sehr dezent und untergeordnet genannt. Schwerpunktmäßig nehme der Verkehr die Zeichen der Unternehmen wahr, wie etwa V..., H..., D..., D1... oder M...
Hinsichtlich der für die jüngere Marke eingetragenen personalbezogenen Dienstleistungen der Klasse 35 liege keine Identität mit Dienstleistungen der Widerspruchsmarke vor. In der deutschen markenrechtlichen Praxis gebe es kein Prinzip der Vollständigkeit der Klasseneinteilung in dem Sinne, dass aus der Eintragung einer Marke für sämtliche Oberbegriffe einer Klasse zugleich ein Schutz für sämtliche Waren oder Dienstleistungen folge, die in diese Klasse fallen können.
Die Marken wiesen einen ausreichenden Abstand zueinander auf. Sie unterschieden sich hinreichend durch den nur in der jüngeren Marke vorhandenen Bestandteil "PRO". Insbesondere könne unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht angenommen werden, dass der Gesamteindruck der angegriffenen Marke allein von ihrem Bestandteil "ERGO" geprägt werde. Auch die "THOMSON LIFE"-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sei hier nicht anwendbar und ergebe im Übrigen auch keine veränderte Beurteilung. Sie betreffe Fälle, in denen sich ein Unternehmen eine fremde Marke durch das bloße Hinzufügen seiner eigenen Unternehmensbezeichnung aneigne, das angegriffene Zeichen also durch Aneinanderreihung eines Unternehmenskennzeichens und einer normal kennzeichnungskräftigen Marke gebildet werde. Dies sei bereits nach seiner Zielsetzung auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da keine Hinzufügung der eigenen Unternehmensbezeichnung zur älteren Marke vorliege. Vielmehr habe die Markeninhaberin den allgemein bekannten Begriff "ERGO" mit dem ebenfalls allgemein bekannten Begriff "PRO" kombiniert und so das neue Zeichen "PRO ERGO" geschaffen. Selbst wenn man die Entscheidungen EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE und BGH GRUR 2006, 513 - Malteserkreuz auf den vorliegenden Fall übertrage, liege keine Verwechslungsgefahr vor, denn "ERGO" nehme in der jüngeren Marke keine selbstständig kennzeichnende Stellung ein. "PRO ERGO" sei ein einheitliches, vom Verkehr als Ganzes wahrgenommenes Zeichen, dass aus zwei Fremdwörtern bestehe, die sich offensichtlich aufeinander bezögen und erkennbar in untrennbarem Zusammenhang stünden. Sie ergäben ein einheitliches geschlossenes Markenbild.
Dementsprechend bestehe auch keine assoziative Verwechslungsgefahr. Der Markenbestandteil "ERGO" werde vom Verkehr nicht isoliert wahrgenommen, sondern nur in untrennbarem Zusammenhang mit dem Wort "PRO", so dass er keine Verbindung zu den Widerspruchsmarken herstellen könne. Hierin liege auch der entscheidende Unterschied gegenüber den von der Widersprechenden angeführten Fällen zu Marken wie "ERGO PLAN", "ERGO INVEST", "ERGO: TELESALES" und "ERGO BANK", in denen die abweichenden Wörter "PLAN", "INVEST" usw. jeweils eine ausschließlich beschreibende Bedeutung hätten, so dass nur der allein kennzeichnungskräftige und zudem am Anfang stehende Bestandteil "ERGO" als selbstständig kennzeichnender Name verstanden worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet.
Zwischen den beiderseitigen Marken besteht die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. § 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, wobei die Verwechslungsgefahr hinsichtlich jeder der beiden Widerspruchsmarken zwar in einem unterschiedlichen Umfang festzustellen ist, auf Seiten der angegriffenen Marke insgesamt aber alle Dienstleistungen betroffen sind.
Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die betreffenden Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt. Der Durchschnittverbraucher nimmt eine Marke regelmäßig als Ganzes wahr und achtet nicht auf die verschiedenen Einzelheiten (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042 - THOMSON LIFE m. w. N.).
a) Der Senat geht von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken aus.
aa) Von Haus aus verfügt das Wort "ERGO" über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Als allein gestelltes Wort hat "ergo" die aus dem Lateinischen stammende Bedeutung "also, folglich, demnach". Im Bereich der hier relevanten wirtschaftsbezogenen Dienstleistungen wirkt es sich als bildungssprachliches Wort eher unpassend, zumindest soweit es um die Benennung sachlicher Inhalte geht. Vor allem kann "ergo" in Alleinstellung mangels Angabe dessen, was (aus was) folgt, für die von den Widerspruchmarken erfassten Dienstleistungen keine erkennbare beschreibende Bedeutung haben.
Dies gilt auch, wenn man von der aus dem Altgriechischen stammenden Zweitbedeutung "Arbeit betreffend" ausgeht, die für einige der hier relevanten Dienstleistungsbereiche einen beschreibenden Bezug haben könnte. Denn in dieser arbeitsbezogenen Bedeutungsvariante existiert "Ergo" in der deutschen Sprache nicht als allein stehendes Wort. Vielmehr taucht es allenfalls als Wortbildungselement in Begriffen wie "Ergonomie", "Ergometer" oder "Ergotherapeut" auf, die aber wiederum zu den relevanten Dienstleistungen keinen unmittelbaren Bezug haben. Schon wegen der hier vorliegenden Alleinstellung wird der Verkehr damit in erster Linie zu der lateinischen Bedeutung "also, folglich" geführt, so dass von Haus aus eine normale Kennzeichnungskraft vorliegt.
bb) Hingegen geht der Senat nicht von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken aus. Nachdem ihre dahingehende Behauptung bestritten worden ist, hätte die Widersprechende eine erhöhte Verkehrsbekanntheit und damit verbundene hohe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken glaubhaft machen müssen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9, Rdn. 195 m. w. N.). Dies hat sie nicht getan. Vielmehr für den Senat erhebliche Zweifel bestehen, dass sich die geltend gemachte Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarken gerade auf ihre Eigenschaft als Produktmarke bezieht. Zwar hat die Widersprechende verschiedene Unterlagen vorgelegt, die für einen erheblichen Marktanteil der Widersprechenden in der Versicherungsbranche sprechen können, aus ihnen geht jedoch nicht hervor, ob die Widerspruchsmarken im Verkehr gerade als Produktmarken verwendet und bekannt sind, d. h. als Kennzeichnung der entsprechenden Dienstleistungen zur Unterscheidung von Dienstleistungen anderer Anbieter nach ihrer betrieblichen Herkunft. Insbesondere in den vorgelegten Geschäftsberichten für 1999 und 2000 präsentiert sich die Widersprechende nur als "strategische Führungsholding", in der sich die "operativen Versicherer" nach "Angebot, Absatzwegen und Kundenkreisen ergänzen" (vgl. Jahresbericht für 1999). In einem von der Markeninhaberin in der Anlage 2 zum Schriftsatz vom 17. Januar 2002 vorgelegten Auszug aus der Homepage der Widersprechenden heißt es zudem: "Das operative Geschäft - und damit das Angebot von Versicherungs- und Finanzprodukten - erfolgt über die vier Markenversicherer V..., H..., D... und D1... sowie über die A...". Bereits diese Selbstdarstellung der Widersprechenden nährt erhebliche Zweifel, ob die Kennzeichnung "ERGO" dem Verkehr überhaupt als Produktmarke entgegentritt, zumal die genannten Marken der "operativen Versicherer" nicht unbekannte Versicherungsmarken sind und ein Festhalten der Konzernunternehmen an solchen Traditionsmarken mehr als verständlich erscheint.
Unter diesen Umständen ist es auch nicht ausreichend, dass die Widersprechende darauf verwiesen hat, dass "ERGO" als Zweitkennzeichnung verwendet werde. Denn häufig erfolgt die (Zweit-)Kennzeichnung einer Konzernholding nur rein firmenmäßig, d. h. als Hinweis auf den Konzern selbst oder die Zugehörigkeit des eigentlichen Produktanbieters zu einem Konzern. Genau dies gibt z. B. die als Anlage zum Schriftsatz der Widersprechenden vom 8. Dezember 2004 eingereichte Stellenanzeige wieder, in der es unter der dominierenden Kennzeichnung "DKV" in einer optisch völlig untergeordneten Textzeile heißt: "Ein Unternehmen der ERGO Versicherungsgruppe". Produktbezogene Materialien wie Prospekte, Antragsformulare oder Beispiele aus der Produktwerbung, in denen "ERGO" eindeutig als Produktmarke herausgestellt wird, sind dagegen überhaupt nicht vorgelegt worden. Damit bleibt es bei der oben festgestellten normalen Kennzeichnungskraft, die den Widerspruchsmarken von Haus aus zukommt.
b) Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen liegen hinsichtlich der für die beiderseitigen Marken identisch eingetragenen Dienstleistungen "Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten" (Widerspruchsmarke 397 56 700) und "Finanzwesen, Geldgeschäfte, Immobilienwesen" (Widerspruchsmarke 397 30 186) im Identitätsbereich.
Hinsichtlich der übrigen Dienstleistungen kann es dahingestellt bleiben, ob bereits, wie die Widersprechende meint, aus dem Prinzip der Vollständigkeit der Klasseneinteilung eine Identität folgt (vgl. aber Ströbele/Hacker, a. a. O., § 26, Rdn. 134; § 32, Rdn. 82), da insoweit jedenfalls eine Ähnlichkeit vorliegt. Die für die jüngere Marke eingetragenen Dienstleistungen "Personalberatung, Personalanwerbung, Personalmanagement und -beratung" sind mit den für die Widerspruchsmarke 397 56 700 eingetragenen Dienstleistungen "Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung" zumindest mittelgradig ähnlich, möglicherweise sogar teilidentisch, da Geschäftsführungs- und Unternehmensverwaltungsdienstleistungen naturgemäß auch das Personalmanagement mit erfassen und auch die in Unternehmen zumindest gelegentlich erforderliche Beratung in Zusammenhang mit Personal sowie die Personalanwerbung berühren. Außerdem sind "Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung" auch mit für den für die jüngere Marke weiter eingetragenen Dienstleistungen "Zeitarbeit (gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung), Personalvermittlung; Personal- und Stellenvermittlung" zumindest gering ähnlich. Diese Dienstleistungen werden im Gegensatz zu Geschäftsführung und Unternehmensverwaltung zwar weitgehend nicht intern innerhalb eines Unternehmens erbracht, die beiderseitigen Dienstleistungen haben aber insofern beachtliche wirtschaftliche Berührungspunkte, als sie nach ihrer Zweckrichtung mittelbar oder unmittelbar auf den Personaleinsatz in Betrieben gerichtet sind und sich - wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten - mit den Belangen und der Einsetzbarkeit von Personal beschäftigen. Aspekte wie Qualifikation, persönliche Verfügbarkeit, Sozialversicherungsfragen u. Ä. spielen beiderseits eine Rolle. Auch darf nicht unbeachtet bleiben, dass die für die Widersprechende eingetragenen Oberbegriffe auch die Geschäftsführung und Unternehmensverwaltung von bzw. in Zeitarbeits- und Personalvermittlungsunternehmen mit umfassen, so dass sich auch unter diesem Aspekt funktionelle Überschneidungen ergeben können.
c) Bei normaler Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer zumindest schwachen Dienstleistungsähnlichkeit hat die angegriffene Marke einen noch durchschnittlichen, in jedem Fall aber zumindest einen unterdurchschnittlichen Abstand zur Gegenmarke einzuhalten. Diesen wahrt sie indes nicht.
Zwar lassen sich die Marken unproblematisch auseinander halten, wenn man sie in ihrer Gesamtheit miteinander vergleicht, da der Wortbestandteil "PRO" der jüngeren Marke weder überhört noch überlesen werden kann. Zugunsten der Markeninhaberin geht der Senat auch davon aus, dass der Gesamteindruck der jüngeren Marke nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z. B. BGH GRUR 2000, 233 - RAUSCH/ELFI RAUCH; GRUR 2003, 880 - City Plus) nicht allein durch das nur normal kennzeichnungskräftige Wort "ERGO" geprägt wird. Hierfür spricht jedenfalls, dass der andere Markenbestandteil "PRO" an erster Stelle steht und als solcher bei der Benennung der Gesamtmarke erfahrungsgemäß nicht weggelassen bzw. völlig vernachlässigt wird.
Andererseits gibt es jedoch durchaus Anhaltspunkte, die bereits für eine Prägung des Gesamteindrucks der jüngeren Marke durch "ERGO" sprechen können und die jedenfalls letztlich eine selbständig kennzeichnende Stellung dieses Wortes begründen. Denn das weitere Markenwort "PRO" wird im deutschen Sprachgebrauch (in Alleinstellung, wie auch als vorangestelltes Wortelement) trotz variierender Bedeutung zumeist als einleitendes, auf ein nachfolgendes Wort hinweisende Element verwendet (z. B. "pro Person", "pro Jahr", "Proenzym"). Insbesondere drückt es häufig ein Verhältnis zum nachgestellten Begriff aus, der mit "für" bzw. "zugunsten" umschrieben werden kann (z. B. innerhalb von "Pro und Kontra", "pro domo", "pro forma", "proarabisch", "prowestlich", "prokommunistisch" usw.). Diese Bedeutung wird selbst in ad hoc gebildeten Wortkombinationen mit Eigennamen verstanden, wie z. B. "pro Bush", "pro Thatcher". Aufgrund dieser einleitenden, das nachfolgende Wort begrifflich hervorhebenden sprachlichen Funktion werden erhebliche Teile des Verkehrs den Bestandteil "PRO" innerhalb der jüngeren Marke unwillkürlich als untergeordnet und das nachfolgende Wort "ERGO" als den zentralen Markenteil ansehen.
Damit muss "ERGO" aber zumindest eine selbständig kennzeichnende Stellung innerhalb der Gesamtmarke zuerkannt werden. Denn jenseits des Normalfalls, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke als Ganzes wahrnimmt, und ungeachtet dessen, dass der Gesamteindruck von einem oder mehreren Bestandteilen einer komplexen Marke dominiert werden kann, ist es keineswegs ausgeschlossen, dass im Einzelfall eine ältere Marke, die von einem Dritten in zusammengesetzten Zeichen benutzt wird, das die Unternehmensbezeichnung dieses Dritten enthält, eine selbständig kennzeichnenden Stellung in dem zusammengesetzten Zeichen behält, ohne aber darin den dominierenden Bestandteil zu bilden (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, 1044, Rdn. 30 - THOMSON LIFE). Diese Grundsätze hat der Europäische Gerichtshof zwar in einem Fall aufgestellt hat, in dem eine fremde (Produkt-)Marke mit dem Unternehmenskennzeichen eines Konkurrenten kombiniert worden ist, jedoch spricht bereits die gebotene Anwendung gleicher Maßstäbe dafür, dass dieser Schutz gegen Verwechslungsgefahr auch den Inhabern älterer Marken zukommt, deren (ältere) Marke, die zugleich ihr Unternehmenskennzeichen ist, von einem Dritten in eine Kombination mit einem weiteren Markenwort übernommen wird. Jedenfalls wird eine solche selbständig kennzeichnende Stellung des älteren Zeichens in der jüngeren Gesamtkombination zu bejahen sein, wenn das weitere Markenwort, wie hier, nur einen erkennbar untergeordneten Charakter hat. Dies muss gerade auch angesichts der erweiterten Anwendung gelten, die der Bundesgerichtshof den o. g. Grundsätzen des Europäischen Gerichtshofs offenbar einräumen will (vgl. BGH GRUR 2006, 513 - Malteserkreuz).
Dabei vermag der Senat die Auffassung der Markeninhaberin nicht nachzuvollziehen, dass die Wortkombination "PRO ERGO" ein geschlossenes Markenbild von zwei in untrennbarem Zusammenhang stehenden Markenwörtern aufweise. Hierfür fehlen ausreichende Anhaltspunkte. Die Bestandteile "PRO" und "ERGO" sind in der jüngeren Marke nicht zusammengeschrieben. Sie sind noch nicht einmal mit einem Bindestrich und sonst durch z. B. grafische Elemente als aufeinander bezogen kenntlich gemacht. Insbesondere stellen die beiden Markenwörter keine gesamtbegriffliche Einheit dar, die gegen Selbständigkeit des Worts "ERGO" sprechen könnte. Denn in allen Kombinationen aller möglichen und einigermaßen nahe liegenden Bedeutungen von "pro" ("für, je, dafür, per") und "ergo" ("also, folglich") bildet "PRO ERGO" keinen sinnvollen und vor allem sofort erkennbaren Gesamtbegriff. Hierbei scheidet insbesondere die Bedeutung "für Arbeit" aus, da "ergo" in der altgriechischen Bedeutung nur ein - zudem stets am Anfang stehendes - unselbständiges Wortbildungselement darstellt, das auch nicht "Arbeit", sondern "Arbeit betreffend" bedeutet. Soweit die beiden Markenwörter überhaupt inhaltlich aufeinander bezogen werden können, geschieht dies nur in der oben erörterten sprachlichen Betonung des Worts "ERGO" durch "PRO", die aber keine Selbständigkeit des Bestandteils "ERGO" verhindert, sondern allenfalls fördert.
Damit stehen sich - zumindest für einen nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs - identische Wörter als Marken bzw. selbständig kennzeichnende Bestandteile von Marken gegenüber. Die jüngere Marke hält somit weder in klanglicher noch schriftbildlicher Hinsicht einen rechtlich beachtlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein, so dass unter Berücksichtigung des oben festgestellten Grades an Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Ähnlichkeit der Dienstleistungen die Gefahr von Verwechslungen festzustellen war.
Es kam daher nicht mehr auf die Frage an, ob es darüber hinaus einen weiteren Teil des Verkehrs gibt, der möglicherweise noch nicht unmittelbaren Verwechslungen unterliegt, der aber angesichts der oben bezeichneten Art der Wortkombination, insbesondere der Art des abweichenden Bestandteils "PRO", die Marken zumindest mittelbar nach ihrer betrieblichen Herkunft verwechselt (vgl. BPatG GRUR 2002, 438 - WISCHMAX/MAX). Letzteres würde insbesondere dann gelten, wenn ein Teil des Verkehrs den Bestandteil "PRO", etwa im Hinblick auf personalorientierte Dienstleistungen, als "Profi" interpretieren würde. Der Senat neigt zwar nicht zu dieser Annahme, da die Art der Wortzusammensetzung im Gegensatz z. B. zu "Sales Pro" nicht zu einem solchen Verständnis einlädt. Sollte aber dennoch ein Teil des Verkehrs die jüngere Marke tatsächlich als "PRO(FI) ERGO", also als Profi-Variante von "ERGO"-Produkten verstehen, so würde dies zusätzlich eine assoziative Verwechslungsgefahr begründen.
Damit war der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Dr. Hock Bender Kätker Cl
BPatG:
Beschluss v. 04.09.2007
Az: 33 W (pat) 84/05
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