Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 21. Februar 2005
Aktenzeichen: VII-Verg 91/04

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 21.02.2005, Az.: VII-Verg 91/04)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Düsseldorf vom 20. Oktober 2004 (Az. VK - 34/2004 - L) wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die dem An-tragsgegner und der Beigeladenen in diesem Verfahren entstande-nen außergerichtlichen Kosten werden der Antragstellerin aufer-legt.

Streitwert für das Beschwerdeverfahren: bis 650.000 Euro

Gründe

(Hier Freitext: Tatbestand, Gründe etc.)

I.

Der Antragsgegner schrieb durch seine zentrale Beschaffungsstelle Anfang Mai 2004 die Lieferung von mehr als 40.000 Pistolen des Kalibers 9 mm x 19 für den Polizeivollzugsdienst des Landes Nordrhein-Westfalen gemeinschaftsweit aus. Mit der Angebotsaufforderung erhielten Bewerber eine Leistungsbeschreibung. Darin war gefordert, die angebotene Waffe habe den Anforderungen der Technischen Richtlinie (TR) Pistolen (Stand September 2003) zu entsprechen. Dies sollte bis zu einem nach Ablauf der Angebotsfrist liegenden Stichtag von Bietern durch Vorlage eines von einem zugelassenen Beschussamt ausgestellten Zertifikats nachgewiesen werden. Darüber hinaus stellte der Antragsgegner 16 Gruppen von ergänzenden und konkretisierenden Forderungen, so unter anderem:

zu Nr. 4.3: (Zusatz: der TR Pistolen)

Alle Kennzeichnungen sind einheitlich auf einer Waffenseite anzubringen.

zu Nr. 4.4:

Es wird ein passives Service- und Registriersystem zur Erfassung von Kenndaten gefordert. ... Der Transponder des Systems darf nicht sichtbar und muss dauerhaft mit einem Hauptteil der Waffe verbunden sein. ... Bei der Lieferung der Waffen sind folgende Daten elektronisch zu liefern:

Jeder Transponder muss bereits vom Hersteller mit der Waffennummer und einem 4-stelligen, vom Auftraggeber noch zu vergebenden Herstellercode programmiert sein. ...

Die angesprochenen Hauptteile der Waffe bestehen aus Verschluss, Rohr, Schließfedereinheit und Griffstück (hier mit aufgesetzten Griffrücken oder Griffschalen, die zum Zweck einer Anpassung an unterschiedliche Handgrößen der Benutzer abnehmbar sein sollten). Zum Transponder (einem elektronischen Kennungsträger) war in Anlage 4 der Leistungsbeschreibung weiter ausgeführt (unter 1.):

Auf dem Transponder muss die auf der Waffe eingeschlagene Waffen-Nr. und ein 4-stelliger, vom Auftraggeber noch zu vergebender Herstellercode dauerhaft und unveränderbar einprogrammiert sein.

Die auf dem Transponder gespeicherten Daten sollten mittels gleichzeitig zu liefernder Lesegeräte abgelesen werden können.

In einer Anlage zur Leistungsbeschreibung gab die Vergabestelle den Bietern die beabsichtigte Angebotswertung bekannt. Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlichste Angebot ergehen. Die letzte Phase der Angebotswertung sollte sich in drei Abschnitte mit folgenden Untergewichtungen gliedern:

Teil 1: Anwendererprobung mit einem Anteil von 45 %

Teil 2: Technische Prüfung mit einem Anteil von 20 %

Teil 3: Angebotspreis mit einem Anteil von 35 %.

Die Vergabestelle beschrieb in den übersandten Verdingungsunterlagen die Verfahren der Anwendererprobung, der technischen Prüfung und der Preiswertung und gab die den Erprobungspersonen und technischen Prüfern zur Beantwortung vorzulegenden Fragenkataloge sowie die Gewichtung der hierauf zu vergebenden Wertungspunkte bekannt. Zur technischen Prüfung, zu deren Durchführung die Bieter Testwaffen zur Verfügung stellten, bemerkte sie einleitend:

Bei der technischen Prüfung wird unterstellt, dass die Anforderungen der TR Pistolen von der angebotenen Waffe erfüllt werden; dies ist - wie in den Vorbemerkungen festgelegt - durch ein entsprechendes Zertifikat zu belegen. Die technische Prüfung erstreckt sich insoweit auf die Elemente, die in der TR nur rahmenhaft angegeben, auf Grund der spezifizierten Vorgaben in dieser Leistungsbeschreibung aber konkretisiert wurden. ...

Jedem der drei genannten Wertungsabschnitte legte die Vergabestelle eine Bewertungsmatrix zugrunde. Diese teilte sie den Bietern mit. Danach sollten die Angebote in jedem Wertungsabschnitt mit bestimmten Prozentwerten bewertet werden. Das Angebot mit der nach Addition höchsten Prozentzahl sollte den Zuschlag erhalten. Der Angebotsaufforderung waren weitere vorformulierte Verdingungsunterlagen beigefügt.

Zum Verfahren reichten drei Bieter, u.a. die Antragstellerin und die Beigeladene, Angebote ein. Das Angebot einer dritten Bieterin schied in der Wertung aus, zumal es die Bedingung einer Zertifizierung der Pistole nicht erfüllte. Die Antragstellerin zeigte in ihrem Angebotsschreiben auf,

dass die Firma H. & K. GmbH auf das System "Datenspeicher in der Waffe" ein Patent besitzt, auf welchem das passive Service- und Registriersystem basiert.

Die Antragstellerin verfügt insoweit über das deutsche Patent DE 100 62 239 (Anl. By 6) sowie über das europäische Patent EP 1 340 032 (Anl. By 7), auf die an späterer Stelle einzugehen sein wird. Gegen die Schutzrechtserteilungen liegen Einsprüche vor. Darüber hinaus ist für die Antragstellerin das deutsche Gebrauchsmuster DE 201 21 902 eingetragen (Anl. By 8). Dagegen ist ein Löschungsantrag angebracht worden. Über die genannten Rechtsbehelfe haben die zuständigen Instanzen noch nicht entschieden. In einem Vermerk vom 21.7.2004 stellte die Vergabestelle fest, die in der Leistungsbeschreibung aufgestellte Forderung eines Service- und Registriersystems weise keine Übereinstimmung mit der technischen Lehre der Patenrechte der Antragstellerin auf. Das der Leistungsbeschreibung entsprechende Service- und Registriersystem an der Waffe der Beigeladenen mache hiervon keinen Gebrauch.

Die von der Beigeladenen angebotene Pistole (Walter P 99 DAO) erzielte in allen oben dargestellten Wertungsabschnitten bessere Ergebnisse als die Pistole der Antragstellerin (P 2000-V 7 [DAO]). Hiernach sollte auf das Angebot der Beigeladenen der Zuschlag ergehen (siehe die Vergabevermerke vom 26.7 und 29.7.2004).

Auf dieses ihr bekannt gegebene Wertungsergebnis rügte die Antragstellerin erfolglos das Vergabeverfahren und stellte einen Nachprüfungsantrag. Mit diesem Antrag begehrte sie einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen von der Wertung, weil das Angebot - sofern es dem geforderten Service- und Registriersystem entspreche - widerrechtlich die technische Lehre der ihr, der Antragstellerin, zustehenden Schutzrechte gebrauche. Darüber hinaus beanstandete die Antragstellerin Mängel der Angebotswertung. Bei der Prüfung der von der Beigeladenen angebotenen Waffe seien insbesondere gravierende Sicherheitsmängel der Pistole der Beigeladenen unberücksichtigt geblieben.

Die Antragstellerin beantragte, den Antragsgegner anzuweisen, das Vergabeverfahren unter Ausschluss des Angebots der Beigeladenen mit dem Ziel einer Zuschlagserteilung auf ihr, der Antragstellerin, Angebot fortzusetzen. Hilfsweise beantragte sie eine an den Antragsgegner gerichtete Anweisung, die zu ihren Lasten eingetretenen Rechtsverletzungen zu beseitigen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragten, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen. Sie traten dem Vortrag der Antragstellerin entgegen.

Die Vergabekammer wies die im Nachprüfungsverfahren gestellten Anträge der Antragstellerin in der Sache zurück. Sie lehnte einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen unter dem Gesichtspunkt einer Patentverletzung ab. Mit Rücksicht auf den Inhalt des hierüber errichteten Vermerks der Vergabestelle und die im Nachprüfungsverfahren eingereichten Stellungnahmen des Antragsgegners und der Beigeladenen sei eine Schutzrechtsverletzung nicht offensichtlich und im Vergabeverfahren daher unbeachtlich. Letztlich habe darüber auch das zuständige Gericht zu entscheiden. Den von der Antragstellerin geltend gemachten Mängeln der Angebotswertung schloss sich die Vergabekammer nicht an. Die an der Pistole der Beigeladenen behaupteten Sicherheitsdefizite ließ sie nicht zu, da die Waffe unter allen als wesentlich zu erachtenden Sicherheitsaspekten im Zertifizierungsverfahren überprüft worden sei, die Vergabestelle im Prinzip nicht befugt sei, das der Pistole erteilte Zertifikat eines Beschussamts in Frage zu stellen und der Vortrag der Antragstellerin überdies keine unabweisbaren Zweifel an der Richtigkeit des Zertifikats begründe.

Die Antragstellerin hat gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie die erstinstanzlich vorgebrachten Beanstandungen am Vergabeverfahren vertieft und ergänzt.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses den Antragsgegner anzuweisen, das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats fortzusetzen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Der Antragsgegner und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer. Sie erweitern ihren bisherigen Vortrag insbesondere hinsichtlich der weiterhin behaupteten Schutzrechtsverletzung.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und auf die mit diesen vorgelegten Anlagen, insbesondere auf die Leistungsbeschreibung und die vorbezeichneten Bestandteile der Vergabeakten, Bezug genommen.

II.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat nach nochmaliger und durch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung veranlasster Überprüfung seiner Rechtsauffassung durch den Senat keinen Erfolg. Der zulässig gestellte Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Im Ergebnis bewirken insbesondere die der Antragstellerin zustehenden gewerblichen Schutzrechte nicht, dass das Angebot der Beigeladenen von der Wertung auszunehmen ist. Dazu im einzelnen:

a. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, soweit über ihn im Beschwerdeverfahren zu entscheiden ist. Die prozessualen Zugangsvoraussetzungen der Antragsbefugnis (§ 107 Abs. 2 GWB) und einer Beachtung der Rügeobliegenheit (§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB) sind von der Vergabekammer mit Recht bejaht worden. Um Wiederholungen zu vermeiden, ist auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Gründen des angefochtenen Beschlusses zu verweisen (Beschlussabdruck S. 17 bis 21). Die Antragstellerin ist namentlich mit der Beanstandung, das von der Beigeladenen angebotene Service- und Registriersystem mache von der technischen Lehre ihrer Schutzrechte Gebrauch, nicht präkludiert. In welcher die Annahme einer Schutzrechtsverletzung begründenden Weise die von der Beigeladenen gewählte Lösung eines Service- und Registriersystems ausgeführt war, ist der Antragstellerin erst im Nachprüfungsverfahren bekannt geworden. Umstände, die vom Antragsteller erst im Nachprüfungsverfahren erkannt werden und aus denen er - zulässigerweise - Vergaberechtsverstöße ableiten will, unterliegen nicht der Obliegenheit zur Rüge nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB (vgl. OLG Düsseldorf NZBau 2001, 155, 157; OLG Frankfurt am Main NZBau 2001, 161; BayObLG VergabeR 2001, 438).

b. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin wird durch die zu Gunsten der Beigeladenen ausgefallene Zuschlagsentscheidung des Antragsgegners nicht in Bieterrechten verletzt.

1. Allerdings steht einer Überprüfung der von der Antragstellerin erhobenen Beanstandungen des Vergabeverfahrens entgegen der Meinung des Antragsgegners nicht schon entgegen, dass ihr eigenes Angebot wegen einer Änderung der Verdingungsunterlagen, und zwar der im tatbestandlichen Teil erwähnten Forderung, dass die Kennzeichnungen auf e i n e r Waffenseite anzubringen waren, gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d), § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A zwingend von einer Wertung auszuschließen ist. Von einer Änderung der Verdingungsunterlagen kann nicht gesprochen werden.

aa. Was nach der Leistungsbeschreibung unter den einheitlich auf einer Waffenseite anzubringenden "Kennzeichnungen" zu verstehen ist, ist auszulegen. Sofern diese Bestimmung aus der maßgebenden Sicht eines verständigen Bieters dahin aufzufassen war, dass darunter die Waffennummer und gegebenenfalls noch die Eigentumskennzeichnung zu verstehen sei, entspricht das Angebot der Antragstellerin diesem Erfordernis. In der als Anlage zum Angebotsschreiben vom 29.6.2004 vorliegenden "Kommentierung Leistungsbeschreibung" hat die Antragsteller dazu bindend erklärt:

Bei der P 2000-V7 (DAO) sind alle vorgeschriebenen Kennzeichnungen auf der rechten Waffenseite angebracht.

Dem entsprechen die dem Angebot beigefügten technischen Lieferbedingungen der Antragstellerin (TL 2122 NRW), die im Abschnitt "Kennzeichnungen" (unter Gliederungspunkt 3.2.2.2) ausweisen, dass die Waffennummer und die Eigentumskennzeichnung auf der rechten Seite des Verschlusses angebracht sein werden. Dies findet sich in den Lieferscheinen bestätigt, welche die Antragstellerin für die zu Testzwecken gelieferten Musterwaffen ausgestellt hat. Unter der Überschrift "Kennzeichnung" ist darin ausgeführt:

Bisher wurden unsere Pistolen auf der linken Waffenseite gekennzeichnet.

Die nachstehenden Musterwaffen sind links und rechts gekennzeichnet.

Entsprechend Punkt 4.3 Ihrer Ausschreibungsunterlagen werden wir bei der Serie alle Kennzeichnungen einheitlich auf einer Waffenseite (rechts) anbringen.

Siehe hierzu auch unsere TL 2122 / NRW.

bb. Daraus ging in Verbindung mit den von der Antragstellerin verwendeten technischen Lieferbedingungen hervor, dass die maßgeblichen Kennzeichnungen, in diesem Sinn nämlich die Waffennummer und die Eigentumskennzeichnung (sowie zusätzlich auf dem Griffstück rechts die Gerätebezeichnung ["P 2000" in einer Raute], die Herstellerangabe ["H. & K."] und das Herkunftsland ["Made in Germany"]), einheitlich auf der rechten Waffenseite angebracht sein würden. Auf der linken Seite sollten lediglich ein Herstellerkennzeichen ("HK"), die Gerätebezeichnung ("P 2000") und die Kaliberangabe ("9 mm x 19") erscheinen, was bei dem vorstehend zugrunde gelegten Verständnis (nur die Waffennummer und die Eigentumskennzeichnung unterfielen der einheitlich auf einer Waffenseite anzubringenden Kennzeichnung) unmaßgeblich war.

cc. Wollte der Antragsgegner die einer Kennzeichnung geltende Forderung hingegen so verstanden wissen, dass auf einer zweiten (hier der linken) Waffenseite keinerlei Kennzeichnungen angebracht sein sollten (mithin weder eine ersichtlich aus Gründen der Symmetrie auf beide Griffstückseiten aufgebrachte Gerätebezeichnung ["P 2000" in einer Raute] noch die Gerätebezeichnung ["P 2000"] oder ein Herstellerlogo ["HK"]), dann war die Leistungsbeschreibung in diesem Sinn unklar gefasst (§ 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A). Was dem Begriff der "Kennzeichnung" unterfallen sollte, war in der Leistungsbeschreibung nicht erläutert worden. Ein verständiger Bieter durfte damit die Vorstellung verbinden, dass damit nur die eine Pistole im eigentlichen Sinn individualisierenden Kennzeichnungen durch die Waffennummer und die Eigentumsangabe gemeint waren.

dd. Der Antragsgegner hat den Begriff der "Kennzeichnung" dagegen offenbar in einem umfassenderen, den Bietern freilich nicht verdeutlichten Sinn verstanden. Zumal es insoweit im Vergabeverfahren an einer Dokumentation und im Nachprüfungsverfahren an einem klarstellenden Vortrag des Antragsgegners fehlt, sind anscheinend die technischen Prüfer, die die Waffenkennzeichnung beurteilt haben, ebenso wenig davon unterrichtet worden, dass nur die von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten (und einer Prüfung unterzogenen) Testwaffen auf beiden Seiten Kennzeichnungen aufwiesen, die Antragstellerin sich in ihrem Angebot unter Bezugnahme auf ein beigefügtes Schaubild hingegen verpflichtet hatte, die zu liefernde Pistole auf lediglich einer Waffenseite zu kennzeichnen. Der Antragsgegner hat dazu nur mitgeteilt, die Pistole der Antragstellerin habe beim Prüfungskriterium der Waffenkennzeichnung eine erheblich schlechtere Bewertung erreicht als die Pistole der Beigeladenen (die Auffassung, das Angebot der Antragstellerin sei wegen einer Abweichung von der Leistungsbeschreibung auszuschließen, hat der Antragsgegner hingegen erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertreten).

Die eingeräumte, nach dem Umständen jedoch ungerechtfertigt schlechtere Bewertung der Kennzeichnung der Pistole der Antragstellerin gab Veranlassung, eine hierauf zurückzuführende Verletzung der Bieterrechte der Antragstellerin bei der Zuschlagsentscheidung zu prüfen. Im Ergebnis ist eine Rechtsverletzung indes zu verneinen, weil das Angebot der Antragstellerin auch dann, wenn ihm bei der Bewertung der Waffenkennzeichnung, und zwar unterstellt von allen fünf technischen Prüfern, die jeweils höchst erreichbare Punktzahl (10 Punkte = sehr gut) zugeteilt worden wäre, im rechnerischen Ergebnis immer noch so deutlich hinter der Bewertung des Angebots der Beigeladenen zurückbleibt, dass sich seine Zuschlagschancen dadurch nicht entscheidend verbessert hätten (1177 Punkte für die Pistole P 2000, 1303 für die Pistole P 99).

2. Andererseits begehrt die Antragstellerin wegen unstatthaften Nachverhandelns zu Unrecht einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen (vgl. § 24 Nr. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 1 Abs. 1 VOL/A). Die Beigeladene hat mit der Vergabestelle ersichtlich nicht unzulässig zum Zweck einer durch § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A untersagten inhaltlichen Änderung ihres Angebots oder, um von der Vergabestelle zu einer solchen Änderung ihres Angebots bewogen zu werden, verhandelt (vgl. zum Begriff unstatthafter Nachverhandlungen auch den Beschluss des Senats vom 14.3.2001, Verg 30/00, VergabeR 2001, 226, 230 f., insoweit zur rechtsähnlichen Bestimmung des § 24 VOB/A). Der diesbezügliche und an der im Vergabevermerk vom 21.7.2004 enthaltenen Bemerkung,

die Fa. W. hält dem entgegen (gemeint ist das Patentrecht der Antragstellerin in Bezug auf eine Datenspeicherung in der Waffe), dass ihre Transponderlösung die Patentrechte Dritter nicht verletze,

anknüpfende Vortrag der Antragstellerin beruht auf einer Vermutung, die durch die Aktenlage widerlegt ist. Aus der Vergabeakte geht hervor, dass - wozu in gleicher Weise der Antragstellerin Gelegenheit erteilt worden ist - die Beigeladene von der Vergabestelle am 13.7.2004 zu einer Präsentation ihrer Pistole geladen worden war. Ausweislich der darüber angelegten Niederschrift der Vergabestelle sind hierbei "Patentprobleme" in der Weise erörtert worden, dass die Vergabestelle entsprechende Fragen gestellt hat, die von den Vertretern der Beigeladenen verneinend beantwortet worden sind. Der Vergabevermerk vom 21.7.2004 nahm hierauf erkennbar Bezug.

3. Im Ergebnis ist das Angebot der Beigeladenen ebenso wenig auf der zweiten Stufe der Angebotswertung unter dem rechtlichen Gesichtpunkt einer Verletzung der Patent- und/oder Gebrauchsmusterrechte der Antragstellerin, und zwar in dem das durch die Leistungsbeschreibung geforderten passiven Service- und Registriersystem der Pistole betreffenden Punkt, von einer weiteren Wertung auszunehmen. Für diese Wertungsstufe bestimmt § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A, dass bei der Auswahl der für den Zuschlag in Betracht kommenden Angebote nur Bieter zu berücksichtigen sind, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Machte die von der Beigeladenen gewählte Ausführung des passiven Service- und Registriersystems von der technischen Lehre der Schutzrechte der Antragstellerin Gebrauch u n d wäre mit der erforderlichen Gewissheit anzunehmen, dass sie deswegen von der Antragstellerin mit Erfolg auf Unterlassung einer Herstellung und Belieferung des Antragsgegners in Anspruch genommen werden kann (vgl. § 139 Abs. 1, § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG), müsste die Beigeladene für die Erfüllung der mit einem Zuschlag einzugehenden Verpflichtungen als nicht leistungsfähig angesehen werden. Infolgedessen gelangte ihr Angebot nicht in die nach § 25 Nr. 3 VOL/A vorzunehmende engere Wahl.

aa. Im Streitfall wurde die Frage einer Schutzrechtsverletzung durch den im Angebot der Antragstellerin erteilten Hinweis aufgeworfen, sie, die Antragstellerin, verfüge am System "Datenspeicher in der Waffe", auf dem das passive Service- und Registriersystem beruhe, über ein Patent. Aufgrund dessen hatte die Vergabestelle eine Patentverletzung zu prüfen. Machte die von der Beigeladenen angebotene Ausführung eines Service- und Registriersystems (eines Datenspeichers) an der Waffe von der technischen Lehre des Patents (oder des Gebrauchsmusters) der Antragstellerin Gebrauch, ohne dass die Beigeladene dazu - was ersichtlich ausschied - durch eine Lizenzierung berechtigt war, durfte die Beigeladene von der Vergabestelle im Sinne von § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nicht als leistungsfähig behandelt werden, sofern nach Lage der Dinge zu erwarten war, die Antragstellerin werde eine Belieferung durch die Beigeladene im Wege eines notfalls gerichtlich durchsetzbaren Unterlassungsanspruchs (erfolgreich) unterbinden können. § 139 Abs. 1 PatG bestimmt, dass vom Verletzten auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wer entgegen den §§ 9 bis 13 eine patentierte Erfindung benutzt. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 PatG hat das Patent die Wirkung, dass - abgesehen von den Fällen einer lizenzierten Nutzung - allein der Patentinhaber befugt ist, die patentierte Erfindung zu benutzen. Nach Satz 2 Nr. 1 von § 9 Abs. 1 PatG ist es infolgedessen jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Patentinhabers ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen. Die Normenlage macht deutlich, dass es der Beigeladenen im Erfolgsfall eines auf Patentverletzung gestützten Unterlassungsanspruchs aus Rechtsgründen unmöglich sein wird, Pistolen, welche die technische Lehre des Schutzrechts verwenden, herzustellen und durch Lieferung an den Antragsgegner in Verkehr zu bringen. Nicht anders stellt sich die Rechtslage nach dem Gebrauchsmustergesetz (GebrMG) dar (vgl. § 24 Abs. 1, § 11 Abs. 1 GebrMG). Diesem rechtlichen Ansatz hat sich ausweislich der Beschwerdeerwiderung vom 15.11.2004 hervorgeht (dort S. 12 oben = GA 79) der Antragsgegner ausdrücklich angeschlossen.

(1.) Der Antragsgegner (die Vergabestelle) durfte es - sofern einem Unterlassungsbegehren eine hinreichende Erfolgsaussicht beizumessen war - im Vergabeverfahren nicht darauf ankommen lassen, ob die Antragstellerin tatsächlich Unterlassungsansprüche stellen und um gerichtlichen Rechtsschutz nachsuchen würde. Ob Unterlassungsansprüche bestanden, war auf der dazu bestimmten Stufe der Angebotswertung vielmehr im Vergabeverfahren zu klären. Die Prüfung war auf der Stufe der Eignungsbewertung nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A vorzunehmen, die die Leistungsfähigkeit der Bieter betrifft. Zwar ist in dieser Vorschrift (ebenso wenig wie in den weiter einschlägigen Art. 29, 22 und 23 der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14.6.1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge - LKR, Abl. Nr. L vom 9.8.1993, S. 1 ff.) eine Leistungsfähigkeit im Rechtssinn - sowie umgekehrt die rechtliche (Un-) Möglichkeit zur Leistung - als ein Element der Eignungsprüfung nicht ausdrücklich angesprochen.

Die Eignungsprüfung des öffentlichen Auftraggebers hat sich indes selbstverständlich darauf zu erstrecken, ob ein Bieter auch rechtlich in der Lage ist, die ausgeschriebene Leistung zu erbringen, dies jedenfalls in solchen Fällen, in denen für den öffentlichen Auftraggeber zureichende Anhaltspunkte hervortreten, die Leistungsfähigkeit eines Bieters in dieser Hinsicht anzuzweifeln und dies ihn veranlassen kann, solchen Zweifeln nachzugehen. Zur Begründung ist zunächst auf den Wortlaut von § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A hinzuweisen, der dem Auftraggeber gebietet, nur solche Bieter in die engere Wahl zu nehmen, die "für die Erfüllung der (noch einzugehenden) vertraglichen Verpflichtungen" fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig sind. Der Wortlaut der Norm schränkt die Prüfungsmöglichkeiten und -obliegenheiten des Auftraggebers im Hinblick auf die genannten Merkmale nicht ein. Insbesondere ist auch nach dem Normzweck der Begriff der Leistungsfähigkeit in einem umfassenden Sinn zu verstehen. Er erstreckt sich auf sämtliche Umstände, die Aufschluss darüber geben, ob ein Bieter bei vorausschauender Betrachtungsweise in der Lage sein wird, die ihm durch einen Zuschlag und entsprechenden Vertragsabschluss erwachsenden Verbindlichkeiten zu erfüllen (in diesem Sinn auch Kulartz in Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Aufl., § 25 Rn. 34; Bechtold, GWB, 2. Aufl., § 97 Rn. 18; Noch in Müller-Wrede, VOL/A, § 25 Rn. 66). Demgegenüber wäre es geradezu widersinnig, eine Zuschlagserteilung gutzuheißen, obwohl der Auftraggeber weiß, damit rechnet oder es aufgrund ihm erkennbarer Anhaltspunkte für möglich hält, ein Bieter werde aufgrund rechtlicher Hindernisse nicht vertragsgemäß leisten können. Die am Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen haben Anspruch darauf, dass der Auftraggeber die Leistungsfähigkeit konkurrierender Bieter namentlich dann, wenn sich hierzu ein besonderer Anlass bietet, im Rahmen des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A auch im Rechtssinn überprüft. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A hat - wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat - bieterschützende Funktion (so ebenfalls Noch in Müller-Wrede, VOL/A, § 25 Rn. 133).

(2.) In diesem Zusammenhang ist der Auffassung des Antragsgegners und der Beigeladenen entgegenzutreten, dem öffentlichen Auftraggeber stehe bei der Beantwortung der Frage, ob ein Bieter im rechtlichen Sinn leistungsfähig sei, in Anlehnung an die verwaltungsrechtliche Dogmatik ein von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt kontrollierbarer Beurteilungsspielraum (oder - so der Antragsgegner - ein Ermessensspielraum) zu. Ein Beurteilungsspielraum ist nur in jenen "gewöhnlichen" Fällen einer Eignungsprüfung anzuerkennen, in denen es darum geht, ob die unbestimmten Rechtsbegriffe der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit durch die jeweilige Tatsachenlage ausgefüllt sind. Die rechtliche Leistungsfähigkeit eines Bieters kann als Rechtsfrage hingegen - ohne dass hierbei irgendwelche Beurteilungsspielräume bestehen - nur objektiv richtig bejaht oder verneint werden.

(3.) Im vorstehenden Sinn hat sich die Vergabestelle, und zwar anlässlich der Präsentation der Pistole der Beigeladenen sowie ausweislich des darüber erstellten Vermerks vom 21.7.2004, im Vergabeverfahren tatsächlich vollkommen zu Recht der Frage angenommen, ob die Ausführung des passiven Service- und Registriersystems in der Pistole der Beigeladenen Patentrechte der Antragstellerin verletzte. Die vom Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vertretene Ansicht, wonach den Vergabenachprüfungsinstanzen die Kompetenz abzusprechen sei, das Ergebnis einer im Rahmen der Bewertung der Eignung und Leistungsfähigkeit eines Bieters angestellten Prüfung der Vergabebehörde, ob durch sein Angebot Patentrechte eines anderen Bieters verletzt werden (in einem zu verallgemeinernden Sinn mithin die Antwort der Vergabestelle auf eine Rechtsfrage), einer Kontrolle zu unterziehen, widerspricht nicht nur allgemeinem Rechtsverständnis, sondern namentlich dem durch das Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz - VgRÄG) vom 26.8.1998 (BGBl. I S. 2512) errichteten Rechtssystem, das den Primärrechtsschutz der an einem Vergabeverfahren beteiligten Bieter gewährleisten soll. Der hiernach sicherzustellende Primärrechtsschutz gebietet, dass grundsätzlich alle Entscheidungen der Vergabebehörden, die in subjektive Bieterrechte eingreifen können, einer Nachprüfung durch die dazu berufenen Instanzen unterliegen. Dass hiervon auch die (Teil-) Entscheidung einer Vergabestelle, einen Bieter als in rechtlicher Hinsicht leistungsfähig in der Angebotswertung zu belassen, betroffen sein kann, ist im vorstehenden Zusammenhang nachgewiesen worden. Die Prüfungskompetenz der Vergabenachprüfungsinstanzen ist im Anwendungsbereich bieterschützender Vergaberechtsnormen folglich mit den Prüfungsobliegenheiten der Vergabestelle kongruent.

(4.) Im Prinzip hat nichts anderes zu gelten, wenn die vom Auftraggeber im Rahmen einer Prüfung der Leistungsfähigkeit eines Bieters anzustellenden rechtlichen Überlegungen patentrechtlicher Art sind. Es ist hierbei zwar zu bedenken, dass die dadurch aufgeworfenen Rechtsfragen wegen ihrer Herkunft aus einer sehr speziellen Rechtsmaterie in der Regel schwierig zu beantworten sind. Dies kann freilich auch in anderen Vergabeverfahren vorkommen, z.B. bei einer Vergabe von Entsorgungsdienstleistungen, bei der sich nicht einfach zu beantwortende Fragen des Abfallwirtschaftsrechts oder des Kommunalwirtschaftsrechts stellen können. Dass solche schwierigen Rechtsfragen auftreten können, bildet - genauso wenig wie der Umstand, dass für Rechtsstreitigkeiten aus Gebrauchsmustern und Patenten besondere gerichtliche Zuständigkeiten gegeben sind (vgl. § 27 GebrMG, § 143 PatG) - für sich allein genommen jedoch keinen überzeugenden oder auch nur hinreichenden Grund, die Vergabestellen insbesondere bei patentrechtlichen Fragestellungen, die mit einer Anwendung von Vergabevorschriften einhergehen und in diesem Sinn Vorfragen der rein vergaberechtlichen Beurteilung sind, von eigenen Prüfungsobliegenheiten freizustellen, die diesbezüglichen Entscheidungen von einer Nachprüfung auszunehmen oder die Prüfungskompetenz der Nachprüfungsinstanzen zu beschneiden. Dagegen spricht auch mit Rücksicht auf die im Streitfall zu verzeichnenden Besonderheiten der Umstand, dass namentlich eine dem Auftraggeber obliegende Prüfung gewerblicher Schutz- und Ausschließlichkeitsrechte dem Vergaberecht als solchem nicht fremd ist. So erfordert zum Beispiel auch die Wahl einer Freihändigen Vergabe (vgl. § 3 Nr. 4 lit. c) VOL/A) oder eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Öffentliche Vergabebekanntmachung (vgl. § 3 a Nr. 2 lit. c) VOL/A, Abschnitt 2), dass sich der öffentliche Auftraggeber zuvor mit dem Inhalt und Umfang gewerblicher Schutz- und Ausschließlichkeitsrechte auseinandersetzt. Der Auftraggeber muss die dabei auftretenden spezifisch patentrechtlichen Problemstellungen entscheiden. Die getroffenen Entscheidungen unterliegen - soweit dadurch Bieterrechte betroffen sein können - einer Kontrolle durch die Vergabenachprüfungsinstanzen (vgl. z.B. den Beschluss des Senats vom 28.5.2003, Verg 10/03, der zu § 3 a Nr. 2 lit. c) VOL/A, Abschnitt 2, ergangen ist). Die dahingehende Prüfungsobliegenheit ist - genauso wenig wie die Kompetenz der Nachprüfungsinstanzen, die Rechtsanwendung der Vergabestelle zu überprüfen - nicht davon abhängig zu machen, dass die einschlägigen vergaberechtlichen Vorschriften zu einer solchen Prüfung ausdrücklich auffordern. Es genügt, dass sich spezialrechtliche Fragen, wie hier die Frage einer Patentverletzung und daraus folgender Ansprüche des Verletzten, im Sinn einer Vorfrage bei der Anwendung vergaberechtlicher Normen durch den Auftraggeber stellen. Solche rechtlichen Vorfragen sind durch die Vergabebehörden unumgänglich zu klären und zu beantworten. Die dazu ergangene (Teil-) Entscheidung der Vergabestelle ist in einem Nachprüfungsverfahren selbstverständlich zu überprüfen. Dies trifft auch auf die im Vermerk vom 21.7.2004 von der Vergabestelle gestellte und beantwortete Frage einer Patentverletzung zu. Diese Frage war für die Vergabestelle als eine Vorfrage der Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen im Rahmen der Eignungsprüfung nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A aufgeworfen. Ob die Vergabestelle diese Frage richtig entschieden hat, ist vom Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens nicht auszunehmen.

(5.) Allerdings ist nicht zu verkennen, dass der öffentliche Auftraggeber selbst nicht immer über die fachlichen Möglichkeiten verfügt, spezialrechtliche Fragen zuverlässig zu beantworten. Dies mag insbesondere im vorliegenden Fall zutreffen, in dem sich die Frage einer Patentverletzung und hieraus folgender Gegenansprüche stellte. Indes ist den Vergabestellen in solchen Fällen nach § 6 VOL/A gestattet, Sachverständige hinzuzuziehen. Auch die Vergabenachprüfungsinstanzen können sich zur Beantwortung schwieriger spezialgesetzlicher Fragen, deren Beantwortung für die Entscheidung unumgänglich ist, nach allgemeinen Verfahrensregeln Sachverständiger bedienen. In diesem Zusammenhang ist freilich nicht nur auf die Befugnis, sondern auf eine im Einzelfall durchaus auch gegebene rechtliche Verpflichtung des öffentlichen Auftraggebers hinzuweisen, sich bei solchen (Teil-) Aufgaben, denen er mit eigenen personellen Mitteln nicht oder nicht ausreichend sachkundig und verlässlich gerecht werden kann, sachverständiger Hilfe zu versichern. Dass der Auftraggeber dahingehend verpflichtet sein kann, hat der Senat in einem Fall entschieden, in dem der Auftraggeber, um die Einschaltung eines externen Fachspezialisten zu vermeiden, statt eines Offenen oder Nichtoffenen Vergabeverfahrens fehlerhaft ein Verhandlungsverfahren beschritten hatte (vgl. NZBau 2001, 155, 158 = VergabeR 2001, 45, 47).

Nur am Rande sei erwähnt, dass eine zuverlässige Klärung der durch den vorliegenden Fall aufgeworfenen patentrechtlichen Fragen - und zwar auch durch Zuziehung eines Sachverständigen - im wohlverstandenen eigenen Interesse des Antragsgegners lag. Denn der Antragsgegner setzte sich, wenn er unter Verletzung eines Patents der Antragstellerin hergestellte und gelieferte Pistolen von der Beigeladenen bezieht, (abgesehen von der Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung seiner Bediensteten, vgl. § 142 PatG) selbst Unterlassungsansprüchen, unter Umständen auch Schadensersatz- oder Entschädigungsforderungen der Antragstellerin aus (vgl. § 139 Abs. 1, 2 PatG). Ansprüche der Antragstellerin knüpfen am Gebrauch und Besitz von Erzeugnissen an, die Gegenstand des Patents sind (vgl. § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG). Der Gebrauch und Besitz ist dem Antragsgegner nicht deswegen erlaubt, weil er einer Ausstattung von Polizeibeamten und damit hoheitlichen Zwecken dient. Gemäß § 11 Nr. 1 PatG sind nur solche Handlungen von der Wirkung eines Patents ausgenommen, die - kumulativ - im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken vorgenommen werden. Eine Ausnahme scheitert im vorliegenden Fall daran, dass der Gebrauch und Besitz nicht im privaten Bereich stattfindet.

(6.) Der Anregung des Antragsgegners, dem EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 234 EG (früher Art. 177 EGV) die Frage vorzulegen, ob es in einem Nachprüfungsverfahren nach Art. 1 der Richtlinie 89/665 (sog. Rechtsmittelrichtlinie) und §§ 107 ff. GWB für die Vergabekammern und Vergabesenate der Oberlandesgerichte möglich ist, eine Verletzung von Vorschriften des Patentgesetzes in die Überprüfung einzubeziehen, oder ob die Vergabekammern und Vergabesenate der Oberlandesgerichte gemäß Art. 1 der Rechtsmittelrichtlinie zur Überprüfung der Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Bieters nach Art. 32 der Richtlinie 92/50 (gemeint sind die Art. 22 und 23 der Richtlinie 93/36 - LKR) durch eine Vergabebehörde eine eigene Prüfung der möglichen Verletzung von Patentansprüchen im Bieterverhältnis durchführen können, folgt der Senat nicht. Denn der Senat ist zu der Feststellung, dass Gemeinschaftsrecht durch eine Prüfung patentrechtlicher Fragen im Nachprüfungsverfahren nicht verletzt ist, sofern diese Rechtsfragen einen Bezug zu nationalen oder solchen vergaberechtlichen Normen, durch die Gemeinschaftsrecht in nationales Recht umgesetzt worden ist, aufweisen, ohne Anrufung des EuGH nach Art. 234 EG in der Lage, da die Rechtslage insoweit offenkundig ist und keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel bleibt (vgl. EuGH Slg. 1982, 3415, 3430; BVerwG NVwZ 2004, 871, 876 = DVBl 2004, 828).

Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 (Rechtsmittelrichtlinie) gebietet selbstverständlich, dass die Entscheidungen der Vergabebehörden in Vergabeverfahren, die namentlich dem Anwendungsbereich der Richtlinie 93/36 (LKR) unterfallen, auch dann in einem Nachprüfungsverfahren überprüft werden, wenn sie sich auf patentrechtliche Fragen beziehen und die patentrechtlichen Fragen bei der Anwendung der einschlägigen Vergabevorschriften - und zwar im Sinn einer Vorfrage - zwingend beantwortet werden müssen. Im Streitfall stellen sich die patentrechtlichen Fragen bei der Anwendung der die Eignung der Bieter betreffenden, drittschützenden Vergabevorschriften (Art. 22, 23 der Richtlinie 93/36 und § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A) durch die Vergabestelle. Das ist im obenstehenden Zusammenhang nachgewiesen und begründet worden. Hierauf ist zu verweisen. Dem Verständnis des Antragsgegners liegt demgegenüber die Annahme eines den Vergabestellen bei Vorfragen einzuräumenden nachprüfungsfreien Entscheidungsspielraums zugrunde. Diese Auslegung ist mit dem weit gespannten Anwendungsbereich, den Art. 1 der Richtlinie 89/665 hat, ihrerseits nicht zu vereinbaren.

(7.) Abschließend ist zu bemerken, dass für die Prüfung einer Rechtsverletzung der Antragstellerin im Streitfall nicht an § 8 Nr. 3 Abs. 4 VOL/A (Ausschluss bestimmter Erzeugnisse) und § 2 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A (Bekämpfung unlauterer Verhaltensweisen) anzuknüpfen ist. Sollte durch die Leistungsbeschreibung ausgeschlossen worden sein, dass neben dem mit einem patentgeschützten Registriersystem ausgestatteten Produkt der Antragstellerin andere Erzeugnisse am Vergabeverfahren teilnahmen, ist dadurch die Antragstellerin in eigenen Bieterrechten nicht verletzt. Ebenso wenig ist die Behauptung der Antragstellerin, die von der Beigeladenen angebotene Pistole mache beim passiven Registriersystem von der Lehre ihrer Erfindung Gebrauch, aufgrund lauterkeitsrechtlicher Maßstäbe zu erfassen und zu beurteilen (vgl. Kraßer, Patentrecht, 5. Aufl., S. 20).

bb. Das Service- und Registriersystem der Pistole der Beigeladenen macht von der technischen Lehre des deutschen (DE 100 62 239) und des europäischen Patents (EP 1 340 032) der Antragstellerin wortsinngemäß Gebrauch. Dem Vergabevermerk vom 21.7.2004 sowie den Standpunkten des Antragsgegners und der Beigeladenen, die dies verneinen, ist nicht zuzustimmen. Der nachfolgenden Darstellung ist das deutsche Patent der Antragstellerin zugrundegelegt, das seine Wirkung durch die spätere Erteilung des europäischen Patents nicht verloren hat, da hiergegen Einspruch eingelegt worden ist (vgl. Art. II § 8 Abs. 1 des Gesetzes über internationale Patentübereinkommen - IntPatÜG). Unabhängig hiervon unterscheiden sich das deutsche und das europäische Patent nur in Nuancen, so dass dasjenige, was hinsichtlich des deutschen Patents auszuführen ist, auch für dass europäische Patent gilt.

(1.) Das deutsche Patent betrifft eine Handfeuerwaffe mit einer ersten und einer zweiten, von der ersten unabhängigen individuellen Kennung sowie außerdem ein - im vorliegenden Verfahren nicht weiter interessierendes - Verfahren zur Herstellung einer Handfeuerwaffe.

Die Patentschrift (DE 100 62 239 C 2) führt aus, in den meisten Ländern seien mindestens die Faustfeuerwaffen so weitgehend registriert, dass bei einer aufgefundenen oder bei einer Straftat verwendeten Waffe deren Herkunft lückenlos feststellbar sei. Zum Zweck der Registrierung weise jede Waffe eine Waffennummer (auch: eine Nummer) auf, die aus einer aus Ziffern und/oder Buchstaben zusammengesetzten individuellen Kennung bestehe und die in deren Hauptteil eingeschlagen sei, etwa in das Griffstück einer Selbstladepistole. Soweit das Griffstück aus Metall bestehe, werde dieses über eine beträchtliche Tiefe unter der eingeschlagenen Nummer hinweg verdichtet, so dass das einfache Herausfeilen der Nummer nicht verhindere, dass diese später wiederhergestellt und abgelesen werden könne. Wenn aber der entsprechende Abschnitt des Griffstücks ausgeschnitten oder mehrfach mit gleichartigen Schlagbuchstaben oder -ziffern überstempelt werde, sei die Reproduktion der Nummer unmöglich oder mindestens sehr schwierig. Soweit ein Griffstück aus Kunststoff bestehe, sei in diesen eine Metallplatte eingelassen, die die Nummer trage. Diese Platte könne herausgefräst werden, ohne die Waffe so unbrauchbar zu machen, dass nicht noch mindestens einige Schüsse mit ihr abgegeben werden könnten (vgl. zu Vorstehendem die Patentschrift, Spalte 1, Zeilen 14 bis 44).

Die Patentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, eine Handfeuerwaffe derart weiterzuentwickeln, dass deren Identifizierung stets möglich bleibt, auch wenn Bemühungen unternommen wurden, die Waffennummer unleserlich zu machen. Die Erfindung legt der Lösung dieser Aufgabe zugrunde, dass es grundsätzlich keine Möglichkeit gebe, das Entfernen, Überstempeln oder Unkenntlichmachen der Nummer gänzlich zu verhindern. Sie schlägt als Problemlösung vor, eine auf einem Kennungsträger angeordnete zweite, von der ersten unabhängige, individuelle Kennung an einer geheimen Stelle verborgen anzubringen, deren Existenz dem Handel und dem Kunden unbekannt und nur dem Hersteller, gegebenenfalls auch noch den Ordnungsbehörden, bekannt sei, oder aus harmlos bestehenden Elementen bestehe, die als Kennungsträger nicht kenntlich seien. Dabei soll der Kennungsträger im Inneren der Waffe an oder in deren Gehäuse bzw. Griffstück angebracht sein (Patentschrift Spalte 1, Zeile 57, bis Spalte 2, Zeile 7). Die erfindungsgemäße Lösung weist gemäß dem Anspruch 1 des Patents folgende Merkmale auf:

Handfeuerwaffe

mit einer ersten Kennung und mit einer auf einem Kennungsträger angeordneten zweiten, von der ersten unabhängigen, individuellen Kennung, die Informationen trägt;

- Oberbegriff -

die zweite Kennung

ist an einer verborgenen, nicht ohne Weiteres auffindbaren oder erkennba-

ren Stelle angeordnet und/oder

nicht als Kennung erkennbar, wobei der Kennungsträger im Inneren der Waffe an oder in deren Gehäuse

bzw. Griffstück angebracht ist.

- Kennzeichen -

Der Durchschnittsfachmann entnimmt der Patentschrift, dass es sich bei der ersten Kennung (Merkmal 2) um die in der Form einer Zahlen-Buchstabenkombination in das Metall eines Hauptteils der Waffe eingeschlagene Waffennummer handelt, die auch auf eine Metallplatte eingeprägt und dann in ein aus Kunststoff gefertigtes Teil der Waffe eingelassen sein kann. Er erkennt diese als die gesetzlich vorgeschriebene und nach dem Gesetz deutlich sichtbar auf einem wesentlichen Teil der Waffe anzubringende Waffennummer (vgl. § 13 WaffG in der damals geltenden alten Fassung).

Die zweite Kennung ist von der ersten unabhängig und setzt sich gleichermaßen aus für jede Waffe individuellen Angaben zusammen. Der Durchschnittsfachmann erkennt aus der Patentschrift, dass die zweite Kennung auf die erste, vorhandene, so abgestimmt sein kann, dass beide Kennungen miteinander übereinstimmen (Spalte 3, Zeile 67 f.; Spalte 4, Zeile 1). Die beiden Kennungen können, müssen aber nicht verschieden sein (Spalte 4, Zeile 6 f.). Im Sinn einer bevorzugten Ausführungsform geht lediglich der Patentanspruch 6 im Sinn eines kennzeichnenden Elements von der Unterschiedlichkeit der beiden Kennungen aus.

Was das Merkmal 4.1 anbelangt, macht die Beschreibung deutlich, die zweite Kennung finde sich an einer geheimen Stelle verborgen (Spalte 1, Zeile 68; Spalte 2, Zeile 1). Was darunter, insbesondere unter einer nicht "ohne Weiteres" auffindbaren oder erkennbaren Stelle zu verstehen ist, ist in der Patentschrift erläutert. Die Begründung lehrt, die zweite Kennung müsse nicht mit besonderer Sorgfalt verborgen werden, sondern es genüge, wenn sie dem normalen Benutzer nicht zur Kenntnis gelange (Spalte 2, Zeilen 28 bis 30). Der Kennungsträger kann so beschaffen sein, dass die Kennung auch bei aufmerksamer Überprüfung von außen nicht sichtbar oder ohne Hilfsmittel erkennbar ist (Spalte 2, Zeilen 46 bis 48 und 62 f.).

(2.) Das in die Pistole der Beigeladenen integrierte Service- und Registriersystem macht von allen Merkmalen des Anspruchs 1 der Erfindung der Antragstellerin wortsinngemäß Gebrauch.

aaa. Bei der Waffe der Beigeladenen ist der Transponder als Träger der zweiten Kennung unter der abnehmbaren Griffschale (dem Griffrücken) des Griffstücks befestigt. Die Griffschale ist gemäß dem von der Beigeladenen gestellten Handbuch für den Waffentechniker durch Austreiben eines Stifts mittels eines sog. Durchschlags zu entriegeln (dort S. 22). Die Griffschale kann hiernach abgenommen werden und gibt dann erst den Blick auf den Transponder frei. Die Montage des der Größe der Hand anzupassenden Griffrückens und die Demontage ist nach dem Handbuch der Beigeladenen (S. 15) und dem damit übereinstimmenden Vortrag des Antragsgegners qualifizierten Waffentechnikern vorbehalten. Infolgedessen ist der Transponder von außen nicht sichtbar angebracht. Auf ihm ist die gesetzlich vorgeschriebene Waffennummer nebst einem vierstelligen Code programmiert.

Bei dieser Sachlage verwirklicht das Registriersystem der Beigeladenen wortsinngemäß das Merkmal 4.1 der Erfindung. Der Transponder mit der auf ihm abgespeicherten zweiten Kennung ist an einer verborgenen, nicht ohne Weiteres auffindbaren Stelle angeordnet. Die zweite Kennung befindet sich an einer verborgenen Stelle, nämlich unter der Griffschale des Griffstücks. Sie findet sich zugleich an nicht "ohne Weiteres" auffindbarer Stelle, da - um die zweite Kennung aufzudecken - unter Einsatz eines Werkzeugs die Waffe weitergehend als in die Hauptbestandteile Griffstück, Schließfeder, Rohr und Verschluss zerlegt werden muss. Bei der der Patentschrift allein zugrundeliegenden aufmerksamen Sichtkontrolle ist die zweite Kennung indes nicht ohne Weiteres auffindbar und nicht erkennbar. Wie die Beschreibung lehrt, bildet den Maßstab hierfür ein normaler Benutzer, dem die zweite Kennung bei einer Betrachtung der Waffe von außen verborgen bleibt. Auf die Erkenntnismöglichkeiten einer Person, die von der Existenz einer zweiten Kennung weiß oder mit ihr rechnet und nach ihr sucht, stellt der Anspruch 1 der Erfindung hingegen nicht ab. Der Anspruch 1 des Patents ist ebenso wenig dahin auszulegen und zu verstehen, dass es für eine solche Person ausgeschlossen sein soll, die zweite Kennung aufzufinden.

Die der Leistungsbeschreibung des Antragsgegners entsprechende Vorrichtung der Beigeladenen erfüllt ebenfalls das Merkmal 3 des Patentanspruchs 1. Der zweiten Kennung sind Unabhängigkeit von der ersten und Individualität nicht abzusprechen. Wie der Fachmann der Beschreibung entnimmt, muss sich die zweite Kennung dazu von der ersten nicht unterscheiden. Ungeachtet dessen weist die zweite Kennung im Streitfall durch Hinzufügen eines vierstelligen Codes einen eigenständigen und von der ersten Kennung verschiedenen Inhalt auf.

Hinsichtlich der übrigen Merkmale der oben wiedergegebenen Gliederung ist ein wortsinngemäßer Gebrauch der Lehre der Erfindung offensichtlich, so dass es ihrer weiteren Erörterung hier nicht bedarf.

bbb. Der Antragsgegner und die Beigeladene berufen sich ohne Erfolg darauf, das in der Leistungsbeschreibung geforderte Service- und Registriersystem diene einem anderen Zweck als die Erfindung, der es darum gehe, eine Handfeuerwaffe auch dann identifizierbar zu halten, wenn Bemühungen unternommen wurden, die Waffennummer unleserlich zu machen. Im Vergabeverfahren solle hingegen ein Registriersystem beschafft werden, welches geeignet sei, die Verwaltung der über 40.000 Waffen zu erleichtern. Darüber hinaus sei die Forderung, der Transponder habe nicht sichtbar zu sein, nur erhoben worden, um sicherzustellen, dass er an einer vor äußeren Einwirkungen geschützten Stelle angebracht werde.

Abgesehen davon, dass dieser Vortrag aufgrund des Inhalts des Vergabevermerks vom 21.7.2004 zu bezweifeln ist, da es darin (auf S. 3 Mitte) heißt, die Vorgabe, die Waffe jederzeit und auch nach Manipulationen an der Nummer identifizieren zu können, habe bei der Abfassung der Leistungsbeschreibung nicht im Vordergrund gestanden, führen solche Zweckbetrachtungen nicht aus dem Schutzbereich der Erfindung heraus. Gemäß § 14 Satz 1 PatG wird der Schutzbereich des Patents durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Im vorliegenden Fall macht - wie vorstehend nachgewiesen worden ist - die an der Waffe der Beigeladenen installierte Vorrichtung eines passiven Service- und Registriersystems von den Merkmalen des Anspruchs 1 des Patents der Antragstellerin Gebrauch. Die Vorrichtung der Beigeladenen greift damit in den Schutzbereich der Erfindung ein. Der Schutzbereich eines Erzeugnis- oder Vorrichtungspatents ist nicht auf den Schutz der in der Patentschrift genannten Zwecke und Funktionen beschränkt, sondern umfasst grundsätzlich alle Verwendungsmöglichkeiten, die der erfindungsgemäßen Vorrichtung/dem Erzeugnis zukommen können (vgl. Benkard/Ullmann, Patentgesetz, 9. Aufl., § 14 PatG Rn. 41; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 14 PatG Rn. 52 - jeweils m.w.N.). Dies kann nur anders zu beurteilen sein, sofern eine bestimmte Verwendung in einem Patentanspruch Ausdruck gefunden hat. Das ist vorliegend indes nicht der Fall.

cc. Die Erkenntnis, dass die Ausführung der Pistole der Beigeladenen das Patentrecht der Antragstellerin verletzt, lässt für sich allein betrachtet freilich noch keinen verlässlichen Schluss darauf zu, ob die Beigeladene für das Vergabeverfahren aus Rechtsgründen als nicht leistungsfähig einzustufen ist. Es muss vielmehr hinzukommen, dass für das Vergabeverfahren mit der erforderlichen Gewissheit festgestellt werden kann, die Antragstellerin werde die Herstellung und Lieferung der mit dem patentverletzenden Registriersystem ausgestatteten Pistolen durch ein Unterlassungsbegehren gemäß § 139 Abs. 1, § 9 Satz 2 Nr. 1 PatG erfolgreich unterbinden können. Diese Prüfung hat sich darauf zu erstrecken, ob die Antragstellerin in einem Rechtsstreit oder in einem auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahren nach den §§ 935, 940 ZPO gegen den Antragsgegner und/oder die Beigeladene einen Unterlassungstitel erwirken kann. Das ist zu verneinen, wenn der gegen das deutsche Patent gerichtete - und nach Lage der Dinge im Sinne von § 59 Abs. 1 Satz 1 PatG hier fristgemäß eingelegte - Einspruch (vgl. Anl. BG 6) mit einiger Wahrscheinlichkeit von Erfolg sein und zum Widerruf des Patents führen wird (vgl. § 61 Abs. 1 Satz 1 PatG), wenn ein Verletzungsprozess wegen des anhängigen Einspruchsverfahrens mit gleicher Wahrscheinlichkeit nach § 148 ZPO ausgesetzt und eine einstweilige Verfügung (zumal in der Form einer Leistungsverfügung) gar nicht erst ergehen würde, weil im Hauptsacheprozess wegen erheblicher an der Gültigkeit des Patents begründeter Zweifel eine Aussetzung nach § 148 ZPO angezeigt ist.

(1.) Allerdings sind die Gerichte im Verletzungsprozess (wie auch in einem Verfahren der einstweiligen Verfügung) an die - wenn auch nicht bestandskräftige - Erteilung des Schutzrechts gebunden. Der Beklagte (oder Antragsgegner eines Verfügungsverfahrens), der eine unter den Wortsinn eines Patentanspruchs fallende Lehre benutzt, kann sich deshalb nur damit verteidigen, dass das Patent im Wege eines Einspruchs (§ 59 PatG) oder einer Nichtigkeitsklage (§ 81 PatG) angegriffen und zu widerrufen oder für nichtig zu erklären sei, weil die Lehre vom Stand der Technik vorweggenommen oder nahegelegt werde und das Patent deswegen zu Unrecht erteilt worden sei. Dabei hat das Gericht des Verletzungsprozesses nicht nachzuprüfen, ob das Klagepatent zu Recht besteht. Es muss das Patent als gültig behandeln, solange es in einem dafür vorgesehenen Verfahren nicht widerrufen oder für nichtig erklärt worden ist. Das Gericht darf den Verletzungsprozess wegen der Vorgreiflichkeit der in dem auf den Einspruch und die Nichtigkeitsklage anhängigen Verfahren ergehenden Entscheidung aber nach seinem Ermessen aussetzen (§ 148 ZPO). Dabei ist freilich Zurückhaltung geboten. Solange in einem Verfahren, in welchem der Beklagte oder ein Dritter die Erteilung des Patents bekämpft, noch keine Entscheidung ergangen ist, ist nach der Rechtsprechung eine Aussetzung des Verletzungsprozesses in der Regel nur zu rechtfertigen, wenn eine hohe, mindestens eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Widerruf oder eine Nichtigerklärung des Patents besteht (vgl. Busse/Keukenschrijver, § 140 PatG Rn. 6, 7; Kraßer, a.a.O. S. 915 - jeweils m.w.N.). Derselbe prognostische Maßstab ist im Vergabeverfahren an die Prüfung der Rechtsfrage anzulegen, ob der gegen einen Bieter bestehende und den Gegenstand der Ausschreibung betreffende Unterlassungsanspruch durchsetzbar ist und bejahendenfalls deswegen seine Leistungsfähigkeit im Sinne von § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A entfallen lässt.

(2.) Im Streitfall ist die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen letztlich deswegen nicht zu verneinen, da nach erneuter und durch das Ergebnis der mündlichen Verhandlung veranlasster Überprüfung durch den Senat mit überwiegender, wenn nicht sogar hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass das Patent DE 100 62 239 der Antragstellerin gemäß § 61 Abs. 1 PatG widerrufen und der zur Zeit noch gegebene Unterlassungsanspruch nicht durchsetzbar sein wird. Zwar ist die Vergabestelle im Vergabeverfahren zu dieser Prüfung nicht gelangt, weil sie - rechtsfehlerhaft - schon eine Patentverletzung ausgeschlossen hat. Dem entsprechend waren im Zeitpunkt der angegriffenen Zuschlagsentscheidung genauso wenig Tatsachen ermittelt worden, die eine Entscheidung darüber, ob die Antragstellerin einen Unterlassungsanspruch durchsetzen kann, überhaupt zuließen. Die dieser Entscheidung zugrundezulegenden und abzuwägenden Umstände sind vom Antragsgegner und von der Beigeladenen indes im Nachprüfungsverfahren vorgetragen worden. Sie sind durch Schriftstücke belegt und von der Antragstellerin allenfalls hinsichtlich der daraus zu ziehenden rechtlichen Schlussfolgerungen in Abrede gestellt worden. Der Antragsgegner folgert daraus in rechtlicher Hinsicht, das der Antragstellerin erteilte Patent sei zu widerrufen. Der derzeit noch existente Unterlassungsanspruch der Antragstellerin erscheine demzufolge nicht durchsetzbar und stehe einer Behandlung der Beigeladenen als leistungsfähig im Sinne des § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nicht entgegen. Diese im Nachprüfungsverfahren bekannt gegebene Vorstellung des Antragsgegners kann nach der Rechtsprechung des Senats der Beschwerdeentscheidung aus Gründen der Verfahrensökonomie als die letzthin gültige Entscheidung über die Eignung und Leistungsfähigkeit der Beigeladenen zugrunde gelegt werden.

In der Sache stützt der Antragsgegner diese Wertung auf den Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG, wonach das Patent zu widerrufen ist, wenn sich ergibt, dass der Gegenstand der Erfindung nach den §§ 1 bis 5 nicht patentfähig ist. Patente werden für Erfindungen erteilt, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind (§ 1 Abs. 1 PatG). Eine Erfindung kann indes nicht als neu gelten, wenn sie durch den Stand der Technik vorweggenommen ist (vgl. § 3 PatG). Eine Erfindung gilt (im Umkehrschluss aus § 4 Satz 1 PatG) ferner nicht als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Im vorliegenden Fall besteht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit allerdings nur der letztgenannte Widerrufsgrund., was bei der hier gebotenen vorausschauenden Bewertung aber genügt, eine die Erteilung des Patents rechtfertigende Erfindung auszuschließen, einen Widerruf des Patents annehmen und einen gegen die Beigeladene gerichteten Unterlassungsanspruch der Antragstellerin nach § 139 Abs. 1 PatG als nicht durchsetzbar erscheinen zu lassen. Zur Begründung genügt es, die mit Priorität vor der Erfindung der Antragstellerin ausgestattete und am 10.11.1999 veröffentlichte europäische Patentanmeldung EP 0 955 618 A 2 (Anl. By 11) in den Blick zu nehmen, deren paralleles Gegenstück das am 8.5.2001 - ebenfalls mit Priorität vor der Anmeldung der Antragstellerin - erteilte US-amerikanische Patent US 6,226,913 B 1 ist (Anl. BG 14 = GA 188 ff.).

Die europäische Patentanmeldung EP 0 955 618 A 2 betrifft eine Handfeuerwaffe, die einen elektronischen Kennungsträger (electronic tag) zur eindeutigen Identifikation der Waffe enthält. Der elektronische Kennungsträger weist neben anderem einen Speicher auf, der zur Aufnahme der Identifikationsdaten dient. Der Kennungsträger ist in einer Aussparung der Waffe untergebracht, die sich an einer für den Benutzer normalerweise unzugänglichen Stelle der Waffe befindet, vorzugsweise an einem von der Waffe nicht abnehmbaren Teil, wie z.B. dem Magazinschacht. Dies deutet darauf hin, dass die der obenstehenden Gliederung (S. 21) zu entnehmenden kennzeichnenden Merkmale 3 und 4 (einschließlich der Untergliederungen) der Erfindung der Antragstellerin von der Druckschrift EP 0 955 618 A 2 neuheitsschädlich vorweggenommen worden sein können. Auf die als zweites Merkmal der obenstehenden Gliederung der Erfindung der Antragstellerin genannte erste Kennung geht die Druckschrift EP 0 955 618 A 2 jedoch nicht ein. Das schließt es aber aus, die Erfindung der Antragstellerin als zum Stand der Technik gehörend und nicht neu zu bewerten. Weist die angemeldete Lehre nicht nur Übereinstimmungen - wie hier in dem die zweite Kennung betreffenden Punkt -, sondern auch Unterschiede auf - so in Bezug auf eine erste Kennung -, fehlt eine technische Identität und ist die angemeldete Lehre neu (vgl. Benkard/Ullmann, § 3 PatG Rn. 15; Busse/Keukenschrijver, § 3 PatG Rn. 109 m.w.N.).

Für einen Fachmann ist es durch den in der Druckschrift EP 0 955 618 A 2 offenbarten Stand der Technik im Sinne von § 4 Satz 1 PatG jedoch als nahegelegt anzusehen, eine darin genannte "zweite" Kennung mit einer ersten zu kombinieren, was - worauf auch die Begründung der am 7.6.2004 übersandten Zurückweisung einer US-amerikanischen Patentanmeldung der Antragstellerin durch das Patent- und Markenamt der Vereinigten Staaten verweist (vgl. Anl. BG 14 = GA 188 ff., 199 ff. [Übersetzung in die deutsche Sprache], 203) - geeignet erscheinen konnte, eine Identifikation der Waffe zu erleichtern, diese nämlich auch in dem Fall zu ermöglichen, in dem ein Lesegerät zur Erfassung der elektronischen Kenndaten der zweiten Kennung nicht zur Verfügung steht. Hiervon abgesehen hat die Antragstellerin eine in ein Hauptteil einer Faustfeuerwaffe eingeschlagene oder auf einer Metallplatte in ein aus Kunststoff bestehendes Teil eingelassene erste Kennung in der Patentschrift DE 100 62 239 C 2 selbst als in den meisten Ländern bekannt beschrieben. Bei einem auf dem Gebiet der Waffentechnik tätigen inländischen Fachmann war darüber hinaus als bekannt vorauszusetzen, dass durch § 13 WaffG in der damals geltenden alten Fassung eine deutlich sichtbare erste Kennzeichnung auf der Waffe vorgeschrieben war.

Bei dieser Rechtslage scheitert der Bestand des erteilten Patents aller Voraussicht nach am Element der erfinderischen Tätigkeit. Es ist deswegen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass im Einspruchsverfahren ein Widerruf ausgesprochen wird. Das der Antragstellerin erteilte Patent setzt sich gegenüber der Vorrichtung eines Service- und Registriersystems an der von der Beigeladenen angebotenen Pistole auch mit den weiteren Ansprüchen der DE 100 62 239 C 2 nicht durch. Gleiches hat für das mit dem deutschen Patent der Antragstellerin nahezu identische europäische Patent EP 1 340 032 B 1 zu gelten. Das Gebrauchsmusterrecht DE 201 21 902 der Antragstellerin beruht nach alledem voraussichtlich auf keinem als erfinderisch zu bewertenden Schritt (vgl. § 1 Abs. 1 GebrMG). Auf den dahingehend beim Deutschen Patent- und Markenamt angebrachten Antrag wird mit überwiegender Wahrscheinlichkeit die Löschung zu verfügen sein (vgl. §§ 15, 16 GebrMG).

Dies bedeutet, dass die Antragstellerin einen derzeit gegebenen und auf die erteilten Schutzrechte gestützten Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner und die Beigeladene im Ergebnis aller Voraussicht nach nicht wird durchsetzen können, dass ein Verletzungsprozess mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt und aus diesem Grund ein auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteter Antrag vom angerufenen Gericht abschlägig beschieden werden wird. Vor diesem Hintergrund ist, zumal andere Hindernisse nicht vorgetragen oder sonst zu erkennen sind, für das Vergabeverfahren nicht zu verneinen, dass die Beigeladene im Sinne von § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A als leistungsfähig anzusehen ist, den mit einem Zuschlag einzugehenden vertraglichen Verpflichtungen beanstandungsfrei nachzukommen.

4. Die der Angebotswertung nach § 25 Nr. 3 VOL/A geltenden übrigen Beanstandungen der Antragstellerin sind unbegründet.

aa. Die Antragstellerin bemängelt zu Unrecht die Transparenz des Verfahrens der Angebotswertung (§ 97 Abs. 1 GWB). Die Vergabestelle hat den Bietern, wie der diesbezüglichen Darstellung im tatbestandlichen Teil des Beschlusses zu entnehmen ist, mit hervorhebenswerter Deutlichkeit und Vollständigkeit bekannt gegeben, wie das Verfahren der Angebotswertung gestaltet sein würde. Es spricht nichts dafür, das mitgeteilte Verfahren sei in den die Anwendererprobung (Teil 1) und die technische Prüfung (Teil 2) betreffenden Abschnitten nicht objektiv und unparteiisch durchgeführt worden. Die Antragstellerin hat weder Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, noch Erkenntnismöglichkeiten aufgezeigt, die geeignet sind, den Nachweis einer von sachwidrigen Erwägungen geleiteten Prüfung und Bewertung ihres Angebots zu führen. Es war rechtlich ebenso wenig veranlasst, dass die Vergabestelle die eingesetzten Erprobungspersonen und technischen Prüfer dazu anhielt, ihre Bewertungen schriftlich zu begründen. Der Umstand, dass Erprobungspersonen und Prüfer in ausreichender Zahl zugezogen worden waren, ließ erwarten, dass von subjektiven Einschätzungen und Haltungen beeinflusste Wertungen, die theoretisch nicht auszuschließen waren, in der Gesamtschau ausgeglichen wurden. Die Vergabestelle hat durch die von ihr getroffene Auswahl der Erprobungspersonen und Prüfer im Übrigen sichergestellt, dass die Waffen fachkundig bewertet werden konnten. Die Anwendererprobung wurde von Schießtrainern durchgeführt; die technische Prüfung oblag ausgebildeten Waffentechnikern. Dafür, dass diese sich - zum Nachteil des Angebots der Antragstellerin - abgesprochen haben könnten, ist schon im Ansatz nichts zu erkennen.

bb. Die technische Prüfung musste sich nicht auf die im Rahmen der Zertifizierung untersuchten Eigenschaften der Pistolen erstrecken. Das von einem zugelassenen Beschussamt erteilte Zertifikat, wonach eine Pistole die Anforderungen der TR Pistolen erfüllte, sollte nach den Vergabebedingungen hingenommen und der Wertung zugrundegelegt werden. Darüber hat die Vergabestelle die Bieter mit den im Anhang der Leistungsbeschreibung bekannt gegebenen Einzelheiten der Angebotswertung unmissverständlich unterrichtet, und zwar durch die Mitteilung:

Bei der technischen Prüfung wird unterstellt, dass die Anforderungen der TR Pistolen von der angebotenen Waffe erfüllt werden; dies ist - wie in den Vorbemerkungen festgelegt - durch ein entsprechendes Zertifikat zu belegen. Die technische Prüfung erstreckt sich insoweit auf die Elemente, die in der TR nur rahmenhaft angegeben, auf Grund der spezifizierten Vorgaben in dieser Leistungsbeschreibung aber konkretisiert wurden. ...

Diese Information ließ keinen Zweifel daran zu, dass Gegenstand der technischen Prüfung im Verfahren der Angebotswertung nur die in der Leistungsbeschreibung formulierten ergänzenden Vorgaben sein sollten. Dies ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu bemängeln.

Sofern bei dieser Prüfung Anhaltspunkte dafür hervortraten, dass im Verfahren der Zertifizierung nach den Erprobungsrichtlinien zur TR Pistolen zu untersuchende und zu bewertende Eigenschaften fehlerhaft beurteilt worden sein konnten und dadurch namentlich die im Umgang mit Schusswaffen als besonders wichtig einzustufende Schützensicherheit in Frage zu stellen war, durfte die technische Prüfung der Vergabestelle darüber freilich nicht hinweggehen. Diesbezüglichen Bedenken musste im Fall ihres Auftretens nachgegangen werden. Jedoch belegen die unter dem 26.7.2004 und 10.8.2004 (in diesem Fall zwar nicht zeitnah, aber ebenso wenig kausal für eine Rechtsverletzung der Antragstellerin) zu den Vergabeakten gebrachten Vermerke technischer Prüfer der Vergabestelle, dass aufgetretene Bedenken an der Sicherheit der Pistole P 99 im Rahmen der technischen Prüfung aufgegriffen worden sind und dass die Pistole in diesen Punkten daraufhin eingehend, und zwar durch wiederholte Versuchsstellungen im Waffenlabor der Vergabestelle, untersucht worden ist. Diese Verfahrensweise der Vergabestelle lässt keine Verletzung von Bieterrechten der Antragstellerin erkennen.

cc. Die Bedenken, die aus Gründen der Sicherheit der Handhabung zu einer ergänzenden Prüfung der Pistole P 99 geführt haben, sind von der Vergabestelle mit einer vertretbaren und dem Ergebnis der näheren Untersuchung entsprechenden Begründung entkräftet worden. Hierbei ist anzuerkennen, dass der Auftraggeber bei der Wertung der Angebote einen nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum genießt. Vom Beurteilungsspielraum des Auftraggebers ist gleichermaßen die hier in Rede stehende technische Bewertung umfasst. Eine nachträgliche Kontrolle hat durch die Vergabenachprüfungsinstanzen nur darauf hin stattzufinden, ob die rechtlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums von der Vergabestelle beachtet worden sind, mit anderen Worten, ob das vorgeschriebene Verfahren eingehalten, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist, keine sachwidrigen Erwägungen in die Entscheidung eingeflossen sind und die Entscheidung sich im Rahmen der Gesetze und der allgemein gültigen Beurteilungsmaßstäbe hält (vgl. insoweit u.a. Boesen, Vergaberecht, § 97 GWB Rn. 151). Dagegen ist im vorliegenden Fall nicht verstoßen worden. Dies geht unmittelbar aus den Ausführungen der vorstehend unter bb. angesprochenen Vermerke der technischen Prüfer der Vergabestelle hervor.

Die Vermerke lassen ersehen, dass z.B. aus der teilzerlegten Pistole P 99 - genauer: aus einem aus Rohr und Verschluss bestehenden Fragment - theoretisch ein Schuss gelöst werden kann, sofern sich eine Patrone im Patronenlager befindet. Auch soll es möglich sein, das Rohr umgekehrt in den Verschluss einzubauen und in diesem Zustand bei auf dem Griffstück aufgesetztem Verschluss einen Schuss abzufeuern. Indessen steht aufgrund der von der Vergabestelle durchgeführten Versuche fest, dass in allen in Rede stehenden Fällen nur durch eine Verkettung mehrer hintereinander geschalteter, bewusster und - was die Abgabe eines Schusses in teilzerlegtem Zustand anbelangt - auch mit einigem Kraftaufwand verübter Bedienungsfehler, die bei der gegebenen Sachlage als ausdrücklich vorschriftswidrige und vorsätzliche Manipulationen bezeichnet zu werden verdienen, eine nicht bestimmungsgemäße Schussabgabe provoziert werden kann. Eine Beurteilung, die darauf verzichtet, solche regelwidrigen, lediglich theoretisch möglichen und bei der vorliegenden Zweckbestimmung der Waffe unwahrscheinlichen Eingriffe und deren Folgen - und zwar in dem die Sicherheitsüberprüfung betreffenden Punkt - zum Gegenstand der Angebotswertung zu machen, überschreitet nicht die der Ausübung des Beurteilungsspielraums gezogenen Grenzen. Es ist schließlich zu bedenken, dass die Pistole nicht in unkundige Hände gelangen, sondern im Umgang mit Waffen ausgebildeten und verantwortungsbewussten Polizeibeamten zur Ausübung ihres Dienstes überlassen werden soll.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung gründet sich auf § 50 Abs. 2 GKG.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 21.02.2005
Az: VII-Verg 91/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/67fd09bd2795/OLG-Duesseldorf_Beschluss_vom_21-Februar-2005_Az_VII-Verg-91-04




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