Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juli 2006
Aktenzeichen: 8 W (pat) 31/05

(BPatG: Beschluss v. 13.07.2006, Az.: 8 W (pat) 31/05)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 23 Q des Patentamts vom 30. Juni 2005 aufgehoben und das Patent 196 55 333 wie folgt erteilt:

Bezeichnung: Kühl/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine Anmeldetag: 12. August 1996 Teilanmeldung aus 196 55 256.7-14, die ihrerseits aus der Patentanmeldung 196 32 472 abgetrennt worden ist.

Die Priorität der JP 259 174/95 vom 30. August 1995 ist in Anspruch genommen.

Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung, Seiten 1 bis 18 und 15 Seiten Zeichnungen, Figuren 1 bis 15, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Gründe

I.

Die Patentanmeldung 196 55 333.4-14 mit der ursprünglichen Bezeichnung "Spindelvorrichtung für eine Werkzeugmaschine" ist durch Teilung aus der Stammanmeldung 196 55 256.7-14, welche wiederum aus der älteren Stammanmeldung 196 32 472 hervorgegangen ist, entstanden. Sie nimmt die japanische Priorität JP 259174/95 vom 30. August 1995 der älteren Stammanmeldung in Anspruch. Nach einem negativ gehaltenem Prüfungsbescheid ist die Patentanmeldung 196 55 333 von der Prüfungsstelle für Klasse B 23 Q mit Beschluss vom 30. Juni 2005 auf Grund des § 48 PatG zurückgewiesen worden, nachdem die Anmelderin mit Eingabe vom 4. Mai 2005 um Entscheidung nach Aktenlage gebeten hatte.

Gegen den Zurückweisungsbeschluss hat die Anmelderin am 15. Juli 2005 Beschwerde eingelegt.

Sie hat in der mündlichen Verhandlung neu gefasste Patentansprüche 1 bis 9 eingereicht.

Der Patentanspruch 1 lautet:

Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine, mit einer Spindel (1), die zur Drehung um eine Drehachse angepasst ist, einem ersten Zuführpfad (s2) und einem zweiten Zuführpfad (s1) zum getrennten Zuführen von Flüssigkeit und Luft in der Spindel, und einer Nebelerzeugungsvorrichtung (33) zum Erzeugen von Nebel durch Mischen von Luft und Flüssigkeit, die über den ersten und zweiten Zuführpfad (s2, s1) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Nebelerzeugungsvorrichtung (33) in dem vorderen Endbereich der Spindel (1) derart vorgesehen ist, dass sie sich integral mit der Spindel dreht.

Der nebengeordnete Patentanspruch 2 lautet:

Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine, mit einer Spindel (1), die zur Drehung um eine Drehachse angepasst ist, einem Werkzeughalter (8), einem ersten Zuführpfad (s2) und einem zweiten Zuführpfad (s1) zum getrennten Zuführen von Flüssigkeit und Luft in der Spindel, und einer Nebelerzeugungsvorrichtung (33) zum Erzeugen von Nebel durch Mischen von Luft und Flüssigkeit, die über den ersten und zweiten Zuführpfad (s2, s1) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet, dass die Nebelerzeugungsvorrichtung (33) in dem Werkzeughalter (8) derart vorgesehen ist, dass sie sich integral mit der Spindel dreht.

Hinsichtlich der Unteransprüche 3 bis 9 wird auf die Akten Bezug genommen.

Die Aufgabe der Erfindung ist nach den Beschreibungsunterlagen darin zu sehen, die Nachteile der herkömmlichen Vorrichtungen, bei denen der Nebel durch das Innere der Spindel über einen längeren Weg geleitet oder aber ganz außerhalb der Spindel erzeugt wird und somit durch Zentrifugalkräfte wieder entmischt wird, zu beseitigen.

Die Anmelderin hat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, es habe einer erfinderischen Tätigkeit bedurft, um zum Anmeldungsgegenstand nach dem Patentanspruch 1 oder 2 zu gelangen. Sie hat zum entgegengehaltenen Stand der Technik vorgetragen, dass dort nirgends Kühl-/Schmiervorrichtungen für Werkzeugmaschinen gezeigt seien, deren Nebelerzeugungsvorrichtungen sich integral mit der Spindel drehen. Die Patentanmeldung zeige im Unterschied zum entgegengehaltenen Stand der Technik eine konkrete Lösung, wie eine Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine zu gestalten sei, die auch für Hochgeschwindigkeitswerkzeugmaschinen geeignet sei. Dies könne der entgegengehaltene Stand der Technik nicht nahe legen.

Die Anmelderin stellt den Antrag, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse B 23 Q des Patentamts vom 30. Juni 2005 aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 9, Beschreibung, Seiten 1 bis 18 sowie 15 Seiten Zeichnungen, Figuren 1 bis 15, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.

Zum Stand der Technik waren die folgenden Druckschriften in Betracht gezogen worden:

(D1) DE 42 00 808 A1

(D2) HORN W.: Versuche zum Bohren und Gewinden von Aluminiumlegierungen mit innerer Minimalmengenschmierung. In: Tagungsunterlagen Fachgespräch "Bohrverfahren im modernen Produktionsprozess", ISF der Universität Dortmund, 21. und 22. Februar 1995, S. 27 - 33.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch begründet.

Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne des PatG § 1 bis § 5 dar.

1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1, des nebengeordneten Patentanspruchs 2 sowie der Inhalt der weiteren Patentansprüche 3 bis 9 ist in den ursprünglichen Unterlagen als zum Anmeldungsgegenstand gehörend offenbart.

Der Patentanspruch 1 und auch der nebengeordnete Patentanspruch 2 enthalten Merkmale, die im ursprünglichen Anspruch 1 offenbart sind. Die Ergänzungen, wonach die Spindel zur Drehung um eine Drehachse angepasst ist und die Nebelerzeugungsvorrichtung sich integral mit der Spindel dreht, ergeben sich aus der Darstellung des Drehgelenks 11a in den Figuren 6 und 7, in Verbindung mit der Beschreibungsseite 10, Zeilen 9 bis 11 sowie 24 bis 27, aus denen klar ersichtlich ist, dass das Düsenelement fest mit der drehbaren Spindel verbunden ist.

Die Merkmale des Patentanspruchs 3 sind im ursprünglichen Anspruch 1 offenbart.

Die Merkmale des Patentanspruchs 4 ergeben sich aus Seite 7, Zeile 30, bis Seite 8, Zeile 15 der ursprünglichen Beschreibungsunterlagen in Verbindung mit der Figur 5.

Die Merkmale der Ansprüche 5 und 6 sind auf Seite 12 Zeile 5 bis Seite 13 Zeile 29 der ursprünglichen Beschreibungsunterlagen offenbart.

Die Merkmale der Ansprüche 7 und 8 sind auf Seite 14, Zeile 13 bis Seite 15, Zeile 15 der ursprünglichen Beschreibungsunterlagen bzw. dem ursprünglichen Anspruch 3 offenbart.

Die Merkmale des Anspruchs 9 sind auf Seite 10 sowie hinsichtlich des Absperrventils Seite 14, Zeile 13 bis Seite 15, Zeile 15 der Beschreibungsunterlagen offenbart.

Daher sind die geltenden Ansprüche 1 bis 9 ursprünglich offenbart und daher zulässig.

2. Die Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine nach Patentanspruch 1 hat als neu zu gelten, da keine der entgegengehaltenen Druckschriften eine Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine offenbart, deren Nebelerzeugungsvorrichtung sich integral mit der Spindel dreht.

Bei der DE 42 00 808 A1 ist die Nebelerzeugungsvorrichtung drehfest innerhalb der rotierenden Spindel angeordnet. In der Veröffentlichung von W. Horn: Versuche zum Bohren und "Gewinden..." (a. a. O.) ist keine Nebelerzeugungsvorrichtung gegenständlich ausgebildet.

3. Der Gegenstand nach Patentanspruch 1, dessen gewerbliche Anwendbarkeit nicht in Zweifel steht, beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Der Patentgegenstand geht von einem Stand der Technik aus, wie er durch die DE 42 00 808 A1 bekannt ist. Diese DE 42 00 808 A1 zeigt bereits eine Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine, mit einer Spindel (2), einem ersten Zuführpfad (20) und einem zweiten Zuführpfad in Form eines Rohres (19) zum getrennten Zuführen von Flüssigkeit (durch das Rohr 19) und Luft. Das Rohr (19) endet in einem hohlen Werkzeug (10), so dass sich an dieser Stelle die Luft mit der Flüssigkeit vermischt. Daher kann das Ende des Rohres im weitesten Sinn als eine Art Nebelerzeugungsvorrichtung aufgefasst werden. Jedoch ist diese Nebelerzeugungsvorrichtung anders als beim Streitpatent nicht in dem vorderen Endbereich der Spindel vorgesehen, sondern in dem Schaft des Werkzeugs, so dass bei entnommenem Werkzeug das Rohr über die Spindel heraussteht. Weiterhin ist die Nebelerzeugungsvorrichtung bei der DE 42 00 808 A1 anders als beim Streitpatent drehfest innerhalb der rotierenden Spindel angeordnet.

Somit kann diese Schrift einen Fachmann, einen Diplom-Ingenieur mit Fachhochschulabschluss und einschlägiger Berufserfahrung bei der Konstruktion von spanenden Werkzeugmaschinen und deren Komponenten, nicht dazu anregen, eine Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine derart auszubilden, dass deren Nebelerzeugungsvorrichtung in dem vorderen Endbereich der Spindel angeordnet ist und sich integral mit der Spindel dreht.

Die Veröffentlichung von W. Horn: "Versuche zum Bohren und Gewinden..." (a. a. O.) betrifft Versuchsberichte zum Bohren und Gewinden von Aluminiumlegierungen mit innerer Minimalmengenschmierung und zeigt, dass bei Hochgeschwindigkeitsbearbeitungszentren durch eine innere Minimalschmierung die Schmiermittelmenge reduziert werden kann. Hierbei wird auch vorgeschlagen, das Schmiermittel und die Luft erst kurz vor Eintritt in das Werkzeug zu mischen (Seite 27, letzter Absatz), wozu eine Einrichtung zur Minimalschmierung in die Motorspindel integriert wurde (Seite 29, letzter Absatz). Weitere Anregungen, wo genau und wie diese Integration der Einrichtung zur Minimalschmierung in die Motorspindel erfolgt ist, sind in dieser Druckschrift nicht angegeben. Insbesondere gibt diese Schrift dem Fachmann auch keinerlei Hinweise, dass eine Nebelerzeugungsvorrichtung drehbar angeordnet werden könnte. Aus diesem Grund kann auch diese Druckschrift dem Fachmann keinerlei Anregungen dahin geben, die Nebelerzeugungsvorrichtung derart im vorderen Endbereich der Spindel anzuordnen, dass sie sich integral mit der Spindel dreht.

Es kann somit dahingestellt bleiben, ob diese Schrift tatsächlich vorveröffentlicht ist oder ob lediglich der Inhalt des Fachgesprächs, wie in der Veröffentlichung von W. Horn: "Versuche zum Bohren und Gewinden..." (a. a. O.) dokumentiert ist, den Stand der Technik darstellt.

Der entgegengehaltene Stand der Technik konnte daher weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau betrachtet einem Fachmann den Anmeldungsgegenstand nach Patentanspruch 1 nahe legen.

Nach alledem ist der Gegenstand nach Patentanspruch 1 patentfähig und dieser Anspruch somit gewährbar.

4. Der Gegenstand des Patentanspruchs 2, der aufgrund seiner Zweckbestimmung ohne Zweifel gewerblich anwendbar ist, hat als neu zu gelten, da keine Druckschrift seine Merkmale in ihrer Gesamtheit zeigt. Er beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Wie bereits bei der Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes nach dem Patentanspruch 1 ausgeführt ist, sind aus dem Stand der Technik keine Kühl-/Schmiervorrichtungen für Werkzeugmaschinen beschrieben oder nahe gelegt, deren Nebelerzeugungsvorrichtung sich integral mit der Spindel dreht. Da auch der Patentanspruch 2 im Wesentlichen diejenigen Merkmale aufweist, die in dem Patentanspruch 1 aufgeführt sind, ist das Vorliegen der erfinderischen Tätigkeit übereinstimmend zu beurteilen. Auf die entsprechenden Ausführungen wird verwiesen.

Der Patentanspruch 2 ist daher auch gewährbar.

Zusammen mit den Patentansprüchen 1 und 2 sind auch die auf vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Kühl-/Schmiervorrichtung für eine Werkzeugmaschine gerichteten Ansprüche 3 bis 9 gewährbar.






BPatG:
Beschluss v. 13.07.2006
Az: 8 W (pat) 31/05


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/687552171f0c/BPatG_Beschluss_vom_13-Juli-2006_Az_8-W-pat-31-05




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share