Landgericht Duisburg:
Urteil vom 18. Juni 1996
Aktenzeichen: 1 O 139/96

(LG Duisburg: Urteil v. 18.06.1996, Az.: 1 O 139/96)

Tenor

Den Verfügungsbeklagten wird im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM und für den Fall, daß dieses nicht beigetrie- en werden kann bei Meidung von Ordnungshaft verboten, niedergelassenen Àrzten im Rahmen einer Laborgemein- schaft Laborleistungen anzubieten oder anbieten zu lassen, die in den Abschnitten M III und M IV des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen der Gebührenordnung für Àrzte in der ab dem 1.1.1996 geltenden Fassung geregelt sind, ohne deutlich und unmißverständlich darauf hinzuweisen, daß die Abrechnung sol- cher Leistungen als Eigenleistungen die persönliche und räumli- che aufsichtsführende Anwesenheit der einreichenden Àrzte wäh- rend der gesamten Untersuchung erfordert, oder derartige Laborleistungen durchzuführen oder an der Durchführung mitzuwirken und den auftraggebenden Àrzten die Ergebnisse zu dem Zweck mitzuteilen, daß die Àrzte die Laborleistungen als eigene Leis- tungen abrechnen können, ohne sicherzustellen, daß die persönliche und räumliche aufsichtsführende Anwesenheit der einreichenden Àrzte während der gesamten Untersuchung nachweisbar gewähr- leistet ist. Die Verfügungsbeklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Der Kläger und die Beklagten sind Fachärzte für Laboratoriumsmedizin. Vom 1.1.1995 bis zum 31.12.1995 betrieben sie in eine Gemeinschaftspraxis. Ab dem 1.3.1996 zu 1.2.1996 erhielt der Kläger die Zulassung der Kassenärztlichen Vereinigung zur Niederlassung in . Am 1.3.1996 hat er dort seine Laborarztpraxis eröffnet.

Die Beklagten hatten unter der Bezeichnung eine Privatärztliche Laborgemeinschaft ins Leben gerufen mit dem Ziel, einsendenden Àrzten die Möglichkeit zu geben, Leistungen des Speziallabors selbst gegenüber den Patienten zu liquidieren nachdem sie von den Laborärzten erbracht waren.

Es handelt sich dabei um Laborleistungen, die jetzt in den Abschnitten M III und M IV der Gebührenordnung für Àrzte zusammengefaßt sind. Nach der bis zum 31.12.1995 geltenden Fassung der Gebührenordnung für Àrzte war es unbedenklich, daß ein niedergelassener Arzt die in seinem Auftrag von einem Laborarzt erbrachte ärztliche Leistung dem Patienten gegenüber als eigene Leistung abrechnete. Durch die vierte Ànderungsverordnung von Dezember 1995, die am 1. Januar 1996 in Kraft getreten ist, hat sich eine Ànderung ergeben. § 4 Abs. 2 der Gebührenordnung für Àrzte lautet nunmehr wie folgt:

"Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berech-

nen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher

Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Als eigene Leistungen gelten

auch von ihm berechnete Laborleistungen des Abschnitts M II des Gebühren-

verzeichnisses (Basislabor), die nach fachlicher Weisung unter der Aufsicht

eines anderen Arztes in Laborgemeinschaften oder in von Àrzten ohne

eigene Liquidationsberechtigung geleiteten Krankenhauslabors erbracht wer-

den."

Um ihren Einsendern auch weiterhin bei eigenem Liquidationsrecht gegenüber dem Patienten Leistungen des sogenannten Speziallabors (M III und M IV GOÀ) zu ermöglichen entwickelten die Beklagten Ende 1995 folgende Handhabung. Blutuntersuchungen, die in einem Analyseautomaten durchgeführt werden, sollten weiterhin bei den einsendenden Àrzten abgeholt werden und in der Laborpraxis der Beklagten untersucht werden. Von dem eingesandten Blut wird zunächst in der Zentrifuge das Serum gewonnen. Dieses wird dann im Analyseautomaten nacheinander auf die vom einsendenden Arzt angegebenen Parameter untersucht. Die Ergebnisse druckt der Automat aus. Anschließend soll der einsendende Arzt persönlich das Labor aufsuchen um die Plausibilität des Analyseergebnisses zu prüfen und zu unterschreiben. Diesen Vorgang bezeichnen die Beklagten als Validierung. Während des Untersuchungsvorgangs im Labor muß der einsendende Arzt telefonisch erreichbar sein.

Die Beklagten stellten diese Methodik in einem Rundschreiben im Dezember 1995 ihren einsendenden Àrzten vor und taten darin ihre Auffassung kund, diese Verfahrensweise entspreche der Neufassung der Àrztlichen Gebührenordnung und ermögliche es den einsendenden Àrzten weiterhin die Laborleistungen, die sie wesentlich günstiger berechnet bekommen, dem Patienten gegenüber als eigene ärztliche Leistung zu liquidieren. Die Beklagten verfahren seit dem 1.1.1996 auch tatsächlich so, wie geplant. Sie haben neben ihrem Stammsitz in Außenstellen in und eingerichtet, in denen ebenfalls Analyseautomaten aufgestellt wurden, in der einsendende Àrzte Blutproben auf die beschriebene Art und Weise untersuchen lassen können.

Der Kläger ist der Auffassung, daß Verhalten der Beklagten stelle sich als eine Umgehung des Gesetzes dar.

Der Kläger beantragt,

im Wege der einstweiligen Verfügung den Beklagten bei Meidung

eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM und für den Fall das

dieses nicht beigetrieben werden kann bei Meidung von Ordnungshaft

zu verbieten, niedergelassenen Àrzten im Rahmen einer Laborgemein-

schaft Laborleistungen anzubieten oder anbieten zu lassen, die in

den Abschnitten M III und M IV des Gebührenverzeichnisses für

ärztliche Leistungen der Gebührenordnung für Àrzte in der ab dem

1.1.1996 geltenden Fassung geregelt sind, ohne deutlich und unmiß-

verständlich darauf hinzuweisen, daß die Abrechnung solcher Leistun-

gen als Eigenleistung und die persönliche und räumliche aufsichtsfüh-

rende Anwesenheit der einreichenden Àrzte während der gesamten

Untersuchung erfordert,

oder

derartige Laborleistungen durchzuführen oder an der Durchführung mit-

zuwirken und den auftraggebenden Àrzten die Ergebnisse zu dem

Zweck mitzuteilen, daß die Àrzte die Laborleistungen als eigene

Leistungen abrechnen können, ohne sicherzustellen, daß die persön-

liche und räumliche aufsichtsführende Anwesenheit der einreichenden

Àrzte während der gesamten Untersuchung nachweisbar gewährleis-

tet ist.

Die Beklagten beantragen,

den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Beklagten tragen vor, ihre Verfahrensweise entspreche den gesetzlichen Vorschriften, denn die Leistungserbringung erfolge unter Aufsicht und fachlichen Weisung des einsendenden Arztes. Sie berufen sich dabei auf eine Stellungnahme der Bundesärztekammer. Darin heißt es in Bezug auf die Leistungen des Abschnitts M III und M IV der Gebührenordnung:

"In solchen Fällen ergibt sich daher gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÀ die Notwendigkeit, daß der Arzt grundsätzlich bei allen Schritten der Leistungsstellung persönlich anwesend ist, auch wenn er das Labor einer Laborgemeinschaft zur eigenen Leistungserbringung in Anspruch nimmt. Während der technischen Erstellung durch automatisierte Verfahren, welche im Labor ausgeführt werden, ist allerdings die persönliche Anwesenheit während dieses Teilschritts nicht erforderlich. Zur Wahrnehmung der Aufsicht sind mindestens folgende Voraussetzungen zu erfüllen: Sicherstellung ordnungsgemäßer Probenvorbereitung, die regelmäßige stichprobenartige Óberprüfung der ordnungsgemäßen Laborgerätewartung und der Bedienungsabläufe durch das Laborpersonal einschließlich der Durchführung der Qulitätssicherungsmaßnahmen, die persönliche und nicht nur telefonische Erreichbarkeit innerhalb kurzer Zeit zur Aufklärung von Problemfällen, die persönliche Óberprüfung der Plausibilität der aus einem Untersuchungsmaterial erhobenen Parameter im Labor nach Abschluß des Untersuchungsganges um bei auftretenden Zweifeln aus derselben Probe eine weitere Analyse zeitgerecht durchführen zu können, die unmittelbare Weisungsberechtigung gegenüber dem Laborpersonal, die Dokumentation der Wahrnehmung der Verantwortung."

Dieser Stellungnahme habe sich auch der Bundesgesundheitsminister angeschlossen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung ist gerechtfertigt.

Die Beklagten verstoßen gegen die guten Sitten im Wettbewerb gemäß § 1 UWG, da sie niedergelassenen Àrzten das Angebot machen, im Rahmen einer Laborgemeinschaft Laborleistungen der Abschnitte M III und M IV des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen der Gebührenordnung für Àrzte durchzuführen, ohne das dabei gesichert ist, daß die persönliche und räumliche aufsichtsführende Anwesenheit der Àrzte während der gesamten Untersuchung nachweisbar gewährleistet ist. Die Durchführung dieser Laborleistungen und das entsprechende Angebot, bei denen die einsendenden Àrzte die gewonnenen Resultate nur noch validieren, während der Analyse aber nicht durchgehend anwesend sind, verstößt gegen die Neuregelung des § 4 Abs. 2 der GOÀ 1996 weil

den einsendenden Àrzten auf diese Weise zu Unrecht ermöglicht wird, diese Laborleistungen als eigene ärztliche Leistung gegenüber dem Patienten abzurechnen.

Nach Auffassung der Kammer genügt eine Durchführung der Laboranalyse nach den Anweisungen des einreichenden Arztes, bei der dieser später nur noch die Ergebnisse überprüft, den gesetzlichen Anforderungen nicht. Soweit der abrechnende Arzt Laborleistungen der Abschnitte M IIII und M IV nicht persönlich erbringt, müßten sie unter seiner Aufsicht und unter seiner fachlichen Weisung erbracht werden. Das setzt die persönliche räumliche Anwesenheit des Arztes während der Leistungserbringung im Labor voraus. Andernfalls kann der Arzt die Tätigkeit der medizinischtechnischen Assistentin weder in dem erforderlichen Umfang überwachen noch ist er in der Lage zu jedem Zeitpunkt in den Analysevorgang einzugreifen. Von Auffälligkeiten des gewonnenen Blutserums und von Unstimmigkeiten der einzelnen Analysevorgänge erfährt der einsendende Arzt während der Leistungserbringung nur etwas, wenn die ausführende medizinischtechnische Assistentin ihn anruft. Ein unverzügliches Eingreifen des so informierten Arztes, der sich erst auf den Weg ins Labor machen müßte, erscheint der Kammer schon aus praktischen Gründen wegen der damit verbundenen längeren Abwesenheit von der Praxis nicht durchführbar.

Eine andere Auslegung von § 4 Abs. 2 Satz 1 GOÀ würde dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Das Ziel der vierten Ànderungsverordnung GOÀ ist nach der amtlichen Begründung die sogenannte Selbstzuweisung von Laborleistungen einzuschränken, da diese Regelung eine Mengenausweitung der Laborleistungen begünstigt. Eine solche Selbstzuweisung kann mengenmäßig nur verhindert werden, wenn den behandelnden Àrzten das finanzielle Interesse an einer solchen Praxis genommen wird. Ließe man, wie die Beklagten das für richtig halten, die Validierung von Untersuchungsergebnissen ausreichen, würde sich an der vorherigen Praxis, die der Verordnungsgeber gerade ändern wollte, kaum etwas ändern. Die Kammer sieht in ihrer Auffassung auch keinen Widerspruch zu der Stellungnahme der Bundes-ärztekammer. Auch die Bundesärztekammer fordert, daß der abrechnende Arzt jederzeit während Leistungserbringung und das nicht nur telefonisch erreichbar sein muß. Es ist sicher richtig, daß die Anwesenheit des Arztes nicht erforderlich ist, während der Automat einen Analysevorgang durchführt. Wie die Parteien übereinstimmend erklärt haben, dauert ein solcher Analysevorgang mitunter nur 20 Minuten. Danach kann die Anwesenheit des Arztes zu Kontrollzwecken wieder erforderlich werden. Das macht erforderlich, daß er im Gebäude selbst, in dem das Labor sich befindet oder beispielsweise in einem Nachbargebäude erreichbar ist.

Indem die Beklagten es den niedergelassenen Àrzten ermöglichen unter Verstoß gegen das Gesetz ohne persönliche Leistungserbringung die Leistungen des Speziallabors als eigene Leistung abzurechnen, verstoßen sie gegen § 1 UWG. Niedergelassene Àrzte, die in ihrer Praxis über kein eigenes Speziallabor verfügen, müßten die Patienten an andere Laborärzte, wie beispielsweise den Kläger überweisen wenn die Untersuchung erforderlich ist. Indem die Beklagten einen für die einsendenden Àrzte auch finanziell attraktiven Weg geschaffen haben, solche Patientenüberweisungen zu umgehen, verhalten sie sich wettbewerbswidrig und verschaffen sich gegenüber konkurrierenden Àrzten einen finanziellen Vorteil.

Die Vermutung der Eilbedürftigkeit gemäß § 25 UW ^1G ist im vorliegenden Fall nicht widerlegt. Der Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung ist am 15. April 1996 bei dem Landgericht eingegangen. Der Kläger hatte zwar schon seit Ende Dezember 1995 Kenntnis von dem Vorhaben der Beklagten, aber solange er nicht seine eigene Praxis eröffnet hatte, bestand zu den Beklagten kein Konkurrenzverhältnis, so daß dem Kläger die Klagebefugnis vor dem 1. März 1996 gefehlt hätte. Im übrigen hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, daß er sich erst einen Óberblick verschaffen wollte, in welcher Weise er in seiner neuen Praxis in durch das beanstandete Verhalten der Beklagten betroffen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Der Streitwert wird auf 500.000,-- DM festgesetzt.






LG Duisburg:
Urteil v. 18.06.1996
Az: 1 O 139/96


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