Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Mai 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 196/00

(BPatG: Beschluss v. 06.05.2002, Az.: 30 W (pat) 196/00)

Tenor

Die Beschwerden der Markeninhaberin und der aus der Marke 1 104 986 Widersprechenden werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Marke YRIS ist unter der Nummer 396 12 167 am 20. Januar 1997 in das Register eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 29. März 1997. Sie ist nach Einschränkung des Warenverzeichnisses und Teilverzicht im Beschwerdeverfahren noch bestimmt für Waren der Klassen 5, 29, 30 und 32 ua für "apothekenpflichtige pharmazeutische Erzeugnisse; Biere, Mineralwasser und kohlensäurehaltige Wasser und alkoholfreie Getränke".

Widerspruch erhoben hat ua die Inhaberin der am 9. November 1993 ua für "pharmazeutische Erzeugnisse sowie Präparate für die Gesundheitspflege" eingetragenen Marke 1 189 043 ERIS und die Inhaberin der am 15. April 1987 für "Natürliches Mineralwasser aus der Irisquelle in der Gemarkung Löhne der Stadt Löhne sowie daraus hergestellte alkoholfreie Getränke und Limonaden" eingetragenen Marke 1 104 986 Irisquelle.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 189 043 ERIS die teilweise Löschung der angegriffenen Marke, ua hinsichtlich der Waren der Klasse 5, angeordnet und die weiteren Widersprüche zurückgewiesen. Im Umfang der Löschung bestehe wegen identischer Waren klangliche Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und der Marke 1 189 043 ERIS. Hinsichtlich des Widerspruchs aus der Marke 1 104 986 Irisquelle bestehe schon deshalb keine Verwechslungsgefahr, weil dem Bestandteil "Iris-" keine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukomme; das Markenwort erscheine als Einheit.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie hat im Beschwerdeverfahren auf die Waren der Klasse 3 verzichtet und hinsichtlich der pharmazeutischen Erzeugnisse das Warenverzeichnis auf "apothekenpflichtige pharmazeutische Erzeugnisse" beschränkt und hält im Hinblick darauf Verwechslungsgefahr für ausgeschlossen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. April 2000 aufzuheben, soweit die teilweise Löschung der Marke 396 12 167 YRIS angeordnet worden ist und den Widerspruch aus der Marke 1 189 043 ERIS zurückzuweisen.

Die aus der Marke 1 189 043 ERIS Widersprechende beantragt, die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückzuweisen.

Sie hält auch nach Einschränkung des Warenverzeichnisses die Gefahr von Verwechslungen für gegeben.

Ferner hat die aus der Marke 1 104 986 Irisquelle Widersprechende Beschwerde eingelegt. Sie hält in ihrer Marke den Bestandteil "-quelle" für bedeutungslos und deshalb Verwechslungsgefahr für gegeben.

Die aus der Marke 1 104 986 Irisquelle Widersprechende beantragt, den Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts vom 10. April 2000 insoweit aufzuheben, als der Widerspruch aus der Marke 1 104 986 Irisquelle zurückgewiesen wurde und die Löschung der angegriffenen Marke auch zumindest hinsichtlich der Waren der Klasse 32 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt demgegenüber sinngemäß, die Beschwerde der aus der Marke 1 104 986 Irisquelle Widersprechenden zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke 396 12 167 YRIS ist nicht begründet, weil Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG mit der Marke 1 189 043 ERIS besteht; die Markenstelle hat deshalb zu Recht die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet.

Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wechselbeziehung zueinanderstehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr zB BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2000, 506, 508 - ATTACHÉ/TISSERAND jew mwN).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke 1 189 043 ERIS aus, da entgegenstehende Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.

Im Bereich der hier - im Hinblick auf den Teilverzicht - noch maßgeblichen Waren der Klasse 5 können sich teils identische, teils ähnliche Waren gegenüberstehen. Verwechslungsmindernd wirkt sich die Aufnahme der Apothekenpflicht in das Warenverzeichnis der angegriffenen Marke insoweit aus, als dadurch Fachleute in den Erwerbsvorgang eingeschaltet sind, die aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimitteln regelmäßig sehr sorgfältig sind und deshalb Markenverwechslungen weniger unterliegen als Endverbraucher. Anders als bei einer im Warenverzeichnis enthaltenen "Rezeptpflicht" führt die Aufnahme der "Apothekenpflicht" bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr aber nicht zu einer stärkeren Gewichtung des Schriftbildes. Vielmehr sind bei einer Apothekenpflicht mündliche Benennungen vor allem in Form von Empfehlungen unter Laien, aber auch zwischen Apothekern und Endverbrauchern sowie unter Fachleuten bzw durch Fachleute, insbesondere Apotheker und Ärzte, uneingeschränkt zu berücksichtigen.

Unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der Warenlage wird der danach erforderliche Abstand zur älteren Widerspruchsmarke von der jüngeren Marke nicht gewahrt. Die Vergleichsmarken stimmen in drei von vier Buchstaben überein. Die Abweichung besteht zwar im Anfangsbuchstaben ("Y" gegenüber "E") und erfahrungsgemäß werden Wortanfänge stärker beachtet als die übrigen Markenteile (vgl hierzu Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl § 9 Rdn 97). Diese Abweichung führt aber nicht zu einem zur Verneinung der Verwechslungsgefahr ausreichend verschiedenen Klangbild der Marken, gleich ob der Buchstabe "Y" wie "I" oder aber wie "Ü" ausgesprochen wird. Dies beruht nicht nur auf der klanglichen Annäherung der Vokale "E" und "I" bzw des "E" mit dem Umlaut "Ü", sondern auch darauf, daß die nur aus einem Buchstaben bestehende erste Silbe der Vergleichswörter klanglich von der aus drei Buchstaben bestehenden zweiten Silbe überlagert wird.

Die Verwechslungsgefahr wird entgegen der Auffassung der Inhaberin der angegriffenen Marke auch nicht durch einen abweichenden Sinngehalt der Markenwörter kompensiert. Voraussetzung für eine derartige Reduzierung ist nämlich, daß der abweichende Sinngehalt vom Verkehr auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfaßt wird und sein Verständnis keinen weitergehenden Denkvorgang erfordert (vgl Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdn 87f mwN). Dafür, daß den hier angesprochenen Verkehrskreisen das Wort ERIS als Name der Göttin der Zwietracht überhaupt geläufig ist, fehlen indessen hinreichend sichere Anhaltspunkte.

Soweit die Inhaberin der angegriffenen Marke darauf abstellt, daß die Widersprechende 1 schon zwei andere, ebenso ähnliche Marken hinzunehmen habe, ist dieser Vortrag mangels konkreter Darlegung zur Benutzungslage nicht entscheidungserheblich (vgl. Althammer/Ströbele aaO, § 9 Rdn 143 ff).

2. Die zulässige Beschwerde der aus der Marke 1 104 986 Irisquelle Widersprechenden ist nicht begründet; es besteht keine Verwechslungsgefahr. Die Ähnlichkeit der Marken ist nach Auffassung des Senats in keiner Richtung derart ausgeprägt, daß unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, der uneingeschränkt angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise und der Warenlage die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG zu bejahen wäre. In Bezug auf die Waren der Klassen 29 und 30 ist eine Verwechslungsgefahr wohl schon mangels Warenähnlichkeit zu verneinen. Die genannten Produkte der angegriffenen Marke weisen hinsichtlich ihrer stofflichen Beschaffenheit, ihrer Art sowie der jeweiligen Verwendungs- und Einsatzzwecke keine für die Annahme einer Warenähnlichkeit relevanten Berührungspunkte mit den Waren der Widerspruchsmarke auf. Selbst wenn man zugunsten der Widersprechenden einen allenfalls sehr geringen Grad der Warenähnlichkeit unterstellen wollte, reichte dann die Abweichung der Marken aus, um eine Verwechslungsgefahr zu verneinen (dazu unten). In Bezug auf die Waren der Klasse 32 kommt allerdings Warenidentität bzw engere Ähnlichkeit in Betracht. Auch bei Anlegung strenger Maßstäbe ist aber ein zur Vermeidung von Verwechslungen ausreichender Markenabstand eingehalten.

In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die Vergleichsmarken klar und unverwechselbar in allen für die Beurteilung des Gesamteindruck wesentlichen Kriterien, wobei die Widerspruchsmarke im Vergleich zur angegriffene Marke doppelt so viele Sprechsilben und mehr als die doppelte Anzahl von Buchstaben aufweist. Auch wenn die angegriffene Marke bei Aussprache des "Y" wie "I" - formal betrachtet - identisch in der Widerspruchsmarke enthalten ist, führt dies nicht zur Bejahung einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr. Solches würde abweichend von dem Grundsatz, daß ein Elementenschutz dem Markenrecht fremd ist (vgl Althammer/Ströbele aaO § 9 Rdn 157 zu mehrgliedrigen Marken), nur dann in Betracht kommen, wenn der Bestandteil "Iris" die Widerspruchsmarke allein kollisionsbegründend prägen würde, was bei Einwortmarken ohnehin nur im Ausnahmefall in Betracht kommt. Eine lediglich mitprägende Wirkung auf den Gesamteindruck reicht dabei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht einmal bei mehrgliedrigen Marken aus, um die weiteren Bestandteile bei der Beurteilung des Gesamteindrucks und der Verwechslungsgefahr in den Hintergrund treten zu lassen (vgl BGH MarkenR 2000, 21 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Eine allein oder selbständig kollisionsbegründende Wirkung kommt dem Bestandteil "Iris" innerhalb der Widerspruchsmarke nicht zu. Der Erfahrungssatz, daß der Verkehr Marken regelmäßig ohne analysierende Betrachtungsweise aufnimmt (vgl BGH MarkenR 1999, 199, 201 liSp 2. Absatz - MONOFLAM/POLYFLAM) spricht dafür, daß die Widerspruchsmarke als geschlossene Gesamtbezeichnung erfaßt wird, ohne daß einem der Zeichenbestandteile eine allein prägende Bedeutung zugemessen wird. Unabhängig von diesem allgemeinen Erfahrungssatz gibt auch eine genauere Untersuchung der konkreten Bezeichnung "Irisquelle" keinen Anlaß für eine andere Beurteilung. Die Bezeichnung "Irisquelle" wirkt vielmehr als geschlossene Gesamtbezeichnung, innerhalb der keines der beiden Zeichenelemente besonders in den Vordergrund oder in den Hintergrund tritt, was eine gedankliche Zergliederung der Widerspruchsmarke ausschließt (vgl auch BGH GRUR 1999, 733, 735 -LION DRIVER; GRUR 1999, 586, 587 -White Lion).

Es besteht auch keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt, daß der Verkehr den Bestandteil "-quelle" der Widerspruchsmarke gedanklich abspaltet und deshalb der Bestandteil "Iris" der angegriffenen Marke isoliert gegenüberzustellen wäre. Eine solche Abspaltung kommt nur in Ausnahmefällen bei glatt beschreibenden und üblichen Zusatzangaben, insbesondere Mengen-, Wirk-, oder Beschaffenheitshinweisen, wie zB "extra, forte, retard", in Betracht (vgl hierzu BPatGE 10, 93 ff - EXTRAVERAL/Verla; BPatG Mitt 1993, 310 ff - Innovaaktiv). Um einen solchen Bestandteil handelt es sich bei "-quelle" offensichtlich nicht.

Anhaltspunkte dafür, daß aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Winter Voit Na






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