Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 30. November 2011
Aktenzeichen: VI-U (Kart) 14/11
(OLG Düsseldorf: Urteil v. 30.11.2011, Az.: VI-U (Kart) 14/11)
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31. März 2011 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln abgeändert und wie folgt neugefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für die Berufungsinstanz und die Beschwer werden auf 500.000,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die zum Konzern der U. I. AG gehörende Klägerin zu 1. ist ein Internet-Provider mit ca. 9,5 Millionen Kundenverträgen. Sie bietet Privatpersonen, Gewerbetreibenden und Freiberuflern grundsätzlich kostenpflichtig online-Anwendungen an. Ihre Tochtergesellschaft, die Klägerin zu 2., betreibt u.a. die kostenlosen Dienste GMX und web.de.
Beide Klägerinnen beabsichtigen die Aufnahme eines sogenannten De-Mail-Dienstes. Hierbei handelt es sich um das an Endverbraucher gerichtete Angebot einer zuverlässigen und vertraulichen elektronischen Kommunikationsmöglichkeit mit anderen Endverbrauchern über das Internet, bei der das verbindliche sowie nachweisbare, insbesondere Authentizität des Absenders gewährleistende Versenden elektronischer Dokumente und Nachrichten ermöglicht wird. Die Anforderungen an einen solchen Dienst und dessen Durchführung sind durch das inzwischen in Kraft getretene Gesetz zur Regelung von De-Mail-Diensten und zur Änderung weiterer Vorschriften (DeMailG) vom 28. April 2011 gesetzlich ausgestaltet. Erforderlich ist hiernach neben der Akkreditierung des Diensteanbieters, dass der Nutzer, dessen Identität der Diensteanbieter anhand eines gültigen amtlichen Ausweises oder im Wege des elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 Personalausweisgesetz oder § 2 Nummer 3 Signaturgesetz zuvor festgestellt hat, bei einem akkreditierten Dienstanbieter ein De-Mail-Konto eröffnet.
Bislang hat das zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) noch keinen De-Mail-Diensteanbieter akkreditiert. Die Klägerinnen streben nach eigenen Angaben die Einleitung des behördlichen Akkreditierungsverfahrens zum Ende des Jahres 2011 an und rechnen mit einer Akkreditierung im ersten Quartal 2012. Auch die Beklagte beabsichtigt, die Akkreditierung als De-Mail-Diensteanbieter zu beantragen und ihr schon eingeführtes, vergleichbares Produkt E-Postbrief, für das sich etwa 1 Million Kunden haben registrieren lassen, als De-Mail fortführen.
Bei den Klägerinnen haben sich seit Juli 2010 etwa 843.000 Interessenten für die Nutzung eines künftigen De-Mail-Dienstes unverbindlich vorregistrieren lassen. Der weit überwiegende Teil dieser Vorregistrierungen konnte in den ersten sechs Monaten verzeichnet werden. In einem Testlauf forderten die Klägerinnen 400 vorregistrierte Interessenten zur Durchführung einer Identitätsfeststellung auf; etwa 70 der aufgeforderten Personen sind dem auch nachgekommen.
Die Beklagte verfügt nach eigenen veröffentlichten Angaben bundesweit über ein Netz von 20.000 Verkaufsstellen und 470.000 Mitarbeiter, davon über 82.000 Briefzusteller. Sie bietet ihren Kunden als Dienstleistung unter anderem den sogenannten Postident-Service an. Hierbei übernimmt die Beklagte für ihren Vertragspartner (Dienstnutzer/Auftraggeber) die Identitätsfeststellung dritter Personen, indem sie durch eigene Mitarbeiter die Legitimationsdaten der fraglichen Person feststellen sowie dokumentieren lässt und die Dokumentation dem Dienstnutzer zusendet. Ihre hierzu angebotene Leistungspalette umfasst die Leistung Postident Basic, die zur Identifikation einer Person durch Vorlage eines Personalausweises in einer Filiale der Beklagten dient, und das Angebot Postident Comfort, welches im selben Überprüfungsumfang die Identifikation durch einen Postzusteller bei Übergabe eines Briefes umfasst. In beiden Fällen entsprechen die Identitätsfeststellung und die Datendokumentation den vom DeMailG gestellten Anforderungen. Das weitere Leistungsangebot Postident Special der Beklagten beinhaltet lediglich eine diesen gesetzlichen Anforderungen nicht genügende Identifikation und Datendokumentation durch den Postzusteller. Die Beklagte erbrachte im Jahr 2009 insgesamt … Postident-Leistungen.
Entsprechend geeignete Identifikationsverfahren bieten neben der Beklagten jedenfalls ihr Tochterunternehmen D. und - seit dem Jahr 2011 sowie ohne einen Schalterdienst - die .. GmbH an. Die früher ebenfalls tätige Anbieterin D. E. hat inzwischen infolge ihrer Insolvenz die Geschäftstätigkeit jedenfalls auf diesem Geschäftsfeld eingestellt. Ob weitere Unternehmen, insbesondere Paketdienstleister, gleiche oder zumindest vergleichbare Identifizierungsdienstleistungen anbieten, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Klägerin zu 1. schloss mit der Beklagten am 04.Juli 2007 einen Rahmenvertrag über die Inanspruchnahme von Postident-Leistungen der Variante Postident Special. Diesen Vertrag kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 27. September 2010 zum 31. Dezember 2010 unter gleichzeitigem Angebot des Abschlusses eines neuen Rahmenvertrages mit im Wesentlichen gleichem Inhalt, aber einer Leistungsausschlussklausel für den Fall, dass
"die Durchführung von Postident-Services im Zusammenhang mit Dienstleistungen steht, die die Vertragsparteien im Wettbewerb zueinander erbringen (z.B. Identifizierung zur Anmeldung zu einem sicheren E-Mail-Service wie De-Mail)".
Die Klägerin zu 1. nahm das Angebot zum Vertragsneuabschluss schließlich an, um ihre Dienstleistungsangebote sicherzustellen.
Die Klägerin zu 2. hat bislang keine Vertragsbeziehung zur Beklagten unterhalten.
Mit ihrer Klage haben beide Klägerinnen die Verpflichtung der Beklagten erstrebt, für sie künftig sämtliche Postident-Dienstleistungen, insbesondere auch der Varianten Postident Basic und Postident Comfort ohne die erwähnte Einschränkung der Leistungspflicht zu erbringen. Auszugehen sei von einem bundesweiten Angebotsmarkt für den gesetzlichen Anforderungen genügende, standardisierte sowie etablierte Identifizierungsdienstleistungen durch natürliche Personen; diesem seien weder die elektronischen Identitätsnachweise noch unter dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität Paketdienstleister und andere Unternehmen, die über ein Filialnetz verfügen und Identitätsfeststellungen nur zu internen Zwecken durchführen, zuzurechnen. Auf dem so abzugrenzenden Markt sei die Beklagte mit einem Marktanteil von über … % marktbeherrschend. Vor diesem Hintergrund sei die Versagung von Postident-Leistungen gerade gegenüber mit der Beklagten künftig konkurrierenden De-Mail-Diensteanbietern kartellrechtwidrig. Denn die Inanspruchnahme des Postident-Angebots der Beklagten sei für die Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Kunden-Identifizierungen im Rahmen des jeweiligen klägerischen De-Mail-Dienstes unerlässlich.
Die Klägerin zu 1. hat beantragt,
der Beklagten nach § 888 ZPO zu gebieten, sämtliche Postident-Dienstleistungen, insbesondere die Leistungen Postident Basic und Postident Comfort, gegenüber der Klägerin zu 1. und deren Kunden auf der Basis des zwischen den Parteien am 04.07.2007 geschlossenen Rahmenvertrages mit der EKP-Nr. … "über die Erbringung des Postident-Services durch die D. P." zu erbringen,
hilfsweise der Beklagten nach § 888 ZPO zu gebieten, auf Nachfrage der Klägerin zu 1. dieser und deren Kunden gegenüber die Leistungen Postident Basic und Postident Comfort auf der Basis des von der Beklagten mit Schreiben vom 27.09.2010 übermittelten Rahmenvertragsentwurfs zu erbringen mit der Maßgabe, dass die Beklagte auch dann eine Leistungspflicht trifft, wenn die Durchführung von Postident-Leistungen im Zusammenhang mit Dienstleistungen steht, die die Klägerin zu 1. im Wettbewerb mit der Beklagten erbringt, namentlich bei der Identifizierung zur Anmeldung zu einem sicheren E-Mail-Service, wie De-Mail.
Die Klägerin zu 2. hat beantragt,
der Beklagten nach § 888 ZPO zu gebieten, sämtliche Postident-Dienstleistungen, insbesondere die Leistungen Postident Basic und Postident Comfort, gegenüber der Klägerin zu 2. und deren Kunden dem Inhalt des Rahmenvertrages zwischen der Klägerin zu 1. und der Beklagten vom 04.07.2007 mit der EKP-Nr. … "über die Erbringung des Postident-Services durch die D. P." zu erbringen,
hilfsweise der Beklagten nach § 888 ZPO zu gebieten, auf Nachfrage der Klägerin zu 2. dieser und deren Kunden gegenüber die Leistungen Postident Basic und Postident Comfort auf der Basis des von der Beklagten mit Schreiben vom 27.09.2010 übermittelten Rahmenvertragsentwurfs zu erbringen mit der Maßgabe, dass die Beklagte auch dann eine Leistungspflicht trifft, wenn die Durchführung von Postident-Leistungen im Zusammenhang mit Dienstleistungen steht, die die Klägerin zu 2. im Wettbewerb mit der Beklagten erbringt, namentlich bei der Identifizierung zur Anmeldung zu einem sicheren E-Mail-Service, wie De-Mail.
Nach mündlicher Verhandlung erster Instanz haben die Klägerinnen binnen der ihnen nachgelassenen Schriftsatznachfrist mit Schriftsatz vom 11. Februar 2011 hilfsweise zu den Hilfsanträgen den Antrag angekündigt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche Postident-Dienstleistungen, insbesondere die Postident Basic und Postident Comfort, gegenüber den Klägerinnen und deren Kunden auf der Basis des von der Beklagten mit Schreiben vom 27.09.2010 übermittelten Rahmenvertragsentwurfs zu erbringen mit der Maßgabe, dass die Beklagte auch dann eine Leistungspflicht trifft, wenn die Durchführung von Postident-Leistungen im Zusammenhang mit Dienstleistungen steht, die die Klägerin zu 2. im Wettbewerb mit der Beklagten erbringt, namentlich bei der Identifizierung zur Anmeldung zu einem sicheren E-Mail-Service, wie De-Mail.
Das Landgericht hat der Klage - unter Klageabweisung im Übrigen - antragsgemäß stattgegeben, soweit es die Erbringung der Postident-Dienstleistungen Postident Basic und Postident Comfort durch die Beklagte betrifft. Die Klagebegehren seien dahin auszulegen, dass die Klägerinnen von der Beklagten jeweils den Abschluss eines Rahmenvertrages über sämtliche Varianten des Postident-Angebots im Übrigen mit einem dem zwischen der Klägerin zu 1. und der Beklagten unter dem 04. Juli 2007 geschlossenen Vertrag entsprechenden Inhalt, also ohne die streitgegenständliche Leistungsausschlussklausel, verlangen. Beschränkt auf ihre Postident-Angebote Postident Basic und Postident Comfort sei die Beklagte hierzu aus Art. 102 AEUV i.V.m. § 33 GWB verpflichtet, weil sie auf dem von den Klägerinnen im Wesentlichen zutreffend zugrunde gelegten Markt marktbeherrschend sei, ferner die ausschließlich zur Verschaffung eigener Vorteile auf dem künftigen De-Mail-Markt dienende Leistungsverweigerung sich als Missbrauch dieser Marktmacht darstelle und die Beklagte deshalb einem Kontrahierungszwang unterliege.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sowie begründeten Berufung, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiter verfolgt. Sie rügt die Marktabgrenzung des Landgerichts als zu eng. Auf einem richtigerweise sachlich als Gesamtmarkt für alle - persönlichen wie auch elektronischen - Personenidentifizierungsleistungen abgegrenzten Markt, in den unter dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität Paket- und bestimmte Logistikdienstleister sowie die D. T. mit ihren T.-Shops, Banken und Sparkassen, Lottoannahmestellen, Videotheken, Autovermietungen u.a. einzubeziehen seien, sei sie nicht marktbeherrschend. Unabhängig davon sei ihr Postident-Dienstleistungsangebot für Diensteanbieter auf dem nachgelagerten De-Mail-Dienste-Markt auch nicht unerlässlich, weil die De-Mail-Diensteanbieter andere Identifizierungsdienstleister, jedenfalls die .. GmbH, die über ausreichende Kapazitäten zur Abwicklung großvolumiger Aufträge verfüge, in Anspruch nehmen könnten.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angegriffenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil und treten dem Berufungsvorbringen im Einzelnen entgegen. Insbesondere halten sie die Behauptung einer Unerlässlichkeit der Inanspruchnahme des Postident-Dienstleistungsangebots der Beklagten aufrecht und tragen hierzu vor, dass die - zudem gerade erst neu gegründete - .. GmbH als einzige Wettbewerberin der Beklagten nicht einmal ansatzweise in der Lage sei, das von ihnen in Kürze bundesweit benötigte Volumen kurz- oder mittelfristig abzudecken. Darüber hinaus liege in der Verweigerung der Postident-Dienstleistung in den Fällen, in denen die durchzuführende Identifizierung insbesondere der Vorbereitung eines De-Mail-Dienstleistungsangebots der Klägerinnen gegenüber deren Kunden diene, eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber qualitativ dieselbe Dienstleistung zu anderen Zwecken nachfragende Unternehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat über die Frage der Unerlässlichkeit des Postident-Dienstleistungsangebots der Beklagten für die Klägerinnen Beweis durch uneidliche Vernehmung der Zeugen E., S. und T. erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung des Senats vom 19. Oktober 2011 (GA 479 - 489) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung ist begründet. Richtigerweise war die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.
A.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht, allerdings ohne dies konsequent in seinem Urteilsausspruch fortzuführen, die Klagen dahin ausgelegt, dass jede der beiden Klägerinnen für ihren jeweils beabsichtigten De-Mail-Dienst von der Beklagten den Abschluss eines Rahmenvertrages über die Erbringung von Postident-Serviceleistungen der Varianten Postident Basic, Postident Comfort und Postident Special verlangt, in dem die beiderseitigen vertraglichen Rechte und Pflichten im Übrigen den Vertragsbedingungen des zwischen der Klägerin zu 1. und der Beklagten unter dem 4. Juli 2007 geschlossenen Vertrages entsprechen, der wiederum die hier streitbefangene Leistungsausschlussklausel bei einem Wettbewerbsbezug der einzelnen nachgefragten Identifizierungs-Dienstleistung nicht umfasst.
Die Klage-Hauptanträge der beiden Klägerinnen sind auslegungsbedürftig, weil sich das Rechtsschutzbegehren einerseits aus dem jeweiligen Antragswortlaut und andererseits aus dem nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO dargelegten Klagegrund (Sachverhalt) unterschiedlich ergibt. Während der jeweilige Antragswortlaut bei isolierter Betrachtung auf eine Vollstreckungsmaßnahme, namentlich ein gerichtliches Handlungsgebot an die Beklagte nach § 888 ZPO gerichtet ist, lässt die Klagebegründung eindeutig erkennen, dass die Klägerinnen gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erbringung von Postident-Dienstleistungen im Erkenntnisverfahren durchsetzen, also einen Vollstreckungstitel entsprechenden Inhalts erst noch erlangen wollen. Nach ihrem tatsächlichen und rechtlichen Vorbringen stellen die Klägerinnen ausdrücklich einen kartell- sowie lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruch auf eine künftig vorbehaltlose Leistungspflicht der Beklagten unter dem Gesichtspunkt deren Kontrahierungszwangs zur gerichtlichen Prüfung.
Für die somit erforderliche Auslegung gelten die Auslegungsregeln des materiellen Rechts entsprechend. Entscheidend ist daher der objektive, dem Empfänger - hier für das Gericht und den Prozessgegner - erkennbare Sinn, gegebenenfalls unter Gesamtbetrachtung mehrerer gleichzeitiger Erklärungen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Partei das anstrebt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage der Partei entspricht (vgl. zu allem Greger in Zöller, ZPO, 27. Aufl., Vor § 128 Rn. 25 m.w.N.).
Auf der Grundlage dieses rechtlichen Maßstabes sind die Hauptanträge der Klägerinnen mit dem eingangs dargestellten Rechtsschutzbegehren auszulegen. Maßgeblich ist das aus der Klagebegründung eindeutig erkennbare Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen, eine Verpflichtung der Beklagten zur künftigen Erbringung sämtlicher von ihr am Markt allgemein angebotenen Varianten ihres Postident-Services durchzusetzen, allerdings ohne dass die Beklagte - wie es deren seit Ende 2010 verwendeter Formular- Rahmenvertrag beinhaltet - bei einem Zusammenhang der im Einzelfall erfragten Postident-Dienstleistung mit Dienstleistungen des Auftraggebers, die dieser im Wettbewerb zur Beklagten erbringt, den Service verweigern darf. Die begehrte Rechtsposition, in der Zukunft bei der Beklagten uneingeschränkt derzeit noch nicht bestimmbare Identifizierungs-Dienstleistungen abrufen zu können, kann nur bei Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines entsprechenden (Formular-)Rahmenvertrages, den sie unstreitig ihren Postident-Geschäftsbeziehungen zugrunde legt, realisiert werden. Hierzu genügt im Fall der Klägerin zu 1. weder die Streichung der streitbefangenen Vertragsklausel in ihrem derzeit geltenden Rahmenvertrag mit der Beklagten noch die Feststellung einer Unwirksamkeit der Kündigung des Rahmenvertrages vom 4. Juli 2007 und dessen Fortgeltung. Auch im Fall der mit der Beklagten bislang nicht vertraglich verbundenen Klägerin zu 2. dient es nicht deren Interesse, eine Verpflichtung der Beklagten zum Abschluss eines Rahmenvertrages durchzusetzen, der mit der Vereinbarung zwischen der Klägerin zu 1. und der Beklagten vom 4. Juli 2007 inhaltsgleich ist. Denn die Klagebegehren gehen hinsichtlich des Regelungsgegenstandes der gewünschten Vertragsverpflichtung über den Inhalt des Rahmenvertrages vom 4. Juli 2007 und den des zur Zeit zwischen der Klägerin zu 1. und der Beklagten bestehenden Vertrages hinaus; diese regelten bzw. regeln nur die Leistungspflicht der Beklagten in Bezug auf die - für die beabsichtigten De-Mail-Dienste der Klägerinnen schon aus Rechtsgründen ungeeignete - Variante Postident Special, während sich die Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen in erster Linie auf die bislang nicht vertraglich vereinbarten Varianten Postident Basic und Postident Comfort beziehen. Somit ist das Rechtsschutzziel der Klägerinnen bei verständiger Würdigung auf die Verurteilung der Beklagten gerichtet, wegen des geltend gemachten Kontrahierungszwangs einen neuen Rahmenvertrag mit jeder einzelnen Klägerin über sämtliche Varianten ihres Postident-Services abzuschließen. Welchen Inhalt der gewünschte Vertrag über den Leistungsgegenstand hinaus haben soll, legen die Klägerinnen insbesondere im Antragswortlaut dahin fest, dass die gewünschten künftigen Identifizierungsleistungen "auf der Basis" bzw. "mit dem Inhalt" des Rahmenvertrages vom 04.07.2007 erbracht werden sollen. Dies heißt unter Berücksichtigung des aus dem Klagegrund eindeutig ersichtlichen Rechtsschutzbegehrens nichts anderes, als dass die beiderseitigen Rechte und Pflichten des von jeder Klägerin gewünschten Rahmenvertrages im Übrigen den Regelungen des Vertrages vom 4. Juli 2007 entsprechen sollen; Hintergrund dessen ist, dass jener Vertragsinhalt mit Ausnahme des streitbefangenen und als kartellrechtswidrig gerügten Leistungsverweigerungsrechts der Beklagten im Übrigen mit dem des derzeit von ihr üblicherweise zugrunde gelegten Formularvertrages inhaltsgleich ist.
Diese Auslegung führt im Streitfall nicht dazu, dass einem eindeutigen Klageantrag - unzulässigerweise - nachträglich ein anderer Sinn beigemessen wird. Der (jeweilige) Antragswortlaut ist hier gerade nicht eindeutig. Es haben von vornherein die aufgezeigten Widersprüchlichkeiten bestanden; diese liegen zum einen im scheinbaren Berufen auf den Rahmenvertrag vom 04.Juli 2007 bei gleichzeitigem Verlangen nach dort nicht geregelten Postident-Leistungen und zum anderen in den anscheinend unterschiedlichen Rechtsschutzzielen, wie sie sich bei isolierter Betrachtung einerseits des Antragswortlauts und andererseits des Klagegrundes ergeben. Ferner hat der Senat in der mündlichen Verhandlung auf seine Auslegung hingewiesen, ohne dass die Parteien dem widersprochen haben. Die vorgenommene Auslegung steht auch keinen schutzwürdigen Belangen der Beklagten entgegen, sondern entspricht gerade auch ihrem Verständnis vom klägerischen Rechtsschutzbegehren, wie ihre erstinstanzlichen Verteidigung gegen die Klage und ihr Berufungsvorbringen deutlich aufzeigt.
B.
Die Klagen sind mit ihren so verstandenen Hauptanträgen zulässig.
Insbesondere genügen die auf Abschluss eines Rahmenvertrages gerichteten Anträge dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Dem im Fall einer Klage auf Vertragsabschluss gebotenen Erfordernis, dass der Klageantrag grundsätzlich den gesamten Vertragsumfang umfassen muss (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 253 Rn. 13 c m.w.N.), genügen die Klägerinnen, indem sie jeweils den begehrten Leistungsgegenstand (nämlich sämtliche Postident-Varianten) bezeichnen und wegen der Ausgestaltung der beiderseitigen Rechte und Pflichten im Übrigen auf den zwischen der Klägerin zu 1. und der Beklagten unter dem 4. Juli 2007 geschlossenen Rahmenvertrag verweisen. Ob ohne eine Festlegung des Leistungsvolumens die Gefahr einer wirtschaftlichen Überforderung der Beklagten besteht (vgl. hierzu Klageerwiderung, Seite 15 f.; GA 44 f.), ist keine Frage der Bestimmtheit der Klageanträge, sondern der Begründetheit.
Die Klagen unterliegen ferner nicht den besonderen Zulässigkeitsanforderungen des § 259 ZPO. Gegenstand der Klagen sind keine künftigen Leistungen der Beklagten, in Bezug auf die in der Zukunft eine Leistungsverweigerung der Beklagten zu befürchten wäre. Vielmehr verfolgen die Klägerinnen jeweils unter Geltendmachung einer aktuellen Behinderung ihrer wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten, insbesondere Gestalt einer sie treffenden Marktzutrittsschranke für den Markt für De-Mail-Services, einen ihrer Auffassung nach schon jetzt bestehenden Schadensersatzanspruch auf Abschluss der begehrten Rahmenverträge.
C.
Die Klage ist indes nicht begründet. Der geltend gemachte Kontrahierungszwang ist weder unter kartellrechtlichen noch unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt.
1.
Ein Anspruch der Klägerinnen gegen die Beklagte - jeweils - auf Abschluss eines Rahmenvertrages über sämtliche Postident-Dienstleistungen ohne die streitgegenständliche Leistungsausschlussklausel ergibt sich weder aus dem Beseitigungsanspruch nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GWB noch aus dem Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB i.V.m. § 249 BGB. Beide Vorschriften setzen voraus, dass die Beklagte mit ihrer Verweigerung von Postident-Dienstleistungen in den Fällen, in denen die Identitätsfeststellung der Anmeldung zu einem De-Mail-Service oder vergleichbaren sicheren E-Mail-Dienst dient, gegen das kartellrechtliche Behinderungs- und Diskriminierungsverbot aus §§ 19 Abs. 1 und 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB sowie Art. 102 Abs. 1 AEUV verstößt. Dies lässt sich hier indes nicht feststellen. Hierbei kann es auf sich beruhen, ob die Beklagte Normadressatin des nationalrechtlichen wie gemeinschaftsrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbots ist. Denn selbst wenn man mit den Klägerinnen eine marktbeherrschende Stellung der Beklagten auf einem in sachlicher Hinsicht eng abgegrenzten Markt zugrunde legt, haben die Klägerinnen den ihnen obliegenden Nachweis einer Missbräuchlichkeit der beanstandeten Verhaltensweise nicht erbracht. Im Einzelnen:
a) Im Streitfall spricht einiges dafür, den relevanten Markt in sachlicher Hinsicht als Angebotsmarkt für solche Dienstleistungen abzugrenzen, bei denen eine natürliche Personen für Zwecke eines Auftraggebers in einem standardisierten Verfahren die Identität einer dritten Person nach den Vorgaben des DeMailGesetzes feststellt. Auf einem so verstandenen relevanten Markt für DeMailG-konforme persönliche Identifizierungs-Dienstleistungen stehen sich die Unternehmen, die solche Dienstleistungen erbringen, als Anbieter und (künftige) De-Mail-Diensteanbieter als Nachfrager gegenüber.
Dieses Marktverständnis, das im Wesentlichen mit der Auffassung der Klägerinnen übereinstimmt, entspricht dem - auch im Fall des gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbots aus Art. 102 AEUV zugrunde zu legenden (vgl. EuGH, Urt. v. 11.4.1989 - 66/86, Slg. 1989, 803 = WuW/E EWG/MUV 841 Tz. 39 f. - Ahmed Säed Flugreisen; Urt. v. 14.2.1978 - 27/76, Slg. 1978, 207 = WuW/E EWG/MUV 425 Tz. 11 f. - United Brands; EuG, Urt. v. 21.10.1997 - T-229/94, Slg. 1997 II-1689 = WuW/E EU-R 1 Tz. 54 - Deutsche Bahn) - Bedarfsmarktkonzept:
Einen einheitlichen Markt bilden hiernach sämtliche Erzeugnisse, die sich nach ihren Eigenschaften, ihrem wirtschaftlichen Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahe stehen, dass der verständige Verbraucher sie für die Deckung eines bestimmten Bedarfs geeignet in berechtigter Weise abwägend miteinander vergleicht und als gegeneinander austauschbar ansieht (vgl. BGH, WuW/E DE-R 2451, 2453 - E.ON/Stadtwerke Eschwege m.w.N.). Maßgeblich für die Beurteilung der funktionellen Austauschbarkeit ist somit im Streitfall die Sichtweise derjenigen Unternehmen, die einen Identitätsnachweis ihrer Kunden im privaten Rechtsverkehr benötigen, diese Authentifizierungen aber nicht mit eigenen Betriebsmitteln durchführen können oder wollen. Der hieraus resultierende Bedarf nach entsprechender Fremddienstleistung zeichnet die zugrunde zu legende Nachfrage ab. Hierbei ist auf den verständigen Durchschnittsnachfrager abzustellen (BGH, WuW/E DE-R 2327 ff., Rn. 65 f - Kreiskrankenhaus Bad Neustadt m.w.N.; Paschke in Frankfurter Kommentar, Kartellrecht, Stand 2006, § 19 Rn. 90). Eine nur von wenigen Nachfragern angenommene Austauschbarkeit reicht nicht (Paschke in Frankfurter Kommentar, aaO., § 19 Rn. 91; KG WuW/E OLG 1602 - Vitamin B 12; KG Wuw/E OLG 1649 - Valium).
Ausgehend von diesem Maßstab ist der in Rede stehende sachliche Dienstleistungsmarkt zunächst auf solche Identifizierungs-Dienstleistungen zu beschränken, die den Vorgaben des DeMail-Gesetzes (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1 DeMailG) entsprechen. Zwar betreffen die gesetzlichen Vorgaben objektiv nur Modalitäten der Art und Weise sowie des Umfangs einer Identitätsfeststellung, die als Kern einer Fremddienstleistung ein und dieselbe bleibt. Ferner ist weder ersichtlich noch zu erwarten, dass die gesetzlichen Anforderungen wesentliche Unterschiede in der Marktstrategie des Anbieters insbesondere in Bezug auf den Vertrieb unterschiedlicher Identifizierungsleistungen begründen. Dennoch begründet die gesetzlich zwingende Ausgestaltung des Identitätsnachweises einen spezifischen und autonomen Bedarf, der durch das Angebot von Identifizierungs-Dienstleistungen mit davon abweichenden Inhalten und Verfahrensweisen (grundsätzlich) nicht gedeckt werden kann. Aus Sicht desjenigen, der für Verwendungszwecke im Sinne des 3 Abs. 4 DeMail-G eine Identitätsfeststellung benötigt, sind die an den entsprechenden gesetzlichen Vorgaben ausgerichteten Identifizierungs-Dienstleistungen mit solchen, die dahinter zurückbleiben, nicht funktionell austauschbar. Aufgrund dessen gehören zum relevanten Markt nicht die Identitätsprüfungen der von der Beklagten angeführten Paket- und Logistikdienstleister, die entweder begleitend zu einer Transportleistung nur der Sicherstellung einer persönlichen Aushändigung der Transportsendung an den Empfänger oder - wie der Service Postident Special der Beklagten - der Einholung einer Unterschrift des identifizierten Kunden auf Dokumenten für andere rechtsgeschäftliche Zwecke dienen, die aber nach dem unstreitigen Vorbringen der Parteien allesamt im Umfang der Erhebung und Dokumentation der Legitimationsdaten nicht den Anforderungen des DeMail-Gesetzes entsprechen. Hingegen können Identifizierungsdienstleistungen, mit denen über die nach § 3 DeMailG erforderlichen Daten hinaus - wie beispielsweise für Zwecke des GWG (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 GWG: Staatsangehörigkeit) - weitere Legitimationsdaten erfasst werden, unter dem Gesichtspunkt der Angebotsumstellungsflexibilität funktionell austauschbar sein.
Aus der eingangs beschriebenen maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Dienstleistungsnachfragers sind ferner die elektronischen Identitätsnachweise nicht in den sachlich relevanten Markt einzubeziehen. Zwar erlaubt § 3 Abs. 3 Nr. 1 De-Mail-G dem De-Mail-Diensteanbieter die Feststellung der Identität seiner Nutzer mittels elektronischem Personalausweis (§ 18 PAuswG) und (qualifizierter) elektronischer Signatur gemäß § 2 Nr. 3 SignaturG. Dennoch sind diese elektronischen Verfahrensweisen aus Sicht des durchschnittlichen Dienstleistungsnachfragers mit den persönlichen Identifizierungsverfahren nicht funktionell austauschbar.
Dies ergibt sich schon daraus, dass sie vernünftigerweise nicht im Rahmen einer Fremddienstleistung erbracht werden. Im Kern funktioniert der Identitätsnachweis bei beiden elektronischen Verfahrensweisen in der Weise, dass die sich legitimierende Person demjenigen, der des Identitätsnachweises bedarf, einen eindeutig ihr zuzuordnenden Datenschlüssel elektronisch - regelmäßig via Internet - übermittelt. Im Fall des elektronischen Personalausweises geschieht dies, indem - vereinfacht ausgedrückt - der Nutzer durch Eingabe einer (geheimen) PIN die mittels einer elektronischen Chipkartenlesevorrichtung zugreifbaren Legitimationsdaten auf dem elektronischen Chip seines Personalausweises an einen Diensteanbieter, dessen Zugriffsberechtigung in Gestalt eines dem Chipspeicher zuvor übermittelten elektronischen Berechtigungszertifikats im Ausweischip überprüft wird, elektronisch übermittelt. Die Authentifizierung mittels qualifizierter elektronischer Signatur erfolgt - wiederum vereinfacht dargestellt - nach dem Prinzip des übereinstimmenden Datenschlüsselpaares; Dreh- und Angelpunkt ist hierbei die Existenz eines Dritten, nämlich des Zertifizierungsanbieters, der dem Nutzer einen geheimen Signaturschlüssel sowie einen damit korrespondierenden öffentlichen Prüfschlüssel, der Dritten in Gestalt eines Zertifikatsverzeichnis per Internet zugänglich ist, zuweist; der Nutzer übermittelt seine mittels Signaturschlüssel erstellte elektronische Signatur dem Empfänger, der die Signatur anhand des via Internet ihm zugänglichen öffentlichen Prüfschlüssels verifiziert. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung unter Berücksichtigung von Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit, dass die Authentifizierung mittels der beschriebenen elektronischen Verfahrensweisen nicht auf Fremddienstleister ausgelagert, sondern von den Unternehmen, welche die Identifizierung benötigen, selbst durchgeführt werden. Der elektronische Identitätsnachweis bietet sich gerade für die unmittelbare elektronische Geschäftsbeziehung an. Dies gilt auch für die Abwicklung im Massengeschäftsverkehr.
Im Fall des elektronischen Personalausweises stehen der Identifizierung mittels Fremddienstleister ferner schon Rechtsgründe entgegen. Die Berechtigung Privater zur elektronischen Auslesung des Personalausweischips ist nach § 21 Abs. 1 Satz 1 PAuswG auf Diensteanbieter beschränkt, welche die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben oder Geschäftszwecke erforderlichen Daten im Wege des elektronischen Identitätsnachweises beim Inhaber des Personalausweises nachfragen. Den Begriff des Diensteanbieters definiert § 2 Abs. 3 PAuswG als natürliche oder juristische Person, die (worauf es hier nur ankommt) zur Erfüllung eigener Geschäftszwecke den Nachweis der Identität benötigen. Das für den elektronischen Zugriff auf dem Chip erforderliche Berechtigungszertifikat wird nach § 21 Abs. 1 Satz 1 und 2 PAuswG von der zuständigen hoheitlichen Stelle auf Antrag des Diensteanbieters erteilt, (u.a.) wenn - was im Fall der dokumentierten und nachweisbaren Identitätsfeststellung durch Fremddienstleister aber gerade der Fall wäre - der Datenverwendungszweck nicht in der geschäftsmäßigen Übermittlung der Daten besteht und keine Anhaltspunkte für die geschäftsmäßige oder unberechtigte Übermittlung der Daten vorliegen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 PAuswG).
Schließlich mangelt es aus Sicht des durchschnittlichen Nachfragers auch wegen des noch geringen Verbreitungsgrades der elektronischen Verfahrensweisen an deren funktionellen Austauschbarkeit mit persönlichen Identitätsfeststellungen. Denn im Streitfall ist nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zugrunde zu legen, dass der elektronische Personalausweis schon aufgrund seines noch geringen Verbreitungsrades keine Marktakzeptanz gefunden hat und die elektronische Signatur faktisch nicht verbreitet ist. Diesen Behauptungen der Klägerinnen (Klageschrift, S. 9, GA 9) ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Soweit die Beklagte die aus der Gesetzesbegründung zum DeMailG ersichtliche Erwartung des Gesetzgebers anführt, dass 8 % eines zu prognostizierenden Gesamtvolumens von 5 Millionen Identifizierungen pro Jahr mittels elektronischem Personalausweis durchgeführt werden, handelt es sich lediglich um die Wiedergabe einer Prognose, der für sich genommen keine Aussagekraft hinsichtlich der bestehenden Verbreitungsgrade elektronischer Identitätsfeststellungs-Verfahren zukommt. Unter Berücksichtigung ihres nur geringen Verbreitungsgrades stellen die Möglichkeiten des elektronischen Identitätsnachweises vielmehr derzeit noch keine im Massenverkehr praktisch geeignete Alternative zur persönlichen Identitätsfeststellung dar.
Schließlich sind dem sachlich relevanten Markt nur solche persönlichen Identifizierungs-Dienstleistungen für den Auftraggeber in einem De-Mail-G-konformen Inhalt und Verfahren zuzurechnen, die den Identitätsnachweis in einem standardisierten, d.h. einheitlich formalisierten Verfahren vorsehen. Nur dies vermittelt die Gewähr einer - gesetzlich geforderten - zuverlässigen Identifizierung und der verbürgten Dokumentation von Identifikation und Legitimationsdaten. Demgegenüber nicht erforderlich ist, dass es sich - wie die Klägerinnen meinen - um ein etabliertes, also ein praktisch erprobtes Verfahren eines (dann konsequent:) am Markt schon tätigen Anbieters handeln muss. Weder wäre aus einer solchen Einschränkung objektiv eine höhere Zuverlässigkeit zu gewinnen noch entspricht eine solche Sichtweise dem auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichtete Schutzzweck des kartellrechtlichen Behinderungs- und Diskriminierungsverbots, da es auf eine Verfestigung der Wettbewerbsstrukturen und den Ausschluss von Newcomern gerichtet ist.
Ein sachlich so bestimmter Angebotsmarkt wäre in räumlicher Hinsicht bundesweit abzugrenzen.
b) Die abschließende Marktabgrenzung - insbesondere unter gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten - kann hier jedoch dahin gestellt bleiben. Auch erfordert der Streitfall keine Feststellung, ob die Beklagte marktbeherrschend ist, wofür allerdings ebenfalls einiges, insbesondere ihr jährlicher Geschäftsanfall von unstreitig … DeMailG-konformen Postident-Leistungen der Varianten Postident Basic und Postident Comfort sowie die unstreitig flächendeckende und engmaschige Vertriebsstruktur der Beklagten in Gestalt ihres Filial- bzw. Schalterstellennetzes und ihrer Personalkapazitäten im Zustellungsbereich sprechen könnte. Selbst wenn man den relevanten Markt mit den ausgeführten Erwägungen eng als in räumlicher Hinsicht mit dem Bundesgebiet und damit einem wesentlichen Teil des europäischen Binnenmarktes übereinstimmenden sachlichen Angebotsmarkt für DeMailG-konforme persönliche Identifizierung-Dienstleistungen abgrenzt und der Beklagten eine marktbeherrschende Stellung auf diesem relevanten Markt unterstellt, ist ein Missbrauch dieser Marktmacht nicht festzustellen.
aa) Dies gilt zunächst hinsichtlich des kartellrechtlichen Behinderungsverbots aus §§ 19 Abs. 1 und 4 Nr. 1, 20 Abs. 1 GWB wie auch Art. 102 Abs. 1 AEUV.
(1) Zwar behindert die Beklagte die Klägerinnen in einem gleichartigen Unternehmen zugänglichen Geschäftsverkehr, indem sie ihren Postident-Service namentlich in den Einzelfällen verweigert, in denen die Klägerinnen - wie auch jeder andere De-Mail-Diensteanbieter - aus Rechtsgründen eine Authentifizierung ihrer Kunden zur Einrichtung von De-Mail-Nutzerkonten benötigen und nachfragen.
(1.1) Die beanstandete Verhaltensweise der Beklagten stellt nichts anderes als eine Geschäftsverweigerung gegenüber De-Mail-Diensteanbietern für den wesentlichen Teil deren Nachfrage, nämlich für Identifizierungsbegehren mit dem genannten Zweckzusammenhang dar. Diese Geschäftsverweigerung auf dem relevanten Markt für Identifizierungsdienstleistungen wirkt sich - objektiv betrachtet - nachteilig auf die Wettbewerbschancen der Klägerinnen auf dem nachgelagerten bundesweiten Angebotsmarkt für die Zurverfügungstellung eines sicheren E-Mail-Service (De-Mail-Dienste), auf dem sich einerseits die De-Mail-Diensteanbieter und andererseits die Endverbraucher als Nachfrager gegenüberstehen, aus. Da De-Mail-Dienstebetreiber nach § 3 Abs. 3 DeMailG vor Freischaltung eines De-Mail-Kontos für den Nutzer dessen Identität nach Maßgabe des § 3 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 Nr.1 DeMailG feststellen müssen, ist es gerade in dem von den Parteien übereinstimmend erwarteten Massengeschäft von erheblichem wettbewerblichen Gewicht, ob und in welchem Umfang hierzu Fremddienstleistungen in Anspruch genommen werden können. Diesen für den Markt für De-Mail-Dienste wesentlichen Wettbewerbsfaktor schränkt die Beklagte signifikant ein, indem sie sich den De-Mail-Diensteanbietern als in Anbetracht ihrer Ressourcenausstattung und ihres flächendeckenden Zustellernetzes zumindest besonders leistungsstarke Identifizierungsdienstleisterin, die zudem mit dem Leistungsangebot Postident Basic unstreitig als derzeit einzige ein Identifizierungsverfahren im Schalterbetrieb anbietet, entzieht. Dieser Nachteil stellt sich nicht als objektive Beschränkung des gesamten Marktes für De-Mail-Dienste dar, die allgemein die Rahmenbedingungen des Marktes und seiner Wettbewerbsstrukturen kennzeichnet. Denn die Beklagte beabsichtigt unstreitig selbst den Eintritt in den Markt für De-Mail-Dienste und wird - was sie nicht in Abrede gestellt hat - für die Abwicklung der vorgeschriebenen Identitätsfeststellungen ihrer Kunden (zumindest unter anderem) auf genau die internen Ressourcen zurückgreifen, die sie ansonsten im Rahmen ihres Postident-Services anderen als Fremddienstleistung zur Verfügung stellt. Durch ihre Geschäftsverweigerung verschafft die Beklagte sich folglich einen wettbewerblichen Vorteil, dem spiegelbildlich unmittelbar ein Nachteil für alle ihre Wettbewerber auf dem Markt für De-Mail-Dienste entspricht.
Für diese Bewertung ist unerheblich, dass der Markt für De-Mail-Dienste sich derzeit noch in der Entstehung befindet und aktuell noch kein Handel dort stattfindet. Der hier in Rede stehende Markt für De-Mail-Dienste ist so weit über den Grad eines nur potenziellen Marktes hinaus entwickelt, dass er in jedem Fall kartellrechtliche Berücksichtigung findet. Seine rechtlichen Rahmenbedingungen sind durch das De-Mail-G bereits festgelegt. Die Akkreditierungsverfahren für Diensteanbieter haben entweder bereits begonnen oder werden - wie im Fall der Klägerinnen - für das Ende des Jahres 2011 angestrebt. Es besteht - ebenfalls unstreitig - bereits jetzt ein entsprechendes Interesse der potentiellen Nutzer, wie sich zum einen in der erheblichen Anzahl von Vorregistrierungen bei den Klägerinnen, zum anderen aber auch in der Geschäftsentwicklung des vergleichbaren Produktes E-Postbrief der Beklagten zeigt. Unter Gesamtwürdigung aller Umstände handelt es sich somit um einen derzeit konkret entstehenden Markt, dessen Wettbewerbsverhältnisse im Wesentlichen bereits jetzt abzusehen sind und der kartellrechtlichen Beurteilung unterliegen.
(1.2) Die so verstandene Behinderung erfolgt in einem Geschäftsverkehr, welcher gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist.
Im Sinne der insoweit lediglich gebotenen Grobsichtung (vgl. BGH, WuW/E 1829 ff., 1833 - Original-VW-Ersatzteile II) ist hierfür entscheidend, dass der maßgebliche Geschäftsverkehr auch solch anderen Unternehmen üblicherweise offensteht, die nach unternehmerischer Tätigkeit und wirtschaftlicher Funktion im Verhältnis zum Normadressaten dieselbe Grundfunktion ausüben wie das mit ihnen konkurrierende und von der Maßnahme betroffene Unternehmen (vgl. BGH WuW/E/BGH 2399, 2404 - Krankentransporte).
Dies ist hier der Fall. Unerheblich ist insoweit, dass das behindernde Verhalten auf dem Markt für Identifizierungsdienstleistungen erfolgt, während sich der beschriebene Behinderungserfolg auf einem anderen Markt, nämlich dem Markt für De-Mail-Dienste entfaltete. Auf beiden Märkten stellt sich die Beziehung zwischen den Parteien nicht als geschlossenes Individualverhältnis dar. Auf dem Markt für Identifizierungsdienstleistungen bestehen schon in Gestalt der beiden Klägerinnen zumindest zwei Unternehmen, die unabhängig voneinander Identifizierungsdienstleistungen bei der Beklagten nachfragen; unstreitig existieren mit derselben Grundfunktion im Verhältnis zur Beklagten, nämlich als Nachfrager der Identifizierungsleistungen, weitere Unternehmen. Sämtliche Nachfrager der Beklagten auf dem Markt für Identifizierungsdienstleistungen sind, soweit sie Authentifizierungen für Zwecke eines De-Mail-Dienstes begehren, Wettbewerber der Beklagten auf dem Markt für De-Mail-Dienste. Der erforderliche Zusammenhang zwischen den beiden berührten Märkten (vgl. hierzu Markert in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 20 Rn. 98) wird im Streitfall durch die sachliche Koppelung beider im Vertikalverhältnis zueinander stehenden Märkte begründet.
(2) Die Klägerinnen haben indes nicht nachgewiesen, dass ihre in dieser Geschäftsverweigerung liegende Behinderung unbillig ist.
(2.1) Ob die Behinderung anderer Unternehmen im Wettbewerb sich als unbillig darstellt, ist aufgrund der Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB zu beurteilen (st. Rechtsprechung seit BGH WuW/E BGH 502, 508 - Treuhandbüro; vgl. insoweit BGH WuW/E/BGH 3058, 3063 - Pay-TV-Durchleitung m.w.N.).
Eine Geschäftsverweigerung ist nach der gebotenen Gesamtabwägung regelmäßig missbräuchlich, wenn sie (a) in der Absicht erfolgt, dem marktbeherrschenden Unternehmen einen vor- oder nachgelagerten Markt vorzubehalten, (b) ferner nicht durch technische oder kommerzielle Notwendigkeiten gerechtfertigt und (c) schließlich geeignet ist, jeglichen Wettbewerb durch das um das Geschäft nachsuchende Unternehmen auszuschließen (so ausdrücklich zu Art. 82 EG: BGH, Urteil vom 29.06.2010, KZR 24/08, WuW/E DE-R 2963 ff. - GSM-Gateway -, zitiert nach juris Tz. 27 mit Hinweis u.a. auf: EuGH, Urt. v. 06.03.1974 - C-6/73, Slg. 1974, 223 Tz. 25 - Commercial Solvents; Urt. v. 26.11.1998 - C-7/97, Slg. 1998 I - 7791 - Bronner; vgl. auch BGH, Urt. v. 03.03.2009, KZR 82/07, WuW/E DE-R 2708 Tz. 35 - Reisestellenkarte). Bei der Prüfung dieser Voraussetzungen ist allerdings zu beachten, dass auch ein marktbeherrschendes Unternehmen berechtigt ist, seine geschäftlichen Interessen zu wahren, wenn diese bedroht sind, und in angemessenem Umfang so vorzugehen, wie es dies zum Schutz seiner Interessen für richtig hält. Bei einer Geschäftsverweigerung, die sich (lediglich) auf einem Drittmarkt auswirkt, kann von einem missbräuchlichen Verhalten des den vor- oder nachgelagerten Markt beherrschenden Unternehmens nur ausgegangen werden, wenn das verweigerte Gut oder die abgelehnte Dienstleistung auf dem abgeleiteten Markt unerlässlich ist, also insbesondere nicht ersetzbar ist und demnach durch die Geschäftsverweigerung auf dem Drittmarkt Marktzutrittsschranken für Wettbewerber errichtet werden (BGH, Urteil vom 29.06.2010, KZR 24/08, WuW/E DE-R 2963 ff. - GSM-Gateway -, zitiert nach juris Tz. 27 m.w.N.).
Hierbei hat schon nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der sich - wie im Streitfall die Klägerinnen - im Rahmen des geltend gemachten kartellrechtlichen Beseitigungs- bzw. Schadensersatzanspruchs auf die den Anspruch begründende Missbräuchlichkeit der Geschäftsverweigerung beruft, deren Voraussetzungen darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen.
(2.2) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ist im Streitfall nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die in Rede stehende Geschäftsverweigerung nicht missbräuchlich ist:
Zwar ergibt sich im Streitfall zwanglos die Absicht der Beklagten, durch die Verweigerung ihrer Postident-Dienstleistungen gegenüber konkurrierenden De-Mail-Diensteanbietern sich selbst den nachgelagerten Markt für De-Mail-Dienste vorzubehalten. Schon der Wortlaut der hier umstrittenen Leistungsausschlussklausel in dem der Klägerin zu 1. unter dem 27.September 2010 unterbreiteten Formularrahmenvertrag indiziert deutlich die wettbewerbliche Motivation der Beklagten in Bezug auf den Markt für De-Mail-Dienste. Etwas anderes hat die Beklagte im Verlaufe des Rechtsstreits auch zu keinem Zeitpunkt selbst behauptet, vielmehr hat sie die streitbefangene Geschäftsverweigerung im Kern stets damit begründet, nicht ihre künftigen Konkurrenten im Bereich einer sicheren E-Mail-Kommunikation fördern zu wollen (beispielsweise: Schriftsatz der Beklagten vom 11.03.2011, S. 18, GA 113). Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, ob - wie die Klägerinnen behauptet haben (Klageschrift, S. 10, GA 10) - die Geschäftsverweigerung nach ausdrücklich erklärtem Willen der Beklagten in erster Linie gegen den Wettbewerber T. im Bereich De-Mail und ePost gerichtet sei und andere lediglich mitbetreffe.
Da die Beklagte der klägerischen Behauptung, dass die Geschäftsverweigerung subjektiv der Abschottung des Marktes für De-Mail-Dienste diene, nicht in prozessual erheblicher Weise entgegengetreten ist, ergibt sich auch kein Anhaltspunkt dafür, dass die im Streit stehende Geschäftsverweigerung durch irgendeine technische oder kommerzielle Notwendigkeit gerechtfertigt wäre.
Gleichwohl stellt sich die streitbefangene Geschäftsverweigerung der Beklagten auf dem relevanten Markt für Identifizierungsdienstleistungen nicht als Missbrauch von Marktmacht dar. Denn sie ist nicht geeignet, den nachgelagerten Markt für De-Mail-Dienste abzuschotten, so dass die Klägerinnen von jeglichem Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt ausgeschlossen wären. Dies ist zugrunde zu legen, weil den Klägerinnen nicht der ihnen obliegende Nachweis gelungen ist, dass die Inanspruchnahme des Postident-Service der Beklagten für ihre Teilnahme am Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt für De-Mail-Dienste unerlässlich sei. Vielmehr steht den Klägerinnen mit der .. GmbH künftig jedenfalls ein weiterer Identifizierungsdienstleister zur Verfügung, der willens ist und sich abhängig vom Zeitpunkt einer Rahmenvereinbarung mit den Klägerinnen und darin fixierter Abnahmevolumina auch in der Lage sieht, für sie in Zukunft DeMailG-konforme Identitätsfeststellungen in einem entwicklungsfähigen Umfang durchzuführen, der zwar nicht den optimalen Vorstellungen der Klägerinnen entsprechen mag, jedoch den Klägerinnen objektiv einen nicht unerheblichen wettbewerblichen Entfaltungsraum auf dem nachgelagerten Markt ermöglicht. Hiervon ist unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme auszugehen (§ 286 Abs. 1 ZPO):
(2.2.1) Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze dazu, wann eine Geschäftsverweigerung kartellrechtlich missbräuchlich ist, entspringen - wie bereits erläutert - der gebotenen Abwägung der Interessen aller Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB. Wann von Unerlässlichkeit auszugehen ist, erschließt sich daher im Einzelfall nur auf der Grundlage dieser gebotenen Interessenabwägung. Hiernach ist im Streitfall nicht entscheidend, ob die Klägerinnen ihren gesamten Bedarf an Identifizierungsdienstleistungen nur unter (möglicherweise auch nur teilweiser) Inanspruchnahme des Postident-Service der Beklagten abdecken können. Erst recht dient die Missbrauchsrüge nicht dazu, die von den Klägerinnen als optimal gedachten Voraussetzungen einer Wettbewerbsteilnahme sicherzustellen. Für eine derartige Bevorzugung des klägerischen Interesses besteht hier keine Grundlage. Das im Grundsatz berechtigte Interesse der Beklagten, ihre geschäftlichen Interessen auf dem Markt für De-Mail-Dienste - auch durch ihr zur Verfügung stehende Einflussmöglichkeiten auf dem vorgelagerten Markt - zu wahren, findet bei der gebotenen Interessenabwägung vielmehr dort seine Grenzen, wo die Geschäftsverweigerung geeignet ist, (faktisch) jeglichen Wettbewerb der Klägerinnen auf dem nachgelagerten Markt auszuschließen. Erforderlich ist daher, dass die Geschäftsverweigerung sich für den nachgelagerten Markt als Marktzutrittsschranke mit faktisch marktabschottendem Potential erweist. Dies kann im Streitfall nur dann angenommen werden, wenn ohne das Postident-Dienstleistungsangebot der Beklagten überhaupt keine Möglichkeit besteht, Identifizierungsfremddienstleistungen in Anspruch zu nehmen, oder der Rückgriff auf andere Dienstleistungsanbieter nur in einem solch geringen Maße oder nur unter solchen Bedingungen möglich ist, dass bei wirtschaftlicher und kaufmännisch vernünftiger Betrachtung die Teilnahme am Wettbewerb auf dem Markt für De-Mail-Dienste ausscheiden muss. Dies ist auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise objektiv zu beurteilen.
Eine so verstandene Unerlässlichkeit des Postident-Dienstleistungsangebots der Beklagten für ihre Tätigkeit auf dem nachgelagerten Markt für De-Mail-Dienste haben die Klägerinnen nicht nachgewiesen. Vielmehr muss unter Berücksichtigung einerseits des eigenen tatsächlichen Vorbringens der Klägerinnen und andererseits der - insoweit aus Sicht der Klägerinnen negativ ergiebigen - Aussagen der Zeugen E. und S. davon ausgegangen werden, dass
der künftige Bedarf der Klägerinnen, der auf der Grundlage greifbarer Erfahrungswerte und Daten aus derzeitiger Sicht nur mit wöchentlich 21.000 Identifizierungen im ersten und 32.000 Identifizierungen im zweiten Jahr prognostiziert werden kann [hierzu nachfolgend (2.2.2)],
durch die .. GmbH als künftig weitere Anbieterin marktrelevanter Identifizierungsdienstleistungen unter Berücksichtigung im ersten Jahr durchschnittlich zu mindestens 53 % sowie im zweiten Jahr zu mindestens 56 % und auch darüber hinaus gedeckt werden kann [hierzu nachfolgend (2.2.3)].
Weder aus dem Vorbringen der Klägerinnen noch sonst ergeben sich auch nur im Ansatz Anhaltspunkte dafür, dass den Klägerinnen bei einer solchen Bedarfsabdeckung eine wirtschaftlich sinnvolle Wettbewerbsteilnahme auf dem Markt für De-Mail-Dienste objektiv nicht möglich wäre. In Anbetracht dessen wird durch die im Streit stehende Geschäftsverweigerung nicht jeglicher Wettbewerb der Klägerinnen auf dem Markt für De-Mail-Dienste ausgeschlossen. Die mit der Geschäftsverweigerung der Beklagten einhergehende bloße Einschränkung der wettbewerblichen Entwicklungsmöglichkeiten genügt nicht, einen Kontrahierungszwang der Beklagten - sei es auch nur auf einen Teil des klägerischen Bedarfs beschränkt - zu begründen. Insoweit stellt sich die Ausnutzung der Wettbewerbsfaktoren, über welche die Beklagte durch ihre Teilnahme auf beiden Märkten verfügen kann, gerade als Ausdruck von Wettbewerb dar.
(2.2.2) Ihren Bedarf an künftigen Identifizierungsdienstleistungen haben die Klägerinnen auf der Grundlage ihrer unstreitigen 843.000 Vorregistrierungen zum einen für einen Optimalfall und zum anderen unter Annahme der nach ihren Vorstellungen schlechtesten Bedingungen vorgetragen. Dem steht nicht von vornherein entgegen, dass sich das Vorbringen in Prognosen erschöpft; da der Markt für De-Mail-Dienste gerade erst entsteht, können seine künftige Struktur, deren Merkmale und die späteren Wettbewerbsbedingungen derzeit nur auf der Grundlage von (fundierten) Annahmen beurteilt werden. Die Klägerinnen haben alternative Prognosen vorgetragen, nämlich zum einen den sogenannten "Good Case" von wöchentlich benötigten 42.000 Identifizierungen im ersten Jahr und 64.000 Identitätsfeststellungen im zweiten Jahr sowie den so bezeichneten "Bad Case" mit wöchentlich nur 21.000 Authentifizierungen im ersten Jahr und 32.000 Identitätsprüfungen im zweiten Jahr (Schriftsatz vom 18.10.2011, Anlage BE 14, GA 476). Im Streitfall ist für den Gesamtbedarf der Klägerinnen die so bezeichnete "Bad Case Rechnung" zugrunde zu legen. Denn nur diese beruht auf nachvollziehbaren Tatsachen und Erfahrungswerten, die einen sachlichen Zusammenhang mit dem Geschäftsbereich der De-Mail-Dienste aufweisen:
(a) Schon nach ihrem eigenen Vorbringen gehen die Klägerinnen nicht davon aus, sämtliche 843.000 vorregistrierten Interessenten für ihre De-Mail-Dienste tatsächlich als Kunden gewinnen zu können. Diese Prämisse ist plausibel, da man die fraglichen Vorregistrierungen lediglich als unverbindliche und von einem eventuellen tatsächlichen Bedarf noch losgelöste Interessenbekundungen verstehen muss. Unbestritten haben die Klägerinnen vorgetragen, die in Rede stehenden Vorregistrierungen im Wesentlichen im Zeitraum von Juli bis Ende Dezember 2010 und damit in einem Zeitraum verzeichnet zu haben, in welchem die Registrierungen nicht nur den Hintergrund eines tatsächlichen De-Mail-Dienstangebots der Klägerinnen entbehrten, sondern der Zeitpunkt der Aufnahme eines solchen Dienstes noch nicht einmal realistisch absehbar war. Vor diesem Hintergrund muss man schon wegen des erheblichen Zeitablaufes bis zum künftigen Start eines realen Dienstes und des Umstandes, dass ein unverbindlich vorregistrierter Interessent nach allgemeiner Lebenserfahrung erst bei Aufforderung zu einer verbindlichen Anmeldung seinen tatsächlichen Bedarf überprüfen wird, damit rechnen, dass ein nicht unerheblicher Anteil der Vorregistrierungen schlicht fortfällt.
(b) Soweit die Klägerinnen im Rahmen ihrer "Good Case Rechnung" von 60 % reaktivierbarer Vorregistrierungen ausgehen, worunter sie nach den Erläuterungen ihres Mitarbeiters R. im Verhandlungstermin des Senats die aus den Vorregistrierungen später tatsächlich zu gewinnenden Kunden verstehen, stellt dies eine haltlose und nicht durch belastbare Tatsachen gestützte Hoffnung auf eine künftige Geschäftsentwicklung dar.
Die Klägerinnen stützen die Quote von 60 % auf angebliche Erfahrungswerte aus dem Geschäftsbereich der E-Mail-Dienste. Nach Angaben des Mitarbeiters R. im Verhandlungstermin des Senats wisse man, dass 60 bis 65 % der E-Mail-Nutzer langjährige Kunden seien, weshalb die Klägerinnen sich veranlasst gesehen hätten, den Good Case-Fall bei 60 % zu veranschlagen (Protokoll vom 19.10.2011, GA 481). In der Anlage BE 14 (Schriftsatz vom 18.10.2011, GA 476) haben die Klägerinnen erläuternd ausgeführt, aufgrund der täglichen Nutzerakquise von 45.000 Nutzern in den Maildiensten web.de und gmx entspreche es einer "leicht vertretbaren realistischen Planung", diesen Wert mit 42.000 Nutzern für das wöchentliche Wachstum ihrer De-Mail-Dienste in der Startphase anzunehmen und diese Zahl für das zweite Jahr auf 150 % zu steigern.
Die Übertragung von Erfahrungswerten aus dem Geschäftsbereich E-Mail ist schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil es an der Vergleichbarkeit der gegenübergestellten Geschäftsbereiche mangelt. Die Dienste web.de und gmx werden von der Klägerin zu 2. für den Nutzer in jeder Hinsicht kostenlos angeboten und decken einen allgemeinen Bedarf an unverbindlicher elektronischer Kommunikation unter den Nutzern mit allenfalls geringen Sicherheitsanforderungen. Demgegenüber ist nach dem unstreitigen Vorbringen beider Parteien davon auszugehen, dass ein De-Mail-Dienst - wie auch das ähnliche Produkt E-Postbrief der Beklagten - zumindest für den Versender mit Kosten verbunden sein wird. Die Vergleichbarkeit im Kostenpunkt kann auch nicht mit der Erwägung hergestellt werden, dass in der Masse der De-Mail-Kunden ein Empfängerpotential gesehen werde; dies ändert nichts daran, dass der Interessent, der vor der Entscheidung zur verbindlichen Anmeldung zu einem De-Mail-Konto steht, nach allgemeiner Lebenserfahrung die Überlegung in seine Entscheidung einbeziehen wird, ob er einen grundsätzlich kostenpflichtigen Dienst in Anspruch nehmen will. Überdies wird das Interesse an der Inanspruchnahme eines De-Mail-Dienstes voraussichtlich bei weitem nicht den - den Mitgliedern des Senats als Angehörige des fraglichen Verbraucherkreises sich ohne weiteres erschließenden - Verbreitungsgrad haben, den die Kommunikationsmöglichkeit mittels E-Mails genießt. Dies ergibt sich nicht nur aus der Erwartung des Gesetzgebers, dass über De-Mail-Dienste im ersten Jahr 2% und im zweiten Jahr 5 % sowie bis zu 20 % im fünften Jahr der zur Zeit gewerbsmäßig beförderten Briefsendungen unter 50 Gramm versendet werden könnten; den Nutzungsgrad des Internets bei Privatpersonen liegt laut Gesetzesbegründung bei 55 % (Begründung zum Entwurf eines De-Mail-Gesetzes, Seite 13, Anlage K 7). Auch nach der Aussage des Zeugen E., der nach seiner Aussage die Klägerin zu 2. bei dem De-Mail-Projekt als externer Berater begleitete, hat bekundet, sei aufgrund der Erfahrungen aus einem sechsmonatigen Pilottest in Friedrichshafen davon auszugehen, dass - 2 % der bundesdeutschen Gesamtbevölkerung De-Mail-Dienste in Anspruch nehmen werden; der Nutzungsgrad des Internets liege - wie der Zeuge ebenfalls bekundet hat - bei 80 % der erwachsenen Deutschen.
Es ist überdies nicht zu erkennen, wie die Klägerinnen von den Erfahrungswerten des Geschäftsfeldes E-Mail-Dienste zu den konkret angenommenen Prognosezahlen für ihre De-Mail-Dienste gelangt sind. So ist nicht nachvollziehbar, wieso aus dem Umstand, dass aus der Gesamtzahl von Nutzern der Dienste web.de und gmx - wie der Mitarbeiter der Klägerin zu 2., Herr R., im Verhandlungstermin des Senats ausgeführt hat - 60 bis 65 % als langjährige Kunden gebunden werden können, darauf geschlossen werden kann, dass aus der Gesamtzahl der unverbindlich vorregistrierten Interessenten eine Akquisequote von 60 % von Vertragskunden erzielt werden könne. Jeglicher Plausibilität entbehrt auch die Schlussfolgerung von den Tageszahlen der Akquise in den Maildiensten auf die anzunehmende wöchentliche Neukundenzahl in den De-Mail-Diensten; es ist schlicht nicht nachvollziehbar, wieso von täglich akquirierten 45.000 Maildienst-Kunden - was auf die Woche hochgerechnet 315.000 Neukunden entspricht - auf eine wöchentliche Akquise von 42.000 De-Mail-Nutzern zu schlussfolgern sei. Insgesamt erscheinen die der "Good Case Rechnung" zugrunde gelegten Daten als aus der Luft gegriffen.
(c) Demgegenüber kann die von den Klägerinnen so bezeichnete "Bad Case Rechnung", die von 20 % reaktivierbarer Vorregistrierungen ausgeht, auf nachvollziehbare tatsächliche Grundlagen gestützt werden, die einen sachlichen Zusammenhang mit dem Geschäftsbereich De-Mail-Dienste aufweisen.
Dies gilt aus den vorstehend erörterten Gründen allerdings nicht für die Annahme der Klägerinnen, dass - wie ihre Ausführungen in der Anlage BE 14 zu verstehen sind - aufgrund ihres Marktanteils im Bereich der Maildienste ohne weiteres die Akquirierungszahl der Beklagten für deren E-Postbrief auch für die klägerischen De-Mail-Dienste als "Bad Case" zugrunde gelegt werden könnte.
Demgegenüber ergibt sich aus dem klägerischen Vorbringen zu den durchgeführten Testläufen, dass von 400 vorregistrierten Interessenten etwa 70 Personen zu einer Identitätsfeststellung bewegt werden konnten. Den daraus gewonnenen Erfahrungswert einer "Reaktivierungsquote" von rund 20 % ergibt sich auch aus der Aussage des Zeugen E.. Hiernach sei es Hintergrund der Testläufe gewesen, gerade über die Bereitschaft der vorregistrierten Personen, sich sodann auch identifizieren zu lassen, Aufschluss zu gewinnen; aus den Testläufen wisse man, dass rund 40 % der Vorregistrierten das Identifizierungsformular heruntergeladen hätten, aber die Hälfte davon sich letztlich nicht habe identifizieren lassen. Die somit nach dem Sach- und Streitstand einzig belastbaren Daten erlauben es lediglich, eine Akquirierungsquote von 20 % zugrunde zu legen. Etwas anderes ergibt sich weder aus den weiteren Bekundungen des Zeugen E., dass eine Quote von rund 50 % angestrebt werden sollte, was sich als durch nichts gestützte Erwartungshaltung darstellt, noch aus seinen Ausführungen, dass vor dem Hintergrund eines noch nicht realen Dienstes Kunden schwierig davon zu überzeugen seien, aus einer Vorregistrierung die notwendige Identifizierung vorzunehmen. Letzteres ist zwar nachvollziehbar, aber nicht geeignet, allein hierauf irgendeinen höher liegenden Erfahrungswert zu schätzen.
(2.2.3) Dass die .. GmbH den somit in Gestalt der sogenannten "Bad Case Rechnung" zugrunde zu legenden Bedarf der Klägerinnen an Identifizierungsdienstleistungen auch nicht ansatzweise kurz- bis mittelfristig abdecken könne, haben die Klägerinnen nicht bewiesen. Vielmehr ergibt sich unter Berücksichtigung ihres eigenen Vorbringens aus der Aussage des hierzu von ihnen benannten Zeugen S., dass die .. GmbH willens und in der Lage ist, nicht nur diesen Bedarf ab Projektstart in einem wesentlichen Umfang abzudecken, sondern darüber hinaus sowohl ihre Leistungskapazitäten als auch den räumlichen Abdeckungsbereich ihres Leistungsangebots auf Nachfrage unter entsprechender vertraglicher Abnahmeabsicherung zu erweitern.
(a) Die Klägerinnen haben vorgetragen, dass die .. GmbH im Falle ihrer Beauftragung (im Durchschnitt) bis zur 8. Woche nach Projektstart wöchentlich ca. 9.344, ab der 8. Woche wöchentlich ca. 15.700 und ab der 52. Woche wöchentlich ca. 20.000 Identitätsfeststellungen durchführen könne; unter Berücksichtigung einer Fehlleistungsquote wegen Schlechtleistung und Wiederholungsnotwendigkeit etc., welche im optimalen Fall mit 10 % und im "Bad Case"-Fall mit 25 % zu veranschlagen sei, seien daher unter Inanspruchnahme der .. GmbH - auf der Grundlage der "Bad Case Rechnung" - im Durchschnitt bis zur 8. Woche nach Projektstart 7.008, ab der 8. Woche 11.775 und ab der 52. Woche 15.000 erfolgreiche Identitätsfeststellungen pro Woche rechnerisch zugrunde zu legen (Anlage BE 14 zum Schriftsatz vom 18.10.2011, GA 476).
Schon nach dem klägerischen Vorbringen ist somit selbst unter Zugrundelegung der höchsten Fehlleistungsquote - jedenfalls rechnerisch sowie auf das Jahr hochgerechnet - von einer individuellen Bedarfsdeckung in einem erheblichen Umfang, nämlich zu mindestens 53 % im ersten Jahr (574.164 Identitätsfeststellungen) sowie zu mindestens 56 % im zweiten Jahr (936.000 Identitätsfeststellungen) auszugehen.
(b) Auch nach Vernehmung des Zeugen S. zeigt sich, dass der beschriebene Bedarf der Klägerinnen in erheblichem Umfang durch die .. GmbH bedient werden kann.
Der Zeuge S., nach eigener Bekundung Geschäftsführer der .. GmbH, hat die mit "rechnerische Leistung .." bezeichneten Zahlenangaben der Klägerinnen in deren Anlage BE 14 bestätigt.
Er hat des Weiteren bekundet, dass die .. GmbH, die am 01.10.2011 den operativen Geschäftsbetrieb aufgenommen habe, derzeit zwar ausschließlich Produkte zur Identifizierung nach dem Geldwäschegesetz anbiete, ihr bislang mangels Nachfrage noch nicht angebotene Identifizierungsdienstleistungen nach dem De-Mail-Gesetz jedoch ohne weiteres möglich seien. Hiernach ist davon auszugehen, dass die .. GmbH nach ihrer Geschäftsplanung und Struktur grundsätzlich dazu bereit und in der Lage ist, eine DeMailG-konforme Identifizierungsdienstleistung, die dem von der .. GmbH bereits vertriebenen Produkt Identifizierungsdienstleistungen nach dem GWG ohnehin vergleichbar wäre, anzubieten, sobald mit der Akkreditierung von De-Mail-Diensteanbietern eine entsprechende Nachfrage entsteht.
Ferner hat der Zeuge bekundet, die .. GmbH könne bei Start der De-Mail-Dienste im Jahr 2012 aus heutiger Sicht realistisch rund 1 Million Identifizierungsleistungen pro Jahr erbringen; aufgrund des unternehmerisch gewollten Wachstums wären die Leistungsmengen ab 2013 auch über 18.000 Identifizierungsdienstleistungen pro Woche hinaus zu steigern, wenn größere Abnahmemengen vertraglich fest fixiert würden. Dies kann nur dahin verstanden werden, dass ein aus dem Stand heraus realistisches Jahresleistungsvolumen von rund 1 Million geeigneter Identitätsfeststellungen nach der unternehmerischen Einschätzung und Planung der .. GmbH, die nach den weiteren Angaben des Zeugen eine Verdopplung ihres Marktanteils bis zum Ende des Jahres 2013 anstrebt, in nicht unerheblichem Umfang steigerungsfähig ist, wenn und soweit entsprechend erforderlichen Investitionen eine vertraglich abgesicherte Nachfrage gegenübersteht, das unternehmerische Expansionsrisiko also abgesichert erscheint. Hiernach ist davon auszugehen, dass eine Abdeckung des klägerischen Bedarfs durch die .. GmbH keinen starren Grenzen unterliegt, sondern - im Rahmen eines durch entsprechende Rahmenverträge abgesicherten Investitionsrisikos für die .. GmbH - entwicklungsfähig ist und schon beginnend mit dem zweiten Jahr einer Zusammenarbeit in nicht unerheblichem Umfang erweitert werden kann. Dies wiederum bedeutet bei verständiger Würdigung auch, dass der von der .. GmbH benötigte Zeitraum zur Prüfung und Realisierung einer Expansion, den der Zeuge mit mehreren Monaten bezeichnet hat, ebenfalls von dem Zeitpunkt abhängt, zu welchem der (potentielle) Auftraggeber - hier die Klägerinnen - sich zu einer Zusammenarbeit auf vertraglicher Grundlage entscheidet und Leistungsvolumina vereinbart. Wie schnell die Leistung der .. GmbH gesteigert werden kann, hängt somit auch davon ab, dass die Klägerinnen sich frühzeitig neuorientieren und eine Zusammenarbeit mit der .. GmbH rechtsverbindlich strukturieren.
Aufgrund der Aussage des Zeugen S ist somit ebenfalls davon auszugehen, dass der klägerische Bedarf an DeMailG-konformen Identifizierungsdienstleistungen rechnerisch mindestens in dem sich bereits aufgrund des klägerischen Vorbringens ergebenden Umfang von 53 % bzw. 56 % abgedeckt und darüber hinaus schon ab 2013 gesteigert werden kann.
(c) Diese rechnerische Bedarfsabdeckung entspricht im Wesentlichen auch der tatsächlich unter Inanspruchnahme der .. GmbH erreichbaren Abdeckung des klägerischen Bedarfs. Insoweit kann der Senat aufgrund der sich ihm darbietenden prozessualen Lage keine erhebliche Nutzenminderung des Dienstleistungsangebots der .. GmbH für die Klägerinnen darin feststellen, dass die .. GmbH - wie der Zeuge S. weiter bekundet hat - ihre Leistungen bundesweit, momentan aber mangels entsprechender logistischer Struktur nicht flächendeckend anbiete und Identifizierungsdienstleistungen am Schalter weder derzeit erbringt noch ein entsprechendes Angebot beabsichtigt.
Soweit es die Frage eines flächendeckenden Dienstleistungsangebots betrifft, ist zwar theoretisch denkbar, dass eine mangelnde Flächendeckung je nach räumlicher Verteilung der De-Mail-Kunden die Eignung des Dienstleistungsangebotes eines Identifizierungsdienstleisters mindern kann. Weder aus dem Vorbringen der Klägerinnen noch sonst können indes Erkenntnisse darüber gewonnen werden, welche Bedeutung diese Frage im Fall der Klägerinnen hat sowie ob und wie sich ein solcher Nachteil tatsächlich auf ihre Bedarfsdeckung auswirkt. Nichts ist dazu ersichtlich, welche räumlichen Bereiche des vom Dienstleistungsangebot der .. GmbH grundsätzlich umfassten Bundesgebietes von diesem Dienstleister - derzeit - nicht abgedeckt werden können und ob sowie in welchem Umfang diesen Bereichen im Hinblick auf den klägerischen Bedarf eine Relevanz zukommt. Aufgrund dessen kann nicht beurteilt werden, ob der individuelle Bedarf der Klägerinnen wirtschaftlich vernünftig nur unter Inanspruchnahme der Beklagten abgedeckt werden kann. Im Übrigen ergibt sich aus der Aussage des Zeugen S., dass auch der Aspekt der Flächendeckung - ähnlich dem der mengenmäßigen Expansion - entwicklungsfähig ist. So hat der Zeuge bekundet, dass eine flächendeckend geforderte Dienstleistung kurzfristig nicht angeboten werden könne. Damit hat der Zeuge jedoch nicht ausgeschlossen, dass die .. GmbH ihr Dienstleistungsangebot mittel- bis langfristig entsprechend erweitern, also auch räumlich expandieren könne. Vielmehr erschließt sich gerade die dies bejahende Aussage daraus, dass nach seinen Bekundungen die Zeiträume losgelöst von den Einzelheiten und Umständen des konkreten Auftrages, insbesondere von den Auftragsvolumina, der Mengenstrukturen etc. derzeit nicht bestimmt werden könnten. Bei verständiger Würdigung bezieht sich dieser Aussageteil auf die unmittelbar zuvor vom Zeugen angesprochene Unmöglichkeit, kurzfristig eine Flächendeckung anbieten zu können. Die Aussage kann daher nicht anders verstanden werden, als dass auch eine räumliche Expansion der .. GmbH im Sinne einer zunehmenden Flächendeckung machbar erscheine und nach der unternehmerischen Planung auch nicht ausgeschlossen sei, ihre Realisierung wie auch der hierfür benötigte Zeitraum letztlich aber - wie im Fall der Volumenexpansion - von der konkreten Nachfrage und deren vertraglichen Bindung an die .. GmbH abhänge.
Die Möglichkeit, den künftigen De-Mail-Nutzer - wie die Klägerinnen vorgetragen haben und es auch der Aussage des Zeugen E. entnommen werden kann - online ein Authentifizierungsformular zu übermitteln und zur Identitätsfeststellung in einer Betriebsstätte des Identifizierungsdienstleisters aufzufordern, mag aus Sicht eines De-Mail-Diensteanbieters die einfachste und kostengünstigere Option sein. Im Streitfall kann es schon auf sich beruhen, ob das beabsichtigte Geschäftsmodell der Klägerinnen diese Gestaltung ausschließlich oder überwiegend vorsieht. Denn allein die gewünschte, für optimal erachtete Ausgestaltung des beabsichtigten De-Mail-Dienstes vermag den kartellrechtlichen Kontrahierungszwang der Beklagten nicht zu begründen, wenn alternative Identifizierungsverfahren durch andere Fremddienstleister angeboten werden und - wie es hier der Fall ist - dem De-Mail-Diensteanbieter eine entsprechende Umstellung seines Geschäftsmodells zugemutet werden kann. Das Rechtsschutzbegehren der Klägerinnen selbst zeigt die wirtschaftliche Äquivalenz der Authentifizierungen zum einen im Schalterbetrieb und zum anderen durch Zusteller des Identifizierungsdienstleisters auf, indem die Postident-Dienstleistungen der Varianten Postident Basic und Postident Comfort gleichermaßen eingefordert werden. Der Nachteil, ohne die Beklagte keinen Identifizierungsdienstleister mit Schalterbetrieb beauftragen zu können, schränkt daher zwar die wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Klägerinnen ein, schließt sie aber nicht vom Wettbewerb auf dem Markt für De-Mail-Dienste aus. Dies zeigt sich überdies deutlich darin, dass die Klägerinnen nach ihrem eigenen Vorbringen die .. GmbH als Dienstleister in Betracht ziehen, insoweit aber in erster Linie ein nicht ausreichendes Mengenvolumen geltend machen.
In diesem Zusammenhang ist ferner nicht die - von den Klägerinnen auch nicht geltend gemachte - Schlussfolgerung erlaubt, dass das Geschäftsmodell der .. GmbH, das Identitätsprüfungen nur nach vorheriger Terminabsprache mit der zu identifizierenden Person an dem von ihr gewünschten Ort vorsieht, für die Abwicklung eines Massengeschäfts nicht geeignet sei. Nach den Bekundungen des Zeugen S. erspare gerade diese Vorgehensweise Zeit und Aufwand, weil man sicher davon ausgehen könne, den Kunden auch anzutreffen. Unter weiterer Berücksichtigung der vom Zeugen ebenfalls bekundeten Leistungsmengen ergibt sich in Ermangelung anderer Anhaltspunkte nichts für eine mangelnde Eignung der .. GmbH für eine Massenabwicklung.
(d) Eine mangelnde Eignung der .. GmbH für die Zwecke der Klägerinnen folgt schließlich auch nicht daraus, dass dieses Unternehmen - wie der Zeuge S. ausgeführt hat - seinen Geschäftsbetrieb nicht auf De-Mailkonforme Identifizierungsdienstleistungen fokussieren, sondern auch den bisherigen Geschäftsbereich der Identifizierung nach GWG weiterverfolgen wolle. Der Zeuge hat bekundet, dass die .. GmbH bei Start der De-Mail-Dienste im Jahr 2012 rund 1 Million Identitätsfeststellungen durchführen und dies ab 2013 noch steigern könne. Das Leistungsvolumen von 1 Million im Jahr 2012 liegt bereits deutlich über dem Volumen, welches nach dem klägerischen Vorbringen von der .. GmbH ihnen gegenüber für das erste Jahr in Aussicht gestellt worden sei. Denn insoweit behaupten die Klägerinnen (vgl. Schriftsatz der Klägerinnen vom 18.10.2011, S. 2, GA 475):
"Herr S. wird zu den Identifizierungsleistungen der Firma .. gegenüber den Klägerinnen folgende Zahlen bestätigen können:
Ca. 9.300 bis zur 8. Woche nach Projektstart, ca. 15.700 ab der 8. Woche nach Projektstart und ca. 20.000 ab der 52. Woche nach Projektstart."
Hiervon ausgehend errechnet sich ein den Klägerinnen angebotenes Leistungsvolumen von [(9.300 x 7 Wochen =) 65.100 + (15.700 x 44 Wochen =) 690.800 + 20.000 =] 775.900 Identifizierungsleistungen, so dass unter Berücksichtigung der Aussage des Zeugen S. der .. GmbH ein Puffer für andere Geschäftsbereiche und Auftraggeber verbleibt. Im Übrigen hat der Zeuge S. hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass für sein Unternehmen letztlich entscheidend sei, dass und wann eine vertragliche Bindung vom potentiellen Auftraggeber gewünscht werde.
(3) Nach alledem stützen die Klägerinnen den geltend gemachten Kontrahierungszwang ohne Erfolg auf einen Verstoß gegen das kartellrechtliche Behinderungsverbot.
bb) Des Weiteren kommt im Streitfall ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot [§ 20 Abs. 1 GWB, Art. 102 Abs. 2 lit. c)] nicht in Betracht.
(1) Dem Normadressaten des § 20 Abs. 1 GWB ist untersagt, wirtschaftlich gleichliegende Sachverhalte auf dem beherrschten Markt ohne sachlich gerechtfertigten Grund ungleich zu behandeln (vgl. Bechtold, GWB, 5. Aufl., § 20 Rn. 51). Eine tatbestandliche Ungleichbehandlung wirtschaftlich gleicher Sachverhalte kann indes grundsätzlich nur angenommen werden, wenn der aus dem unterschiedlichen Verhalten des Normadressaten resultierende wettbewerbliche Nachteil des betroffenen Unternehmens gerade gegenüber dem zum Vergleich herangezogenen Unternehmen besteht. Entsteht dahingegen durch eine Maßnahme des Normadressaten eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Betätigungsmöglichkeit für das betroffene Unternehmen unabhängig davon, wie sich der Normadressat gegenüber dem zum Vergleich herangezogenen Unternehmen verhält, besteht mangels Wirkungsverflechtung der Maßnahme keine wirtschaftliche Vergleichbarkeit der unterschiedlich behandelten Sachverhalte. Das in § 20 Abs. 1 GWB verankerte Diskriminierungsverbot bezweckt in erster Linie, den gleichartigen Unternehmen im Verhältnis zu dem Normadressaten gleiche Marktchancen zu sichern (vgl. BGH, Urteil vom 03.03.1969, KVR 6/68, BGHZ 52, 65 - 74, zitiert nach juris Tz. 21; vgl. auch Markertt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, 4. Aufl., § 20 Rn. 19 und 115). Entscheidend ist daher, ob die unterschiedliche Handlungsweise des Normadressaten gegenüber den gleichartigen Unternehmen die Chancengleichheit unter diesen beeinträchtigt. Dies bedeutet nichts anderes, als dass sich die unterschiedliche Behandlung in Beziehung auf miteinander im Wettbewerb stehende gleichartige Unternehmen ergeben muss.
(2) Ein nach Art. 102 Abs. 1 und 2 lit. c) AEUV verbotener Missbrauch einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben kann in der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern, wodurch diese im Wettbewerb benachteiligt werden, liegen. Schutzzweck des gemeinschaftsrechtlichen Diskriminierungsverbots ist es ebenfalls, auf der vor- oder nachgelagerten Wirtschaftsstufe Wettbewerbsverfälschungen zu verhindern, die ihren Ursprung in einer ungleichen Behandlung von Lieferanten oder Abnehmers haben (vgl. Dirksen in Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und europäischen Kartellrecht, Band 2 Europäisches Kartellrecht, 10. Aufl., Art. 82 Rn. 138 m.w.N.). Die im Sinne des Art. 102 Abs. 2 lit. c) AEUV tatbestandliche Benachteiligung im Wettbewerb ist (daher) im Verhältnis der unterschiedlich behandelten Handelspartner des beherrschenden Unternehmens zu prüfen; diese verschiedenen Handelspartner müssen im Wettbewerb zueinander stehen (vgl. Dirksen, a.a.O., Art. 82 Rn. 144).
(3) Im Streitfall besteht nach den mithin übereinstimmenden Maßstäben des deutschen und europäischen Kartellrechts keine Vergleichbarkeit zwischen einerseits De-Mail-Diensteanbietern, denen die Beklagte Identifizierungsdienstleistungen verweigert, und andererseits Nachfragern, die Postident-Dienstleistungen der Beklagten für ihre andersgelagerten Geschäftszwecke uneingeschränkt in Anspruch nehmen können. Die Klägerinnen wie auch alle übrigen künftigen De-Mail-Diensteanbieter stehen mit Nachfragern, die - wie beispielsweise Banken - mit der nachgefragten Identifizierungsdienstleistung andere Geschäftszwecke verfolgen, nicht im Wettbewerb; vielmehr sind diese verschiedenen Nachfragergruppen auf unterschiedlichen nachgelagerten Märkten tätig. Die streitgegenständliche Geschäftsverweigerung gegenüber De-Mail-Diensteanbieter führt vielmehr unabhängig davon, ob auf anderen Märkten als Anbieter tätige Unternehmen die Dienstleistungen der Beklagten nutzen können oder nicht, zu einer Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Klägerinnen wie aller betroffenen De-Mail-Diensteanbieter auf dem Markt für De-Mail-Dienste. Innerhalb der Nachfragergruppe der De-Mail-Diensteanbieter betrifft die Leistungsverweigerung der Beklagten wiederum alle (künftigen) De-Mail-Diensteanbieter gleichermaßen. Es ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Klägerinnen noch sonst Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte insoweit weiter differenziert.
2.
Der von den Klägerinnen geltend gemachte Kontrahierungszwang ergibt sich auch nicht aus dem lauterkeitsrechtlichen Beseitigungsanspruch nach § 8 UWG oder dem lauterkeitsrechtlichen Schadensersatzanspruch nach § 9 UWG.
Nach § 8 UWG kann - was im Streitfall allein von Interesse ist - der Mitbewerber (Abs. 3 Nr. 1.) von demjenigen, der eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, Beseitigung verlangen (Abs. 1 Satz 1). Gegenstand des Anspruchs ist die Beseitigung des rechtswidrigen akuten Störungszustandes; was hierzu zu unternehmen ist, hängt von der Art der Beeinträchtigung ab. Daher kommt im Streitfall zur Beseitigung der in der Geschäftsverweigerung wohlmöglich liegenden akuten Störung die Gewährung der verweigerten Leistungen im Wege des Vertragsschlusses in Betracht (vgl. Bornkamm in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 8 Rn. 1.80, 1.93). Handelt der Störer vorsätzlich oder fahrlässig, kann der Mitbewerber nach § 9 Satz 1 UWG Schadensersatz verlangen. Im Falle eines Wettbewerbsverstoßes durch Verweigerung eines Vertragsschlusses kann der betroffene Mitbewerber im Wege des nach § 249 Abs. 1 BGB auf Naturalrestitution gerichteten Schadensersatzanspruchs den Abschluss eines entsprechenden Vertrages zu den üblichen Bedingungen verlangen kann (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 9 Rn. 1.27). Wegen der Überschneidung mit dem verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch aus § 8 Abs. 1 UWG hat der Schadensersatzanspruch im Streitfall jedoch keine eigenständige Bedeutung (vgl. Köhler, a.a.O., § 9 Rn. 1.25).
Anspruchsvoraussetzung ist in jedem Fall eine - was im Streitfall nur in Betracht kommt - nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung. Hieran fehlt es jedoch im Streitfall. Die streitgegenständliche Geschäftsverweigerung der Beklagten ist nach der auch insoweit gebotenen Interessenabwägung nicht unlauter. Hiervon ist auszugehen, weil den Klägerinnen der ihnen obliegende Beweis einer Unerlässlichkeit des Postident-Dienstleistungsangebot der Beklagten für ihre Tätigkeit am Markt für De-Mail-Dienste nicht gelungen ist:
Der unbestimmte Rechtsbegriff der Unlauterkeit wird in erster Linie durch die Beispieltatbestände des § 4 UWG konkretisiert, die typische Erscheinungsformen der Unlauterkeit umschreiben. Von diesen greift im Streitfall indes keiner. Der insoweit einzig in Betracht zu ziehende Tatbestand der gezielten Behinderung erfasst lediglich die individuelle Behinderung durch Wettbewerbsmaßnahmen gegen einzelne oder mehrere Mitbewerber, nicht jedoch die allgemeine Marktbehinderung, durch die die Grundbedingungen des Wettbewerbs sowie sein Bestand ernstlich gefährdet werden (vgl. Köhler, a.a.O., § 4 Rn. 10.2 und 10.12 m.w.N. sowie Rn. 12.3 ff.). Letzteres kommt jedoch für die streitbefangene Leistungs- bzw. Geschäftsverweigerung in Betracht, da sie sich gegen jeden mit der Beklagten konkurrierenden De-Mail-Dienstanbieter richtet.
Ob die den Markt für De-Mail-Dienste mithin allgemein treffende Geschäftsverweigerung unlauter ist, ist an der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG im Wege einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände, der Interessen des Handelnden und der übrigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit zu messen (vgl. Köhler, a.a.O., § 3 Rn. 42 und 45 f. m.w.N.). In die im Streitfall gebotene Interessenabwägung sind insbesondere die auf die Vertragsfreiheit und Wettbewerbsfreiheit gegründeten Interessen der Beklagten einzubeziehen, über Ob und Inhalt eines Vertragsschlusses mit anderen Unternehmen grundsätzlich frei entscheiden zu können, ferner ihre eigenen geschäftlichen Interessen zu wahren und im angemessenen Umfang zu schützen sowie schließlich ihre wettbewerblichen Vorteile nutzen zu dürfen. Diese Interessen können nur dort eine Einschränkung erfahren, wo ihre Durchsetzung zu einer ernstlichen Gefährdung der Grundbedingungen eines Wettbewerbs und des Wettbewerbsbestandes führen kann. Dies kann im Streitfall - gleichlaufend zur kartellrechtlich gebotenen Interessenabwägung - nur angenommen werden, wenn die streitgegenständliche Geschäftsverweigerung auf dem vorgelagerten Markt geeignet ist, jeglichen Wettbewerb der Klägerinnen wie auch jeden anderen De-Mail-Diensteanbieters auf dem nachgelagerten Markt für De-Mail-Dienste auszuschließen. Dies ist jedoch - wie im Einzelnen zur gleichgelagerten kartellrechtlichen Interessenabwägung ausgeführt - hier nicht der Fall. Vielmehr ist davon auszugehen, dass den Klägerinnen mit der .. GmbH ein weiterer sowohl geeigneter als auch leistungsfähiger Identifizierungsdienstleister zur Verfügung steht, so dass ihre Teilnahme am Wettbewerb nicht ausgeschlossen ist. Die durch die Geschäftsverweigerung der Beklagten bewirkte Einschränkung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Klägerinnen wie auch jedes anderen mit der Beklagten konkurrierenden Diensteanbieters auf dem Markt für De-Mail-Dienste ist Ausdruck von Wettbewerb und daher hinzunehmen.
Die Beweislast für die anspruchsbegründenden Umstände, die zum Unlauterkeitsurteil führen, obliegt auch insoweit den Klägerinnen.
D.
Mit ihren jeweils hilfsweise zur Entscheidung gestellten Anträge wie auch mit dem unter dem 11. Februar 2011 hilfsweise hierzu schriftsätzlich angekündigte Antrag verfolgen die Klägerinnen im Kern denselben prozessualen Anspruch wie mit ihren jeweiligen Hauptanträgen. Aufgrund desselben Sachverhaltes machen die Klägerinnen auch insoweit einen Kontrahierungszwang der Beklagten geltend. Im Unterschied zu ihren Hauptanträgen beschränken die Klägerinnen den mit ihren Hilfsanträgen eingeklagten Vertragsabschluss auf die Postident-Varianten Postident Basic und Postident Comfort und begehren die inhaltliche Anlehnung des gewünschten Vertrages an den unter dem 27. September 2010 der Klägerin zu 1. unterbreiteten Formular-Rahmenvertrag mit der Maßgabe, dass die darin vorgesehene Leistungsausschlussklausel zu streichen sei. Da die Verträge einerseits vom 4. Juli 2007 und andererseits vom 27. September 2010 bei Streichung der streitbefangenen Leistungsausschlussklausel inhaltsgleich sind, ergibt sich hieraus kein signifikanter Unterschied zu den mit den Hauptanträgen verfolgten Begehren, deren wesentliches Ziel es ebenfalls war, die DeMailG-konformen Varianten des Postident-Leistungsangebots der Beklagten in Anspruch nehmen zu können. Nichts anderes haben die Klägerinnen selbst vorgetragen. So heißt es in ihrem Schriftsatz vom 11. Februar 2011 (Seite 9, GA69) ausdrücklich:
Das "kartellrechtswidrige Verhalten kann nicht auf andere Weise als durch Belieferung ohne Wettbewerbsverbotsklausel vermieden werden. Dies kann die Beklagte nach dem alten Vertrag (Hauptantrag) oder dem neuen Vertragsentwurf (Hilfsantrag) vornehmen; in der Sache macht dies keinerlei Unterschied".
Gleiches gilt schließlich für den mit nachgelassenem Schriftsatz vom 11. Februar 2011 angekündigten weiteren Hilfsantrag, der im Übrigen wortgleich mit den vorrangigen, auf Leistung gerichteten Hilfsanträgen das Rechtsschutzbegehren lediglich auf ein Feststellungsbegehren beschränkt.
Aufgrund dessen vermögen die Klägerinnen aus den bereits zu den Hauptanträgen im Einzelnen ausgeführten Gründen auch mit ihren Hilfsanträgen nicht durchzudringen. Die Klage ist insgesamt unbegründet und abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Es bestand keine Veranlassung, die Revision zuzulassen. Die streitigen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt. Die Rechtsanwendung auf den Streitfall ist insoweit einzelfallbezogen. Die Sache hat daher weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
OLG Düsseldorf:
Urteil v. 30.11.2011
Az: VI-U (Kart) 14/11
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