Bundespatentgericht:
Beschluss vom 9. Dezember 2008
Aktenzeichen: 33 W (pat) 64/07

(BPatG: Beschluss v. 09.12.2008, Az.: 33 W (pat) 64/07)

Tenor

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patentund Markenamts vom 12. Februar 2007 aufgehoben.

Gründe

I Die Anmeldung der Wortmarke CAROSSEUM unter anderem für Klasse 12: Fahrzeuge; Apparate zur Beförderung auf dem Lande; Klasse 37: Wartung und Reparatur von technischen Vorrichtungen;

Klasse 41: Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten

(gemäß dem Warenund Dienstleistungsverzeichnis in der Fassung des Schriftsatzes vom 6. Februar 2006)

ist mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patentund Markenamts vom 12. Februar 2007 durch ein Mitglied des Patentamts nach § 37 Abs. 1 und 5 MarkenG i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zurückgewiesen worden, nämlich für die oben wörtlich aufgeführten Waren und Dienstleistungen. Unter Verweis auf ihren Beanstandungbescheid vom 2. Februar 2006 führt die Markenstelle zur Begründung aus, dass die Wortzusammensetzung "CAROSSEUM" vom Verkehr dahingehend verstanden werde, dass es sich um Waren und Dienstleistungen handele, die sich auf einen Ausstellungsort für Karossen, also Fahrzeuge bezögen. Trotz fehlender lexikalischer Nachweisbarkeit fehle der angemeldeten Wortneubildung die Unterscheidungskraft, da sie ohne weiteres verständlich sei. Begriffe wie "Karosse" und "Karosserie" seien im Inland bekannt, wobei das Markenwort "CAROSSEUM" analog zu "Museum", "Mausoleum" oder "Colosseum" gebildet sei. In all diesen Einrichtungen werde etwas zur Schau gestellt. Auch seien ähnlich gebildete Begriffe gebräuchlich, wie das in der Presseberichterstattung belegbare digitale Museumsführungssystem des Wieland-Museums in Oßmannstedt "Osmantinum". Somit sei das angemeldete Markenwort ohne weiteres für die angesprochenen Verkehrskreise verständlich und werde in seinem Sinngehalt als Ausstellung von Fahrzeugen in einer Sammlung unmittelbar erfasst. Dementsprechend würden die Dienstleistungen mit der Anmeldemarke dahingehend beschrieben, dass sie Ausstellungen ermöglichten, indem etwa alte Karossen instand gesetzt würden oder der Inhalt der Ausstellung im Sinne von Erziehung und Ausbildung erläutert werde. Sportliche Aktivitäten könnten z. B. Rallyes mit den Exponaten sein. Alle zurückgewiesen Waren und Dienstleistungen könnten dazu dienen, Fahrzeuge als Exponate in einem Carosseum bereit zu stellen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Zur Begründung trägt er vor, dass der Ausdruck "CAROSSEUM" eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortneuschöpfung darstelle, die weder ein gebräuchlicher Ausdruck sei noch eine im Vordergrund stehende (beschreibende) Bedeutung aufweise, was er anhand der etymologischen Entwicklung der Begriffe "Karosse", "Lyzeum", "Kolosseum", "Mausoleum" und "Museum" ausführt. Der Verkehr fasse den Begriff als einheitlich auf, zergliedere ihn nicht und nehme einen ganzheitlichen fremdsprachigen Begriff an. Der angemeldete Begriff beschreibe Fahrzeuge oder Apparate zur Beförderung auf dem Lande ebenso wenig wie Dienstleistungen. Im Übrigen sei der Begriff ausreichend phantasievoll, selbst wenn der Verkehr darin die Bezeichnung eines Automobilmuseums erkennen sollte. Zudem seien die Dienstleistungen "Wartung und Reparatur von technischen Vorrichtungen" für Museen unüblich. Auch für kulturelle Aktivitäten besitze die Anmeldemarke ausreichend Unterscheidungskraft. Darüber hinaus bestehe kein Freihaltebedürfnis für die Allgemeinheit.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet.

Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.

So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Das angemeldete Markenwort "CAROSSEUM" hat sich weder als beschreibendes noch überhaupt als existierendes Wort belegen lassen. Bei der Eingabe dieses Worts als Suchbegriff ließen sich mit der Suchmaschine ... zwar 34 Treffer erzielen, dabei wird "carosseum" jedoch fast immer nur von Domaindiensten oder in sonstigen entsprechenden Übersichten als Teil einer Internetdomain aufgeführt. Nur zwei Treffer führten zu einem "richtigen" Internetauftritt, allerdings dem eines luftfahrtorientierten Serviceunternehmens, an dem der Anmelder beteiligt ist, wobei das Markenwort wiederum nur als Teil (Sub-Level-Domain) der Internetadresse auftauchte (vgl. www.carosseum.de/unternehmen.php). Damit kann ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis ausgeschlossen werden.

Gleiches gilt für ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis. Gegen eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich das Wort "Carosseum" in absehbarer Zukunft als Sachbegriff für irgendwelche Ausstellungseinrichtungen und -veranstaltungen, insbesondere solche für Fahrzeuge, Karossen o. Ä., etablieren kann, spricht zunächst, dass sich hierfür längst andere Begriffe eingebürgert haben (z. B. "Fahrzeugausstellung", "Showroom", "Fahrzeugmuseum", "Kutschenmuseum", "Karosserieausstellung", "car exhibition" usw.). Angesichts der bei technischen Gegenständen eher zur Bildung von Anglizismen tendierenden Sprachentwicklung liegt es auch außerhalb der Wahrscheinlichkeit, dass sich neue Fachbezeichnungen in diesem Bereich aus Wortzusammenziehungen mit altsprachlichen Wörtern der Bildungssprache wie "Lyzeum, Kolosseum, Mausoleum" entwickeln. Eine Überprüfung anhand rückläufiger Wörterbücher (Mater, Rückläufiges Wörterbuch der deutschen Gegenwartsprache, 4. Aufl.; Muthmann, Rückläufiges deutsches Wörterbuch, 3. Aufl.) hat vielmehr ergeben, dass es außer den Begriffen "Tedeum", "Linoleum", "Petroleum", "Mausoleum", "Museum", "Gynäzeum", "Andrözeum", "Lyzeum", "Ileum", "Oleum" sowie den Bezeichnungen besonderer Arten von Museen (z. B. "Heimatmuseum", "Feilichtmuseum" usw.) überhaupt keine Wörter der deutschen Sprache gibt, die wie die Anmeldemarke enden. Demnach hat eine Wortzusammenziehung, wie sie hier vorliegt, hat offenbar nie, auch nicht in einem anderen Bereich als dem der Fahrzeuge oder Karosserien, Eingang in die deutsche Sprache gefunden. Daher ist mangels entsprechender tatsächlicher Anhaltspunkte auch ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis zu verneinen.

Nach Auffassung des Senats weist die angemeldete Marke auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 -Philips/Remington; GRUR 2004, 428 Nr. 30, 48 -Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (vgl. EuGH GRUR 2004, 943 Nr. 24 -SAT.2). Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr -etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung -stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH GRUR 2003, 1050, 1051 -Cityservice).

Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Dies gilt auch, wenn man mit der Markenstelle davon ausgeht, dass es sich bei der Anmeldemarke erkennbar um eine Wortzusammenziehung aus den Begriffen "Karosse" (trotz der Schreibweise mit "C") und "Museum", "Mausoleum" oder "Colosseum" handelt. Zwar dürfte der normal informierte und interessierte Verkehrsteilnehmer häufig die hinter der Wortzusammenziehung stehenden Ausgangsbegriffe erkennen oder wenigstens vermuten und dementsprechend ohne weiteres auf die gemeinte Bedeutung schließen. Dann muss er aber auch erkennen, dass es sich hier gerade nicht um eine platte sachliche Begriffskombination wie "Fahrzeugmuseum" handelt, die der sprachüblichen Bildung spezifizierter Fachbegriffe entspricht. Vielmehr wird er die den Sprachregeln widersprechende Art der Wortbildung durch verkürzende Zusammenziehung von zwei Einzelworten unter Weglassung des Anfangs des zweiten Teilworts erkennen und daher von Haus aus auf eine sprechende Marke schließen. Dementsprechend weist z. B. die vergleichbare Wortzusammenziehung "Bionade" ("Bio" und "Limonade") von Haus aus ebenfalls eine Eignung zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung auf und konnte sich auch als Produktkennzeichnung etablieren. Auch die von der Markenstelle als Beleg genannte Bezeichnung "Osmantinum" ist nach dem Inhalt des zum Beleg angeführten Presseauszugs keine sachlich beschreibende Angabe für digitale Museumsführungssysteme (verschiedener Hersteller), sondern der von der Bauhaus Universität Weimar ausgewählte Name für das von ihr entwickelte Produkt, also eine Produktkennzeichnung. Als zusätzliches fantasievolles Element kommt vorliegend die für den technischen Bereich eher ungewöhnliche Kombination mit einem altsprachlichen Wort hinzu.

Zwar kann nicht jeder derartig gebildeten Wortzusammenziehung die Eignung zur betrieblichen Herkunftsunterscheidung zugebilligt werden. So sind etwa die englischen Kunstwörter "Pixel" (zusammengesetzt aus "picture" und "element"), "Phishing" ("password" und "fishing") oder "blaxploitation" ("black" und "exploitation") zu beschreibenden Sachbezeichnungen geworden, weil sie vom Verkehr entsprechend aufgegriffen worden sind und sich zu solchen Bezeichnungen entwickelt haben. Diese Entwicklung ist bei dem angemeldeten Wort aber gerade nicht feststellbar; sie ist -worauf es bei der Frage der Unterscheidungskraft allerdings auch nicht ankäme -noch nicht einmal wahrscheinlich (s. o.). Der angemeldeten Marke kann daher nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben war.

Bender Knoll Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 09.12.2008
Az: 33 W (pat) 64/07


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