Landgericht Hamburg:
Urteil vom 4. Juli 2013
Aktenzeichen: 330 O 4/12
(LG Hamburg: Urteil v. 04.07.2013, Az.: 330 O 4/12)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt aus abgetretenem Recht der Frau M. W. von der Beklagten Schadensersatz aufgrund des Erwerbes eines Lehman-Garantiezertifikates. Emittentin dieses Zertifikates mit der WKN A...0, welches die Entwicklung von 6 Aktienkursen beobachten sollte und eine vollständige Kapitalrückzahlung zum Laufzeitende vorsah, war die Lehman Brothers Treasury Co B.V.. Die Lehman Brothers Holdings Inc. fungierte als Garantin.
Die Zedentin M. W. erwarb dieses Garantiezertifikat nach einem am 15.5. oder 16.5.2008 mit dem für die Beklagte tätigen Zeugen H. geführten Telefonat. Im Rahmen des Gespräches hat der Berater H. die Zedentin unstreitig jedenfalls über die allgemeine Funktionsweise von Zertifikaten aufgeklärt.
Die Zedentin erwarb 50 Stück dieses Papieres zu einem Kaufpreis von insgesamt € 50.000,--.
Mit dem als Anlage K 2.1.3. eingereichten Kauf-, Übereignungs- und Abtretungsvertrag hat Frau W. ihre Ansprüche an die Klägerin abgetreten.
Im Mai 2011 hat die Klägerin Beschwerde beim Ombudsmann der privaten Bank eingereicht (Anlage K 2.1.4.). Der Ombudsmann entschied, dass die Beschwerde unzulässig sei. Eine Schlichtung sei nicht statthaft, weil die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt Kundin der D. B. M. AG gewesen sei. Ihr fehle daher die Eigenschaft als Bankkundin.
Die Klägerin behauptet, die Zedentin, die erklärt habe, sie wolle das Geld auf jeden Fall sicher anlegen, sei nur über die allgemeine Funktionsweise von Zertifikaten aufgeklärt worden. Eine weitergehende Aufklärung über die mit dem Papier verbundenen Risiken sowie die Vertriebsaufwandsvergütung der Beklagten sei unterblieben.
Die Klägerin meint, der Anspruch zur Rückabwicklung des Zertifikateerwerbs folge daraus, dass der Zertifikate-Vertrieb durch die Beklagte als unerlaubtes Glückspiel gegen ein gesetzliches Verbot verstoße, weshalb der Kaufvertrag jeweils nichtig gem. § 134, 138, 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 284 StGB sei.
Des Weiteren hat die Klägerin in der Klagschrift v. 27.12.2011 den Widerruf der Kaufverträge erklärt und insoweit geltend gemacht, die Lehman-Zertifikate seien telefonisch als Fernabsatzvertrag ohne Aufklärung über die Widerrufsfrist erworben worden.
Des Weiteren meint die Klägerin, es lägen die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 Abs. 1 Abs. 3 Nr. 1, 2 StGB vor. Der Berater habe die Anleger in den jeweiligen Beratungsgesprächen in jeweils besonders schweren Fällen betrogen. Dem liege zugrunde, dass der Berater den Anlegern beim Kauf der Zertifikate insbesondere durch sein Verhalten, durch seine Bezeichnung als "Kundenberater", durch die Bezeichnung des Beratungsgespräches als "Beratung" und durch einheitlich vorformulierte Informationen der Beklagten die falschen Tatsachen vorgespiegelt habe, dass der Berater zur Beurteilung der wesentlichen Umstände sowie Risiken der Lehman-Zertifikate ausreichend kompetent sei und die Anleger in besten und alleinigem Anlegerinteresse beraten würde.
In der Klagschrift hat die Klägerin erklärt, sie fechte, auch in Vollmacht der Anleger, den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Ihr stehe im Übrigen aufgrund des Vorgenannten auch ein Anspruch wegen sittenwidriger Schädigung zu.
Die Klägerin ist des Weiteren der Ansicht, der Berater habe seine Beratungspflichten in einer zum Schadensersatz verpflichtenden Weise verletzt, da die Beratung weder anleger- noch anlagegerecht gewesen sei und bei pflichtgemäßer Beratung der Anleger die Lehman-Zertifikate nicht erworben hätte. Beim Abschluss des Beratungsvertrages sei jeweils zumindest stillschweigend vereinbart worden, dass der Berater umfassend mündlich sowie kompetent im alleinigen sowie besten Anlegerinteresse beraten und von mehreren geeigneten Geldanlagen die optimale Geldanlage empfehlen würde. Mithin sei der Berater verpflichtet gewesen, im besten und alleinigen Anlegerinteresse zu beraten und nur solche Geldanlagen zu empfehlen, deren wesentliche Umstände sowie Risiken er ausreichend kompetent beurteilen konnte, zumindest aufgrund sachverständiger Lektüre des Emissionsprospektes. Diese Pflicht sei verletzt worden.
Die Zertifikate hätten erhebliche Risiken beinhaltet. Zu sehen sei zunächst das allgemeine Insolvenzrisiko, welches im vorliegenden Fall erhöht gewesen sei aufgrund riskanter Spekulationsgeschäfte der Emittentin bzw. der Garantin. Auch sei das Insolvenzrisiko erhöht gewesen aufgrund legaler Überschuldung infolge von mangelnder Regulierung, der Gründung überschuldeter Zweckgesellschaften sowie mangelnder Deckung, da die Verwendung des Emissionserlöses durch die Ausgabe der Zertifikate nicht an die Basiswerte der Zertifikate gebunden gewesen sei. Zudem sei Lehman Brothers zwar formell Garantin für die Zahlungspflichten der Emittentin gewesen. Faktisch sei die Garantie jedoch nicht werthaltig gewesen, da das zu garantierende Geld an die Garantin weitergeleitet worden sei und demnach dem alleinigen Insolvenzrisiko der Garantin unterlegen habe.
Des Weiteren habe zum Kaufzeitpunkt ein erhebliches konkretes Insolvenzrisiko der Emittentin sowie der Garantin bestanden. Dies sei aufgrund umfassender Lektüre und Prüfung des Basisprospektes auch erkennbar gewesen. Die Emittentin sei erkennbar bereits von Anfang insolvent gewesen, jedenfalls habe ein erhebliches konkretes Risiko bestanden. Das gelte bereits deshalb, weil die Emittentin zu keinem Zeitpunkt die mit den Zertifikaten eingegangenen Rückzahlungspflichten aus eigenem Willen und Kapital habe erfüllen können und sollen. Mithin habe auch die für eine Insolvenz bzw. Bonität nötige Zahlungswilligkeit gefehlt. Des Weiteren habe allein schon der hohe Fremdfinanzierungsgrad bzw. die hohe Verschuldung der Emittentin ein äußerst hohes Insolvenzrisiko begründet. Daher habe auch keine Bewertung des Insolvenzrisikos der Emittentin durch sog. Ratingagenturen existiert, weshalb die Beklagte, die sich bei der Bewertung von Insolvenzrisiken in erster Linie auf die Bewertung von Ratingagenturen verlasse, die Emittentin nicht hätte in Betracht ziehen dürfen. Aufgrund von Bilanzmanipulationen habe zudem die Garantin über ihre schon seit Jahren bestehende Überschuldung bzw. Insolvenz täuschen können. Es müsse sich hierbei um eine Art Schneeballsystem gehandelt haben, das nur in einer Insolvenz der Garantin sowie der Emittentin habe enden können. Da durch die Subprime-Krise Anleger ihr Geld vorzeitig von der Garantin abgezogen hätten, sei die Insolvenz bereits spätestens im Juli 2007 eingetreten und sei danach durch den Zertifikatevertrieb nur verschleppt worden. Aber auch unabhängig von diesem Schneeballsystem sei die Garantin erkennbar, wohl schon zum Zeitpunkt der sog. Liquiditätskrise im Juli 2007, insolvent gewesen. Jedenfalls sei es für die Beklagte ab 2001 immer sicherer vorhersehbar, bzw. erkennbar gewesen, dass das Insolvenzrisiko der Garantin erheblich gestiegen sei. Dafür habe es zwei Hauptgründe gegeben, nämlich die sich abzeichnende Subprime-Krise und die hoch riskante Finanzstrategie der Garantin. Beide Gründe zusammen hätten das Insolvenzrisiko ins Unermessliche erhöht. Die Garantin sei aus kurzfristigem maßlosen Gewinnstreben wissentlich ein hohes Insolvenzrisiko eingegangen, welches für die Beklagte, insbesondere aufgrund ihrer äußerst umfangreichen anlagebezogener Erkundungspflicht ab 2001 auch erkennbar bzw. vorhersehbar gewesen sei. Neben den Bilanzen habe es auch aus der relevanten deutsch- sowie englischsprachigen Presse (Anlagen K 14.2 - K 14.44) wie aus anderen Informationsquellen viele Hinweise auf das seit 2001 stetig steigende Insolvenzrisiko der Garantin gegeben. Diese Presseberichte habe die Beklagte dem Zedenten verschwiegen, obgleich insoweit eine Aufklärungspflicht bestanden hätte.
Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, die Ratingagenturen hätten die Garantin positiv bewertet. Die Beklagte habe ihre anlagebezogene Erkundigungspflicht schon dadurch verletzt, dass sie Bonitätsbewertung nur die Bewertungsergebnisse der Ratingagenturen in Form von Endnoten herangezogen und in keiner Weise eine eigene Erkundigung bzw. Bewertungen vorgenommen habe. Im Übrigen habe es, wie bereits vorgetragen, für die Emittentin noch nicht einmal ein Rating gegeben. Stattdessen habe die Beklagte vorgetäuscht, dass das Rating der Garantin auch für die Emittentin gelte. Jedenfalls seien die Bewertungen der fragwürdigen Ratingagenturen für eine Bonitätsbewertung der Garantin ungeeignet. Die Methodik der Rating-Agenturen zur Bonitätsbewertung sei weder objektiv, unabhängig, transparent, zuverlässig, noch seien die standardisierten Bewertungskriterien für eine verlässliche Bonitätsbewertung geeignet.
Die streitstofflichen Lehman-Zertifikate seien im Übrigen nicht nur einem konkreten Renditerisiko, sondern auch erheblichen allgemeinen Renditerisiken unterlegen, sowohl bezüglich der Rückzahlung bei Fälligkeit als auch bezüglich des Verkaufes vor Fälligkeit. Zunächst habe das erhebliche Risiko bestanden, dass sich der Kurswert des Zertifikats vor Fälligkeit negativ entwickle und dadurch das Zertifikat nur mit geringerer Rendite oder sog. Verlust vorzeitig verkauft werden könne. Dabei seien Kursverluste vorprogrammiert gewesen, da es für die Lehman-Zertifikate, anders als bei Aktien oder Optionsscheinen, keine Nachfrage und somit keinen liquiden Zweitmarkt in ihrer Preisbildung gegeben habe. Als sog. Marketmaker hätten die Garantin bzw. die Emittentin selbst die Kurse bestimmt, wodurch sie die Zertifikate über Marktwert verkauft und somit erhebliche Gewinnmargen hätten heimlich einpreisen können. Zudem habe das erhebliche Risiko bestanden, dass Anleger bei Fälligkeit nur eine geringe Rendite erhalten oder sogar erhebliche Verluste bis hin zum Totalverlust erleiden würden, da Zertifikate aufgrund ihres Wettcharakters ein systematisch nachteiliges Chance-/Riskoverhältnis hätten. Da es um eine Wette ohne eigene Ertragskraft gehe, müssten die Renditerisiken wie bei jedem organisierten Glücksspiel, so berechnet sein, dass am Ende "die Bank immer gewinnt". Die Renditerisiken hätten in den Wettbedingungen sogar besonders nachteilig berechnet werden müssen, da die Emittentin auch noch die hohen Zuwendungen an die Beklagte habe ausgleichen müssen. Zudem hätten alle Lehman-Zertifikate, deren Rückzahlungshöhe sich nach dem Erfolg von Aktien bzw. Aktienindizies gerichtet habe, ein erkennbar sehr nachteiliges Chance-/Risiko-Verhältnis, da die Finanz- bzw. Wirtschaftskrise und somit ein Einbrechen der Aktienmärkte seit Anfang des Jahrtausends vorhersehbar gewesen sei.
Die Beklagte habe es zudem versäumt, auf das theoretische Totalverlustrisiko wegen vorzeitiger Rückzahlung aufgrund einer Kündigung durch die Emittentin hinzuweisen. Das dadurch begründete theoretische Totalverlustrisiko sei besonders hoch gewesen, da die Emittentin den Zeitpunkt der Rückzahlung aufgrund verschiedener Kündigungsrechte habe selbst bestimmen können, entweder unmittelbar oder mittelbar durch ihre Berechnungsstelle. Insofern hätte die Emittentin die Zertifikate zu einem Zeitpunkt kündigen können, wenn der Kurswert sehr gering war, wodurch für den Anleger ein erheblicher Teil oder sogar Totalverlust hätte entstehen können, zumal die Emittentin die Kurswerte als sog. Marketmaker selbst willkürlich habe bestimmen können. Das Kündigungsrecht der Emittentin stehe ausdrücklich im jeweiligen Basisprojekt und sei auch in den endgültigen Bedingungen der streitstofflichen Zertifikate festgelegt.
Die streitstofflichen Zertifikate seien aufgrund des sich aus den Renditebedingungen ergebenden unausgeglichenen Chance-/Risiko-Verhältnisses sowie zusätzlicher Risiken wie dem erkennbaren konkreten Insolvenzrisiko von Garantin und Emittentin selbst für spekulativste Anleger nicht geeignet gewesen. Zudem seien die Lehman-Zertifikate auch deshalb ungeeignet gewesen, da sie entgegen dem "obersten Gebot" der Anlageberatung aufgrund ihrer Intransparenz, Komplexität und aufgrund nicht verfügbarer Informationen objektiv unverständlich gewesen seien. Schließlich habe die Beratung nicht anlegergerecht sein können, weil dem Anlageberater mangels eigener Informationen die Kompetenz zur Empfehlung der Lehman-Zertifikate gefehlt habe. Schließlich hätten die Beratungen schon allein aufgrund der fehlenden Kenntnisse und Erfahrungen der Anleger nicht anlegergerecht sein können.
Zudem hätten die Lehman-Zertifikate aufgrund der anlageimmanenten Interessenskonflikte nicht den Anlagezielen der Anleger entsprochen. Die Beklagte habe ihre vertragliche Pflicht, über Existenzart und Höhe der von ihr bezogenen geldwerten Vorteile und auch über die Interessenkonflikte aufzuklären, verletzt.
Des Weiteren sei die jeweilige Beratung nicht anlagegerecht erfolgt. Zum einen habe der Berater seine anlegerbezogene Erkundigungspflicht, d. h. seine Pflicht, vom Anleger umfassende Informationen über seine Kompetenz, Anlageziele, Risikobereitschaft sowie Risikotragfähigkeit einzuholen und zu dokumentieren, verletzt. Zum anderen hätten die bereits genannten Umstände sowie Eigenschaften und Risiken für die Lehman-Zertifikate und auch das Eigeninteresse und die Funktionsweise für die Anlageentscheidung erkennbar zumindest wesentliche Bedeutung haben können und der jeweilige Berater habe eine entsprechende richtige verständliche und vollständige Aufklärung unterlassen, obwohl er jeweils gewusst habe oder hätte wissen müssen, dass der jeweilige Anleger keine einschlägigen Fachkenntnisse oder Erfahrungen gehabt habe.
Die jeweilige Beratung sei zunächst insbesondere nicht vollständig gewesen, da über die oben dargelegten Umstände nicht aufgeklärt worden sei, obwohl sie von der Aufklärungspflicht umfasst gewesen seien. Eine vollständige Beratung hätte im Übrigen aufgrund der objektiven Unverständlichkeit der Lehman-Zertifikate und der Inkompetenz des jeweiligen Anlegers nicht verständlich sein können. Zudem sei die jeweilige Beratung auch inhaltlich unrichtig bzw. irreführend gewesen. Der jeweilige Berater habe arglistig gehandelt, da er zu Umständen, die erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kaufentschluss des jeweiligen Anlegers gehabt hätten, ohne tatsächliche Grundlage ins Blaue hinein unrichtige Angaben gemacht habe. Der jeweilige Anleger habe auch jeweils die sämtlichen aufklärungspflichtigen Umstände nicht gekannt. Jedenfalls habe er keine Kenntnis von Art, Existenz und Höhe der mit der Beklagten vereinbarten Zuwendungen gehabt. Bei pflichtgemäßer Beratung hätte der jeweilige Anleger die Lehman-Zertifikate nicht erworben bzw. nicht behalten, insbesondere, wenn er jeweils gewusst hätte, dass er sein Geld in Verbindung mit einer nachteiligen Wette letztlich einer insolventen Briefkastenfirma leihe und die arglistige Beklagte daran heimlich mitverdiene.
Soweit die Beklagte einen Prospekt verwendet habe, bestünden die geltend gemachten Ansprüche auch auf der Grundlage der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im weiten Sinne. Die jeweiligen Berater der Beklagten hätten entsprechend dem Vertriebskonzept der Vertriebsleitung sowohl der Emittentin als auch der Beklagten die Informationen aus dem jeweiligen Prospekt zu den streitstofflichen Lehman-Zertifikaten systematisch als alleinige Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche genutzt. Die jeweils von dem jeweiligen Berater genutzten Prospekte mit schriftlichen Informationen zum jeweiligen Lehman-Zertifikat seien erheblich fehlerhaft gewesen. Die jeweiligen Informationen seien weder richtig noch verständlich eindeutig oder umfassend. Insbesondere sei in jedem Prospekt für die Emittentin das Rating "A 1/A+/A+" vorgetäuscht worden, obwohl für die Emittentin ein Rating noch nicht existiert habe. Zudem sei hinsichtlich der Garantin vorgetäuscht worden, dass das Rating verlässlich sei und dass diese Gesellschaft daher eine gute Bonität habe. Tatsächlich sei das Rating erkennbar fragwürdig gewesen und es habe ein erkennbar erhebliches allgemeines und konkretes Insolvenzrisiko bestanden. Zudem täuschten die jeweiligen Prospekte an diversen Stellen eine werthaltige Garantie der Garantin vor, obgleich die Garantie faktisch nicht werthaltig gewesen sei. Mit dem Verweis auf die Garantie sei aber gerade vorgetäuscht werden sollen, dass ein Totalverlust nur in dem äußerst unwahrscheinlichen Fall eintreten würde, dass zwei voneinander finanziell unabhängige Unternehmen gleichzeitig insolvent würden. Durch die Verwendung des Begriffes "Zertifikat" täusche der Prospekt zudem vor, die Qualität des Zertifikates sei von einer staatlichen Stelle geprüft und für gut befunden worden, obgleich es eine solche Prüfung nie gegeben habe.
Die unterlassene Aufklärung sei kausal für die Kaufentscheidung des jeweiligen Anlegers.
Neben dem Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises bestehe ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns. Der jeweilige Anleger hätte bei anderweitiger Anlage des jeweils streitstofflichen Geldbetrages mindestens 4 % Zinsen erzielt. Zudem bestehe ein Anspruch auf Auskehrung der Zuwendungen gem. § 667 BGB. Es bestehe auch ein Anspruch auf Erstattung der hier für die anwaltliche Vertretung im Rahmen des Lehman-Insolvenzverfahrens entstandenen Vergütungsansprüche.
Die Ansprüche seien nicht verjährt, da die Verjährung aufgrund des Ombudsmannsverfahrens gehemmt gewesen seien. Es komme nicht darauf an, dass sie, die Klägerin, nicht Kundin der Beklagten sei. Die Beklagte habe durch ihre grundsätzliche allgemeine Teilnahme am Ombudsmannverfahren allen potenziellen Beschwerdeführern gegenüber erklärt, dass sie mit jedem einvernehmlich einen Einigungsversuch unternehmen werde, der dieses Verfahren gesetzmäßig betreibe. Die Konstruierung zusätzlicher Voraussetzungen würde eine unangemessene Rechtsunsicherheit schaffen und Beschwerdeführer unangemessen benachteiligen. Soweit in der Verfahrensordnung teilweise von "Kunde" die Rede sei, diene das nur der einfachen Verständlichkeit, da das Verfahren auch von Nichtjuristen betrieben werden solle. Die Zulässigkeit einer Beschwerde im Schlichtungsverfahren sei allein in Ziff. 2 Abs. 1 der Verfahrensordnung geregelt. Dass der Beschwerdeführer Kunde sein müsse, sei dort gerade keine Voraussetzung. Zudem habe die Beklagte, indem sie zur Falschberatung ausführlich Stellung genommen habe, im Ombudsmannverfahren ihr Einvernehmen bekundet. Das Ombudsmann-Verfahren sei jedenfalls auch staatlich anerkannt.
Im Übrigen habe sich die Beklagte auch nicht absichtlich eines vorsätzlichen Handelns entlastet. Dass der Berater bzw. die Beklagte im vorliegenden Fall ihre Pflichten jeweils vorsätzlich verletzt hätten, liege daran, dass sie aus übersteigertem Gewinnstreben mit möglichst geringem Aufwand die Lehman-Zertifikate zur Steigerung der Vertriebszahlen als möglichst vorteilhaft darstellen wollten, um aufgrund der umsatzabhängigen geldwerten Vorteile möglichst viel zu verdienen. Es sei auch nicht ersichtlich, wieso der jeweilige Vorsatz durch das Rating "A+" entfallen könnte. Die Kenntnis des Beraters von den negativen Umständen entfalle nicht durch zusätzlich Kenntnis des Ratings "A+". § 37 a WpHG a. F. sei schließlich nicht anwendbar, weil dieser nur für einen Anspruch des Kunden gelte, die Klägerin jedoch nie Kunde der Beklagten gewesen sei. Zum anderen liege keine Wertpapier-, sondern eine Glücksspiel-Dienstleistung vor, welche nicht im Anwendungsbereich des § 37 a WPHG unterfalle.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 50.000,-- nebst Zinsen in Höhe von 4 % 24.05.2008 bis Rechtshängigkeit und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übertragung von 50 Stück des Zertifikates "E.-F. B. L. M. 2008 (14) 25. Mai" (ISIN: DE 000A...0) der Emittentin Lehman Brothers Treasury Co. B. V. und Abtretung der aus den Zertifikaten resultierenden Forderungen aus dem Insolvenzverfahren gegen die Emittentin und die Garantin;
2. sie von Rechtsverfolgungskosten in Höhe von € 3.135,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit freizustellen;
hilfsweise,
3. sie von den weiteren Rechtsverfolgungskosten bezüglich des Insolvenzverfahrens in Höhe von € 3.135,65 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht aktivlegitimiert. Der mit der Zedentin abgeschlossene Kaufvertrag über die Schadensersatzansprüche der Zedentin - ihr Bestehen unterstellt - sei ein sittenwidriges und damit nichtiges Umgehungsgeschäft. Die Sittenwidrigkeit schlage auf das Verfügungsgeschäft, die Abtretung und die Übereignung durch, die damit ebenfalls nichtig seien. Sie habe begründeten Anlass zu der Annahme, dass die Klägerin lediglich als Strohfrau für den Klägervertreter auftrete. Ein Forderungsaufkauf durch den Klägervertreter als Rechtsanwalt sei jedoch sittenwidrig. Im Übrigen diene die Konstruktion zur Umgehung des Verbotes eines Erfolgshonorars in § 49 b Abs. 2 BRAO.
Selbst wenn man die Klägerin als aktivlegitimiert ansehen sollte, sei die Klage nicht begründet, weil der Klägerin kein Schadensersatzanspruch aus abgetretenem Recht zustehe. Die Beratung der Zedentin W. sei stets anleger- und anlagegerecht erfolgt.
Die Zedentin sei eine sehr vermögende und erfahrene Anlegerin, die eine risikoorientierte Anlagestrategie verfolgt habe und zum Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Papiers bereits erhebliche Erfahrungen mit Zertifikaten gehabt habe, da sie seit 2004 regelmäßig in diese Anlageform investiert habe. Die Empfehlung des Zertifikates habe im Einklang mit den Kenntnissen, der Anlageerfahrung sowie der Anlagestrategie der Zedentin gestanden, welche sie regelmäßig erfragt habe.
Der Zeuge H. habe die Zedentin anlässlich des am 15.5.2008 geführten Telefonats über die Besonderheiten des streitgegenständlichen Papiers aufgeklärt und sie auch auf die einmalige Vertriebsaufwandsvergütung von 2,6% hingewiesen. Bei der Vertriebsaufwandsvergütung handele es sich im Übrigen nicht um Rückvergütungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, sondern um nicht aufklärungsbedürftige Innenprovisionen. Dem Zeugen H. sei es durchaus möglich gewesen, die Zedentin hinsichtlich des Zertifikates telefonisch umfassend zu beraten, da er auf ihre Kenntnisse mit funktionsgleichen Produkten habe zurückgreifen können.
Aufgrund des Kapitalschutzes zum Laufzeitende habe das empfohlene Lehman-Zertifikat dem seitens der Klägerin behaupteten, jedoch bestrittenen besonderen Sicherungsbedürfnis der Zedentin entsprochen und wäre sogar für einen konservativen Anleger geeignet gewesen. Auch sei das Zertifikat ab dem Emissionszeitpunkt jederzeit handelbar gewesen.
Es habe kein erheblich erhöhtes Risiko aufgrund des Vorliegens einer überschuldeten Zweckgesellschaft oder einer mangelnden, einer nicht werthaltigen Garantie gegeben. Die werthaltige Garantie sei nicht vorgetäuscht worden. Auch sei die Emittenten keine Zweckgesellschaft oder Briefkastenfirma. Die Bonitätsbewertung der Garantin sei auch für ihre Konzerntochte, dies geblich. Die seitens der Klägerin behauptete hohe Verschuldung sei aus dem Basisprospekt nicht erkennbar. Insoweit cabe die Klägerseite auch keine aussagekräftige Banzana inyWe durchgeführt. Die Beklagte sei entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht verpflichtet gewesen, die Zedenten auf ein konkretes Emittentenrisiko hinzuweisen. Zum Kaufzeitpunkt habe über das allgemeine Emittentenrisiko hinaus kein konkretes Insolvenzrisiko der Emittentin und der Garantin bestanden. Die Insolvenz bzw. die dauerhafte Zahlungsunfähigkeit der Emittentin und der Garantin sei nicht vorhersehbar gewesen, da deren Bonität zum Kaufzeitpunkt nach wie vor positiv gewesen sei. Im Mai 2008 seien weder die Beklagte noch informierte Fachkreise von einer drohenden dauerhaften Zahlungsunfähigkeit der Emittentin bzw. der Garantin als realistische Möglichkeit ausgegangen. Es sei nicht vorhersehbar oder gar vorstellbar gewesen. Bis zum Zeitpunkt der Insolvenz von Lehman Brothers Holding Ing., die für die Fachwelt überraschend gewesen sei, habe in Wirtschafts- und Finanzkreise uneingeschränkt die Doktrin geherrscht, dass der Staat eine Bank mit einer solcher Systemrelevanz nicht insolvent gehen lassen würde, da sie "to big to fail" sei. Sie habe sich auf die Einschätzung der Ratingagenturen verlassen dürfen, nachdem die Garantin noch bis zur Öffnung des Insolvenzverfahrens hohe Benotungen gehabt habe. Auch ihre eigene Recherche habe nichts abweichendes ergeben. Der allgemeinen Fachpresse seien keine zureichenden Hinweise auf ein konkretes Insolvenzrisiko zu entnehmen gewesen, über welches die Beklagte hätte aufklären müssen. Zudem erfüllten die von der Klägerseite vorgelegten Presseberichte nicht die von der Rechtsprechung für einen Hinweis oder Aufklärungspflicht aufgestellten Voraussetzungen. Einzelne negativen Berichten, Spekulationen und Gerüchten, deren Meinung sich in der Fachöffentlichkeit noch nicht durchgesetzt habe, komme kein relevanter Informationswert zu. Eine Hinweispflicht werde dadurch nicht begründet. Im Übrigen erfüllten die von der Klägerseite vorgelegten Presseberichte bereits nicht das Kriterium der Zeitnähe. Der Inhalt der allenfalls zeitnahen Berichte sei keineswegs eindeutig negativer Natur, sondern spekulativ und gerüchtebehaftet. Ferner würden auch positive Analystenmeinungen wiedergegeben, welche Lehman Brothers eine hohe Liquidität bescheinigten.
Sie habe auch nicht aus der Entwicklung der sog. Credit Default Swaps auf ein konkretes Insolvenzrisiko der Emittenten bzw. der Garanten schließen müssen. Zum Kaufzeitpunkt im Mai 2008 sei der CDS-Index keinesfalls ein industrieüblicher Standard gewesen. Der CDS-Markt unterliege eigenen Mechanismen, weshalb sich die CDS-Werte allenfalls sehr bedingt zur Bewertung der Bonität eigneten. Im Übrigen sei die Verschlechterung der Indexwerte zum damaligen Zeitpunkt lediglich Ausdruck der allgemeinen Marktlage gewesen.
Sie sei auch nicht mit Blick auf die von der Klägerin behaupteten vorzeitigen Kündigungsrechte der Emittentin bzw. der Garantin eine Verletzung ihrer Pflicht zur anlegeranlagegerechten Beratung vorzuwerfen. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für mögliche Kündigungsrechte der Emittentin bzw. der Garantin nicht hinreichend dargelegt. Vorsorglich bestreite sie, dass die Emittentin die Zertifikate zu Zeiten niedriger Kurswerte gekündigt hätte.
Die Klage sei auch nicht auf der Grundlage der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung begründet. Sie habe sich bei der Beratung der Zedentin überhaupt keines Prospektes bedient. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche seien auch nicht gem. § 823 Abs. 2 i. V. m. § 263 StGB begründet. Eine Täuschung durch den Kundenberater, Herrn H., sei nicht erfolgt. Erst recht habe kein Vorsatz hinsichtlich einer unterstellten Täuschung bestanden.
Die Klägerin habe - gleich aus welchem Grund - auch keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages über den Erwerb der streitgegenständlichen Zertifikate wegen angeblicher Unwirksamkeit bzw. Nichtbestehen dieses Vertrages. Der Kommissionsvertrag sei wirksam zustande gekommen und nicht durch Widerruf, Rücktritt oder Anfechtung beseitigt worden.
Das Anbieten von Zertifikaten sei kein unerlaubtes Glücksspiel i. S. der von der Klägerin zitierten Vorschriften. Es handele sich auch nicht um Finanztermingeschäfte.
Die Widerrufserklärung der Klägerin gehe ins Leere, weil ihr kein Widerrufsrecht nach § 312 d Abs. 1 BGB noch anderweitig zustehe. Auch ein Rücktrittsrecht nach § 313 BGB stehe der Klägerin nicht zu.
Ein etwaiger Anspruch der Klägerin - gleich nach welchem Rechtsgrund - sei gem. § 37 a WpHG a.F. verjährt. Diese Regelung sei mangels Vorsatzes ihrerseits auch anwendbar. Die Verjährung sei nicht durch das Ombudsmannverfahren gehemmt worden. Das von der Klägerin betriebene Ombudsmannverfahren sei nicht statthaft und damit unzulässig gewesen. Sinn und Zweck des Schlichtungsverfahrens sei es, ausschließlich Streitigkeiten zwischen der Bank und ihren Kunden zu schlichten, nicht aber zwischen der Bank und Dritten. Das Schlichtungsverfahren vor dem Ombudsmann der Banken stehe dementsprechend nur Kunden der jeweiligen Bank zu. Nur im Verhältnis zu ihren Kunden habe sie ihr Einverständnis mit einer Schlichtung durch den Ombudsmann erklärt. Dementsprechend habe sie sich auch zu keinem Zeitpunkt auf eine Schlichtung eingelassen. Ihr Einvernehmen werde auch nicht unwiderleglich vermutet. § 15 a Abs. 3 Satz 2 EGZPO gelten nur für solche Verfahren, die einen Einigungsversuch vor einer Gütestelle als Zulässigkeitsvoraussetzung vorsähen. Für die Frage der Verjährung gelte § 15 a Abs. 3 EGZPO indes nicht. Der unzulässige Schlichtungsantrag der Klägerin habe die Verjährung nicht hemmen können. Wenn man von einer verjährungshemmenden Wirkung ausgehen sollte, sei der Klägerin eine Berufung hierauf nach § 242 BGB verwehrt. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Gläubiger, der mit Hilfe unzulässiger oder unbegründeter Anträge versuche, eine Verjährungshemmung zu erreichen, gegen Treu und Glauben verstoße und sich daher gem. § 242 BGB nicht auf eine Verjährungshemmung berufen könne. Da die anwaltlich vertretene Klägerin als Nichtkundin überhaupt nicht den Sinn und Zweck des Schlichtungsverfahrens habe erreichen können, ihr mithin an der Schlichtung nichts gelegen habe, sei offensichtlich, dass das Ombudsmann-Verfahren ausschließlich dem Ziel gedient habe, die Verjährung zu hemmen. Damit habe die Klägerin die rechtliche Möglichkeit einer Schlichtung missbraucht. Sie, die Beklagte, habe sich nicht auf Verhandlungen mit der Klägerin über die geltend gemachten Ansprüche eingelassen.
Das Schlichtungsverfahren hätte der Klägerin auch deshalb nicht offen gestanden, weil sie gewerblich gehandelt habe. Angesichts der Vielzahl von Fällen, in welchen die Klägerin vermeintliche Schadensersatzansprüche von Anlegern aufgekauft und gerichtlich geltend gemacht habe, treibe sie in gewerblicher Weise den Forderungsaufkauf, nämlich selbstständig, dauerhaft und mit Gewinnerzielungsabsicht. Es werde auch bestritten, dass sie zum Zeitpunkt des Erwerbs der streitgegenständlichen Ansprüche nicht vorgehabt habe, weitere Ansprüche zu erwerben. Angesichts der Masse der aufgekauften Forderungen erscheine dies wenig glaubhaft.
Sie, die Beklagte, habe nicht vorsätzlich gehandelt. Sie habe im Mai 2008 davon ausgehen dürfen, dass sie der Zedentin W. alle wesentlichen Informationen zu den Lehman Zertifikaten und der Emittentin bzw. Garantin mitgeteilt habe. Sie habe insbesondere nicht bewusst etwaige negative Presseberichte vorenthalten, vielmehr habe sie die relevanten Informationen herausgefiltert und sich auf deren Weitergabe beschränkt.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht örtlich zuständig. Die Beklagte hat die Rüge der fehlenden örtlichen Zuständigkeit zurückgenommen, so dass § 39 ZPO eingreift.
B.
In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Der Klägerin stehen keine Zahlungsansprüche aufgrund des Erwerbs der streitgegenständlichen Zertifikate durch Frau M. W. zu.
I.
Die Kläger kann von der Beklagten nicht die Rückzahlung des angelegten Betrages um Zug gegen Übertragung der Zertifikate € aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verlangen. Das Erwerbsgeschäft ist weder nichtig noch wirksam angefochten.
1. Der Erwerb des Lehman-Zertifikats ist nicht wegen Verstoß gegen den Lotto- und Glücksspielvertrag bzw. gemäß §§ 134, 138 BGB i. V. m. §§ 284 Abs. 1, 285 StGB nichtig. Bei dem Vertrieb von Indexzertifikaten handelt es sich nicht um unerlaubtes Glücksspiel (vgl. nur OLG Düsseldorf, Urteil vom 22.12.2011, 6 U 201/10, Rz. 90).
2. Der Zertifikatserwerb ist auch nicht aufgrund der mit der Klagschrift erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß §§ 123, 142 BGB nichtig. Die Klägerin hat den Anfechtungsgrund € arglistige Täuschung - nicht plausibel begründet. Es ist nicht hinreichend dargelegt, dass die Beklagte vorsätzlich bei der Zedentin eine Fehlvorstellung hinsichtlich ihres dem Grunde nach bestehenden Eigeninteresses der Beklagten hervorgerufen hat.
II.
Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter Anlageberatung beim Erwerb der Zertifikate zu. Zwischen der Zedentin und der Beklagten ist allerdings ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Tritt ein Anlageinteressent an eine Bank oder der Anlageberater einer Bank an einen Kunden heran, um über die Anlage eines Geldbetrages beraten zu werden bzw. zu beraten, so wird das darin liegende Angebot zum Abschluss eines Beratungsvertrages stillschweigend durch die Aufnahme des Beratungsgesprächs angenommen (BGHZ 123, 126, Rn. 11). Dies war hier der Fall. Jedoch ist eine Verletzung der Pflichten aus diesem Beratungsvertrag in Bezug auf eine nicht anlegergerechte Beratung sowie aufgrund einer unzureichenden Aufklärung ein konkretes Insolvenzrisiko und eine hohe Verschuldung der Garantin nicht dargetan (hierzu unter Ziff. 1). Im Übrigen sind etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte aufgrund einer Verletzung ihrer Pflicht ihre Verpflichtung zur anleger- und objektgerechten Beratung gem. §§ 37a, 43 WpHG verjährt, da die dreijährige taggenaue Verjährungsfrist bereits vor der gerichtlichen Geltendmachung abgelaufen war (dazu nachfolgend unter Ziff. 2a), und eine vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung nicht ersichtlich ist (hierzu unter Ziff. 2b). Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung auch erhoben.
1. Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Beratungsvertrag in Bezug auf eine nicht anlegergerechte Beratung sowie aufgrund einer unzureichenden Aufklärung über die Funktionsweise und ein konkretes Insolvenzrisiko ist nicht dargetan.
Inhalt und Umfang der Pflichten aus einem Anlageberatungsvertrag hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Die Beratung muss anleger- und objektgerecht sein. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarkts, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den besonderen Umständen des Anlageobjekts ergeben. Während die Aufklärung des Kunden über diese Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjektes unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein. Das Risiko, dass sich eine Anlageentscheidung im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Kunde (vgl. nur BGH, Urteil vom 21.03.2006, XI ZR 63/05, Rn. 12 m. w. N.).
a) Ein Verstoß gegen die Pflicht zur anlegergerechten Beratung ist nicht festzustellen.
aa) Die Empfehlung des kapitalgeschützten Lehman-Zertifikats entsprach den Anlageerfahrungen der Zedentin sowie ihrer Anlagestrategie und Risikobereitschaft. Dem diesbezüglichen (belegten) Vortrag der Beklagten ist die Klägerin nicht hinreichend substantiiert entgegen getreten.
bb) Das Zertifikat war auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs ein für die Beklagte erkennbares erhöhtes Insolvenzrisiko der Emittentin bzw. Garantiegeberin bestanden hätte, ungeeignet. Die Beklagte musste die Zertifikate, die sie in ihr Anlageprogramm aufgenommen und empfohlen hat, zuvor selbst mit banküblichem kritischen Sachverstand überprüfen. Das gilt auch hinsichtlich der Bonität der konkreten Emittentin bzw. Garantiegeberin, die für die Risikobeurteilung eines Zertifikats von maßgeblicher Bedeutung ist. Eine Haftung der Bank käme in Betracht, wenn bei dieser Prüfung ein Risiko erkennbar geworden wäre, über das der Kläger hätte aufgeklärt werden müssen, oder wenn erkennbar geworden wäre, dass eine Empfehlung der Kapitalanlage nicht anleger- oder objektgerecht ist (BGH, Urteile vom 27.09.2011, XI ZR 178/10, Rn. 25; XI ZR 182/10, Rn. 24, jeweils m. w. N.). Dass ein solches Risiko zum Zeitpunkt der Beratung zum Erwerb der Zertifikate bereits aufgrund der von der Klägerin dargelegten Umstände bestanden hätte und dies für die Beklagte erkennbar gewesen wäre, ist aus den Darlegungen der Klägerin nicht zu schließen. Für eine positive Einschätzung der Bonität reicht zwar die Berufung allein auf ein positives Rating nicht aus, wenn sich aus anderen, für die Beklagte bei Prüfung mit banküblichem kritischen Sachverstand erkennbaren Umständen ein konkretes Insolvenzrisiko ergibt, das die Bonitätseinschätzung der Ratingagenturen in Zweifel ziehen muss. Die dargelegten Verschuldungsgrade der Emittentin und der Garantin allein gaben hierfür jedoch keinen Anlass. Für die Beklagte mussten sich daraus nicht Zweifel daran ergeben, dass die zum Erwerbszeitpunkt geltenden guten, im Investment-Grade-Bereich liegenden Ratings die tatsächliche Bonität der Garantin, die hier maßgeblich war (vgl. BGH, Urteil vom 21.03.2013, III ZR 182/12, Rn. 16 f.), widerspiegelten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine hohe Verschuldung bei Banken üblich ist. Banken sind hoch verschuldete Unternehmen. Es handelt sich bei den von der Klägerin dargelegten Faktoren auch nicht um Umstände, die sich erst kurz vor der Anlageentscheidung geändert hätten und bei denen die Beklagte davon hätte ausgehen müssen, dass sie von den Ratingagenturen beim Rating noch keine Berücksichtigung hatten finden können (vgl. zu diesem Aspekt im Zusammenhang mit negativer Presseberichterstattung Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 16.04.2012, 14 U 291/10, juris-Rn. 62).
Ein erhöhtes Insolvenzrisiko lässt sich auch nicht aus dem Anstieg der Credit Default Swap-Spreads herleiten. Die Kammer schließt sich der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Saarbrücken und Bamberg an, wonach der Anstieg der CDS-Spreads für ein Referenzunternehmen für sich allein schon deshalb keinen Hinweis auf die drohende Insolvenz dieses Unternehmens darstellte, weil die Höhe dieser Prämien nicht allein durch die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens beeinflusst wird, sondern von allgemeinen Markttendenzen mitbestimmt wird. Einem Anstieg des CDS-Niveaus kann daher grundsätzlich nur dann maßgebliche Bedeutung für die Bonität eines bestimmten Unternehmens beigemessen werden, wenn es entgegen der allgemeinen Markttendenz für einen Einzelschuldner signifikant steigt (Saarländisches OLG Saarbrücken, Urteil vom 05.04.2012, 8 U 7/11, Rn. 40; OLG Bamberg, Urteil vom 07.06.2010, 4 U 241/09, Rn. 53). Dass dies vor dem Erwerb der Zertifikate hinsichtlich der Emittentin oder der Garantin der Fall gewesen wäre, legt die Klägerin nicht hinreichend dar. Selbst wenn man dem nicht folgen würde, wäre im Übrigen aus den nachfolgend dargelegten Gründen von einer Verjährung hierauf gestützter Schadensersatzansprüche auszugehen, da eine vorsätzliche Pflichtverletzung nicht erkennbar ist. Angesichts des zum Erwerbszeitpunkt noch nicht abgesenkten Ratings der Garantin ist es nachvollziehbar, dass die Beklagte eine Aufklärung über die CDS-Spreads für entbehrlich hielt.
cc) Die Empfehlung des Zertifikats schied auch nicht bereits wegen Intransparenz oder zu hoher Komplexität aus. Anlegern wie der Zedentin konnte dieses Produkt, dessen Funktionsweise und Rückzahlungsmodalitäten für einen durchschnittlich verständigen Anleger nachvollziehbar waren, angeboten werden, und zwar - angesichts der von der Beklagten substantiiert dargelegten Vorerfahrung - auch im Rahmen eines Telefonates.
dd) Die Klägerin hat auch nicht plausibel dargelegt, dass ein nachteiliges Chancen-Risiken-Verhältnis die Empfehlung des Zertifikats verboten hätte. Dass Zertifikate ein €systematisch nachteiliges Chance / Risiko-Verhältnis€ haben, ist von ihr nicht ausreichend dargelegt. Insbesondere die Möglichkeit vorzeitiger Rückzahlung ist nicht per se als nachteilig anzusehen, denn sie bietet dem Anleger die Möglichkeit, das Kapital anderweitig anzulegen.
b) Der Beklagten ist hinsichtlich des Beratungsgesprächs mit den Zedentin auch kein Verstoß gegen die anlagegerechte Beratung vorzuwerfen, weil sie nicht auf ein konkretes Insolvenzrisiko hinsichtlich der Emittentin bzw. der Garantin hingewiesen hat. Es ist aus den oben aufgeführten Gründen nicht festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Zeichnung ein für die Beklagte erkennbares konkretes Insolvenzrisiko bestand.
Eine hohe Verschuldung der Emittentin bzw. Garantin allein ist nach Auffassung der Kammer grundsätzlich kein im Rahmen der Anlageberatung aufklärungsbedürftiger Umstand, sofern sie nicht im erkennbaren Widerspruch zu der im Rating zum Ausdruck gekommenen Bonitätseinschätzung der Ratingagenturen steht.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem €Bond€-Urteil des BGH (Urteil vom 06.07.1993, XI ZR 12/93). Der dortigen Darstellung ist nur zu entnehmen, dass die hohe Verschuldung einer Emittentin gegen die Bonität spricht bzw. sprechen kann. Im Übrigen lag der dort entschiedene Fall in wesentlichen Punkten anders als der hier zu beurteilende. Dort war das Rating für die Anleihe bereits vor der Anlageentscheidung der dortigen Kläger auf €CCC€ herabgestuft worden, wobei die dortige Beklagte behauptete, dass ihr das Rating der Anleihe nicht bekannt gewesen sei. Der Vorwurf, der dort dem Anlageberater gemacht wurde, war, dass er außer dem Börsenzulassungsprospekt und der Börsenzulassung selbst keine Kenntnisse gehabt habe, aus denen er auf die Bonität des Emittenten hätte schließen können. Aus dem Prospekt habe sich vielmehr eine hohe Verschuldung ergeben. Hier war dem Berater hingegen das im Investment-Grade-Bereich liegende Rating der Ratingagenturen bekannt. Der von der Klägerin aufgezeigte Verschuldungsgrad gab für den Berater bzw. die Beklagte allein keine Veranlassung, an der Bonitätseinschätzung zu zweifeln.
Etwas anderes würde gelten, wenn sich die Verschuldung nicht mehr im Rahmen des Zulässigen bzw. innerhalb der für sie geltender Grenzwerte hält. Die Klägerin legt jedoch nicht ausreichend dar, dass die Verschuldung der Garantin einen für sie geltenden Grenzwert überschritten hätte.
Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich nicht daraus, dass die Garantin eine Investmentbank. Die Bezeichnung einer Investmentbank als €Bank€ stellt keine Täuschung dar. Der Umstand, dass die Emittentin keine Investmentbank war, ist nach dem Urteil des BGH vom 21.03.2013 (Az. III ZR 182/12) nicht aufklärungsbedürftig. Aus den dort dargestellten Gründen kommt auch dem Umstand, dass es sich bei der Garantiegeberin um die Konzernmutter und (nur) bei der Tochtergesellschaft, der Lehman Brothers Inc., um eine Investmentbank handelte, keine wesentliche Bedeutung für die Anlageentscheidung zu.
2. Etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin sind gemäß § 37a WpHG verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 37a WpHG a.F. war auch bereits vor der gerichtlichen Geltendmachung abgelaufen. Diese Regelung ist vorliegend anzuwenden, da nach der Übergangsregelung in § 43 WpHG diese Bestimmung für Ansprüche gilt, die in der Zeit vom 01.04.1998 bis zum Ablauf des 04.08.2009 entstanden sind. Dabei ist unerheblich, auf welche Rechtsgrundlage der Anspruch gestützt wird, da von der Verjährungsregelung des §§ 37 a WpHG a.F. vertragliche Schadensersatzansprüche (aus §§ 311 Abs. 2, 280 BGB bzw. c.i.c.) und auch - hinsichtlich fahrlässiger Begehungsweise - deliktische Ansprüche z.B. aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 31 WpHG erfasst werden (OLG Frankfurt, 23 U 287/05, Rn. 16 - zitiert nach Juris).
Gemäß § 37a WpHG a.F. verjähren Schadensersatzansprüche des Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen wegen fahrlässiger Verletzung von Informations- und Beratungspflichten nach drei Jahren" von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist". Entstanden ist ein solcher Anspruch nach der Rechtsprechung des BGH im Zeitpunkt des unwiderruflichen und vollzogenen Erwerbs der Anlage (BGH, Urteil 24.03.2011, III ZR 81/10, WM 2011, 874). Daher begann die Verjährungsfrist zwar nicht schon mit der Zeichnung der Anlage durch die Zedentin zu laufen, jedoch mit dem durch die Einbuchung ins Depot abgeschlossenen Vollzug des Anlagenerwerbs. Da die Klägerin Ansprüche aus abgetretenem Recht geltend macht, gilt die Verjährungsregelung des § 37a WpHG auch für sie, auch wenn sie nicht Kundin der Beklagten war.
Die Verjährung ist nicht durch den bei der Ombudsstelle der Privaten Banken gestellten außergerichtlichen Schlichtungsantrag gehemmt worden. Gemäß § 204 I Nr. 4 HS. 1 BGB wird die Verjährung gehemmt durch die Veranlassung der Bekanntgabe des Güteantrags, der bei einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle oder, wenn die Parteien den Einigungsversuch einvernehmlich gütlich betreiben, bei einer sonstigen Gütestelle, die Streitbeilegungen betreibt, eingereicht ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Bei der Ombudsstelle handelt es sich nicht um eine von der Landesjustizverwaltung eingerichtete oder anerkannte Gütestelle im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Soweit die Klägerin sich auf den Tätigkeitsbericht des Jahres 2011 bezieht, ergibt sich daraus gerade keine staatliche Anerkennung durch eine Landesjustizverwaltung. Mithin wäre es nur zu einer Hemmung gekommen, wenn die Parteien einvernehmlich den Versuch einer gütlichen Einigung unternommen hätten. Daran fehlt es jedoch. Dass die Beklagte mit der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bezüglich der hier streitgegenständlichen Zertifikate auch im Verhältnis zu der Klägerin einverstanden war, trägt die Klägerin nicht vor. Das Einverständnis wird im vorliegenden Fall auch nicht deshalb unwiderleglich vermutet, weil es sich um eine branchengebundene Gütestelle des Bundesverbandes der Deutschen Banken, dem die Beklagte angeschlossen ist, handelt. Das Ombudsmannverfahren ist geschaffen worden für die Schlichtung von Kundenbeschwerden. Dies ergibt sich bereits daraus, dass es sich bei der Verfahrensordnung (Anlage B 43) um die €Verfahrensordnung für die Schlichtung von Kundenbeschwerden im deutschen Bankgewerbe€ handelt. In der Präambel heißt es sodann:
"Der Bundesverband deutscher Banken (Bankenverband) hat für die ihm angeschlossenen Banken ein Schlichtungsverfahren zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Banken und Kunden geschaffen. Der Bankenverband hält eine Liste derjenigen Banken bereit, die an dem Verfahren teilnehmen."
Auch die Regelungen in Ziff. 3 zum Vorprüfungsverfahren durch eine Kundenbeschwerdestelle belegen, dass das Schlichtungsverfahren nur für Bankkunden eröffnet ist. Dies wird auch belegt durch die in Ziff. 4 der Verfahrensordnung getroffenen Regelungen zum Gang des Schlichtungsverfahrens. Dementsprechend wird das Einverständnis der dem Bundesverband angeschlossenen Banken mit einem Schlichtungsverfahren vor der Ombudsstelle auch nur insoweit vermutet, als ein Bankkunde den Ombudsmann anruft (oder aber ein Verbraucher, dem die Bank trotz entsprechenden Antrages kein kostenloses Girokonto eingerichtet hat). Unstreitig war die Klägerin nicht Kundin der Beklagten. Soweit die Klägerin bei ihrer Argumentation auf § 15a III EGZPO verweist, greift dies nicht durch, weil § 15a EGZPO sich auf Fälle einer obligatorischen Streitschlichtung bezieht. Im Übrigen ist der von der Klägerin zitierten BT-Drucksache 14/980 zu entnehmen, dass die Regelung in § 15a III EGZPO dem Schutz des wirtschaftlich schwächeren Vertragspartners dienen soll. Mithin geht auch der Gesetzgeber nicht davon aus, dass das außergerichtliche Schlichtungsverfahren jedwedem Verbraucher ohne geschäftliche Beziehung zu einer der angeschlossenen Banken zur Verfügung steht.
Im Übrigen bestehen, ohne dass es darauf jedoch entscheidend ankommt, erhebliche Zweifel daran, ob die Klägerin als Verbraucherin gemäß angesehen werden kann.
b. Die Beklagte hat etwaige Aufklärungspflichtverletzungen jedenfalls nicht vorsätzlich begangen. Zwar trifft nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die den Verjährungseintritt gem. § 37a WpHG a.F. begründen. Hierzu gehört auch die Behauptung, bei der Beratung nicht vorsätzlich eine Pflichtverletzung begangen zu haben, da in diesem Fall die Verjährungsvorschrift des § 37a WpHG nicht greifen würde (BGH, Urt. v. 12.05.2009, XI ZR 586/07). Bei einfachen Aufklärungs- oder Beratungsfehlern kann jedoch bereits ohne Beweisaufnahme ein fehlender Vorsatz festgestellt werden, wenn keine Anhaltspunkte für einen Vorsatz vorliegen bzw. der Anspruchsteller Entsprechendes nicht substantiiert behauptet hat (OLG Karlsruhe, Urt. v. 08.05.2011, 17 U 82/12). Die Abwesenheit von Indizien für einen Vorsatz lässt daher bei einfachen Aufklärungs- oder Beratungsfehlern ohne weitere Beweisaufnahme den Schluss zu, der Bankberater habe nicht vorsätzlich gehandelt. Etwas anderes gilt dann, wenn kein einfacher Aufklärungs- oder Beratungsfehler vorliegt, weil beispielsweise sich die beratende Bank über Gesetzesvorschriften oder Richtlinien hinweggesetzt hat (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Urt. v. 16.03.2011, 9 U 129/10), das Produkt abweichend zu wesentlichen Angaben im Kurzprospekt oder der Produktinformation dargestellt hat oder sonstige offensichtliche Fehler begangen hat.
Vorliegend stehen nur einfache Fehler im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung im Raum, da der Zedentin ein kapitalgeschütztes (und damit an sich sicheres) Zertifikat empfohlen wurde, nachdem sie zumindest über die allgemeine Funktionsweise eines solchen Produktes aufgeklärt worden war. Ein grober Beratungsfehler, dessen Begehung schwer erklärbar ist und daher einen Anhaltspunkt für ein vorsätzliches Verhalten darstellt, ist nicht dargelegt. Angesichts der Angaben in den als Anlagen B 12, B 13 und B 14 eingereichten WpHG-Bögen und der von ihr substantiiert dargelegten Anlegerhistorie der Zedentin ist nachvollziehbar, dass die Beklagte eine Aufklärung über ein Emittentenrisiko und das Nichteingreifen von Einlagensicherungssystem für entbehrlich hielt. Angesichts des nach wie vor nicht abgesenkten Ratings ist es des Weiteren nachvollziehbar, dass die Beklagte eine weitergehende Aufklärung über die von der Klägerin dargelegte Situation der Garantin (soweit sie ihr überhaupt erkennbar war) für entbehrlich hielt, weil die fraglichen Umstände die Ratingagenturen nicht zu einer Änderung ihrer Einschätzung bewegt hatten. Auch hinsichtlich des Sonderkündigungsrechtes ist die unterbliebene Aufklärung dadurch erklärbar, dass dies der Beklagten schon in Ermangelung von Präzedenzfällen, in denen ein solches Recht ausgeübt worden wäre, nicht als relevant erschien.
Unter diesen Umständen kann ein Vorsatz der Beklagten hinsichtlich einer Nichtaufklärung der Zedentin ausgeschlossen werden. Mithin kann offen bleiben, ob die vom BGH aufgestellte Vorsatzvermutung (BGH NJW 2009, 2298) sich ausschließlich auf die Verletzung der Aufklärungspflicht der Bank hinsichtlich der von ihr vereinnahmten Rückvergütungen bezieht (so OLG Frankfurt, Beschluss v. 17.04.2012, 9 U 61/11, zit. nach juris).
Ein Verstoß gegen Aufklärungspflichten über Rückvergütungen liegt hier nicht vor. Nach der Rechtsprechung des BGH ist über von einer beratenden Bank vereinnahmte Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen aufzuklären. Aufklärungspflichtige Rückvergütungen sind Provisionen, die aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen oder Verwaltungsgebühren gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt (BGH, Urteil vom 16.10.2012, XI ZR 368/11, Rn. 29 m. w. N.). Vorliegend ist nicht ersichtlich, dass die Vertriebsaufwandsvergütung eine aufklärungspflichtige Rückvergütung im Sinne der Rechtsprechung des BGH darstellte. Die Angaben der Klägerin zu möglichen weiteren Provisionen ist zur Darlegung von Rückvergütungen im Sinne der BGH-Rechtsprechung nicht geeignet. Es liegt kein hinreichender Tatsachenvortrag in Bezug auf an die Emittentin zu entrichtende und hinter dem Rücken der Zedenten an die Beklagte zurückfließende Posten vor.
III.
Ansprüche aus Prospekthaftung im weiteren Sinn hat die Klägerin nicht schlüssig begründet.
Es ist bereits unklar, auf welchen Prospekt sich die Ausführungen auf S. 104 ff. der Klagschrift beziehen. Kurzexposés fallen nicht unter den Prospektbegriff (Siol, in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, Bd. I, 4. Aufl., § 45 Rn. 49). Dass sich die Ausführungen der Klägerin auf den Basisprospekt beziehen, lässt sich seinem Vortrag nicht entnehmen. Es ist nicht nachvollziehbar, an welcher Stelle des Basisprospekts ein Rating für die Emittentin mit €A1/A+/A+€ (s. S. 105 der Klagschrift) dargestellt worden sein sollte, denn auf S. F-5 und F 63 der deutschen Fassung des Basisprospekts steht ein deutlicher Hinweis auf das fehlende Rating von Lehman Brothers Treasury Co. B.V.
IV.
Auch die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung der Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263 Abs. 1, 3 Nr. 1 und 2 StGB sind nicht schlüssig vorgetragen.
Eine vorsätzliche Täuschung über die eigene Kompetenz bzw. Inkompetenz sowie eine Beratung im alleinigen Anlegerinteresse ist nicht hinreichend dargelegt. Insoweit fehlt es bereits an einem hinreichend substantiierten Vortrag der Klägerin, da diese sich in ihrem diesbezüglichen Vortrag auf das Handeln €des Beraters€ bezieht, ohne auf den konkret im Streit stehenden Sachverhalt einzugehen.
V.
Aus den vorstehend genannten Gründen ist auch eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB) nicht schlüssig dargelegt.
VI.
Die Voraussetzungen für einen Rücktritt nach § 313 Abs. 3 BGB liegen nicht vor. Eine Störung der Geschäftsgrundlage ist nicht nachvollziehbar dargelegt.
VII.
Der von der Klägerin erklärte Widerruf greift nicht durch. Ein Recht nach § 312d Abs. 1 Satz 1, § 355 BGB zum Widerruf der auf Abschluss des Kaufvertrages als möglichem Fernabsatzvertrag gerichteten Willenserklärung besteht nicht, weil Gegenstand des Vertrages die Verschaffung von Finanzdienstleistungen gewesen sei, deren "Preis" innerhalb der Widerrufsfrist - dem Einfluss der Beklagten entzogen - Schwankungen unterlegen habe. Dabei kommt es nicht darauf an, wann das Zertifikat an der Börse notiert. Ausreichend ist nach der Systematik, dem Sinn und Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB, dass es den Anspruch des Inhabers gegen den Emittenten auf Zahlung eines vom Stand der zugrundeliegenden Basiswerte (oder Underlyings) abhängigen Geldbetrages verbrieft (vgl.BGH, Urteil v. 27. September 2011, XI ZR 182/10, BGHZ 191, 119 Rn. 26 mwN) und seine Werthaltigkeit bereits bei Erwerb an die Entwicklung der in Bezug genommenen Indizes geknüpft ist. "Preis" im Sinne des § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB ist nicht nur das Entgelt für ein Finanzprodukt, sondern auch ein wertbestimmendes Underlying.
Nach alledem war die Klage, auch hinsichtlich der Nebenforderungen, abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 ZPO.
<Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Berichtigungsbeschluss vom 8. August 2013 wurde in den Text der Entscheidung eingearbeitet.>
LG Hamburg:
Urteil v. 04.07.2013
Az: 330 O 4/12
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/69159240af7b/LG-Hamburg_Urteil_vom_4-Juli-2013_Az_330-O-4-12